TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/30 94/10/0035

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Veröffentlicht am 30.01.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
VStG §11;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §44a Z1;
VStG §55;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des F in Z, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. April 1993, Zl. 1374/6, betreffend Übertretung des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe sowie hinsichtlich der diesbezüglichen Verfahrenskostenentscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (BH) vom 9. Juli 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 2. August 1989 zwischen 7.00 und 17.00 Uhr mit 29 Stück Vieh (Kälber, Rinder und Kühe) auf Gp. 701/1 der KG R, am 9. August 1989 gegen 14.00 Uhr mit 28 Stück Vieh (davon 16 Stück Jungvieh) auf Gp. 701/1 der KG R, am 12. Juni 1990 gegen 9.30 Uhr mit 4 Kälbern auf Gp. 701/1 der KG R, am 21. Juni 1990 gegen 9.00 Uhr mit 10 Kälbern auf Gp. 701/1 der KG R und am 7. Juni 1990 gegen 9.00 Uhr mit 7 Kälbern auf Gp. 701/1 und 704 der KG R auf den Schonungsflächen im Bereich der "K-Alpe" entgegen den Bestimmungen des § 37 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) die Waldweide ausgeübt. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG begangen. Es wurde eine Primärfreiheitsstrafe in der Dauer von 4 Wochen verhängt.

Der Beschwerdeführer berief und brachte vor, das Straferkenntnis weise kein Datum auf.

Mit Bescheid vom 10. August 1990 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab.

Mit hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1993, Zlen. 91/10/0063, 0064, wurde u.a. diese Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 28. April 1993 der Berufung des Beschwerdeführers insoweit Folge, als das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich des gegen den Beschwerdeführer erhobenen Schuldvorwurfes, er habe am 2. August 1989 und am 9. August 1989 auf den Schonungsflächen im Bereich der "K-Alpe" entgegen den Bestimmungen des § 37 Abs. 3 ForstG die Waldweide ausgeübt, gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG eingestellt wurde.

Hinsichtlich des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Vorwurfs, er habe am 12. Juni 1990, am 21. Juni 1990 und am 7. Juni 1990 auf den Schonungsflächen im Bereich der "K-Alpe" entgegen den Bestimmungen des § 37 Abs. 3 ForstG die Waldweide ausgeübt, wurde der Berufung insoweit Folge gegeben, als die verhängte Freiheitsstrafe auf 10 Tage herabgesetzt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die "K-Alpe" weise insgesamt eine Fläche von ca. 214 ha auf. Diese Fläche teile sich auf in die Grundstücke Nr. 701/1, 701/5, 701/10 und 704. Zudem verlaufe durch das Grundstück Nr. 701/1 der Grenzverlauf der Nutzungsteilung, wonach der nördliche Bereich dem Beschwerdeführer sowie seinen Geschwistern, hingegen der südliche Bereich der Agrargemeinschaft S zur Nutzung zugewiesen sei. Diese Nutzungsteilung sei in der Natur durch eine Steinmauer gegeben, sodaß eine Beweidung im südlichen Bereich durch Vieh des Beschwerdeführers nicht möglich sei. Der Vorwurf einer Beweidung des Grundstückes Nr. 701 der KG R entsprechend dem Spruch der belangten Behörde sei somit ohnehin unzutreffend. Im erstinstanzlichen Verfahren sei ein Gutachten hinsichtlich der Aufforstungsflächen samt einer Plandarstellung ausgearbeitet worden. Bereits dieser Plandarstellung sei zu entnehmen, daß das Grundstück Nr. 701/1 erhebliche Flächen außerhalb der gekennzeichneten Teilflächen darstelle und umgekehrt im Befund aufgenommene Aufforstungsflächen außerhalb des Grundstückes Nr. 701/1 und 704 lägen. Mit der Angabe, daß eine Beweidung auf dem Grundstück Nr. 701/1 oder 704 erfolgt sei, sei in keiner Weise dargelegt, daß diese Beweidung auf Schonungsflächen und insbesondere auf welchen Schonungsflächen erfolgt sei. Der Tatort sei sohin derart unzureichend umschrieben, daß der Beschwerdeführer gar nicht in der Lage gewesen sei, auf einen konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten. Das im erstinstanzlichen Verfahren aufgenommene Gutachten belege eindeutig, daß die verschiedenen Weideflächen zu beschreiben wären. Eine derartige Tatortumschreibung sei jedoch nicht erfolgt.

Zu einer allfälligen Ermittlung des Verschuldensgrades hätte im erstinstanzlichen Verfahren von Amts wegen erhoben werden müssen, ob für die Schonungsflächen eine Abzäunung vorgesehen sei und wer diesfalls für die Erhaltung eines derartigen Zaunes zuständig sei.

Die belangte Behörde bleibe jegliche Ausführung darüber schuldig, welche Schuldform angenommen werde. Eine derartige Begründung wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil im erstinstanzlichen Straferkenntnis als Schuldform Vorsatz angenommen werde, diese Schuldform aber in keiner Weise begründet und im Zusammenhang mit der Beweidung von Waldflächen in unmittelbarer Nähe von reinen Weideflächen nicht anzunehmen sei. Unzulänglich sei auch die Begründung der belangten Behörde, wenn sie von einer Bedachtnahme auf die bereits zahlreichen einschlägigen Verwaltungsstrafvormerkungen spreche, ohne daß aus der Begründung oder aus dem Akt nähere Einzelheiten dazu entnommen werden könnten, inwiefern diese Vorstrafen zur Begründung einer Primärfreiheitsstrafe herangezogen werden könnten, insbesondere ob es sich dabei um solche handle, die nach § 55 VStG bei der Strafbemessung noch Berücksichtigung finden dürften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer die Waldweide entgegen § 37 Abs. 3 auf Schonungsflächen betreibt oder die Weidetiere von solchen Flächen nicht fernhält. Diese Übertretung ist mit einer Geldstrafe bis zu 100.000 S oder mit Arrest bis zu 4 Wochen zu bestrafen.

Nach § 37 Abs. 3 ForstG darf in zur Verjüngung bestimmten Waldteilen, in denen das Weidevieh die bereits bestehende oder erst heranzuziehende Verjüngung schädigen könnte (Schonungsflächen), die Waldweide nicht ausgeübt werden. Die Weidetiere sind von den Schonungsflächen fernzuhalten.

Die BH hat sich in der Begründung ihres Straferkenntnisses vom 9. Juli 1990 auf die Anzeigen der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie der Bezirksforstinspektion Zillertal gestützt. Aus diesen Anzeigen geht hervor, daß das Vieh des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt in den Aufforstungsflächen im Bereich der K-Alpe weidete.

Die BH hat in der Begründung ihres Straferkenntnisses, gestützt auf ein Gutachten eines forsttechnischen Amtssachverständigen der Landesforstdirektion und die auf die Tatzeitpunkte bezogene Ergänzung dieses Gutachtens durch den forsttechnischen Amtssachverständigen der Bezirksforstinspektion Zillertal festgestellt, daß die gesamte Aufforstung auf der K-Alpe als Schonungsfläche anzusehen ist. Der Beschwerdeführer ist diesen nicht als unschlüssig zu erkennenden Ausführungen nicht entgegengetreten. Somit steht fest, daß das Vieh zu den Tatzeitpunkten im Aufforstungsbereich und, da es sich bei diesem Aufforstungsbereich um Schonungsflächen handelte, in Schonungsflächen weidete.

Abgesehen davon, daß von einer Beweidung im südlichen Bereich der Parzelle 701/1 im angefochtenen Bescheid ohnedies nicht die Rede ist, stellt das diesbezügliche Beschwerdevorbringen eine nach § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung dar.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Tatortumschreibung ausreichend konkretisiert.

Nach § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch NUR NACH DIESEN Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z. 1 VStG genügt oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. N.F. 11894/A).

Diesen Anforderungen wird die Tatortumschreibung des angefochtenen Bescheides gerecht. Zunächst ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß ihm im angefochtenen Bescheid nicht eine Beweidung der Parzellen 701/1, 701/5, 701/10 und 704 der KG R vorgeworfen wurde, sondern lediglich eine solche der Parzellen 701/1 bzw. 704. Warum der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sein sollte, ein auf den Vorwurf der Beweidung der Schonungsflächen auf den Parzellen 701/1 und 704 der KG R bezogenes Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren zu erstatten, bleibt unerfindlich. Auch die Gefahr einer Doppelbestrafung besteht für den Beschwerdeführer nicht. Durch die alle Schonungsflächen der Parzellen 701/1 und 704 umfassende Tatortumschreibung wird für die Tatzeit jegliche vom Beschwerdeführer zu vertretende Beweidung dieser Flächen erfaßt. Einer neuerlichen Bestrafung wegen einer Beweidung auf irgendeinem Punkt dieser Flächen zur selben Tatzeit stünde die bereits erfolgte Bestrafung entgegen.

Hingegen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht, wenn er der belangten Behörde eine unzureichende Begründung für das Strafausmaß vorwirft.

§ 174 Abs. 1 letzter Satz Z. 1 ForstG sieht für die im § 174 Abs. 1 lit. a leg. cit. enthaltenen Verwaltungsübertretungen entweder eine Geldstrafe bis zu 100.000 S oder Arrest bis zu 4 Wochen vor.

Nach § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.

Nach § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Zur Strafbemessung hat die belangte Behörde lediglich ausgeführt, unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 19 VStG - insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die bereits zahlreichen einschlägigen Verwaltungsstrafvormerkungen des Beschwerdeführers, erscheine eine Herabsetzung auf das im Spruch des Bescheides angeführte Strafausmaß von 10 Tagen Primärarrest gerechtfertigt und müsse dieses Strafausmaß als ausreichend angesehen werden, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen hinkünftig abzuhalten.

Die belangte Behörde erwähnt zwar § 19 VStG, ihre Begründung läßt aber konkrete, nachvollziehbare Feststellungen zu den in dieser Bestimmung genannten strafbestimmenden Umständen vermissen. Was die einschlägigen Vorstrafen betrifft, ist im angefochtenen Bescheid lediglich von einer Vielzahl solcher Vorstrafen die Rede, ohne daß aus der Begründung oder aus dem Akt nähere Einzelheiten dazu entnommen werden könnten, ob und inwiefern diese Vorstrafen zur Begründung einer Primärfreiheitsstrafe herangezogen werden können, insbesondere ob es sich um solche handelt, die nach § 55 VStG bei der Strafbemessung noch Berücksichtigung finden dürfen. Die Verhängung einer Primärfreiheitsstrafe bedarf einer eingehenden und sorgfältigen Begründung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 1993, Zlen. 93/10/0086, 0089, 0090). Diesem Erfordernis wird die von der belangten Behörde gegebene Begründung nicht gerecht.

Die Beschwerde war aus den dargestellten Erwägungen, soweit sie sich gegen die Bestrafung wegen Übertretung des § 174 ABs. 1 lit. a Z. 15 ForstG richtet, hinsichtlich des Schuldspruches unbegründet und daher abzuweisen. Die wegen dieser Übertretung verhängte Strafe war jedoch ebenso wie der diesbezügliche Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. d VwGG aufzuheben.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Erschwerende und mildernde Umstände Vorstrafen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994100035.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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