TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/31 93/08/0150

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Veröffentlicht am 31.01.1995
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs1 Z11;
ASVG §4 Abs1 Z2;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §8 Abs1 Z3 lith;
ASVG §8 Abs1 Z3 liti;
ASVGNov 49te;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, Wien X, Wienerbergstraße 15-19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 13. Mai 1993, Zl. 120.453/8-7/93, betreffend Vollversicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 52 mitbeteiligte Parteien (physische Personen), 53. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter,

54.

Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten,

55.

Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 56. P. KG, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit 52 (jeweils einen der unter 1 bis 52 genannten Mitbeteiligten betreffenden) Bescheiden vom 27. Mai 1991 stellte die Beschwerdeführerin fest, daß der (die) betroffene Mitbeteiligte auf Grund seiner (ihrer) Beschäftigung als "Ferialpraktikant" bei der P. KG - Hotel - in näher angeführten Zeiträumen in den Sommermonaten des Jahres 1988 oder 1989 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei.

Den dagegen von der P. KG erhobenen Einsprüchen gab der Landeshauptmann von Wien mit 52 Bescheiden vom 3. April 1992 statt, hob die bekämpften Bescheide auf und stellte fest, daß der (die) jeweils betroffene Mitbeteiligte im angeführten Zeitraum in keinem die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den von der Beschwerdeführerin gegen die Einspruchsbescheide erhobenen Berufungen keine Folge und stellte fest, daß die in der Anlage A des Bescheides, die einen Bestandteil des Spruches darstelle, angeführten Personen (das sind die unter 1 bis 52 angeführten Mitbeteiligten) in den dort jeweils angeführten Zeiträumen auf Grund ihrer Beschäftigung als Ferialpraktikanten im Hotel nicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG vollversichert, sondern lediglich gemäß § 8 Abs. 3 lit. h ASVG in der Unfallversicherung teilpflichtversichert gewesen seien.

In der Bescheidbegründung wird nach zusammenfassender Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens, nach Zitierung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und nach Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den unterscheidungskräftigen Kriterien eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 Abs. 2 ASVG im allgemeinen und des Beschäftigungsverhältnisses eines Ferialpraktikanten im besonderen ausgeführt:

"Der Sachverhalt ergibt sich im wesentlichen aus den zwischen den einzelnen Praktikanten/-innen und deren Erziehungsberechtigten sowie dem Hotel abgeschlossenen Praktikantenverträgen, weiters aus dem Akt der (Beschwerdeführerin) und dem Akt der Wiener Landesregierung, sowie aus den im fortgesetzen Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit einigen der Ferialpraktikanten/-innen vor (der belangten Behörde), sowie aus einigen von Ferialpraktikanten/-innen aus den Bundesländern an (die belangte Behörde) gerichteten Schreiben betreffend deren Ferialpraxis im Hotel.

Die zwischen dem Hotel und den Praktikanten/-innen und deren gesetzlichen Vertretern abgeschlossenen Praktikantenverträge beinhalten, daß es sich bei dem Ferialpraktikum um jenes handle, das im Lehrplan der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe, BGBl. Nr. 518/1982, verpflichtend vorgeschrieben ist.

Die im Spruch des Bescheides genannten Personen waren durchschnittlich drei Monate in diesem Hotel beschäftigt. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug laut Vertrag 40 Stunden. Der Betriebsinhaber verpflichtete sich in diesen Verträgen zur Durchführung des Ferialpraktikums in der im Lehrplan vorgesehenen Weise, es den Schülern zu ermöglichen, möglichst alle Sparten des Großhaushaltes (Service, Büro, usw.) kennen zu lernen. Das mit den Praktikanten/-innen im Hotel vereinbarte Entgelt richtete sich nach dem Kollektivvertrag.

Die Praktikanten/-innen verpflichteten sich in den Verträgen, im Rahmen der Zielsetzungen des Praktikums die ihnen übertragenen, der Ausbildung dienenden Arbeiten durchzuführen, weiters die Betriebs- und Hausordnung sowie die einschlägigen Sicherheits- und sonstigen Vorschriften zu beachten."

Im Anschluß daran werden die Aussagen der im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde vernommenen Mitbeteiligten (angeführt unter: 8, 16, 30, 31, 33, 34, 50) sowie die wesentlichen Inhalte der Schreiben der unter 2, 32 und 52 angeführten Mitbeteiligten an die belangte Behörde wiedergegeben und danach ausgeführt, daß "auf Grund der vorgelegten Unterlagen ... nun folgender Sachverhalt" feststehe:

"Die (P. KG) ist Inhaberin des Hotels.

Das Personal wird in der Weise eingesetzt, daß dem fixen Personal je ein bzw. mehrere Praktikanten/-innen zugeteilt werden.

Die im Spruch des Bescheides genannten Praktikanten/-innen waren Schüler/-innen der höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe und Fremdenverkehrsberufe in Wien, Baden und Krems. Die mit den Praktikanten/-innen bzw. deren gesetzlichen Vertretern abgeschlossenen Praktikantenverträge beziehen sich auf das im Lehrplan von der jeweiligen Schule verpflichtend vorgeschriebene Ferialpraktikum.

Die in der Anlage A dieses Bescheides, die einen Bestandteil des Spruches darstellt, genannten Personen waren durchschnittlich drei Monate in diesem Hotel beschäftigt.

Die wöchentliche Arbeitszeit betrug laut Vertrag 40 Stunden, war an 5 Tagen pro Woche abzuleisten und wurde von seiten des Hotels nach einem Dienstplan für den jeweiligen Bereich erstellt. Das monatliche Entgelt betrug ungefähr S 3.900,--.

Die tatsächlich geleistete tägliche Arbeitszeit überschritt das vereinbarte Ausmaß nicht. Die Praktikanten/-innen hatten KEINE Überstunden zu leisten ...

Von seiten des Hotels wurden 2 FREIE TAGE pro Woche gewährt, wobei diesbezüglich AUCH WÜNSCHE DER

PRAKTIKANTEN/-INNEN BERÜCKSICHTIGT WURDEN.

Die Praktikanten/-innen verrichteten ausschließlich qualifizierte Arbeiten und KEINE reinen Hilfsarbeiten niederer Art...

Die Arbeitseinteilung war zu Beginn der Ferialpraxis bereits fix bestimmt. Den Praktikanten/-innen wurde jedoch BEIM

EINSTELLUNGSGESPRÄCH DIE MÖGLICHKEIT GEGEBEN, EINEN WUNSCH

VORZUBRINGEN, IN WELCHEN BEREICHEN SIE EINGESETZT WERDEN

MÖCHTEN ...

Es bestand persönliche Arbeitspflicht, die Arbeitseinteilung erfolgte durch den Personaldirektor Meduna. An diese Einteilung hatten sich die Praktikanten/-innen zu halten ...

Die Praktikanten/-innen übten ihre Tätigkeiten jeweils in der Küche, im Housekeeping, im Büro und in der Rezeption aus. Die Entscheidung, wie lange ein Praktikant/-in im jeweiligen Bereich tätig zu werden hat, wurde vom Personaldirektor Meduna getroffen.

Die Praktikanten/-innen waren an die Weisungen der jeweiligen Bereichsverantwortlichen und des Supervisors (= eine Art Aufsicht) gebunden. Die Einhaltung der Weisungen wurde durch die Personen, die sie erteilt hatten, auch kontrolliert.

Aus den Aussagen sämtlicher Praktikanten/-innen ist ersichtlich, daß über eine generelle Vertretungsmöglichkeit bei der Arbeitsausführung nie gesprochen wurde. Es war für die Praktikanten/-innen vielmehr selbstverständlich, die ihnen aufgetragenen Arbeiten selbst ordnungsgemäß auszuführen.

Die Hotelleitung konnte aufgrund des Vertrages damit rechnen, daß die Praktikanten/-innen im vereinbarten Ausmaß ihre Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellen.

Die Praktikanten/-innen waren allerdings NUR mit qualifizierten Arbeiten beschäftigt, wie es dem Ausbildungsziel entsprach. Reine Hilfsarbeiten mußten sie keine verrichten. Die Anwesenheit der Praktikanten/-innen im Hotel wurde zwar kontrolliert, aber über ein "zu spät kommen an manchen Tagen" wurde hinweggesehen ...

Es bestand die Möglichkeit, beim Vorstellungsgespräch Wünsche nach Interessenslage zu äußern, wo ein Praktikant eingeteilt werden wollte ... Diese Wünsche wurden bei der Einteilung berücksichtigt. (Die zweitmitbeteiligte Partei) hob die Möglichkeit, in einer "Job-rotation" zu arbeiten, als besonders dem Ausbildungsziel entsprechend hervor.

Überstunden mußten von den Praktikanten/-innen KEINE gleistet werden."

Zur Beweiswürdigung - so heißt es weiter - sei noch grundsätzlich festzuhalten, daß den Aussagen der Praktikanten/-innen insofern große Glaubwürdigkeit zukomme, als diese an der Sache kein bzw. nur ein sehr geringes Interesse hätten. Der aus einer Bejahung der Versicherungspflicht folgende Erwerb von bis zu drei Versicherungsmonaten sei für diese sehr junge Personengruppe nicht von großem Interesse. Zum anderen sei bezüglich sämtlicher Aussagen der Praktikanten/-innen hervorzuheben, daß sie die Ferialpraxis im Hotel als sehr interessant und lehrreich empfunden hätten und die Hotelleitung sich besonders bemüht habe, daß die Praktikanten/-innen möglichst viel lernten. Auch seien sie ihren Aussagen nach nicht ausgenützt worden, weder betreffend die Arbeitszeit noch die Arbeitsleistung.

Diesen Sachverhalt beurteilte die belangte Behörde - nach Wiedergabe von Teilen der rechtlichen Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1990, Zl. 88/08/0269, VwSlg. 13.336/A - dahin, daß bei Betrachtung des dargestellten Gesamtbildes der Beschäftigung der Praktikanten/-innen im Hotel bei ihrer Tätigkeit der Ausbildungszweck im Sinne der Ausführungen im eben genannten Erkenntnis im Vordergrund und die betrieblichen Erfordernisse im Hintergrund gestanden seien. Die belangte Behörde verkenne nicht, daß die von den Schülern/-innen erbrachte Tätigkeit auch betrieblichen Erfordernissen gerecht geworden sei und das Motiv für die Aufnahme der Praktikanten/-innen durch die Hotelleitung neben der Ausbildung auch die Urlaubsvertretung von fixem Personal gewesen sei. Trotzdem sei von seiten der Hotelleitung auf eine weitreichende fundierte Ausbildung Wert gelegt und bei der Einteilung auf die Interessen der Praktikanten/-innen Bedacht genommen worden. Sie seien zu keinen Überstundenleistungen herangezogen worden und hätten auch keine ausbildungsfremden Tätigkeiten und keine reinen Hilfsarbeiten einfacher Art verrichten müssen. Sie hätten vielmehr die Möglichkeit erhalten, zahlreiche Teilbereiche eines großen Hotelbetriebes kennenzulernen. Somit ergebe sich insgesamt das Bild, daß sie nicht in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt gewesen seien. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Ferialpraktikanten/-innen hätten die gleichen Arbeiten wie die im Urlaub befindlichen Dienstnehmer zu verrichten gehabt, sei auf die getroffenen Feststellungen zu verweisen, wonach bei ihrer Tätigkeit zwar auch betriebliche Erfordernisse berücksichtigt worden seien, aber die Gewährung einer fundierten Ausbildung im Vordergrund gestanden sei. Zur Untermauerung der Bedeutung des Ausbildungszweckes sei abschließend noch die Aussage des unter 34 genannten Mitbeteiligten zu zitieren, wonach seinen Wünschen, in andere Bereiche des Front-Office "hineinzuschnuppern", vollstens entsprochen worden sei und sich das Hotel bemüht habe, eine fundierte Ausbildung zu bieten. Zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung sei es in den gegenständlichen Fällen nicht gekommen, zumal die Praktikanten/-innen bestrebt gewesen seien, ihre Praxis zur Zufriedenheit der Hotelleitung zu absolvieren, um ein gutes Zeugnis zu erhalten. Es sei somit (in bezug auf die unter 1 bis 52 genannten Mitbeteiligten) eine Ferialpraxis im Sinne der zitierten Judkikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorgelegen. Sie sei während der gegenständlichen Zeiträume nicht von der Vollversicherung nach dem ASVG, wohl aber von der Teilversicherung in der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. h ASVG erfaßt gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete aber keine Gegenschrift. Die mitbeteiligte P. KG beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Die übrigen Mitbeteiligten nahmen von der Erstattung von Gegenschriften Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ein, es ergebe sich aus den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen, daß die Ferialpraktikanten - ungeachtet des Ausbildungszweckes - in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit beschäftigt gewesen seien. Nach dem Gesamtbild ihrer Beschäftigung sei nämlich ihre Bestimmungsfreiheit nicht nur weitgehend, sondern fast völlig ausgeschaltet gewesen: Sie hätten über ihre Arbeitszeit nicht frei verfügen können, der Arbeitsbereich und der Arbeitsablauf sei ihnen von der P. KG als Dienstgeberin vorgegeben gewesen; weiters seien sie - zumindest stichprobenweise - kontrolliert worden und seien daher der stillen Autorität der P. KG als Dienstgeberin unterworfen gewesen. Darüber hinaus hätten sie auch Arbeiten verrichten müssen (wie z.B. Koffertragen), die mit einem Ausbildungsziel als Hotelfachkraft zweifelsfrei nichts zu tun gehabt hätten. In gewisser Weise seien sie auch als Urlaubsvertretung für das Stammpersonal vorgesehen und dementsprechend eingesetzt worden. Damit hätten die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit jedenfalls überwogen. Die Tätigkeit der Ferialpraktikanten habe sich primär am betrieblichen Zweck und den Erfordernissen der P. KG als Dienstgeberin orientiert: Sie habe die jeweilige Diensteinteilung - unter anderem auch im Hinblick auf die Funktion der Ferialpraktikanten als Urlaubsvertretung - vollinhaltlich vorgegeben; eine Bestimmungsfreiheit der Praktikanten, welchen Tätigkeiten sie sich im eigenen Interesse zuwenden wollten, habe grundsätzlich nicht bestanden. Sie hätten auch die ihnen vorgegebenen Arbeitsabläufe in keiner Weise beeinflussen können. Bei richtiger Anwendung des § 4 Abs. 2 ASVG hätte die belangte Behörde daher die Dienstnehmereigenschaft der mitbeteiligten Ferialpraktikanten feststellen müssen.

Diesen Einwendungen kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu:

Nach den oben wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde verpflichteten sich die mitbeteiligten Ferialpraktikanten (die nach den Feststellungen Schüler/-innen der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe und Fremdenverkehrsberufe in Wien, Baden und Krems, also von Schulen nach den §§ 76 ff des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962 in der Fassung der Novellen BGBl. Nr. 323/1975, 371/986 und 335/1987, waren) in den Praktikantenverträgen, im Rahmen der Zielsetzungen des - im Lehrplan der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe, BGBl. Nr. 518/1982 (richtig: der Anlage D der Verordnung BGBl. Nr. 154/1963 in der Fassung der Verordnungen BGBl. Nr. 359/1979, 518/1982 und 485/1989) - verpflichtend vorgeschriebenen Praktikums, die ihnen übertragenen, der Ausbildung dienenden Arbeiten durchzuführen. Sie übten ihre Tätigkeiten jeweils in der Küche, im Housekeeping, im Büro und in der Rezeption aus. (Dies ist - unter Bedachtnahme auf die Ermittlungsergebnisse - nicht so zu verstehen, daß jeder der mitbeteiligten Ferialpraktikanten seine Tätigkeit in jedem der angeführten Bereiche ausübte;

viele der mitbeteiligten Ferialpraktikanten waren vielmehr nur in einem Bereich tätig). Es bestand persönliche Arbeitpflicht;

die Praktikanten hatten sich an die bereits zu Beginn des Praktikums (unter ihrer möglichen Mitwirkung) vom Personaldirektor der P. KG fix bestimmte Arbeitseinteilung zu halten; die wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden und war an 5 Tagen pro Woche - nach einem von seiten des Hotels für den jeweiligen Bereich erstellten Dienstplan - abzuleisten, wobei freilich über ein "Zuspätkommen an manchen Tagen" hinweggesehen wurde; sie waren an Weisungen der jeweiligen Bereichsverantwortlichen und des Supervisors (einer Art Aufsicht) gebunden; die Einhaltung der Weisungen wurde durch die Personen, die sie erteilt hatten, auch kontrolliert; die Hotelleitung konnte auf Grund des Vertrages (gemeint: der Verträge) damit rechnen, daß die Praktikanten/-innen im vereinbarten Ausmaß ihre Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellten.

Wenn die belangte Behörde meint, es ergebe sich bei der Betrachtung dieses Gesamtbildes der Beschäftigung der mitbeteiligten Ferialpraktikanten im Hotel, daß bei ihrer Tätigkeit der Ausbildungszweck im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, VwSlg. 13.336/A, im Vordergrund und die betrieblichen Erfordernisse im Hintergrund gestanden seien (weil von seiten der Hotelleitung auf eine weitreichende, fundierte Ausbildung Wert gelegt und bei der Einteilung auf die Interessen der Praktikanten/-innen Bedacht genommen worden sei, weil sie zu keinen Überstundenleistungen herangezogen worden seien und sie auch keine ausbildungsfremden Tätigkeiten und keine reinen Hilfsarbeiten einfacher Art hätten verrichten müssen, sondern vielmehr die Möglichkeit erhalten hätten, zahlreiche Teilbereiche eines großen Hotelbetriebes kennenzulernen) und deshalb die Merkmale persönlicher Unabhängigkeit gegenüber jenen persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG überwogen hätten, so mißversteht sie die Ausführungen im genannten Erkenntnis:

Denn danach hängt auch die Frage, ob bei der Beschäftigung eines in den Ferien zum Zwecke der nach den schulrechtlichen Bestimmungen vorgeschriebenen Ausbildung in einem Betrieb beschäftigten Schülers (also eines ein Pflichtpraktikum ableistenden Ferialpraktikanten) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwogen haben und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben war, - grundsätzlich ebenso wie bei jedem Beschäftigten - davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden tatsächlichen (und nicht bloß vereinbarten) Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung in zeitlicher, örtlicher und vor allem in inhaltlicher Hinsicht weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt war.

Da bei einem sein Pflichtpraktikum ableistenden Ferialpraktikanten dann, wenn es ihm nur um die schulrechtlich geforderte Absolvierung dieses Praktikums geht, dieser Zweck ("Ausbildungszweck") im Vordergrund steht, mußte sich der Gerichtshof im zitierten Vorerkenntnis im Anschluß an die Darlegung der allgemeinen Grundsätze über die unterscheidungskräftigen Kriterien persönlicher Abhängigkeit mit der Bedeutung dieses "Ausbildungszweckes" im Rahmen dieser unterscheidungskräftigen Kriterien befassen. Dabei wurde zunächst - unter Hinweis auf die arbeitsrechtliche Judikatur und Lehre zur Dienstnehmereigenschaft eines Ferialpraktikanten im Sinne des § 1151 ABGB (vgl. überdies Lintner, Das Pflichtpraktikum im Arbeitsrecht, RdS 1983, 79, sowie Berger-Fida-Gruber, Berufsausbildungsgesetz, Manz 1994, Erl. 8 und 11 zu § 1) - betont, daß der bei einer Beschäftigung als "Ferialpraktikant" im Vordergrund stehende Ausbildungszweck (im Sinne des Motivs der Tätigkeit) für sich allein genommen nicht die Bedeutung hat, daß schon deshalb das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 Abs. 2 ASVG unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Abhängigkeit verneint werden müßte. Als ausschlaggebend "dafür" (das heißt für die Bejahung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Unabhängigkeit gegenüber jenen persönlicher Abhängigkeit) erachtete der Gerichtshof vielmehr, daß die konkrete Beschäftigung nach der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung auch objektiv (der inhaltlichen Gestaltung nach) in erster Linie - im Interesse des Auszubildenden (sich entsprechend den für ihn geltenden schulrechtlichen Ausbildungsvorschriften praktische Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen) - von diesem Ausbildungszweck bestimmt (geprägt) und nicht - im Interesse des Betriebsinhabers an Arbeitsleistungen für seinen Betrieb - primär an betrieblichen Zwecken und Erfordernissen orientiert ist, und zwar, wie sich aus den folgenden Ausführungen eindeutig ergibt, derart, daß zufolge dieser inhaltlichen Gestaltung die Bestimmungsfreiheit des Ferialpraktikanten gegenüber dem Betriebsinhaber während dieser Beschäftigung und durch sie in zeitlicher, örtlicher und vor allem in inhaltlicher Hinsicht nicht weitgehend ausgeschaltet, sondern nur beschränkt ist. Dafür führte der Gerichtshof beispielhaft einige Kriterien an und fügte ihnen hinzu, daß dann, wenn sich die zu beurteilende Beschäftigung ihrem äußeren Erscheinungsbild nach nicht von den Beschäftigungen der nicht zu Ausbildungszwecken im Betrieb tätigen Personen unterscheidet und anhand der beispielhaft angeführten Indizien eine eindeutige Zuordnung (im obgenannten Sinn des Überwiegens der Merkmale persönlicher Unabhängigkeit) unmöglich ist, im Zweifel ein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen ist.

Unter Zugrundelegung dieses so zu verstehenden Vorerkenntnisses war aber die Bestimmungsfreiheit der in der festgestellten Art beschäftigten mitbeteiligten Ferialpraktikanten in zeitlicher, örtlicher und vor allem auch in inhaltlicher Hinsicht während der und durch die Beschäftigung - ungeachtet des mit dem Praktikum verfolgten Zweckes - weitgehend ausgeschaltet, weil sie, sofern einmal (wenn auch unter ihrer möglichen Mitwirkung) die Arbeitseinteilung (für den jeweiligen Betriebsbereich bzw. die jeweiligen Betriebsbereiche) erfolgt war, ihre Beschäftigung nicht mehr in zeitlicher, örtlicher und vor allem in inhaltlicher Hinsicht (in bezug auf Arbeitsinhalt, Arbeitsverfahren und arbeitsbezogenes Verhalten) - wenn auch unter Bedachtnahme auf das Ausbildungsziel und die betrieblichen Erfordernisse, so doch, zumindest in der im Vorerkenntnis beispielhaft angeführten Art - selbst bestimmen konnten. So bestand für sie keine Möglichkeit, sich nach ihren Interessen oder den Ausbildungsanforderungen bei einzelnen Tätigkeiten - spontan, wenn auch unter gebührender Beachtung der betrieblichen Erfordernisse - länger, als dies unter dem Gesichtspunkt dieser Erfordernisse nötig war, aufzuhalten. Dies wäre auch schwer möglich gewesen, weil, wie die belangte Behörde festgestellt hat, ein Motiv für die Aufnahme der Ferialpraktikanten "auch die Urlaubsvertretung von fixem Personal war". Auch verfügten sie bei der zeitlichen Gestaltung ihrer Anwesenheit im Betrieb nicht über wirklich größere Freiheiten, als dies bei der sonst in der Regel gegebenen Arbeitszeitbindung eines Beschäftigten im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG der Fall ist. Das "Hinwegsehen" über ein "zu spät kommen an manchen Tagen" (von dem im übrigen nur ein mitbeteiligter Ferialpraktikant gesprochen hat) änderte an der grundsätzlich strikt (nach den Ermittlungsergebnissen unter Verwendung einer Stechuhr) kontrollierten zeitlichen Bindung nichts, sondern unterstrich sie nur.

Gegenüber diesen für die weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit der mitbeteiligten Ferialpraktikanten gewichtigen Momenten treten die von der belangten Behörde (zum Teil durch Unterstreichungen) hervorgehobenen Umstände in den Hintergrund:

Daß die Ferialpraktikanten keine Überstunden leisten mußten und auch nicht leisteten, ist zwar - nach dem Vorerkenntnis - insofern von Bedeutung, als eine gegenteilige Verpflichtung oder tatsächliche Leistung schon an sich ein gewichtiges Indiz dafür gewesen wäre, daß ihre Beschäftigung nicht vom Ausbildungszweck geprägt war und daher ohne seine Mitberücksichtigung nach § 4 Abs. 2 ASVG zu beurteilen gewesen wäre. Die fehlende Verpflichtung zu bzw. die Nichtleistung von Überstunden hatte aber - ebenso wie die festgestellte Berücksichtigung von Wünschen der Ferialpraktikanten bei der zeitlichen Lagerung der "2 freien Tage pro Woche" - keinen Einfluß auf die zeitliche Gestaltbarkeit der Beschäftigung in der Normalarbeitszeit. Von einer "Gewährung" von "2 freien Tagen pro Woche" kann im übrigen angesichts der festgestellten Vereinbarung einer 5-Tage-Woche nicht die Rede sein. Die mögliche Mitwirkung der Ferialpraktikanten bei der schon zu Beginn erfolgten Bereichsbestimmung änderte nichts an der fehlenden inhaltlichen Gestaltbarkeit der Beschäftigung im (in den) einmal festgelegten Bereich (Bereichen). Zu der - vor dem Hintergrund des Vorerkenntnises zwar mit Recht vorgenommenen - besonderen Betonung des Umstandes, daß die Ferialpraktikanten "keine reinen Hilfsarbeiten niederer Art" zu verrichten gehabt hätten, ist zu bemerken, daß dies - ähnlich wie die fehlende Verpflichtung zu bzw. die fehlende tatsächliche Leistung von Überstunden - nur insofern von Bedeutung ist, als eine gegenteilige Verpflichtung zu oder die tatsächlich Leistung von nicht dem Ausbildungszweck dienenden Arbeiten in einem zeitlich nicht mehr vernachlässigbarem Ausmaß von vornherein die Annahme eines vom Ausbildungszweck geprägten Beschäftigungsverhältnisses ausschlösse. Der Hinweis schließlich, daß dem Wunsch des unter 34 angeführten Mitbeteiligten, in andere Bereiche des Front-office "hineinzuschnuppern", vollstens entsprochen worden sei, trägt zur maßgeblichen Beurteilung nichts bei; das Gegenteil wäre eher verwunderlich, wenn man bedenkt, daß sich die P. KG nach den Feststellungen - im übrigen entsprechend den Richtlinien für ein Pflichtpraktikum für Schüler einer Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in der Anlage D, Punkt B der obgenannten Verordnung in der Fassung BGBl. Nr. 359/1979 - ja verpflichtet hatte, den Schülern zu ermöglichen, möglichst alle Sparten des Großhaushaltes (Service, Büro, usw.) kennenzulernen (nach dem Vertrag zu ergänzen: "wobei ein möglichst vollständiger Einblick in die Organisationsprobleme und -aufgaben des Betriebes zu vermitteln ist") und nicht nur in sie "hineinzuschnuppern".

Den entscheidenden Gesichtspunkt für die Abgrenzung eines in persönlicher Abhängigkeit ausgeübten Praktikums von einem in persönlicher Unabhängigkeit durchgeführten übersieht auch die mitbeteiligte P. KG, wenn sie in der Gegenschrift darauf hinweist, daß die festgestellten zeitlichen, örtlichen und inhaltlichen Bindungen der mitbeteiligten Ferialpraktikanten für eine den schulrechtlichen Bestimmungen entsprechende Absolvierung des Pflichtpraktikums erforderlich gewesen seien. Sollte dies nämlich so sein, so änderte sich dadurch zwar nichts an der durch diese Bindungen bewirkten weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit der Ferialpraktikanten, hätte aber zur Konsequenz, daß ein solches Praktikum eben nur in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG absolviert werden konnte. Wegen der bestehenden und in der festgestellten Art kontrollierten Verpflichtungen der mitbeteiligten Ferialpraktikanten ist es in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht auch ohne Bedeutung, ob Verstöße der mitbeteiligten Ferialpraktikanten gegen diese Verpflichtungen arbeitsrechtliche Sanktionen ausgelöst hätten. Unzutreffend ist schließlich die Auffassung der mitbeteiligten P. KG, daß dann, wenn "ein Ferialpraktikant tatsächlich schon in den hier zur Entscheidung stehenden Zeiten seiner Tätigkeit in unserem Hotel als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 2 ASVG zu qualifizieren gewesen" wäre, der Gesetzgeber das ASVG nicht in der 49. Novelle, BGBl. Nr. 294/1990, in Richtung der Normierung der Versicherungspflicht für Ferialpraktikanten hätten ändern müssen. Denn danach sind Schüler und Studenten (§ 8 Abs. 1 Z. 3 lit. h und i), die eine im Rahmen des Lehrplanes bzw. der Studienordnung vorgeschriebene oder übliche praktische Tätigkeit ausüben, nur dann nach § 4 Abs. 1 Z. 11 ASVG vollversichert, wenn diese Tätigkeit nicht im Rahmen eines Dienst- oder Lehrverhältnisses ausgeübt wird, d.h. wenn sie nicht auf Grund dieser Tätigkeit schon nach § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 oder nach § 4 Abs. 1 Z. 2 ASVG vollversichert sind. Das heißt, daß die 49. ASVG-Novelle insofern "keine wirkliche Abhilfe bringt" (Andexlinger im Kommentar zum Erkenntnis vom 11. November 1990, VwSlg. Nr. 13.336/A, ZAS 1992, S. 104), als der Gesetzgeber weiterhin davon ausgeht, daß die in § 4 Abs. 1 Z. 11 ASVG genannten Personen u.a. in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG stehen können, aber nicht müssen. Der Gesetzgeber ist daher weder vor noch seit der 49. Novelle davon ausgegangen, daß Ferialpraktikanten an sich nicht in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt seien. Es hat sich nur in der Praxis auch ein Typus des Ferialpraktikanten herausgebildet, dem - bedingt durch den Ausbildungszweck und den bloß vorübergehenden Charakter der Beschäftigung - ein größeres Maß an Freiheit bei der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen zukommt, als dies bei einem "normalen" Dienstverhältnis der Fall ist. Nur deshalb ist bei solchen Beschäftigungsverhältnissen in Zeiträumen vor Inkrafttreten der 49. Novelle zu untersuchen, ob ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG oder ein "echtes" Ferialpraktikantenverhältnis der beschriebenen Art vorliegt. Letzteres wurde nunmehr (mit der 49. Novelle) durch den Gesetzgeber ebenfalls der Vollversicherung unterstellt.

Da die belangte Behörde, schon ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, zu Unrecht die Dienstnehmereigenschaft der mitbeteiligten Ferialpraktikanten verneint hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Einzelne Berufe und Tätigkeiten Diverses Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993080150.X00

Im RIS seit

01.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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