TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/21 94/07/0051

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.1995
beobachten
merken

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

WRG 1959 §60 Abs1;
WRG 1959 §63 litb;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):94/07/0056

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden (zu Zl. 94/07/0051) 1. des T in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in M und (zu Zl. 94/07/0056) 2. der Agrargemeinschaft H, 3.) der E, 4.) der S, 5.) des W K und

6.) der J K, alle in H, sämtliche vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 8. März 1994, Zl. III-a1-6975/26, betreffend Zwangsrechtseinräumung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde T), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- und den übrigen Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (BH) vom 11. Juli 1967 wurde der mitbeteiligten Partei (mP) die wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 41 WRG 1959 und die Bewilligung nach dem Gesetz betreffend Vorkehrung zur unschädlichen Ableitung von Gebirgswässern, RGBl. Nr. 117/1884 (Wildbachverbauungsgesetz), zur Errichtung des Lawinenablenkdammes "Lawine H." unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.

Unter Spruchpunkt I Punkt 3. dieses Bescheides wurde

vorgeschrieben, daß ".... der Damm, wenn möglich bis zum

Talboden bzw. Talweg zu verlängern ist, um hier ein Ausbreiten der Lawine in Richtung Ortsrand zu verhindern."

Im Zuge des wasserrechtlichen Überprüfungsverfahrens wurde schließlich mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol (LH) vom 8. November 1991 der MP "der Auftrag erteilt, den dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustand herzustellen."

Insbesondere wurde dabei beanstandet, daß das talseitige Ende "mit der erteilten Bewilligung" nicht übereinstimme. Hinsichtlich des diesbezüglich beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gemachten Verfahrens wird auf das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1994, Zl. 92/07/0214, mit dem der Bescheid des LH vom 8. Jänner 1991 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben wurde, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Bereits am 17. Oktober 1988 stellte die mP bei der BH einen Antrag auf Bewilligung der Verlängerung des Lawinenablenkdammes. Das Projekt beinhaltet die Verlängerung des bestehenden Lawinenablenkdammes bis zum Talweg; zu seiner Verwirklichung ist die Durchführung wasserrechlich bewilligungspflichtiger Maßnahmen und die Inanspruchnahme von Grundstücken der beschwerdeführenden Parteien erforderlich.

Mit Bescheid vom 29. September 1993 erteilte die BH der mP gemäß den §§ 41, 42, 60 Abs. 1 lit. c, Abs. 2 bis 4, 63 lit. b, 64 ff und 68 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) die wasserrechtliche Bewilligung zur Verlängerung des Lawinenablenkdammes in H. laut Bauprogramm des forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung, Gebietsbauleitung westliches Unterinntal, welches einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildet und signiert ist (Spruchabschhnitt I).

Unter Spruchabschnitt II wurde der mP die entsprechende Bewilligung nach dem Wildbachverbauungsgesetz erteilt.

Unter Spruchabschnitt V wurden gemäß den §§ 63 lit. b, 98, 117 und 118 WRG 1959 iVm den §§ 3 ff des Wildbachverbauungsgesetzes die für das Bauvorhaben, die Errichtung, die Erhaltung und den Betrieb der Anlage notwendigen Dienstbarkeiten auf den Grundstücken 1531, 1576, 1595, 1596, 1997/1, 1600 und 1706/1 der KG T. laut vorliegendem Bauprogramm des forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung, Gebietsbauleitung westliches Unterinntal, eingeräumt.

Spruchabschnitt VI enthält die Entschädigung für die Einräumung von Dienstbarkeiten.

In der Begründung heißt es, der dem Verfahren beigezogene Amtssachverständige für Wildbach- und Lawinenverbauung habe in seinem Gutachten vom 17. Dezember 1990, welches er anläßlich der mündlichen Verhandlungen ergänzt habe, zusammenfassend folgendes ausgeführt:

Das ca. 13 ha große Anbruchsgebiet der Lawine liege im Lee der Hauptwinde aus Nordwest. Es sei daher mit großen Schnee-Einwehungen, auch bei relativ geringen durchschnittlichen Schneehöhen zu rechnen. Daraus resultierten sehr große Schneehöhen und -mengen im Anbruchsgebiet. Die Sturzbahn der Lawine verlaufe zunächst unkanalisiert, werde dann aber nach unten durch eine wenig ausgeprägte, aber eindeutig wirkende Geländeausformung von etwa 400 m Breite am Ende des Anbruchsgebietes auf ca. 200 m Breite eingeschnürt. Der einschnürende und begrenzende rechte Hangrücken in Fließrichtung weise leicht Richtung H. Im mittleren Bereich der Sturzbahn (Seehöhe zwischen 1600 m und 1750 m) sei das Geländerelief sehr unruhig. Verflachungen und Versteilungen wechselten rasterartig. Talabwärts sei die Sturzbahn sehr gleichmäßig und glatt ausgeformt. Das Gelände des flachen Talbodens hänge vom Hauptlawinenstrich leicht Richtung Liegenschaft K. Für den Ablagerungsvorgang der Lawine bedeute dies, daß die möglichen sehr großen Schneemengen des Anbruchsgebietes in der Sturzbahn deutlich eingeschnürt würden und am Talboden eine ideale Ausbreitungsmöglichkeit fänden. Das geringfügig zum Anwesen K. hängende Gelände begünstige die Lawinenausbreitung in diese Richtung. Die Ablagerung der Lawine beginne bereits oberhalb der Straße bei den dort vorhandenen Neigungsverhältnissen von rund 20 %. Mitgeführte Materialien wie Bäume oder große Steine könnten die Ablagerung hangaufwärts begünstigen, ebenso liegenbleibende oder sich infolge der Bremsverzögerung im Auslauf langsam weiterbewegende Lawinenteile. Ein Rückstau hangaufwärts bis zum talabwärtigen Dammende sei ohne weiteres möglich. Regen im Talbereich und zugleich Schneefälle im Anbruchbereich seien im Z.-Tal selten, könnten aber nicht ausgeschlossen werden. Ähnliche Verhältnisse könnten auch durch einen Föhneinbruch hervorgerufen werden. Das bedeute für die Lawinendynamik, daß bereits am talabwärtigen Dammende Lawinenarme abzweigten und sehr weit am fast ebenen Talboden fahren könnten. Ablenkwinkel bis zu 60 Grad würden für möglich gehalten, wodurch die straßenseitige Gebäudefront des Anwesens K. erreicht und gefährdet werden könnte. Jeder Lawinenabgang sei von einer Unzahl von Faktoren abhängig, was bewirke, daß niemals die gleiche Lawine abgehen könne. Die bereits im Vorverfahren getroffene Feststellung, die bestehende Verbauung schütze den Ortsrand von H. gegen Lawinen im Ausmaß jener des Jahres 1962, sei sachlich richtig, wenn man voraussetze, daß sich eine Lawine genauso ablagern werde wie 1962. Dies sei nicht auszuschließen, aber sehr unwahrscheinlich. Durch den Dammbau, bewilligt mit Bescheid der BH im Jahre 1967, habe sich nach der Größe der Gefahr für die Objekte K. eine Verschiebung von groß auf mittel bzw. von roter Zone in gelbe Zone ergeben, wobei die straßennahen Liegenschaftsteile noch einmal weniger gefährdet seien als die bachnahen Teile. Die Liegenschaften K. seien gegenüber dem unverbauten Zustand etwas in den Randbereich der Lawine verschoben worden. Hinsichtlich der Häufigkeit der Lawinengefährdung durch den Dammbau habe sich eine Verschiebung von häufig auf selten bzw. von roter in gelbe Zone ergeben, wobei ebenfalls die straßennahen Bereiche deutlich weniger gefährdet seien als die bachnahen Bereiche der Objekte K. Da die gesamten Lawinenschneemassen nach wie vor in der Talsohle abgelagert würden, werde sich eine verstärkte Ausbreitung ergeben und der bachnahe Bereich der Liegenschaft K. sowohl von der Größe als auch der Häufigkeit her in der gelben Gefahrenzone bleiben, wenn es zur Verlängerung des Lawinenablenkdammes komme. Die Abzweigmöglichkeit der Seitenarme werde deutlich nach hangabwärts verschoben. Setze man einen Ablenkwinkel bis 60 Grad an, werde nur mehr der unterste, bachnahe Teil der Liegenschaft K. von Seitenarmen erreicht werden. Demnach gefährdeten Seitenarme den bachnahen Liegenschaftsbereich K. sowohl von der Größe als auch von der Häufigkeit her nur mehr in sehr geringem Ausmaß, etwa im Sinne einer geringfügigen gelben Zone. Der straßennahe Bereich der Liegenschaft K. sei nicht mehr gefährdet. Diese Untersuchungen bezögen sich jedoch nur auf die Dynamik von Fließlawinen. Die Frage von extremen Staublawinen sei in diesem Gutachten nicht erörtert worden. Bei der extremen Staublawine ohne bzw. nur mit geringfügigem Fließanteil handle es sich um ein Extremereignis. Bei derartigen Extremereignissen sei mit einem Überborden bereits beim bestehenden Lawinenablenkdamm zu rechnen, was eine Gefährdung auch für die oberhalb des Gemeindeweges liegenden Objekte bedeuten könne. Dies habe seinen Niederschlag in der Gefahrenzonenplanung 1992 gefunden, wo in diesem Bereich eine gelbe Zone ausgewiesen sei. Dieser Gefahrenzonenplan H. sei vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft genehmigt worden. Das Lawinenereignis vom 18. Februar 1962, welches zur Errichtung des Lawinenablenkdammes geführt habe, könne jedoch nicht als ein derartiges Extremereignis eingestuft werden. Durch die Errichtung des bestehenden Lawinenablenkdammes habe sich die Situation für die oberhalb der Straße befindlichen Objekte wesentlich verbessert, während eine derartige Verbesserung bei den Objekten K. bislang nur in geringfügigem Ausmaß eingetreten sei. Durch die Verlängerung des Lawinenablenkdammes bis in den Bereich des Talbodens könne eine derartige Verbesserung für die Objekte K. erzielt werden. Auch beim Abgang von Staublawinen, die einen Fließanteil mitführten, komme es durch die Verlängerung des Lawinenablenkdammes zu einer deutlichen Verbesserung für die Anwesen K. Durch die Verlängerung des Lawinenablenkdammes könne es jedoch keinesfalls zu einer Verschlechterung der Lawinensituation für darüberliegende Objekte kommen. Durch die Verlängerung des Lawinenablenkdammes werde es aber nicht nur zu einer Verbesserung der Lawinensituation bzw. der Gefährdung durch Lawinen im Bereich des Anwesens K. kommen, auch der "Auenweg", ein Gemeindeweg (Zufahrt zur Z.-Gletscherbahn) werde auf einer Länge von rund 65 m verbessert geschützt.

Vom Amtssachverständigen für Wildbach- und Lawinenverbauung sei auch eine Alternativenprüfung vorgenommen worden, um festzustellen, "ob dieser verbesserte Schutz durch (keine unverhältnismäßig höhere Kosten verursachende) Maßnahmen" hergestellt werden könne. Der Gutachter habe dazu ausgeführt, der Talbereich des Auenweges könne sinnvoll nur durch die Verlängerung des bestehenden Lawinenablenkdammes geschützt werden. Die lawinenseitige Front des Objektes K. könne nur durch eine Mauer, parallel zum Gebäude, geschützt werden. Im Restaurantbereich müßte die Mauer auf Oberkante der Erdgeschoßfenster hochgezogen werden, sodaß die Sicht taleinwärts abgeschnitten werde. Im Badbereich würden die Objekte direkt an der Grundgrenze stehen, sodaß für die Mauer Fremdgrund beansprucht werden müßte. Das Ausmaß dieser Beanspruchung würde von der gewählten Konstruktion abhängen. Eine diesbezügliche genaue Kostenangabe sei nicht möglich; es müsse jedoch erfahrungsgemäß mit ca. 1 bis 1,5 Millionen Schilling hiefür gerechnet werden.

Auch die alternative Errichtung eines ca. 15 bis 20 m hohen Auffangdammes parallel zur vorgenannten Straße mit ca. 50 m Breite sei als nicht realistische Variante vom Amtssachverständigen verworfen worden.

Aus den Gutachten des Amtssachverständigen für Wildbach- und Lawinenverbauung ergebe sich, daß die Errichtung der Verlängerung des Lawinenablenkdammes überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten lasse. Zur Verwirklichung dieses Projektes sei die Inanspruchnahme von Grundstücken der beschwerdeführenden Parteien erforderlich. Da eine gütliche Vereinbarung mit den betroffenen Grundeigentümern nicht habe gefunden werden können, seien die erforderlichen Zwangsrechte einzuräumen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien Berufung und machten im wesentlichen geltend, sie seien nicht bereit, Eigentumsbeschränkungen für ein Projekt hinzunehmen, das weder für sie noch für den übrigen Teil der im Gefahrenbereich der Wandlawine gelegenen Bewohner von H. ausreichend Schutz biete. Nach den übereinstimmenden Aussagen des Amtssachverständigen für Wildbach- und Lawinenverbauung und des Privatgutachters Dipl.-Ing. K. sei davon auszugehen, daß die Verlängerung des Lawinenablenkdammes zwar eine geringfügige Verbesserung der Lawinensituation im Bereich des Auenweges auf einer Länge von rund 65 m sowie im Bereich der Objekte K. bringe, daß aber die Hauptgefahr, die darin zu erblicken sei, daß beim Abgang einer Mischlawine als der häufigsten Form der bisher eingetretenen Katastrophenereignisse der Staubanteil der Lawine den bestehenden oder verlängerten Damm überborde, wobei nicht nur das Anwesen K., sondern auch alle oberhalb der Straße liegenden Objekte in gleicher Weise betroffen seien, weder beseitigt noch verringert werde. Es sei völlig unverständlich, warum der Amtssachverständige für Wildbach- und Lawinenverbauung seine Untersuchungen lediglich auf die Dynamik von Fließlawinen beschränkt und die Frage des Abganges von Staublawinen in seine Beurteilung überhaupt nicht einbezogen habe. Nach der vom Privatgutachter aufgezeigten und vom Amtssachverständigen auch nicht bestrittenen Lawinenchronik seien sämtliche in der Vergangenheit abgegangenen Lawinen, die den Talboden erreicht hätten, trockene Fließ- oder Mischlawinen mit einem erheblichem Staubanteil gewesen. Feuchte Fließlawinen seien bisher ausnahmslos immer auf Höhe der B.-Alm zum Stehen gekommen. Aus diesem Grund sei vom Privatgutachter auch das Gefahrenpotential, das in einem Überspringen des Staublawinenanteiles im oberen Bereich des Lawinenablenkdammes zu erblicken sei, weit höher eingestuft worden als das Gefahrenpotential durch das Ausbreiten des Fließanteiles im Talbereich und damit die Gefährdung des Objektes K. Auch bei einer Verlängerung des Lawinenablenkdammes sei die Liegenschaft K. von der durch ein Überspringen des Lawinenablenkdammes ausgehenden Gefahr genauso betroffen wie die oberhalb des Weges gelegenen Objekte, da der Damm zu niedrig sei. Die Gefahrenzonenausweisung (gelbe Zone) würde somit nach Errichtung der Dammverlängerung unverändert aufrechterhalten bleiben. Es gebe eine wesentlich wirksamere Alternative, nämlich die Anbruchsverbauung der Lawine. Wenn von der BH, gestützt auf das Gutachten des Amtssachverständigen, ins Treffen geführt werde, daß insbesondere in bezug auf den Auenweg der gleiche Schutz wie durch die angestrebte Verlängerung des Dammes durch alternative Maßnahmen nicht zu erzielen sei, vermöge dies nicht zu überzeugen. Der Auenweg sei von der orographisch linken Talseite durch die Wandlawine auf eine Länge von 730 m gefährdet. Die Dammverlängerung würde lediglich eine Verbesserung auf 65 m bringen. Dies sei jedoch kaum eine Verbesserung, da bei Bestehen der Lawinengefahr der gesamte Auenweg ohnedies gesperrt werden müsse, da es völlig belanglos sei, ob er über die gesamte Länge von 730 m oder nur über einen Teil davon gefährdet sei. Die Belastung von Grundstücken der beschwerdeführenden Parteien mit Dienstbarkeiten sei unzulässig, da den damit verbundenen Nachteilen keine überwiegenden Vorteile im allgemeinen Interesse gegenüberstünden. Die de facto auf eine Initiative von K. zurückgehende Dammverlängerung sei mit keine im allgemeinen Interesse gelegenen Vorteilen verbunden. Sie würde, wenn überhaupt, nur eine äußerst geringfügige Verbesserung der Gefahrensituation für das B.-Hotel des K. bringen. An der für K., insbesondere aber auch für alle Oberlieger und Benützer des Auenweges weiterhin bestehenden und ungleich größer einzuschätzenden Gefahrensituation durch die Gefahr des Überspringens des Lawinenablenkdammes ändere sich nicht. 1967 habe der damalige Amtssachverständige die Ansicht vertreten, daß das seinerzeit genehmigte Dammprojekt als wirksamer Schutz des südlichen Ortsrandes von H. angesehen werden könne. Im Anschluß daran habe dann K. um die baubehördlichen Bewilligungen für mehrere Erweiterungsbauten seines Hotels in südliche Richtung angesucht. Dabei sei ihm zur Kenntnis gebracht worden, daß diese Erweiterungen vom lawinentechnischen Standpunkt bedenklich seien, da die Zubauten in den Ausschüttungsbereich der abgelenkten Lawine geraten könnten. Es sei nicht einzusehen, warum Grundeigentümer einem Erweiterungsprojekt zustimmen sollten, das ausschließlich im Interesse eines Einzelnen gelegen sei, dem überdies anläßlich seiner eigenen Erweiterungsbauten die Lawinensituation im Detail bekannt gewesen sei und der diese auch billigend in Kauf genommen habe.

Bei Durchführung des bewilligten Projektes sei damit zu rechnen, daß Quellen auf den Parzellen 1597/1 und 1596, welche zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt würden, überhaupt nicht mehr bzw. nicht mehr im bisherigen Umfang genützt werden könnten.

Mit Bescheid vom 8. März 1994 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

In der Begründung wird ausgeführt, für die belangte Behörde von wesentlicher Bedeutung sei die Tatsache, daß das nunmehrige Vorhaben in unmittelbarem Zusammenhang mit jenem stehe, das mit Bescheid der BH vom 11. Juli 1967 bewilligt worden sei. Unter Spruchpunkt I/3 sei damals vorgeschrieben worden, "daß der Damm wenn möglich bis zum Talboden bzw. Talweg zu verlängern ist, um ein Ausbreiten der Lawine in Richtung Ortsrand zu verhindern

... ".

Die BH habe den an sich unrichtigen Weg gewählt, ein Projekt mittels einer Auflage zu verändern. Der richtige Weg wäre sicher gewesen, das Ansuchen als ganzes abzuweisen, da es nur einen unvollständigen Schutz für die Unterlieger bedeutet hätte. Aus Gründen der Verfahrensökonomie und der Tatsache, daß im Prinzip alle betroffenen Grundeigentümer dem zugestimmt hätten, sei jedoch dieser Weg nicht beschritten worden. Es sei jedoch unbestritten, daß das nunmehrige Projekt im unmittelbaren Zusammenhang mit dem damaligen stehe und daher als Einheit zu betrachten sei. Es seien auch Beiträge zur Errichtung des Lawinenablenkdammes von K. geleistet worden, da allseits davon ausgegangen worden sei, daß das gegenständliche Projekt allen betroffenen Grundeigentümern zum Wohle sein solle. Auf Grund der Tatsache, daß das ursprüngliche Projekt unvollständig gewesen sei und es daher einer Überprüfung nicht habe standhalten können, sei im Berufungsbesheid vom 8. November 1991 festgestellt worden, daß die ausgeführte Anlage hinsichtlich ihres talseitigen Endes mit der erteilten Bewilligung nicht übereinstimme. Es sei der mP der Auftrag erteilt worden, den dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustand herzustellen.

Die Gemeinde habe auf alle Fälle den Antrag gestellt, ein eigenes Projekt, das der damaligen Auflage im Erstbewilligungsbescheid entsprochen habe, einer Genehmigung zuzuführen. Die BH habe diesem Antrag stattgegeben. Wenn die Beschwerdeführer und gleichzeitig Begünstigten des Gesamtprojektes die Ansicht verträten, das gegenständliche Projekt sei nicht zweckmäßig, so sei festzustellen, daß bei einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise dies auch für das bereits bewilligte und errichtete Vorhaben gelten müsse. Es sei für die Berufungsbehörde nicht einsichtig, warum ein Teil des Gesamtprojektes zu errichten wäre, und ein anderer, der nur aus formalen Gründen in einem eigenen Verfahren abgehandelt worden sei, keiner Bewilligung zuführbar sei. Weiters sei festzuhalten, daß weder das WRG 1959 noch das Forstgesetz noch das Wildbachverbauungsgesetz eine Verpflichtung des Konsenswerbers zur Herstellung von Schutzmaßnahmen gegen alle durch einen Lawinenabgang hervorgerufenen Gefahren kenne. Dem Projektswerber bleibe es unbenommen, den Umfang der Schutzmaßnahmen zu gestalten, wobei den Behörden kein Ermessen eingeräumt sei, das Projekt zu bewilligen oder nicht. Dies bedeute, daß der Berufungsgrund, in dem die Sinnhaftigkeit des Projektes angzweifelt werde, hinfällig sei. Selbst die Beschwerdeführer würden zugeben, daß durch das nunmehr vorgelegte Teilprojekt eine wenn auch geringe Verbesserung in der Lawinensituation eintrete.

Was die Frage der notwendigen Zwangsrechtseinräumung betreffe, sei auszuführen, daß die erstbehördlichen Ausführungen vollständig übernommen werden könnten. Die Voraussetzungen zur Einräumung von Zwangsrechten gemäß § 63 WRG 1959 bestünden darin, daß sie im öffentlichen Interesse geboten seien, dieses öffentliche Interesse das entgegenstehende Interesse des Belasteten überwiege, sie zur Zielerreichung geeignet seien, sie nach Art und Umfang nicht unverhältnismäßig seien, und das angestrebte Ziel nicht durch andere, gelindere Maßnahmen zu erreichen sei. Wenn man nun dies auf das gegenständliche Gesamtprojekt (Bewilligung ex 1967 und ex 1993) beziehe, so sei davon auszugehen - und darin stimmten auch die Beschwerdeführer zu - daß die genannten Voraussetzungen zutreffen, da ansonsten sie schon gegen das Projekt aus dem Jahr 1967 berufen hätten.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und hat über diese erwogen:

Der Erstbeschwerdeführer stellt zunächst die Zulässigkeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde in Frage, weil der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 1. Februar 1994, Zl. AW 94/07/0050, der Beschwerde gegen den im Instanzenzug von der belangten Behörde erlassenen Kollaudierungsbescheid vom 8. November 1991 zum ursprünglichen Projekt aus dem Jahre 1967 die aufschiebende Wirkung zuerkannte. Der Erstbeschwerdeführer übersieht dabei, daß Gegenstand des angefochtenen Bescheides nicht ein Vollzugsakt des zitierten Kollaudierungsbescheides, sondern ein eigenständiger Antrag der mP auf Bewilligung der Verlängerung des Lawinenablenkdammes vom 17. Oktober 1988 ist.

Da die belangte Behörde offenbar im Zuge der Vorfragenprüfung der Ansicht war, daß die Dammverlängerung nicht von der seinerzeitigen Bewilligung aus dem Jahre 1967 mitumfaßt war und daher einer eigenen Bewilligung bedurfte (welche Auffassung auch in Auslegung der seinerzeitigen Bewilligung vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund des bereits zitierten Erkenntnisses zu Zl. 92/07/0214 geteilt wird), war aufgrund des gestellten Antrages der mP eine Entscheidung durch die belangte Behörde trotz des genannten Beschlusses auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung in einem anderen - wenngleich in sachlichem Zusammenhang stehenden - Verfahren zulässig.

Wenn der Erstbeschwerdeführer erstmals in der Beschwerde die Frage einer gültigen Antragstellung durch den Bürgermeisterstellvertreter im Jahre 1988 unter Hinweis auf die dem Bürgermeister gemäß § 54 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4, i.d.g.F. zukommende Vertretungsbefugnis problematisiert, so ist ihm die im § 37 Abs. 2 leg. cit. enthaltene Vertretungsbefugnis durch den Bürgermeisterstellvertreter im Verhinderungsfall des Bürgermeisters entgegenzuhalten.

Nach § 63 lit. b WRG 1959 kann die Wasserrechtsbehörde, um die nutzbringende Verwendung der Gewässer zu fördern, um ihren schädlichen Wirkungen zu begegnen, zur geordneten Beseitigung von Abwässern und Abfällen und zum Schutz der Gewässer in dem Maße als erforderlich für Wasserbauvorhaben, deren Errichtung, Erhaltung oder Betrieb im Vergleich zu den Nachteilen von Zwangsrechten überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten läßt, die notwendigen Dienstbarkeiten einräumen oder entgegenstehende dingliche Rechte einschließlich Nutzungsrechte im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, einschränken oder aufheben, damit die genehmigte Anlage mit den zu ihr gehörigen Werken und Vorrichtungen hergestellt, betrieben und erhalten sowie der Vorschreibung sonstiger Maßnahmen entsprochen werden kann.

§ 63 lit. b WRG 1959 sieht eine Interessenabwägung vor. Die beschwerdeführenden Parteien habe demnach ein Recht darauf, daß Zwangsrechte zu ihren Lasten nicht ohne eine diese Maßnahme rechtfertigende Interessenabwägung im Sinne des Gesetzes begründet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1985, Zl. 84/07/0286 u.a.). Die belangte Behörde hatte daher insbesondere auf Grund entsprechender Einwendungen im Zuge des Berufungsvorbringens der beschwerdeführenden Parteien festzustellen, ob und in welchem Ausmaß mit dem Dammverlängerungsvorhaben der mP Vorteile im allgemeinen (= "öffentlichen", vgl. u.a. das vorzitierte hg. Erkenntnis) Interesse verbunden sind und ob diese Vorteile die Nachteile überwiegen.

Zwar kann nicht verkannt werden, daß die Entscheidung, welche Interessen überwiegen, in der Regel eine Wertentscheidung sein muß, da die konkurrierenden Interessen meist nicht in Geld bewertbar und damit berechen- und vergleichbar sind. Gerade dieser Umstand erfordert es aber, die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzise zu erfassen und einander gegenüberzustellen, um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen. Die belangte Behörde hätte daher das konkrete Ausmaß des öffentlichen Interesses an der Verlängerung des Lawinendammes auf der einen und den Ausprägungsgrad der mit der Belastung der Grundstücke der beschwerdeführenden Parteien verbundenen Nachteile auf der anderen Seite festzustellen gehabt. Dazu hätte es einer Gegenüberstellung der Verhältnisse mit und ohne Dammverlängerung, einer konkreten Darstellung der derzeit - ohne Dammverlängerung - bestehenden Gefahrenverhältnisse, einer nicht bloß allgemein gehaltenen Darstellung der aus dem Dammbau resultierenden Vorteile und einer Gegenüberstellung mit den den beschwerdeführenden Parteien erwachsenden Nachteilen bedurft. An einer derartigen Interessenabwägung fehlt es aber im Beschwerdefall.

Die belangte Behörde hat sich in der Begründung ihres Bescheides mit dem Berufungsvorbringen der beschwerdeführenden Parteien, inwieweit tatsächlich überwiegende Vorteile im allgemeinen Interese vorliegen und daher eine rechtliche Deckung für die Einräumung von Zwangsrechten gemäß § 63 lit. b WRG 1959 gegeben ist, nicht wirklich auseinandergesetzt. Zum einen verweist sie auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, die unter Hinweis auf die Ausführungen des Amtssachverständigen die nicht näher begründete Feststellung enthält, "daß die Errichtung der Verlängerung des Lawinenablenkdammes überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten läßt". Der Verweis auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides konnte auch deswegen nicht dem Erfordernis einer ausreichenden Begründung gerecht werden, weil die beschwerdeführenden Parteien in der Berufung zum Teil Fakten und Argumente vorgebracht haben, mit denen sich der erstinstanzliche Bescheid nicht auseinandergesetzt hatte. Dies gilt insbesondere für jene Berufungsausführungen, die sich auf das Gutachten des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. K. vom 19. Juli 1993 stützen. Auch der unter dem Aspekt der "Erforderlichkeit" im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene allgemeine Hinweis, die Einräumung von Dienstbarkeiten reiche aus, um die Baumaßnahmen durchführen zu können und einen entsprechenden verbesserten Schutz für den Gemeindeweg und die Objekte K. zu erwirken, reicht als Begründung für die Zwangsrechtseinräumung ebensowenig aus, wie der allgemeine Hinweis auf die Förderungswürdigkeit dieses Projektes durch Bund und Land, weil dieses im öffentlichen Interesse liege.

Auch der ergänzende Schluß der belangten Behörde, die seitens der beschwerdeführenden Parteien nicht erfolgte Berufung gegen das ursprünglich im Jahre 1967 bewilligte Projekt sei als Anerkennung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Einräumung von Zwangsrechten im Beschwerdefall zu werten, ist unschlüssig.

Die bloße Feststellung, daß die Voraussetzungen für die Einräumung von Zwangsrechten zutreffen, ohne nähere Darlegung der hiefür der belangten Behörde maßgeblich erscheinenden Gründe, erfüllt nicht das vom § 63 lit. b WRG 1959 geforderte Abwägungsgebot.

Diese Begründungslücke hindert die Nachprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit, zumal sich weder aus dem übrigen Akteninhalt noch aus dem verwiesenen Bescheid der Wasserrechtsbehörde erster Instanz schlüssige Anhaltspunkte für die von der belangten Behörde im Hinblick auf das Berufungsvorbringen getroffenen Erwägungen zum Vorliegen der Voraussetzungen nach § 63 lit. b WRG 1959 ableiten lassen.

Was die Objekte K. betrifft, haben die beschwerdeführenden Parteien in ihrer Berufung unter Bezugnahme auf ein Gutachten des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. K. ins Treffen geführt, eine Dammverlängerung führe lediglich zu einer geringfügigen Verbesserung des Lawinenschutzes für dieses Objekt und auch das nur in einer speziellen, bisher im Bereich der Wandlawine noch nie dokumentierten Lawinenabgangssituation. Die belangte Behörde hat sich damit ebensowenig auseinandergesetzt wie mit dem Vorbringen, K. habe seine lawinengefährdeten Objekte in Kenntnis der Lawinengefahr errichtet. Sollte dies zutreffen, könnte von einem allgemeinen Interesse an der Dammverlängerung wegen des damit verbundenen Schutzes der Objekte K. wohl nur bei Vorliegen besonderer, von der belangten Behörde dazustellender Umstände die Rede sein. Hiezu kommt, daß - wie sich aus dem Schreiben des Amtssachverständigen für Wildbach- und Lawinenverbauung vom 13. April 1993 ergibt - im Zuge des Bauverfahrens für die Objekte K. Maßnahmen zum Schutz vor Lawinengefährdung vorgeschrieben wurden, die offenbar von der Wildbach- und Lawinenverbauung als ausreichend angesehen wurden. Es hätte auch einer Klärung bedurft, warum diese Maßnahmen nun nicht mehr als ausreichend anzusehen sind.

Was den Auenweg betrifft, hat die belangte Behörde keine Erklärung dafür gegeben, inwiefern der verbesserte Schutz für ein Teilstück von 65 m im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen sein sollte, wenn - wie die beschwerdeführenden Parteien in ihrer Berufung behaupten - ein wesentlich längerer Teil dieses Weges lawinengefährdet ist und daher bei Auftreten einer Lawinengefahr der ganze Weg gesperrt werden muß.

Im fortgesetzten Verfahren wird auch zu beachten sein, daß Art und Ausmaß der allenfalls zu Lasten der Beschwerdeführer zu begründenden Zwangsrechte im Spruch des Bescheides - und nicht allein durch einen Verweis auf das Projekt - zu konkretisieren sein werden, zumal aus dem bloßen Verweis auf die Projektsunterlagen Art und Umfang der Zwangsrechte nicht ausreichend deutlich werden. Hiezu kommt, daß aus dem Akt eine Zustellung auch der Projektsunterlagen an die Beschwerdeführer zusammen mit dem erstinstanzlichen Bescheid nicht hervorgeht.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994070051.X00

Im RIS seit

12.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten