TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/14 94/20/0528

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Veröffentlicht am 14.03.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs3;
AVG §72 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/20/0348 E 5. Juni 1996

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juni 1994, Zl. 4.344.462/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, der am 27. Februar 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und mit Eingabe vom 31. März 1994 um Asylgewährung angesucht hat, hat den Bescheid des Bundesasylamt vom 17. Mai 1994, mit dessen Spruchabschnitt I) sein Asylantrag abgewiesen und mit dessen Spruchabschnitt II) ein gleichzeitig mit dem Asylantrag erhobener Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurückgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht, was die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers anbelangt, in allen für die Entscheidung relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, und Erhebung der Beschwerde nach dessen Kundmachung BGBl. 610/1994) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0610, zugrundelag. Auf dieses Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen, wobei eine Ausfertigung zur Information angeschlossen ist. Auch im Beschwerdefall ist daher der angefochtene Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Die belangte Behörde hat die Berufung des Beschwerdeführers, soweit sich diese gegen die Zurückweisung des von ihm erhobenen Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gegen die Versäumung der in § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes festgelegten einwöchigen Frist zur Antragstellung, um in den Genuß einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung zu gelangen" richtete, in Übereinstimmung mit der in dieser Hinsicht gewählten Begründung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 17. Mai 1994 abgewiesen. Hiebei gingen beide Behörden davon aus, daß die in § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 normierte Frist nicht als verfahrensrechtliche, sondern als materielle Frist zu verstehen sei, weshalb eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Frage komme. Dem hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde lediglich entgegengehalten, es könne dem Gesetz kein Hinweis entnommen werden, daß es sich bei besagter Frist um eine materiell-rechtliche handle und daß diese zeitlich genau definierte Frist als eine verfahrensrechtliche anzusehen sei.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen hat im Falle der Versäumung einer Frist die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Gemäß § 72 Abs. 1 AVG tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

Gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ist ein Asylwerber, der gemäß § 6 eingereist ist, ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylantrag gestellt wurde, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder innerhalb einer Woche ab dem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem er im Bundesgebiet von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt hat (vorläufige Aufenthaltsberechtigung).

Maßgeblich für die Unterscheidung, ob es sich bei einer Frist um eine verfahrensrechtliche oder um eine materiell-rechtliche handelt, ist es, daß eine prozessuale bzw. verfahrensrechtliche Frist nur eine solche ist, die entweder durch ein Verfahren ausgelöst wird oder in einem Verfahren läuft (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 8906/1980 und VfSlg. 10.434/1985). Die Frist des § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wird weder durch ein Verfahren ausgelöst - auslösendes Moment ist ausschließlich die Einreise des Asylwerbers bzw. der Zeitpunkt, zu dem er von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt - noch läuft diese Frist in einem Verfahren, weil ein solches ja erst durch einen Asylantrag, dessen fristgerechte Stellung für das Bestehen der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung maßgeblich ist, ausgelöst wird. Der Ansicht der belangten Behörde, bei der Frist des § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 handle es sich um eine materiell-rechtliche ist daher zuzustimmen. Schon aus diesem Grund konnte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - eine solche ist nur bei Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist zu gewähren - gegen die Versäumung dieser Frist nicht in Betracht kommen (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 4, Eisenstadt 1990, S 622, zitierte Judikatur).

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte aber auch deshalb nicht in Frage kommen, weil gemäß ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diese nur für eine Handlung zulässig sein kann, die die Partei im Zuge eines schon anhängigen Verwaltungsverfahrens zu setzen hat, nicht aber für die Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Anspruches oder Antrages (vgl. abermals die in Hauer - Leukauf, aaO, zitierte Judikatur). Wie schon oben dargelegt, wird aber die Frist des § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 durch ein vor Einleitung eines Verfahrens liegendes Ereignis ausgelöst, sodaß die maßgebliche Handlung, nämlich die Stellung des Asylantrages, nicht innerhalb eines schon anhängigen Verfahrens gesetzt wird.

Der angefochtenen Bescheid war sohin, soweit mit ihm der Asylantrag des Beschwerdeführers im Instanzenzug abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages bestätigt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Abspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Ersatz von Stempelgebühren nur im gesetzlich erforderlichen Ausmaß zuerkannt werden kann.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200528.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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