TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/15 94/01/0534

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Veröffentlicht am 15.03.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des N in V, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Jänner 1994, Zl. 4.332.797/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Jänner 1994 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 18. Februar 1992 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem Staatsangehörigen der "früheren SFRJ", der am 19. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 21. Jänner 1992 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung und damit die Versagung von Asyl - ohne sich mit der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 auseinanderzusetzen - ausschließlich darauf gestützt, daß dieser auf Grund seines Aufenthaltes in Kroatien und Slowenien bereits in anderen Staaten vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 die Gewährung von Asyl ausgeschlossen sei. Dem hält der Beschwerdeführer in der Beschwerde entgegen, die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer, ein Wehrdienstverweigerer, wäre in Slowenien bzw. Kroatien tatsächlich vor Verfolgung sicher gewesen, sei unrichtig. Die belangte Behörde belasse es "vorsichtigerweise" bei dem Hinweis, daß Kroatien und Slowenien Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention seien, habe aber nicht die tatsächlich relevante Frage geprüft, ob die "sogenannten sicheren Drittländer" dies auch wirklich seien. Die Annahme der belangten Behörde, Kroatien und Slowenien erfülle die sich aus der Mitgliedschaft bei der Genfer Konvention ergebenden Verpflichtungen, stehe ohne jede Begründung oder Erläuterung im Raum und stimme jedenfalls mit den tatsächlich bekannt gewordenen Fakten und den Äußerungen des UNHCR nicht überein. Allein aus der Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention den Schluß zu ziehen, es sei Verfolgungssicherheit gegeben, sei in dieser Form unzulässig. Hätte die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt, hätte sie auch zum Ergebnis kommen müssen, daß für den Beschwerdeführer in Kroatien und Slowenien tatsächlich keine Verfolgungssicherheit bestanden habe.

Mit diesen Ausführungen bringt der Beschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht Behauptungen vor, bei deren Zutreffen nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein könnte, daß für den Beschwerdeführer in Slowenien und Kroatien bereits Verfolgungssicherheit i.S.d. § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 gegeben gewesen sei. Diese Ausführungen sind auch nach Maßgabe der den Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Der Mitwirkungspflicht kommt dort erhöhte Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden. Dies trifft jedoch auf die im allgemeinen in Slowenien und Kroatien beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat nicht zu. Die grundsätzliche Verpflichtung einer Partei, im Verfahren zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes entsprechend beizutragen, enthebt sie jedoch - wie der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen, insbesondere jenes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat - nicht von der Verpflichtung zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens.

Der Beschwerdeführer hat diese Behauptungen zwar erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zur Frage der Verfolgungssicherheit Stellung zu nehmen, weshalb der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen nicht dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt.

Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit Verfahrensmängeln belastet. Sie hat damit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010534.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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