TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/21 94/11/0337

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Veröffentlicht am 21.03.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §69 Abs3;
KFG 1967 §64 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §67 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Juli 1994, Zl. MA 67-8/241/94, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens und Erteilung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnissen der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. Februar 1992 und vom 7. Mai 1993 wegen Übertretungen nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 bestraft.

Seinem Antrag vom 6. April 1993 auf Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung auf Grund seiner polnischen gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 wurde am 13. Mai 1993 Folge gegeben und ihm ein österreichischer Führerschein betreffend Kraftfahrzeuge der Gruppe B ausgefolgt. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 15. September 1993 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung wieder entzogen. Diesen Bescheid hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 1. März 1994 auf, weil der Entziehungsgrund bei Erteilung der Lenkerberechtigung an den Beschwerdeführer bereits bestanden habe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde das Verfahren betreffend Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung gemäß § 69 Abs. 3 AVG von Amts wegen wiederaufgenommen und der Antrag auf Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründete die mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Entscheidungen damit, daß dem Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien der Umstand, daß der Beschwerdeführer am 5. Mai 1993 ein Alkoholdelikt begangen hat, am 10. Mai 1993 zur Kenntnis gebracht worden sei; zu diesem Zeitpunkt sei das Ermittlungsverfahren im Verfahren zur Erteilung einer Lenkerberechtigung an den Beschwerdeführer bereits abgeschlossen gewesen. Die Berücksichtigung des Umstandes, daß der Beschwerdeführer auf Grund des Alkoholdeliktes - in Verbindung mit dem im Jahr 1992 begangenen - als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei, sei nicht mehr möglich gewesen.

Die Verfügung der amtswegigen Wiederaufnahme bekämpft der Beschwerdeführer mit dem Hinweis darauf, daß der Erstbehörde das Alkoholdelikt am 13. Mai 1993 bereits bekannt war, sodaß dessen Nichtberücksichtigung im Erteilungsverfahren von ihr im Sinne des § 69 Abs. 3 AVG verschuldet war, was eine amtswegige Wiederaufnahme ausschlösse.

Es ist zwar verfehlt, wenn die belangte Behörde darauf abstellt, daß die Mitteilung über das Alkoholdelikt vom 5. Mai 1993 nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens betreffend Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung an den Beschwerdeführer eingelangt sei und aus diesem Grunde im Erteilungsverfahren nicht mehr habe berücksichtigt werden können. Einen förmlichen Abschluß des Ermittlungsverfahrens kennt das AVG nicht. Im gegebenen Zusammenhang kommt es vielmehr darauf an, ob die Behörde die ihr vor Erlassung ihres Bescheides (vor Ausfolgung des Führerscheines) zugegangene Information noch hätte berücksichtigen können oder ob die erfolgte Nichtberücksichtigung als von der Behörde verschuldet anzusehen ist. Das formale "Bekanntsein" einer Tatsache einzig aus dem Grund, daß eine Mitteilung über diese Tatsache bei der Behörde bereits eingelangt war, muß nicht unbedingt die Möglichkeit der Verwertung dieser Tatsache in einem bei der Behörde anhängigen Verfahren nach sich ziehen. Der Beschwerdeführer war zur damaligen Zeit noch nicht im Besitz einer österreichischen Lenkerberechtigung, die Mitteilung betreffend das von ihm begangene Alkoholdelikt konnte daher nicht zu einer bestimmten inländischen Geschäftszahl erfolgt sein, sondern konnte nur die Personalien, insbesondere die Daten seines ausländischen Führerscheines, enthalten. Bei einer Dienststelle der Größe des Verkehrsamtes der Bundespolizeidirektion Wien, welche notorischerweise eine große Zahl von Verwaltungsverfahren betreffend Erteilung und Entziehung von Lenkerberechtigungen durchzuführen hat und der in diesem Zusammenhang täglich zahlreiche Mitteilungen zugemittelt werden, ist es ohne behördliches Verschulden, wenn eine Mitteilung wie die vorliegende in einem Verfahren wie dem vorliegenden innerhalb eines Zeitraumes von drei Tagen keine Berücksichtigung gefunden hat. Daß sich die erwähnte Mitteilung vor der Ausfolgung des Führerscheines an den Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsakt betreffend die Verleihung einer österreichischen Lenkerberechtigung an den Beschwerdeführer befunden habe, behauptet der Beschwerdeführer nicht; solches ergibt sich auch nicht aus den Verwaltungsakten.

Das Alkoholdelikt vom 5. Mai 1993, welches zur Bestrafung vom 7. Mai 1993 geführt hat, hatte die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erteilung der Lenkerberechtigung an ihn zur Folge. Dazu bedurfte es keiner ausdrücklich ausformulierten Wertung, zählen doch Alkoholdelikte zu den schwersten und verwerflichsten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften. Daran ändert der Umstand nichts, daß bei Begehung dieses Deliktes kein Personen- oder Sachschaden entstanden ist.

Der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967 geht ins Leere, weil als bestimmte Tatsache, die die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers nach sich zieht, das Alkoholdelikt vom 5. Mai 1993 herangezogen wurde und das im Jahr 1992 begangene Alkoholdelikt lediglich im Rahmen der Wertung dieser bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 3 erster Halbsatz KFG 1967 Berücksichtigung fand.

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, daß in Wahrheit eine Entziehung (und nicht etwa die im wiederaufgenommenen Verfahren erfolgte Versagung der Erteilung) der Lenkerberechtigung vorliege, geht dieses Vorbringen schon auf Grund des eingangs geschilderten Sachverhaltes ins Leere.

Die belangte Behörde war auch berechtigt, im wiederaufgenommenen Erteilungsverfahren das Alkoholdelikt aus dem Jahre 1992 mit zu verwerten und so zur Annahme zu kommen, der Beschwerdeführer sei auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verkehrsunzuverlässig. Der Beschwerdeführer hat innerhalb eines Zeitraumes von etwas mehr als einem Jahr zwei Alkoholdelikte begangen. Dies rechtfertigt den Schluß, daß er nach etwas mehr als einem Jahr nach der Begehung des zweiten Alkoholdeliktes nach wie vor verkehrsunzuverlässig sei; beim Verwaltungsgerichtshof begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang von einer gefährlichen Neigung des Beschwerdeführers spricht.

Was den von der belangten Behörde bestätigten Ausspruch anlangt, einer Berufung gegen den Erstbescheid vom 30. März 1994 komme gemäß § 64 Abs. 2 AVG keine aufschiebende Wirkung zu, kann sich der Verwaltungsgerichtshof darauf beschränken, auf die Notwendigkeit der Hinderung verkehrsunzuverlässiger Personen an der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Kraftfahrzeuglenker hinzuweisen.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhaltsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994110337.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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