TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/27 94/10/0106

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Veröffentlicht am 27.03.1995
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Index

L85003 Straßen Niederösterreich;
80/02 Forstrecht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
96/01 Bundesstraßengesetz;

Norm

BStG 1971 §23 Abs2;
ForstG 1975 §27 Abs1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §27 Abs2 litg idF 1987/576;
ForstG 1975 §27 idF 1987/576;
ForstG 1975 §29;
ForstG 1975 §31;
LStG NÖ 1979 §25;
StVO 1960 §91 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde 1.) des Dr. H L, 2. der A L, 3. der M L und 4. der D, alle in N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 24. Juni 1994, Zl. 18.226/02-IA8/94, betreffend Bannlegung (mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich/ Landesstraßenverwaltung, Wien, Operngasse 21), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 25. Februar 1993 teilte die niederösterreichische Straßenbauabteilung 2 der Liechtensteinischen Forstverwaltung in Neulengbach mit, im Beisein des Oberförsters der Liechtensteinischen Forstverwaltung sei mit Vertretern der Straßenmeisterei Tulln ein Lokalaugenschein am 2. Februar 1993 durchgeführt worden, der ergeben habe, daß entlang der Landesstraße 2009 (L 2009) zwischen dem Ortsgebiet von Hadersfeld und der Zufahrt zum Rehabilitationszentrum Weißer Hof die Freihaltung des Lichtraumprofiles, insbesondere bei Schneelage durch herabhängende Äste der links und rechts neben der Straße angrenzenden Bäume nicht mehr gegeben sei. Seitens der Niederösterreichischen Straßenbauabteilung 2 werde gemäß § 83 StVO 1960 und § 25 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes ersucht, für die Freihaltung des Lichtraumprofiles so bald wie möglich zu sorgen. Es seien alle jene Äste, die im Abstand von 60 cm vom Fahrbahnrand in einer geringeren Höhe als 4,50 m über diesem Punkt vorhanden seien, zu entfernen bzw. auch die abgestorbenen oder dürren Äste aus den Baumkronen auszulichten. Es werde weiters ersucht, den Beginn der Baumschnittarbeiten der Straßenmeisterei Tulln bekanntzugeben.

Daraufhin stellten die Beschwerdeführer als Eigentümer der Waldgrundstücke 144/1 und 146, KG Hadersfeld (Verwaltungsbezirk Tulln), und 1017, 1015, 1012/1 und 1011 der KG Kritzendorf (Verwaltungsbezirk Wien-Umgebung) beiderseits der L 2009 zwischen Hadersfeld und Kritzendorf den Antrag auf Bannlegung und auf Vorschreibung der erforderlichen Maßnahmen an das Land Niederösterreich als Begünstigten; dies unbeschadet einer allfälligen Vorgangsweise nach § 25 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes. Zweck der Bannlegung sei die Beseitigung der gegenwärtigen Gefährdung der Verkehrssicherheit durch den Zustand des angrenzenden forstlichen Bewuchses innerhalb und außerhalb des in § 25 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes genannten Abstandes vom Straßenrand, nämlich die Gewährleistung des Lichtraumes von 4,5 m über der Fahrbahn, die Beseitigung der oberhalb dieser Höhe befindlichen dürren und morschen Äste - erforderlichenfalls durch Entfernung der betreffenden Bäume - und das Entfernen erkennbar geschädigter, abgestorbener und hängender Bäume aus dem forstlichen Bewuchs im Gefahrenbereich der Landesstraße. Der Antrag erstrecke sich räumlich auf den sachverständig festzustellenden Gefahrenbereich auf den genannten Waldgrundstücken bezüglich der Landesstraße, gegebenenfalls vermindert um den nach § 25 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes festzulegenden Streifen und inhaltlich auf die Vorschreibung der zur Beseitigung der gegenwärtigen Gefahren aus dem Zustand des forstlichen Bewuchses nötigen Fällungs- und Aufarbeitungs- sowie Sicherungsmaßnahmen.

Bei der vom Landeshauptmann von Niederösterreich am 28. Juli 1993 durchgeführten mündlichen Verhandlung führte der Amtssachverständige für Forsttechnik aus, die zur Bannlegung beantragten Waldgrundstücke befänden sich größtenteils entlang der L 2009 von ca. hm 2,5 bis 5,0. Bei den vorhandenen Beständen handle es sich überwiegend um geschlossene ca. 80 bis 100-jährige Buchenwälder mit vereinzelt Eiche sowie diversen anderen Laubgehölzen. Obwohl die einzelnen Bäume häufig mehrere Meter vom Straßenrand entfernt stockten, habe sich über der Landesstraße ein geschlossenes Kronendach gebildet. Dabei hingen einzelne Äste oft tief in den Luftraum oberhalb der Straße (bis ca. 3 m Höhe) hinein. Durch den Kronenschluß und die damit verbundene Beschattung der unteren Äste ragten auf der gesamten Straßenlänge dürre Äste über die Fahrbahn. Bei der örtlichen Begehung hätten zahlreiche dürre Äste am Straßenrand und vereinzelt auf der Fahrbahn selbst vorgefunden werden können. Abgesehen vom Alter der Bäume sei auf Grund der zunehmenden Waldschadenssituation insbesondere bei Eichen und Buchen mit einer weiteren Verschlechterung und damit mit einem zusätzlichen Totastanteil zu rechnen. Auf Grund des Schreibens der Niederösterreichischen Straßenbauabteilung 2 vom 25. Februar 1993 müsse grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß eine Gefährdung der Benützbarkeit der L 2009 auf Grund von Dürrastmaterial gegeben sei. Da beim Lokalaugenschein auf der gesamten Strecke eine Vielzahl von Dürrästen sowohl im unteren Kronenbereich als auch bereits auf der Straße vorgefunden worden seien, müsse aus forstfachlicher Sicht diese Gefährdung durch den Zustand des Waldes bestätigt werden. Es sei daher davon auszugehen, daß Maßnahmen gesetzt werden müßten, die die Sicherung der Benützbarkeit der betroffenen Verkehrsanlage gewährleisteten. Aus forstfachlicher Sicht ergäben sich dabei folgende Maßnahmen:

1. Sämtliche Äste im oben definierten Lichtraum (60 cm beiderseits der Fahrbahn bis in eine Höhe von 4,5 m) seien zu entfernen. Dürräste seien dabei an der Astbasis zu entfernen.

2. Sämtliche Dürräste oberhalb des definierten Lichtraumes seien an der Astbasis zu entfernen.

3. Sämtliche absterbenden, abgestorbenen sowie über die Fahrbahn hängenden Einzelbäume seien zu entfernen.

Diese Maßnahmen seien auf einem Streifen von 30 m beiderseits der Straße (= Flächenausdehnung des Bannwaldes) ab Fahrbahnrand zu setzen.

Bezüglich der anfallenden Kosten werde aus forstfachlicher Sicht festgestellt, daß die Maßnahmen 1 und 2 keine üblichen forstlichen Maßnahmen darstellten. Sie seien außerdem mit keinerlei Nutzungen verbunden und entstünden somit ausschließlich auf Grund der notwendigen Vorschreibungen durch eine allfällige Bannlegung. Bei der Vorschreibung Nr. 3 entstünden höhere Kosten dadurch, daß eine Einzelbaumnutzung durchgeführt werden müsse, die bei den vorhandenen Baumarten und dem gegebenen Alter im Rahmen einer normalen forstlichen Bewirtschaftung nicht üblich sei. Durch den Anfall von zumindest Brennholz entstehe jedoch insofern ein Nutzen, als Holzerlöse, wenn auch geringe, erzielt werden könnten. Diese wären von den anfallenden Schlägerungskosten abzuziehen. Es bestünde jedoch auch die Möglichkeit, die Fällung den Begünstigten und die Aufarbeitung dem Waldeigentümer vorzuschreiben, wodurch sich eine gewisse Kostenneutralität erreichen ließe. Auf Grund des vorliegenden Antrages wäre daher die letztere Möglichkeit vorzuschreiben. Ebenso seien die Maßnahmen 1 bis 3 den Begünstigten aufzutragen, wobei der Waldeigentümer die Maßnahmen zu dulden habe.

Der Vertreter der Landesstraßenverwaltung erklärte, die Arbeiten sollten vom Waldeigentümer auf dessen Kosten durchgeführt werden.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. August 1993 wurde ein 30 m breiter Streifen der Waldgrundstücke Nr. 144/1 und 146 der KG Hadersfeld sowie 1017, 1015, 1012 und 1011 der KG Kritzendorf beiderseits der L 2009, gemessen vom Fahrbahnrand, auf unbestimmte Zeit in Bann gelegt.

Als Bannzweck wurde die Sicherung der Benützbarkeit sowie der Schutz der L 2009 vor Gefährdungen durch herabfallende abgestorbene Äste sowie umfallende absterbende und abgestorbene Einzelbäume des Waldes auf den vorgenannten Grundstücken angegeben.

Im Zusammenhang mit der Bannlegung wurden folgende Maßnahmen vorgeschrieben:

1. Alle in den Lichtraum der Landesstraße, d.s. bis zu 0,6 m beiderseits der Fahrbahn und bis in eine Höhe von 4,5 m ragenden Äste sind zu entfernen.

2. Alle Dürräste oberhalb dieses Lichtraumes sind ebenfalls zu entfernen und zwar ab ihrer Astbasis.

3. Alle absterbenden und abgestorbenen Einzelbäume innerhalb der beiden Bannwaldstreifen links und rechts der Landesstraße sind zu entfernen.

Das Abschneiden und die Fällung der Einzelbäume sind vom Straßenerhalter, die Aufarbeitung der gefällten Einzelbäume hingegegen von den Waldeigentümern zu besorgen.

In der Begründung stützte sich der Landeshauptmann auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 1993.

Die Niederösterreichische Landesstraßenverwaltung berief und brachte vor, der im Bescheid angeführte Bannzweck werde bestritten, da es für die Benützbarkeit der L 2009 keineswegs erforderlich sei, einen 30 m tiefen Streifen links und rechts der Fahrbahn in Bann zu legen. Die von der Landesstraßenverwaltung geforderte Freihaltung des Lichtraumprofiles im Ausmaß von 0,6 m beiderseits der Fahrbahn und bis zu einer Höhe von 4,5 m über der Fahrbahn sei aber nach § 83 StVO 1960 und § 25 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes Sache des Grundeigentümers. Es sei daher unzulässig, eine Bannlegung mit Kostentragung durch den "Begünstigten" vorzunehmen.

Mit Bescheid vom 24. Juni 1994 gab die belangte Behörde der Berufung statt und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, daß der Antrag der Beschwerdeführer auf Bannlegung abgewiesen wurde.

In der Begründung heißt es, da § 27 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) davon spreche, daß Wälder dann in Bann zu legen seien, wenn sie der Abwehr bestimmter Gefahren von Menschen, menschlichen Siedlungen und Anlagen oder kultiviertem Boden dienten, zeige bereits diese Definition des Bannwaldes, daß eine Gefahr vorliegen müsse, die nicht allein aus dem Wald selbst komme. Ein Wald könne also nicht in Bann gelegt werden, um eine Verkehrsanlage mehr oder weniger vor dem Wald selbst zu schützen. § 27 Abs. 2 lit. g Forstgesetz sehe zwar als einen der Bannzwecke den Schutz vor Gefahren vor, die sich aus dem Zustand des Waldes oder seiner Bewirtschaftung ergäben. Auch diese Bestimmung erlaube es jedoch nur, primär auf Gefahren abzustellen, welche außerhalb des Waldes liegende Gefahren seien, die jedoch durch den Zustand des Waldes nicht mehr abgewendet werden könnten. Als Beispiel sei zu nennen, daß ein Wald auf Grund seines schlechten Zustandes keinen Schutz vor Lawinen oder Hangrutschungen mehr bieten könne. Was unter Gefahren zu verstehen sei, die sich aus der Bewirtschaftung des Waldes ergäben, habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. Oktober 1992, Zl. 89/10/0183, näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesagt, daß auf Gefahren einer fachlich nicht einwandfreien Bewirtschaftung abgestellt werde, wobei er jedoch Gefahren, die sich im Zusammenhang mit einzelnen Bewirtschaftungsmaßnahmen ergeben, von dieser Definition ausgenommen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.

Die Beschwerdeführer bringen vor, die Argumentation der belangten Behörde stehe im Widerspruch zu der aus der Entstehungsgeschichte und aus dem Wortlaut der Bestimmungen des ForstG über die Bannlegung erkennbaren Absicht des Gesetzgebers. § 23 Abs. 2 des Bundesstraßengesetzes 1971 in der Fassung BGBl. Nr. 63/1983 stelle eindeutig klar, daß der Gesetzgeber die Bannlegung auch für solche Fälle anordne, in denen eine Gefahr für die Straße oder für den Verkehr auf ihr ausschließlich aus dem Waldzustand oder aus der Waldbewirtschaftung (Waldarbeit) entstehe. In der Forstgesetznovelle 1987, BGBl. Nr. 576/1987, habe der Gesetzgeber diese Erweiterung der Bannzwecke auf den Schutz vor "Gefahren aus dem Zustand des Waldes oder aus seiner Bewirtschaftung" wortgleich übernommen, jedoch mit uneingeschränkter Geltung, nämlich über die Bundesstraßen hinaus. Richtig sei, daß keine Anpassung im Text des § 27 Abs. 1 leg. cit. an diese Erweiterung der Bannzwecke erfolgt sei. Richtig sei aber auch, daß der klare Wortlaut des § 27 Abs. 2 lit. g in Verbindung mit der geschilderten Übernahme aus der Bundesstraßengesetznovelle 1983 die Absicht des Gesetzgebers und den Sinn und Zweck der vorgenommenen Erweiterung der Bannzwecke so eindeutig klarstelle, daß die in der Bescheidbegründung vorgenommene wortgetreue Auslegung an Hand des § 27 Abs. 1 ForstG unzulässig erscheine. Folge man der in der Bescheidbegründung vorgenommenen Auslegung, eine Bannlegung setze eine Gefahr von außerhalb des Waldes voraus und dürfe nicht ausschließlich zum Schutz vor Gefahren durch den Waldzustand selbst vorgenommen werden, so spreche man der Anfügung der lit. g in § 27 Abs. 2 ForstG die Sinnhaftigkeit ab und erkläre lit. g für unnötig, weil die nicht aus dem Waldzustand abgeleiteten Bannzwecke bereits beispielsweise in lit. a bis f genannt seien. Auch das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsvergerichtshofes vom 19. Oktober 1992, Zl. 89/10/0183, vermöge die Rechtsauffassung der belangten Behörde nicht zu stützen, sondern spreche vielmehr für die von den Beschwerdeführern vertretene Rechtsmeinung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 27 Abs. 1 ForstG sind Wälder, die der Abwehr bestimmter Gefahren von Menschen, menschlichen Siedlungen und Anlagen oder kultiviertem Boden dienen, sowie Wälder, deren Wohlfahrtswirkung gegenüber der Nutzwirkung (§ 6 Abs. 2) ein Vorrang zukommt, durch Bescheid in Bann zu legen, sofern das zu schützende volkswirtschaftliche oder sonstige öffentliche Interesse (Bannzweck) sich als wichtiger erweist als die mit der Einschränkung der Waldbewirtschaftung infolge der Bannlegung verbundenen Nachteile (Bannwald).

Nach § 27 Abs. 2 ForstG sind Bannzwecke im Sinne des Abs. 1 insbesondere

a) der Schutz vor Lawinen, Felssturz, Steinschlag, Schneeabsitzern, Erdabrutschung, Hochwasser, Wind oder ähnlichen Gefährdungen,

b)

die Abwehr der durch Emissionen bedingten Gefahren,

c)

der Schutz von Heilquellen sowie von Fremdenverkehrsorten und Ballungsräumen vor Beeinträchtigung der Erfordernisse der Hygiene und Erholung sowie die Sicherung der für diese Zwecke notwendigen Bewaldung der Umgebung solcher Orte,

d)

die Sicherung eines Wasservorkommens,

e)

die Sicherung der Benützbarkeit von Verkehrsanlagen und energiewirtschaftlichen Leitungsanlagen,

              f)              die Sicherung der Verteidigungswirkung von Anlagen der Landesverteidigung,

              g)              der Schutz vor Gefahren, die sich aus dem Zustand des Waldes oder aus seiner Bewirtschaftung ergeben.

Dem Ziel der Abwehr der in § 27 Abs. 1 ForstG genannten Gefahren für die dort erwähnten Schutzobjekte dient auch ein Wald, der durch Bannlegung - und die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen und Unterlassungen - in einen Zustand gebracht wird, daß von diesem Wald keine Gefahren für die Schutzobjekte des § 27 Abs. 1 leg. cit. mehr ausgehen können.

§ 27 Abs. 1 ForstG steht daher einer Bannlegung der von den Beschwerdeführern beantragten Art nicht entgegen.

§ 27 Abs. 1 ForstG kann nicht losgelöst von Abs. 2 leg. cit. gesehen werden. Durch die Einfügung der lit. g im § 27 Abs. 2 ForstG erfuhr die Bestimmung des § 27 leg. cit. einen auch den Abs. 1 erfassenden Bedeutungswandel dahin gehend, daß nunmehr eine Bannlegung auch zur Abwehr von Gefahren, die aus dem Wald selbst kommen, möglich ist. Die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde kann daher nicht geteilt werden.

Bei der von der belangten Behörde gewählten Auslegung wäre § 27 Abs. 2 lit. g ForstG überflüssig, da der Schutz vor Gefahren, die ihren Ausgang außerhalb des Waldes nehmen, bereits durch § 27 Abs. 2 lit. a bis f abgedeckt ist, und zwar auch jener Fall, den die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides dargestellt hat.

Im Beschluß vom 19. Oktober 1992, Zl. 89/10/0183 hat der Gerichtshof festgestellt, daß der Schutz vor Gefahren, die sich aus dem Zustand des Waldes oder aus seiner Bewirtschaftung ergeben, auf Gefahren einer fachlich nicht einwandfreien Bewirtschaftung abstelle, nicht jedoch auf Gefahren, die sich im Zusammenhang mit einzelnen Bewirtschaftungsmaßnahmen (z.B. Abrollen von Hölzern bzw. Steinen infolge von Schlägerungen) ergeben. Aus diesem Beschluß ergibt sich aber nicht, daß im Rahmen des § 27 Abs. 2 lit. g ForstG eine Bannlegung nicht auch zum Schutz vor Gefahren, die sich aus dem Wald selbst ergeben, möglich ist.

Auch ein Blick auf die Entwicklung jener gesetzlichen Bestimmungen, die Bannlegungen im Zusammenhang mit Verkehrsanlagen regeln, bestätigt das Ergebnis, daß § 27 Abs. 2 lit. g auf Gefahren Anwendung findet, die sich aus dem Wald selbst ergeben.

§ 19a Abs. 8 des Bundesstraßengesetzes 1948 bestimmte, daß Waldungen längs der Autobahnen im Sinne des § 19 des Forstgesetzes, RGBl. Nr. 250/1852, auf Antrag der Bundesstraßenverwaltung in Bann gelegt werden konnten, wenn dies zum Schutze der Straßenanlage und des Verkehrs wegen schlechter Sicht, Seitenwindes, Blendung, Eintönigkeit des Straßenbildes u.ä. erforderlich war.

Durch das Bundesstraßengesetz 1971 wurde diese Möglichkeit auf alle Bundesstraßen ausgedehnt (§ 23 Abs. 2).

Durch die Bundesstraßengesetz-Novelle 1983, BGBl. Nr. 63, erhielt § 23 Abs. 2 leg. cit. folgende Fassung:

"Wälder längs der Bundesstraße sind gemäß § 27 bis 31 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, auf Antrag des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) in Bann zu legen, wenn dies aus Rücksichten des Bestandes der Straße oder der Straßenerhaltung oder wegen schlechter Sicht oder zum Schutze der Straße und des Verkehrs gegen Lawinengefahr, Hochwassergefahr, Rutsch- und Abbruchgefahr, Seitenwinde, Blendung und dgl. oder gegen Gefahren aus dem Zustand des Waldes oder aus seiner Bewirtschaftung erforderlich ist."

Die Aufzählung möglicher Gefahren für Bundesstraßen, die sich in dieser Gesetzesstelle finden, zeigt, daß der Gesetzgeber die Bannlegung als Instrument gegen alle erdenklichen Gefahren vorsehen wollte. Gefahren, die nicht aus dem Wald allein kommen, werden von dieser Formulierung auch dann erfaßt, wenn der Passus "gegen Gefahren aus dem Zustand des Waldes oder aus seiner Bewirtschaftung" sich nicht im Gesetz fände. Diesem Passus kann daher nur die Bedeutung zukommen, daß damit Gefahren erfaßt sind, die allein aus dem Wald selbst resultieren.

Durch die Forstgesetznovelle 1987, BGBl. Nr. 576, wurde der Katalog von Bannzwecken im § 27 Abs. 2 ForstG durch die lit. g (Schutz vor Gefahren, die sich aus dem Zustand des Waldes oder aus seiner Bewirtschaftung ergeben) ergänzt. Diese Formulierung entspricht § 23 Abs. 2 des Bundesstraßengesetzes 1971.

Durch die Bundesstraßengesetz-Novelle 1994, BGBl. Nr. 33, wurde § 23 Abs. 2 des Bundesstraßengesetzes 1971 ersatzlos aufgehoben. Im Ausschußbericht (1439 Blg. Nr. XVIII. GP, 2) heißt es dazu:

"Der zweite Absatz des § 23 BStG kann aufgehoben werden, da die Bestimmungen des Forstgesetzes über die Bannlegung von Wäldern.... ausreichend erscheinen."

Daraus erhellt, daß der Bundesgesetzgeber den umfassenden, alle möglichen Gefahren - und damit auch Gefahren, die ausschließlich aus dem Wald selbst kommen - einschließenden Schutz von Straßen durch Bannlegung von Wäldern vom Bundesstraßengesetz 1971 in das ForstG transferieren wollte.

Die Niederösterreichische Landesstraßenverwaltung hat sich darauf berufen, daß die zur Gewährleistung der Sicherheit der L 2009 erforderlichen Maßnahmen nach § 25 des Niederösterreichischen Straßengesetzes und nach § 83 StVO 1960 vom Waldeigentümer getragen werden müßten.

Nach § 25 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes sind, wenn und insoweit es Rücksichten des Verkehrs oder der Straßenerhaltung erfordern, Waldungen und sonstige Baumbestände, die an eine öffentliche, dem Verkehr mit Fahrzeugen dienende Straße angrenzen oder von ihr durchzogen werden und nicht Schutz- oder Bannwälder im Sinne der forstgesetzlichen Vorschriften sind, über Verlangen der Straßenverwaltung bis zu einer Höchstbreite von 4 m vom Straßenrand (§ 24 Abs. 2) beiderseits der Straße abzuholzen, auszulichten oder nach einer bestimmten Betriebsweise zu bewirtschaften.

§ 83 StVO 1960 bestimmt, welche Kriterien vor Erteilung einer Bewilligung für die Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken zu beachten sind. Diese Vorschrift scheidet im vorliegenden Zusammenhang von vornherein aus.

Nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 hat die Behörde Grundeigentümer aufzufordern, Bäume, Sträucher, Hecken und dgl., welche die Verkehrssicherheit, insbesondere die freie Sicht über den Straßenverlauf oder auf die Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs oder welche die Benützbarkeit der Straße einschließlich der auf oder über ihr befindlichen, dem Straßenverkehr dienenden Anlagen, z.B. Oberleitungs- und Beleuchtungsanlagen, beeinträchtigen, auszuästen oder zu entfernen.

Sowohl § 25 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes als auch § 91 StVO 1960 sehen eine Verpflichtung des Grundeigentümers zur Durchführung von Maßnahmen vor, wie sie im Bannlegungsbescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vorgeschrieben wurden. Die im Bannlegungsbescheid vorgeschriebenen Maßnahmen gehen aber quantitativ über jenen Rahmen hinaus, den die erwähnten straßenverwaltungsrechtlichen und straßenpolizeirechtlichen Bestimmungen ziehen, da ein Streifen von 30 m beiderseits der Straße vom Bannlegungsbescheid erfaßt wird. § 25 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes gibt aber eine Handhabe nur für Maßnahmen im Höchstausmaß von 4 m. § 91 Abs. 1 StVO 1960 enthält zwar keine derartige Beschränkung, doch hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis Slg. 9720 ausgesprochen, daß diese Bestimmung die Behörde nur dazu ermächtigt, den Auftrag zu erteilen, solche Bäume usw. auszuästen und zu entfernen, die durch ihre unmittelbare Situierung neben der Straße einen negativen Einfluß auf den sich auf der Straße abwickelnden Verkehr haben.

Wenn daher zur Sicherung der L 2009 vor Gefahren, die sich aus dem Zustand des angrenzenden Waldes ergeben, besondere Bewirtschaftungsmaßnahmen in einem Streifen von jeweils 30 m zu beiden Seiten der Straße erforderlich sein sollten, dann kommt hiefür nicht nur eine Bannlegung in Betracht, sondern es kann auch der Straßenerhalter als Begünstigter in die Pflicht genommen werden.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sich allerdings eingehend mit dem Vorbringen der Niederösterreichischen Landesstraßenverwaltung auseinanderzusetzen haben, daß Bewirtschaftungsmaßnahmen in einem solchen Ausmaß nicht nötig seien, sondern daß mit den im § 25 Niederösterreichisches Landesstraßengesetz vorgesehenen Maßnahmen das Auslangen gefunden werden könne. Das Gutachten des Amtssachverständigen für Forsttechnik bildet hiefür keine ausreichende Grundlage, da es ihm an einer entsprechenden Begründung fehlt.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994100106.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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