TE Vwgh Beschluss 1995/3/31 95/17/0030

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Veröffentlicht am 31.03.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art133 Z1;
B-VG Art138 Abs1 litb;
B-VG Art144 Abs2;
B-VG Art144 Abs3;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §34 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, in der Beschwerdesache der E-Gesellschaft m.b.H. in V, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5. Jänner 1993, Zl. Gem-7385/7-1993-Si, betreffend Getränkesteuer (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde V), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Begründung

1.1. Mit Beschluß vom 14. Oktober 1993, Zl. 93/17/0300, wies der Verwaltungsgerichtshof die nach Ablehnung der Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde nach durchgeführtem Mängelverbesserungsverfahren wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurück. Nach der Begründung dieses Beschlusses habe sich die beschwerdeführende Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich (nur) "in ihrem gem. Art. 5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums durch die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes

(O.Ö. Gemeinde-Getränkesteuergesetz) verletzt" erachtet. Die Beschwerdeführerin habe beantragt,

"a) den angefochtenen Bescheid wegen Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als verfassungswidrig aufzuheben, und

b) das Land Oberösterreich als Rechtsträger der belangten Behörde in den Kostenersatz zu verfällen ..."

Die Beschwerdeführerin habe weiters "den als Anregung aufzufassenden Antrag" gestellt, der Verwaltungsgerichtshof möge mit Beschluß die Beschwerde wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückweisen.

Nach der weiteren Begründung des hg. Beschlusses vom 14. Oktober 1993 seien gemäß Art. 133 Z. 1 B-VG die Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehörten, von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen. Gemäß Art. 144 Abs. 1 erster Satz B-VG erkenne der Verfassungsgerichtshof unter anderem über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der Unabhängigen Verwaltungssenate, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Andere als verfassungsrechtliche Gründe habe die Beschwerdeführerin in ihrer Ergänzung der abgetretenen Beschwerde nicht vorgebracht, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen gewesen sei.

Wenn die Beschwerdeführerin darauf hinweise, eine Mängelbehebungsaufforderung gemäß § 34 Abs. 2 VwGG sei nur dann zulässig, wenn der Beschwerde keiner der in § 34 Abs. 1 VwGG bezeichneten Umstände entgegenstehe, sei ihr zu erwidern, daß letzteres aus der abgetretenen Beschwerde nicht erkennbar gewesen sei; der Beschwerdeführerin wäre es nämlich offengestanden, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einfach-gesetzliche Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides geltend zu machen.

1.2. Mit Eingabe vom 24. Jänner 1994 behauptete die Beschwerdeführerin vor dem Verfassungsgerichtshof das Bestehen eines Widerspruches zwischen den "Rechtsauffassungen des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes für die Beschwerde" und ersuchte "den Verfassungsgerichtshof gem. § 46 (1) VfGG. i.V.m. Art. 138 (1) b B-VG über den durch das Vorgehen der Höchstgerichte entstandenen Kompetenzkonflikt zu entscheiden". Außerdem beantragte die Beschwerdeführerin vor dem Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der "rechtswidrigen Beschlüsse" und begehrte, die Erledigung der Beschwerde dem zuständigen Gericht aufzutragen.

1.3. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, K I-1/94, sprach der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 138 Abs. 1 lit. b B-VG aus, daß der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 30. August 1993, B 262/93, an ihn abgetretene Beschwerde der beschwerdeführenden Partei zuständig gewesen sei und daß der entgegenstehende Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1993, Zl. 93/17/0300, aufgehoben werde.

Nach der Begründung dieses Erkenntnisses könne ein Kompetenzkonflikt im Sinne des Art. 138 Abs. 1 lit. b B-VG auch vorliegen, wenn entweder die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig gewesen sei, weil es sich um einen Fall handle, der gemäß Art. 133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sei und dessen Behandlung daher gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG nicht abgelehnt werden dürfe, oder aber, wenn dies nicht der Fall sei, wenn der Verwaltungsgerichtshof seine Zuständigkeit in derselben Sache zu Unrecht verneint habe. In solchen Fällen bestehe ein Kompetenzkonflikt im Sinne des Art. 138 Abs. 1 lit. b B-VG, weil dem Verfassungsgesetzgeber nicht zugesonnen werden könne, daß er insofern eine Verfassungslücke in Kauf genommen hätte. Der Verfassungsgerichtshof hege auch keine Bedenken, § 46 Abs. 1 VfGG in diesem Sinne auszulegen.

Sodann heißt es in der Begründung des Erkenntnisses weiter:

"6.3. Damit ist zu prüfen, ob ein Kompetenzkonflikt tatsächlich vorliegt, weil entweder die Ablehnung der Behandlung der Beschwerde und deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof vorgenommen wurde, obwohl es sich um einen Fall handelt, der nach Art. 133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, oder weil der Verwaltungsgerichtshof seine Zuständigkeit in der Sache zu Unrecht verneint hat.

6.3.1. Die Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof setzt nach Art. 144 Abs. 2 B-VG voraus, daß es sich um einen Fall handelt, der nach Art. 133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausgeschlossen ist. Gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ist in einem solchen Fall die an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde über Antrag des Beschwerdeführers zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in sonstigen Rechten verletzt wurde, dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Nach der offenkundigen Absicht des Verfassungsgesetzgebers ist weder für die Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde, noch für deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof vorausgesetzt, daß der Beschwerdeführer schon in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde oder im Abtretungsantrag darzulegen hat, in welchen sonstigen Rechten er durch den angefochtenen Bescheid verletzt zu sein behauptet. Vorausgesetzt ist lediglich, daß der Fall an sich von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausgeschlossen ist, die Angelegenheit beispielsweise also deshalb von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgenommen ist, weil es sich um eine Angelegenheit iSd Art. 133 Z 4 B-VG handelt und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausdrücklich für zulässig erklärt worden ist.

Daß im konkreten Einzelfall eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nach § 34 Abs. 1 VwGG vorliegen kann, zB weil die Beschwerdefrist nicht eingehalten wurde oder der Instanzenzug nicht ausgeschöpft ist, hat damit nichts zu tun und steht auch einer Abtretung nicht entgegen.

Voraussetzung einer Abtretung ist lediglich ein darauf gerichteter Antrag sowie der Umstand, daß die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes für die Behandlung einer Beschwerde nicht an sich ausgeschlossen ist.

Wird demgegenüber bei einer abgetretenen Beschwerde in einem Fall, der an sich in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fällt, den Vorschriften über Form und Inhalt von Beschwerden gemäß den §§ 23, 24, 28 oder 29 VwGG nicht entsprochen, dann bewirkt dies, wie sich aus § 34 Abs. 2 VwGG klar ergibt, nicht die Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes; in einem solchen Fall ist vielmehr dem Beschwerdeführer vom Verwaltungsgerichtshof unter Anberaumung einer kurzen Frist die Möglichkeit zur Behebung der Mängel gegeben.

6.3.2. Macht der Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgerichtshof vom Recht auf Stellung eines Abtretungsantrages Gebrauch, dann obliegt es ihm aber auch

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spätestens - über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes nach § 34 Abs. 2 VwGG darzulegen, in welchen sonstigen Rechten er verletzt zu sein behauptet. Die alleinige Berufung auf die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ist, wenn es nicht um Angelegenheiten geht, die von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes an sich ausgeschlossen sind, zwar ausreichend, um die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nach Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof zu erwirken. Nicht hingegen ist eine Ausnahme von der Erfüllung der Vorschriften über Form und Inhalt einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vorgesehen. Um dem Verwaltungsgerichtshof zu ermöglichen, seiner Aufgabe gemäß die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu sichern, bedarf es vielmehr der Konkretisierung durch den Beschwerdeführer, in welchen sonstigen Rechten er sich verletzt erachtet. Kommt er dieser Konkretisierungspflicht nicht von sich aus nach, dann ist ihm

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wie oben bereits angesprochen - die Mangelhaftigkeit seiner Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG unter Fristsetzung vorzuhalten.

Der Beschwerdeführer hat sodann und deshalb, wie § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG deutlich macht, darzulegen, in welchen sonstigen Rechten er sich durch den angefochtenen Bescheid verletzt erachtet.

Entspricht er dem Auftrag nicht fristgerecht oder bleibt dem Verwaltungsgerichtshof auch aus einer fristgerecht erstatteten Äußerung unerkennbar, in welchen sonstigen Rechten er verletzt zu sein behauptet, dann kommt die Fiktion des § 34 Abs. 2 letzter Halbsatz VwGG zum Tragen, wonach die Beschwerde als zurückgezogen gilt; dies bewirkt, daß das Verfahren vom Verwaltungsgerichtshof einzustellen ist.

6.3.3. Der Verwaltungsgerichtshof ist im Verfahren über die an ihn vom Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde der E-GmbH den Weg eines Mängelbehebungsauftrages gegangen und hat am 9. September 1993 einen solchen Auftrag an die Beschwerdeführerin erteilt.

Die Beschwerdeführung wird aber auch durch Nichterfüllung des Mängelbehebungsauftrages nicht unzulässig. Wie sich aus der bereits erwähnten Bestimmung des § 34 Abs. 2 VwGG ergibt, gilt die Beschwerde nämlich für diesen Fall als zurückgezogen.

Ob einem Mängelbehebungsauftrag entsprochen wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen; nach Maßgabe dieser Beurteilung hat er, wenn er dies verneint, das Verfahren einzustellen, weil die Beschwerde Kraft Gesetzes als zurückgezogen gilt. Erblickt er in einer fristgerecht abgegebenen Äußerung die Verbesserung iSd Mängelbehebungsauftrages, dann hat er in die Sache selbst einzutreten.

6.3.4. Im vorliegenden Fall hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde nach Einlangen der Ergänzung der Beschwerde aufgrund des erteilten Mängelbehebungsauftrages mit der Begründung zurückgewiesen, daß andere als verfassungsrechtliche Gründe von der Beschwerdeführerin (auch) in ihrer Ergänzung der an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde nicht vorgebracht wurden. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in seiner Äußerung im Verfahren über den Kompetenzkonflikt auf das Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes, näher darzulegen, aus welchen Gründen die Zurückweisung der Beschwerde erfolgt ist, nur auf diese Begründung verwiesen. Die Zurückweisung aus diesen Gründen entspricht jedoch nicht dem Gesetz. Erachtete der Verwaltungsgerichtshof die Äußerung der Beschwerdeführerin nämlich nicht als Behebung der vorgehaltenen Mängel, dann galt die Beschwerde ex lege als zurückgezogen; das Verfahren war einzustellen, nicht aber die Beschwerde zurückzuweisen. Erachtete der Verwaltungsgerichtshof jedoch die Äußerung als ausreichend für die Behebung der Mängel, dann überging er, daß ein Mängelbehebungsauftrag nur unter der Voraussetzung erteilt werden kann, daß die Sache von seiner Zuständigkeit nicht an sich ausgeschlossen war; der Verwaltungsgerichtshof berief sich auch nicht darauf, daß aus der Äußerung der Beschwerdeführerin ein Zurückweisungsgrund nach § 34 Abs. 1 VwGG hervorgekommen wäre. Die Zurückweisung der abgetretenen Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof entspricht daher nicht dem Gesetz.

6.3.5. Hieraus ergibt sich, daß ein negativer Kompetenzkonflikt tatsächlich vorliegt und weiters, daß der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes, die Beschwerde zurückzuweisen, nicht dem Gesetz entsprach.

Es war daher auszusprechen, daß die Entscheidung über die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fällt und der entgegenstehende Beschluß dieses Gerichtshofes aufzuheben."

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat erwogen:

2.1. Gemäß Art. 138 Abs. 1 lit. b B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten, insbesondere auch zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof selbst, sowie zwischen den ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten.

§ 46 Abs. 1 VfGG lautet auszugsweise:

"Der Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes, der dadurch entstand, daß in derselben Sache ... der Verwaltungsgerichtshof und der Verfassungsgerichtshof ... (Art. 138 Abs. 1 lit. a und b des Bundes-Verfassungsgesetzes) die Zuständigkeit abgelehnt haben (verneinender Kompetenzkonflikt), kann nur von der beteiligten Partei gestellt werden."

§ 51 VfGG bestimmt:

"Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über die Kompetenz hat auch die Aufhebung der diesem Erkenntnis entgegenstehenden behördlichen Akte auszusprechen."

2.2.1. Der in der Sache ergangene Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 1993, B 262/93-3, mit dem die Behandlung der Beschwerde abgelehnt wurde, und auch der Beschluß vom 30. August 1993, B 262/93-6, betreffend die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, haben keinen Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes über seine Unzuständigkeit zum Inhalt. Diese Beschlüsse setzen auch keineswegs die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes voraus, vielmehr erfolgt die Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in aller Regel bei gegebener Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes. Auch im vorliegenden Fall lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde bei unzweifelhaft gegebener Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes ab. Obwohl nun der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluß nicht seine ZUSTÄNDIGKEIT verneint hat, hat er die dem Kompetenzkonfliktverfahren zugrundeliegende verfahrensrechtliche Situation als einen verneinenden Kompetenzkonflikt im Sinne des § 46 Abs. 1 VfGG qualifiziert.

2.2.2. Bei der Lösung dieses Kompetenzkonfliktes ist der Verfassungsgerichtshof davon ausgegangen, daß die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in der vorliegenden Beschwerdesache "an sich" nicht ausgeschlossen ist - was etwa der Fall wäre, wenn ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde im Sinne des Art. 133 Z. 4 B-VG vorläge und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausdrücklich für zulässig erklärt wäre. Wenn der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 1994 ausführt, Voraussetzung einer Abtretung sei lediglich ein darauf gerichteter Antrag sowie der Umstand, daß die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes für die Behandlung einer Beschwerde "nicht an sich ausgeschlossen" sei, so stimmen beide Gerichtshöfe in dieser Rechtsauffassung überein. Aus der weiteren Begründung dieses Erkenntnisses ist nun zu ersehen, daß auch der Verfassungsgerichtshof Fälle für möglich hält, in denen dem Verwaltungsgerichtshof zwar diese Zuständigkeit "an sich" (die die Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof ermöglicht) zukommt, bei denen jedoch "im konkreten Einzelfall" (Seite 7 des Erkenntnisses) dennoch eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen kann, etwa weil der Instanzenzug nicht erschöpft ist (das andere vom Verfassungsgerichtshof genannte Beispiel der Nichteinhaltung der Beschwerdefrist betrifft keinen Unzuständigkeitsgrund im Sinne des § 34 Abs. 1 VwGG - wohl auch nicht im Sinne des § 46 VfGG; in Betracht käme allerdings der weitere Unzuständigkeitsfall der mangelnden Bescheidqualität des angefochtenen Verwaltungsaktes).

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Fällen der Abtretung nach Ablehnung der Behandlung der Beschwerde seitens des Verfassungsgerichtshofes ist stets die Auffassung zugrundegelegen, daß zwischen der abstrakten Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des Art. 144 Abs. 2 B-VG (der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes "an sich", wie dies im Kompetenzkonfliktserkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994 ausgedrückt wird), die die Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof zulässig macht, und der nach Prüfung der Prozeßvoraussetzungen im Einzelfall zu beurteilenden Unzuständigkeit im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG und des § 34 Abs. 1 VwGG zu unterscheiden ist. Dabei betrifft Art. 144 Abs. 2 zweiter Satz B-VG nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes jenen Aspekt der Zuständigkeitsaufteilung zwischen Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof nicht, der von der Rechtsverletzungsbehauptung des Beschwerdeführers abhängig ist (also nur Art. 133 Z. 3 und 4 sowie im Rahmen des Art. 133 Z. 1 B-VG möglicherweise einen schmalen, in der Literatur als "ablehnungsfest" bezeichneten Bereich - vgl. dazu etwa U. Davy,

Die Ablehnungstatbestände des Art 144 Abs 2 B-VG, ZfV 1985, 245, 249).

Ebensowenig, wie die Einbringung einer (mangelhaften) Beschwerde, die keine Rechtsverletzungsbehauptung enthält, beim Verwaltungsgerichtshof nicht von vornherein dessen Zuständigkeit bewirkt, diese vielmehr erst nach Mängelverbesserung beurteilt werden kann, begründet ein (wegen der abstrakten Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zulässiger) Ablehnungs- und Abtretungsbeschluß (noch) nicht (endgültig) die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes. Diese hängt vielmehr unter anderem von der allenfalls im Mängelverbesserungsverfahren nachzuholenden Rechtsverletzungsbehauptung vor dem Verwaltungsgerichtshof ab. Erst die Behauptung des Beschwerdeführers, in seinen einfach-gesetzlich gewährleisteten Rechten im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG verletzt zu sein, konstituiert die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in Abgrenzung zu jener des Verfassungsgerichtshofes (Art. 133 Z. 1 in Verbindung mit Art. 144 Abs. 1 B-VG). Diese seine Zuständigkeit zu beurteilen, ist ausschließlich Sache des Verwaltungsgerichtshofes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Prüfung der Prozeßvoraussetzungen in diesen Fällen in ständiger Rechtsprechung auch auf die zuständigkeitsbegründende Prozeßvoraussetzung der Behauptung des Beschwerdeführers, in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt zu sein, bezogen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. Jänner 1985, Zl. 84/17/0185, vom 18. April 1986, Zl. 86/17/0035, vom 24. Oktober 1986, Zl. 86/17/0128, vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0142 = ZfVB 1990/5/2330, vom 29. März 1990, Zl. 90/17/0043 = ZfVB 1991/2/716, vom 30. September 1993, Zl. 93/17/0122, und viele andere). Er ist hier nicht anders vorgegangen als bei unmittelbar vor dem Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerden (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 7. September 1988, Zl. 88/18/0248 = Anw 1989,

431) oder einer nach Abweisung vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde (hg. Beschluß vom 25. Jänner 1985, Zl. 84/17/0182), die keine zur Behandlung durch den Verwaltungsgerichtshof taugliche Rechtsverletzungsbehauptung (Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) aufweisen, nämlich in der Weise, daß er einen Verbesserungsauftrag erteilt hat. Nicht anders als bei der direkt eingebrachten mangelhaften Beschwerde bildet nach Auffassung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erst die verbesserte Beschwerde die Grundlage für die Beurteilung der Prozeßvoraussetzungen und des materiellen Beschwerdeinhaltes. Dies gilt auch für die Beurteilung der Tauglichkeit der Rechtsverletzungsbehauptung vor dem Verwaltungsgerichtshof. Da von der Rechtsverletzungsbehauptung die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes (in Abgrenzung von jener des Verfassungsgerichtshofes) abhängt, kann somit auch dieser Aspekt der Zuständigkeitsfrage erst "im konkreten Einzelfall" (wie es der Verfassungsgerichtshof ausdrückt) und (wie etwa im Beschwerdefall) erst aufgrund der in der Beschwerdeergänzung abgegebenen Prozeßerklärungen beurteilt werden. Die nicht ausgeschlossene Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes "an sich" im Sinne des Art. 144 Abs. 2 zweiter Satz B-VG hat die Beantwortung dieser Frage noch nicht vorweggenommen. Der Umstand, daß der Unzuständigkeitsgrund erst in der Beschwerdeergänzung hervorgekommen ist, wurde im übrigen im hg. Beschluß vom 14. Oktober 1993, auf den im Kompetenzkonfliktverfahren hingewiesen wurde, klar zum Ausdruck gebracht. Daß im Falle der Erteilung eines Verbesserungsauftrages durch den im Ablehnungsfall "an sich" zuständigen Verwaltungsgerichtshof dessen Zuständigkeit endgültig fixiert sei, wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bisher nicht so gesehen. Vielmehr wurde der Fall nicht anders betrachtet als jener, in welchem der Beschwerdeführer nach Abtretung, aus eigenem und einem allfälligen Verbesserungsauftrag zuvorkommend, vor dem Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich und ausschließlich die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet - einem Fall also, in welchem sich die Alternative der Verfahrenseinstellung statt der Zurückweisung gar nicht stellt.

Ein Zurückweisungsbeschluß nach § 34 Abs. 1 VwGG, unter anderem wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

2.2.3. Im Hinblick auf die Bindungswirkung der tragenden Gründe des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994 im vorliegenden Beschwerdefall hat der Verwaltungsgerichtshof hier jedoch davon auszugehen, daß unter dem Begriff der "offenbaren Unzuständigkeit" des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des § 34 Abs. 1 und 3 VwGG bei Beschwerden, deren Behandlung vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurden, nicht die Unzuständigkeit infolge der ausschließlichen Behauptung des Beschwerdeführers, in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden zu sein, fällt. Auch hatte der Verwaltungsgerichtshof seiner nunmehrigen Entscheidung die Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes zugrundezulegen, daß § 34 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG, wonach die Versäumung der Mängelbehebungsfrist als Zurückziehung der Beschwerde gilt, auch auf den Fall anzuwenden ist, daß der Beschwerdeführer wie hier fristgerecht die Prozeßerklärung abgibt, er erachte sich in seinem "gemäß Art. 5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums durch die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes" verletzt - also eine "Schlechtverbesserung" vornimmt - und beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge den angefochtenen Bescheid "wegen Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als verfassungswidrig" aufheben, sowie weiters "den als Anregung aufzufassenden Antrag" stellt, "der Verwaltungsgerichtshof möge mit Beschluß die Beschwerde wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückweisen".

Aus diesem Grund war das Beschwerdeverfahren wegen der Fiktion der Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 letzter Halbsatz in Verbindung mit § 33 VwGG einzustellen.

2.3. Die vorliegende Entscheidung erging in Bindung an die Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes in einem einen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes aufhebenden Kompetenzkonfliktserkenntnis. Die Voraussetzungen für eine Beschlußfassung in einem gemäß § 13 Abs. 1 VwGG gebildeten Senat sind in einem solchen Falle (schon) mangels einer Entscheidungsalternative nicht als erfüllt anzusehen.

2.3. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Gerichtsentscheidung

abg v VfGH E 1994/12/14 KI-1/94-11
abg v VfGH E 194/12/14 KI-1/94-11

Schlagworte

Mängelbehebung Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten die zur Zuständigkeit des VfGH gehören (B-VG Art133 Z1) Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995170030.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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