TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/5 94/01/0519

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Veröffentlicht am 05.04.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §2 Abs3;
AVG §37;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des B in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Jänner 1994, Zl. 4.332.874/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Jänner 1994 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. Februar 1992 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem Staatsangehörigen "der jugoslawischen Föderation", der am 19. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am darauffolgenden Tag den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu prüfen, deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 22. Jänner 1992 aus, wonach er sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Slowenien aufgehalten habe, und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen die Rechtslage richtig erkannt hat (vgl. insbesondere die grundlegenden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Wenn der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, auf Grund seiner Berufung "das erstinstanzliche Verfahren ... auf seine formale und materielle Richtigkeit zu überprüfen", womit er - wie sich aus seinem weiteren Vorbringen ergibt - sinngemäß meint, daß sich die belangte Behörde mit seiner, von der Erstbehörde verneinten Flüchtlingseigenschaft jedenfalls auseinanderzusetzen gehabt habe, so übersieht er, daß die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den (bei ihr) angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Zufolge des § 3 Asylgesetz 1991 ist aber bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes gemäß § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 leg. cit. die Prüfung der Frage, ob der betreffende Asylwerber Flüchtling ist, entbehrlich (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1995, Zl. 94/01/0111). Auch kommt es bei Heranziehung dieses Ausschließungsgrundes nicht auf die Kenntnis der Rechtslage durch den Beschwerdeführer an, also weder darauf, daß er "nicht wissen konnte, daß Slowenien der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten ist" (siehe die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung dieses Landes laut BGBl. Nr. 806/1993), noch darauf, daß ihm "deren Bestimmungen, insbesondere deren Artikel 33, unbekannt sind". Was seine Befürchtung anlangt, nach seiner Abschiebung nach Slowenien dort nicht als Flüchtling anerkannt zu werden, "da er ja nun aus Österreich kommt, einem Land, in dem er nun ebenfalls (scheinbar) Verfolgungssicherheit erlangt hat", so ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, daß die Beantwortung der Frage, ob er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war, nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob er sich damit der Möglichkeit, in Hinkunft in anderen Staaten Asyl zu erhalten, begeben hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1994, Zl. 94/01/0190).

Der Beschwerdeführer bringt aber in tatsächlicher Hinsicht vor, daß Slowenien "zur jugoslawischen Föderation gehörte und selbst in einen Bürgerkrieg verwickelt war. Die relative Stabilität der politischen Lage, die Slowenien nun erlangt" habe, sei "für den flüchtenden Beschwerdeführer damals nicht überschaubar gewesen". Dieses Vorbringen kann nur dahin verstanden werden, daß es dem Beschwerdeführer aus den genannten Gründen aus objektiver Sicht nicht zumutbar gewesen wäre, in Slowenien länger zu bleiben und dort Asyl zu beantragen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0626).

Damit macht der Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Slowenien habe von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten. Der Beschwerdeführer hat auf diese Weise nach Maßgabe der ihn im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung seines Vorbringens bedurft hätte, auch die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Im Hinblick darauf, daß dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde, anders als die Erstbehörde, nunmehr auf Grund des von ihr gemäß dessen § 25 Abs. 2 anzuwendenden Asylgesetzes 1991 diesen Ausschließungsgrund herangezogen hat, verstößt ihr (erstmals in der Beschwerde erstattetes) Vorbringen diesbezüglich auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Schließlich sei noch bemerkt, daß dem "Antrag" des Beschwerdeführers, "diese Beschwerde zur Entscheidung über die Frage, ob der Beschwerdeführer durch Anwendung des § 25 Abs. 2 des Asylgesetzes 1991 im angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf gesetzeskonforme Entscheidung über seinen Asylantrag verletzt worden ist, dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen", eine gesetzliche Grundlage fehlt und es vielmehr an ihm gelegen gewesen wäre, unmittelbar eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG zu erheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil nach dieser Verordnung der für den Schriftsatzaufwand zu leistende Pauschalbetrag lediglich S 12.500,-- (und nicht S 15.000,--) beträgt.

Schlagworte

Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Sachverhalt Neuerungsverbot Besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010519.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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