TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/5 94/01/0326

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Veröffentlicht am 05.04.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §38;
AVG §45 Abs2;
AVG §68;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in P, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Februar 1994, Zl. Wa-190/93, betreffend Entziehung des Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Februar 1994 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 26. November 1992, mit dem gemäß § 20 Abs. 1, 2 und 4 sowie § 6 Abs. 1 Waffengesetz 1986 der von der Behörde am 31. Oktober 1988 ausgestellte Waffenpaß Nr. 115712 entzogen worden ist, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch wie folgt zu lauten hat:

"Gemäß § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Ziffer 3 des Waffengesetzes 1986, BGBl. Nr. 443, wird Ihnen der von der Bezirkshauptmannschaft Mödling am 31.10.1988 ausgestellte Waffenpaß Nr. 115712 entzogen."

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im wesentlichen damit, daß im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren die Zeugin A. niederschriftlich angegeben habe, sie habe den Beschwerdeführer, von dem sie wisse, daß er Polizist bei der Alarmabteilung der Bundespolizeidirektion Wien sei, im November 1991 in dem "V... Club" kennengelernt. Der Beschwerdeführer habe den Club privat besucht und sie hätten sich auch außerhalb des Club"s dreimal privat getroffen. Der Beschwerdeführer habe ihr einmal auf ihr Ersuchen hin eine Patrone aus seiner Dienstpistole und einmal eine Patrone von seiner Privatwaffe gegeben. Die Zeugin S. habe anläßlich ihrer Einvernahme angegeben, der Beschwerdeführer habe den "V... Club" wiederholt besucht und es habe sich zwischen der Zeugin A. und ihm eine private Beziehung entwickelt. Der Beschwerdeführer habe der Zeugin S. einmal eine Schachtel mit vermutlich fünfzig Stück Patronen geschenkt und ein anderes Mal Patronen des Kaliber"s 38 Spezial verkauft. Er habe seine Dienstwaffe "Glock" immer getragen, wenn er in den Club gekommen sei. Sie habe ihn darauf angesprochen und er habe ihr die Waffe im Lokal übergeben. Sie habe die Waffe für ihn in ihrem Spind aufgehoben. Wenn er den Club wieder verlassen habe, sei ihm die Waffe wieder ausgehändigt worden. Diese Angaben bestätigte diese Zeugin anläßlich einer weiteren Einvernahme.

Die Zeugin A. habe in einer weiteren Einvernahme angegeben, daß der Beschwerdeführer im "V... Club" an die Zeugin S. bei einem dortigen Besuch eine Faustfeuerwaffe (Pistole Marke "Glock") zur Aufbewahrung übergeben habe. Den Zeitpunkt könne sie nicht mehr nennen. Der Beschwerdeführer habe im gesamten Verfahren die Überlassung einer Faustfeuerwaffe an die Zeugin S. und von Munition an beide Zeuginnen bestritten. Er trage die Dienstwaffe nur im Dienst und verwahre sie auf seiner Dienststelle. Er habe in dem Club weder eine Dienstwaffe noch eine private Waffe mitgeführt. Er habe niemandem jemals Munition verkauft oder geschenkt.

Aufgrund einer Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien sei er wegen § 310 StGB angeklagt und diesbezüglich freigesprochen worden. Die sogenannten Belastungszeugen seien ausschließlich aus dem Prostituiertenmilieu und sei dies seiner Auffassung nach als "Retourkutsche" für ihn gedacht. Dies stehe im Zusammenhang mit einem Vorfall, bei dem die Zeugin S. durch Tritte des Betreibers des Clubs schwer verletzt worden sei. Er sei von dieser Zeugin um Rat gefragt worden und habe auf die Erforderlichkeit einer Anzeige hingewiesen. Sie habe ihm damals gesagt, daß er dienstliche Schwierigkeiten bekommen werde. In der Folge habe er beim Sicherheitsbüro und beim Landesgericht Wien als Zeuge aussagen müssen. Er vermute nun, daß aufgrund seiner Zeugenaussage die Zeugin S. versuche, ihm Schwierigkeiten zu bereiten. Weiters hätten die Prostituierten als Zeuginnen im Strafverfahren gegen ihn ausgesagt und müßten nunmehr auch im Verwaltungsverfahren dieselben Äußerungen machen, um nicht selbst straffällig zu werden. Seine Waffe habe er jedenfalls niemals einer dritten Person, schon gar nicht einer Person im Prostituiertenmilieu, gegeben.

Aufgrund des Ergebnisses des gesamten Ermittlungsverfahrens sah es die belangte Behörde als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer eine Faustfeuerwaffe im "V... Club" an die Zeugin S. zur Aufbewahrung übergeben habe. Diese sei nicht im Besitz einer waffenrechtlichen Urkunde und sei somit zum Besitz bzw. zur Innehabung einer Faustfeuerwaffe nicht berechtigt. Weiters sehe es die belangte Behörde als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer den beiden Prostituierten S. und A. Munition für Faustfeuerwaffen überlassen habe. Die Angaben der Zeugin S. erschienen durchaus glaubwürdig. Ihre Angaben hinsichtlich des vom Beschwerdeführer aus der sicherheitsbehördlichen Evidenz besorgten "Fahndungsfotos" des Betreibers des Clubs würden den Tatsachen entsprechen und würden vom Beschwerdeführer selbst bestätigt. Die Angaben hinsichtlich der Überlassung von Munition durch den Beschwerdeführer habe die Zeugin durch die Übergabe der Munition an die Behörde glaubhaft machen können. Auch könne kein Grund gefunden werden, warum die Zeugin S. hinsichtlich der Überlassung der Faustfeuerwaffe unrichtige Angaben hätte machen sollen. Diese Angaben habe sie auch bei ihrer formellen Vernehmung durch die Behörde, somit unter strafrechtlicher Sanktion einer falschen Zeugenaussage, gemacht. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, diese Angaben seien als "Retourkutsche" für ihn gedacht, erschienen nicht stichhaltig. Aus den Angaben des Beschwerdeführers gehe hervor, daß die Zeugin S. durch den Betreiber des "V... Clubs" schwer verletzt worden sei und er im Strafverfahren gegen diesen als Zeuge ausgesagt habe. In diesem Strafverfahren sei die Zeugin S. die Geschädigte gewesen und habe der Beschwerdeführer nach seinen Angaben nicht gegen sie und zu ihrem Nachteil ausgesagt. Es sei daher nicht schlüssig nachvollziehbar, weshalb dies der Grund für eine "Retourkutsche" ihrerseits im gegenständlichen Verfahren habe sein sollen.

Die Angaben der Zeugin S. würden auch durch die Zeugin A. im wesentlichen bestätigt. Insbesondere habe auch diese angegeben, daß auch sie zwei Patronen für Faustfeuerwaffen vom Beschwerdeführer erhalten habe und daß der Beschwerdeführer bei einem Besuch im Club eine Faustfeuerwaffe an die Zeugin S. zur Aufbewahrung gegeben habe. Selbst wenn die Zeugin A. nur von einem Besuch spreche, bei dem eine Faustfeuerwaffe zur Aufbewahrung übergeben worden sei, so sei doch jedenfalls erwiesen, daß der Beschwerdeführer eine Faustfeuerwaffe der zum Besitz von Faustfeuerwaffen nicht berechtigten Zeugin S. überlassen habe. Es sei unerheblich, ob es sich hiebei um die Dienstwaffe oder um eine private Faustfeuerwaffe gehandelt habe. Jedenfalls sei aufgrund der Zeugenaussagen von einer mehrmaligen Überlassung auszugehen. Eine Faustfeuerwaffe dürfe nur einer solchen Person überlassen werden, die zum Besitz von Faustfeuerwaffen berechtigt sei. Der Beschwerdeführer habe daher bei der Handhabung der Faustfeuerwaffen nicht jenes Maß an Sorgfalt angewendet, das im Hinblick auf die Gefährlichkeit von Faustfeuerwaffen erforderlich sei. Vor allem auch im Zusammenhang mit der Überlassung von Munition an die beiden Prostituierten und seinem Umgang im Prostituiertenmilieu sei die Folgerung gerechtfertigt, der Beschwerdeführer "gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der im § 6 Abs. 1 des Waffengesetzes genannten Voraussetzungen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 Waffengesetz 1986, BGBl. Nr. 443 (im folgenden: WaffG), hat die Behörde spätestens alle fünf Jahre die Verläßlichkeit des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen. Ergibt sich hiebei oder aus anderem Anlaß, daß er nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde diese Urkunden zu entziehen. Gemäß § 6 WaffG ist eine Person als verläßlich im Sinne dieses Bundesgesetzes anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie

1.

Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;

2.

mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese sorgfältig verwahren wird;

3.

Waffen nicht an Personen überlassen wird, die zum Besitz von Waffen nicht berechtigt sind.

In der vorliegenden Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer allein gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Die Glaubwürdigkeit der beiden Prostituierten sei insoferne anzuzweifeln, als das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren trotz ihrer Aussagen mit einem Freispruch geendet habe. Daraus folge eindeutig, daß das erkennende Gericht den Aussagen der beiden Prostituierten keinen Glauben geschenkt habe. Weiters sei festzustellen, daß in dem gegen ihn anhängigen Disziplinarverfahren die beiden Zeuginnen zum Gegenstand ausgesagt hätten, jedoch wesentliche Widersprüche zu den ursprünglichen Aussagen festzustellen seien. Weiters sei festzustellen, daß aufgrund der Aussage der Zeugin S. gegen den Beschwerdeführer ein Strafverfahren wegen § 12 und § 288 StGB eingeleitet worden sei, welches mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien vom 17. März 1994 gemäß § 90 StPO eingestellt worden sei. Alle "diese Tatsachen müssen wohl dazu führen", - so meint der Beschwerdeführer - daß "das erkennende Gericht wie auch die Staatsanwaltschaft die Aussagen der Prostituierten nicht als glaubwürdig eingestuft haben". Weiters gehe die belangte Behörde von einer Tatsachenfeststellung aus, die durch kein rechtskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren bestätigt worden sei.

Diesen Rügen des Beschwerdeführers kommt keine Berechtigung zu. Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Verwaltungsbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Dabei können zwar grundsätzlich auch Ermittlungsergebnisse anderer Verfahren herangezogen werden. Die Beweiswürdigung von Beweisergebnissen in anderen Verfahren kann jedoch für eine Verwaltungsbehörde nie bindend sein, es sei denn, der Gesetzgeber sieht eine Bindung an den Spruch einer anderen Behörde ausdrücklich vor oder es handelt sich um eine Entscheidung über eine Hauptfrage, die in einem anderen Verwaltungsverfahren eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG darstellt. Sofern der Beschwerdeführer Widersprüche der Aussagen der beiden Zeuginnen S. und A. im Disziplinarverfahren geltend macht, handelt es sich dabei einerseits um ein neues Tatsachenvorbringen, das gemäß § 41 Abs. 1 VwGG dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt, andererseits legt der Beschwerdeführer diese behaupteten Widersprüche in keiner Weise näher dar, weshalb es in dieser Hinsicht auch an der Darlegung der Relevanz des ins Treffen geführten Verfahrensmangels fehlt.

Dem Verwaltungsgerichtshof kommt eine Befugnis zur Überprüfung der Beweiswürdigung insoweit zu, als es sich darum handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind aber solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen entsprechen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8619/A, und vom 9. Oktober 1985, Zl. 84/11/0183, u.a.).

Die wiedergegebene Beweiswürdigung der belangten Behörde, insbesondere in bezug auf die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeuginnen S. und A., stellt sich für den Verwaltungsgerichtshof in diesem Sinne als schlüssig dar. Dem Beschwerdevorbringen ist im übrigen entgegenzuhalten, daß sich aus keiner Norm des anzuwendenden AVG für die belangte Behörde ergibt, daß Tatsachenfeststellungen, auf die sich die Behörde stützt, durch ein rechtskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren bestätigt werden müßten. Dazu kommt, daß etwa das strafgerichtliche Verfahren gegen den Beschwerdeführer betreffend die Überlassung von Fotos der Polizei in keiner Weise mit dem vorliegenden Verwaltungsverfahren betreffend die Überlassung einer Faustfeuerwaffe und von Munition im Zusammenhang steht.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Sachverhalt Beweiswürdigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Verhältnis Gericht Verwaltungsbehörde Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Verhältnis Gericht - Verwaltungsbehörde freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010326.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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