TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/5 93/18/0328

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Veröffentlicht am 05.04.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §37;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/18/0330

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde 1. des R und 2. der F in K, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 1. Juni 1993, Zlen. UVS-8/42/4-1993 und UVS-8/43/4-1993, betreffend Festnahme und Anhaltung; Verhängung der Schubhaft und Anhaltung in Schubhaft,

Spruch

I. den Beschluß gefaßt:

A. Die Beschwerde wird insoweit, als sie sich gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet, zurückgewiesen.

B. Die Beschwerde wird insoweit, als sie sich gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides richtet, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Die beiden Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von (Rest-)Jugoslawien, stammen aus der Provinz Kosovo und sind albanischer Abstammung. Sie sind am 11. Mai 1993 mit verfälschten Reisedokumenten von Slowenien zu Fuß beim Grenzübergang Spielfeld nach Österreich gekommen und wollten am nächsten Tag in die Bundesrepublik Deutschland weiterreisen. Beim versuchten Grenzübertritt wurde die Verfälschung der Reisedokumente erkannt, es wurde ihnen die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verwehrt und sie wurden der Bundespolizeidirektion Salzburg - Grenzkontrollstelle Hauptbahnhof übergeben. Am 12. Mai 1993 um 14.40 Uhr wurden die beiden Beschwerdeführer gemäß §§ 175 und 177 StPO wegen des Verdachts der Fälschung besonders geschützter Urkunden (§§ 223 und 224 StGB) in Haft genommen; diese Haft endete - da der Staatsanwalt keinen Haftantrag stellte - am 13. Mai 1993 um

10.15 Uhr, doch blieben die Beschwerdeführer weiterhin in - und zwar nunmehr fremdenpolizeilicher - Haft.

Am 14. Mai 1993 (genaue Uhrzeit der Zustellung nicht bekannt) wurde gegen die Beschwerdeführer jeweils ein Schubhaftbescheid zur Sicherung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung und der Abschiebung erlassen.

2. Gegen ihre Festnahme und Anhaltung, insbesondere auch auf Grundlage der §§ 175 und 177 StPO, gegen die bescheidmäßige Verhängung der Schubhaft und ihre Anhaltung in derselben erhoben die Beschwerdeführer durch ihren Rechtsvertreter unter dem 25. Mai 1993 Beschwerde gemäß § 41 Abs. 4 und § 51 Fremdengesetz, BGBl. 838/1992, an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Salzburg.

3. Der angerufene Unabhängige Verwaltungssenat (die belangte Behörde) erledigte diese Beschwerde mit Bescheid vom 1. Juni 1993 wie folgt:

"1. Die Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 67c AVG hinsichtlich der Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführer im polizeilichen Gefangenenhaus in Salzburg vom 12.5.1993, 14.40 Uhr bis 13.5.1993, 10.15 Uhr wird gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

2. Gemäß § 41 Abs. 2 i.V.m. § 52 Fremdengesetz wird die Anhaltung der Beschwerdeführer in Schubhaft in der Zeit zwischen 13.5.1993, 10.15 Uhr bis zum Zeitpunkt der Übernahme des Schubhaftbescheides am 14.5.1993 für rechtswidrig erklärt.

3. Gemäß § 51 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 4 Fremdengesetz und Art. 1 und 2 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/88, wird den Beschwerden keine Folge gegeben und die weitere Anhaltung der Beschwerdeführer in Schubhaft seit 14.5.1993 ab dem Zeitpunkt der Übernahme des Schubhaftbescheides als rechtmäßig festgestellt.

4. Gemäß § 52 Abs. 2 FrG i.V.m. § 79a AVG hat der Bund den Beschwerdeführern Kosten von insgesamt S 7.413,-- zu ersetzen."

II.

Über die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde hat dieser Gerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Februar 1994, B 1281/93, - soweit hier von Belang - wie folgt zu Recht erkannt:

"I. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführer sind durch Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden; in diesem Umfang wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

III. Im übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt."

III.

Über die von den Beschwerdeführern (parallel zu ihrer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof) beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 1. Juni 1993 hat dieser Gerichtshof - nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - erwogen:

1. Mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wurde dem in der Beschwerde an die belangte Behörde vom 25. Mai 1993 (u.a.) gestellten Begehren der Beschwerdeführer entsprochen und die sich auf den Zeitraum zwischen dem Ende der Verwahrungshaft (13. Mai 1993, 10.15 Uhr) und der Erlassung des Schubhaftbescheides (14. Mai 1993, Uhrzeit nicht bekannt), erstreckende Anhaltung für rechtswidrig erklärt. Insoweit fehlt es den Beschwerdeführern an einer Rechtsverletzungsmöglichkeit. Die vorliegende Beschwerde war demnach in dieser Hinsicht mangels Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

2. Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Februar 1994,

B 1281/93, wegen Verletzung der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgehoben. Damit wurden die Beschwerdeführer in diesem Umfang klaglosgestellt, weshalb die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1. des bekämpften Bescheides richtet, gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen war.

3.1. Zu Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde begründend aus, daß die Beschwerdeführer unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes (mit verfälschten tschechischen Reisepässen und ohne österreichischen Sichtvermerk) nach Österreich eingereist seien und gemeinsam über Barmittel in der Höhe von nur DM 300,-- verfügt hätten, was praktisch Mittellosigkeit bedeute; überdies hätten sie über keine Unterkunftsmöglichkeit im Bundesgebiet verfügt. Aufgrund dieser Tatsachen sei die Annahme gerechtfertigt, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführer die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei daher grundsätzlich denkbar (§ 18 Abs. 1 FrG); ebenso die Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. Die Verhängung der Schubhaft und die weitere Anhaltung der Beschwerdeführer in derselben diene der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung dieser Maßnahmen und stelle sohin ein notwendiges und zulässiges Sicherungsmittel dar.

Die Frage einer allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer im Grunde des § 37 FrG sei nicht von der belangten Behörde, sondern von der zuständigen Fremdenpolizeibehörde zu prüfen.

Was die behauptete vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Asylgesetz 1991 anlange, sei darauf hinzuweisen, daß nach § 9 Abs. 1 leg. cit. auch auf Asylwerber mit einer solchen Berechtigung die einschlägigen Bestimmungen des Fremdengesetzes betreffend die Schubhaft (§§ 41 ff) Anwendung fänden.

3.2. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hält der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, die Schubhaft sei zur Sicherung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung notwendig (§ 41 Abs. 1 FrG), nicht für rechtswidrig. Auf der Grundlage des unbestritten gebliebenen von der belangten Behörde als maßgeblich festgestellten Sachverhaltes (oben 3.1.) durfte die belangte Behörde davon ausgehen, daß die Bundespolizeidirektion Salzburg angesichts der ihr im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides bekannten Umstände berechtigten Grund zur Annahme hatte, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes möglich sein werde (§ 18 Abs. 2 Z. 7, § 18 Abs. 1 FrG). Die berechtigte Annahme dieser Möglichkeit genügte; die Gewißheit, daß ein Aufenthaltsverbot gegen die Beschwerdeführer erlassen werde, war nicht erforderlich (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0063, und vom 17. November 1994, Zl. 93/18/0501). Anders als in der Beschwerde behauptet, wurde in der Folge auch tatsächlich ein Aufenthaltsverbot über die Beschwerdeführer verhängt (mündlich verkündeter Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 3. Juni 1993; infolge Rechtsmittelverzichtes mit diesem Datum rechtskräftig), woraus sich ergibt, daß die Schubhaft der Beschwerdeführer vom Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides (14. Mai 1993) bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (gleichfalls am 3. Juni 1993) der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes diente. Dies wiederum hatte zur Folge, daß die - in der Beschwerde ausführlich erörterte - Frage der Zulässigkeit einer allfälligen Abschiebung der Beschwerdeführer im Rahmen der von der belangten Behörde vorzunehmenden Prüfung der Rechtmäßigkeit der Schubhaft der Beschwerdeführer ohne rechtliche Relevanz war, steht doch die Unzulässigkeit einer Abschiebung der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes (zu deren Sicherung - wie vorliegend - die Schubhaft notwendig war) nicht entgegen (vgl. dazu das zur insoweit dem § 41 Abs. 1 FrG vergleichbaren Bestimmung des § 5 Abs. 1 FrPolG ergangene hg. Erkenntnis vom 11. November 1993, Zl. 93/18/0455). Damit ist auch der die behauptete Unzulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer betreffenden Verfahrensrüge der Boden entzogen.

3.3. Schließlich ist der Beschwerdemeinung, die - behauptetermaßen gegebene - vorläufige Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 und die - angeblich - offenkundige Begründetheit ihrer Asylanträge hätten dazu führen müssen, die Schubhaft als rechtswidrig zu erkennen, entgegenzuhalten, daß gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 idF des Art. II Z. 2 BGBl. Nr. 838/1992 auch auf Asylwerber, die eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung haben, die die Schubhaft betreffenden Bestimmungen der §§ 41 ff FrG Anwendung finden.

4. Zu Spruchpunkt 4. des angefochtenen Bescheides (Kostenspruch) enthält die Beschwerde keine Ausführungen. Der Gerichtshof vermag von sich aus keine Rechtswidrigkeit dieses Abspruches zu erkennen.

5. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte 3. und 4. des bekämpften Bescheides wendet, als unbegründet. Sie war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2, 50 und 56 erster Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß nur ein (sich auf beide Beschwerdeführer beziehender) Bescheid angefochten wurde (§ 53 Abs. 1 VwGG).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993180328.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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