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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des T in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1994, Zl. 4.336.506/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen der "jugosl. Föderation", der am 6. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 7. Jänner 1992 den Asylantrag gestellt hat - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 18. März 1992, mit dem festgestellt worden war, daß die Voraussetzungen für die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen, abgewiesen und ausgesprochen, Österreich gewähre ihm kein Asyl.
Gegen diesen Bescheid richtet die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 auseinanderzusetzen, lediglich deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Ansicht war, daß der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Die belangte Behörde ging dabei von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 11. Jänner 1992 aus, wonach er sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Slowenien aufgehalten habe. In diesem Land sei der Beschwerdeführer bereits im Hinblick darauf, daß dieser Staat "seit dem 27. September 1991 Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention" sei und nichts dafür spreche, daß Slowenien die sich aus der Konvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulementverbot, etwa vernachlässige, im Sinne der zitiierten Gesetzesbestimmung vor Verfolgung sicher gewesen.
Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, die Geltung der Genfer Flüchtlingskonvention allein sage darüber nichts aus, daß sich Slowenien auch tatsächlich an die sich daraus ergebenden Verpflichtungen halte, also für den Beschwerdeführer (im konkreten Fall) Verfolgungssicherheit bestanden habe. In der unterlassenen Prüfung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Slowenien überhaupt wirksamen Schutz vor Abschiebung gehabt hätte bzw. dort keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, liege eine entscheidungswesentliche Verletzung der Ermittlungspflicht der Behörde. Im übrigen verwies der Beschwerdeführer auch im Hinblick auf die Möglichkeit oder Zumutbarkeit einer Asylantragstellung in diesem Land auf die erst kurzfristige Existenz des Staates Slowenien sowie auf die Tatsache, "daß Slowenien Teil der föderativen Republik Jugoslawien war". Dies werfe die Frage auf, ob der Beschwerdeführer die Verfolgungssicherheit in diesem Staate überhaupt hätte annehmen müssen oder können.
Damit macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Slowenien habe "von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her" einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten. Der Beschwerdeführer hat auf diese Weise nach Maßgabe der ihn im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung des Vorbringens bedurft hätte, auch die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Im Hinblick darauf, daß dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde, anders als die Erstbehörde, nunmehr auf Grund des von ihr gemäß dessen § 25 Abs. 2 erster Satz anzuwendenden Asylgesetzes 1991 von diesem Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht hat, verstößt sein (erstmals in der Beschwerde erstattetes) diesbezügliches Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.
Darüberhinaus wird sich die belangte Behörde damit auseinander zu setzen haben, daß zwar nach herrschender Völkerrechtslehre der Anerkennung eines anderen Staates im gegebenen Zusammenhang lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt, davon aber, daß es sich bei Slowenien um einen "anderen Staat", in dem ein Asylwerber vor Verfolgung hätte sicher gewesen sein können, gehandelt habe, erst ab jenem Zeitpunkt die Rede sein könnte, in dem die Anerkennung ausgesprochen wurde, gab es doch für Österreich bis dahin keinen solchen "anderen Staat" im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991, sondern weiterhin ein als "Heimatland" gemäß § 1 Z. 1 leg. cit anzusehendes, Slowenien noch mitumfassendes Staatsgebilde (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0264).
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil über den Pauschalbetrag hinaus ein zusätzlicher Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer nicht besteht.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994010459.X00Im RIS seit
20.11.2000