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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. März 1992, Zl. 4.311.688/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. März 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, der am 12. Jänner 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 23. Mai 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, abgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem der Verfassungsgerichtshof ihre Behandlung mit Beschluß vom 30. November 1992, B 548/92, abgelehnt hatte, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdepunkt i.S.d. § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG ausdrücklich dahingehend bezeichnet, daß er durch den angefochtenen Bescheid in den "Rechten auf
a) Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG, b) Asylgewährung gemäß § 2 Abs. 1 und 3 leg. cit. verletzt" worden sei. Es ist daher zunächst festzuhalten, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid ungachtet des von der belangten Behörde im vorliegenden Fall anzuwendenden AsylG (1968) in dem von ihm behaupteten Recht auf "Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG" insoferne verletzt werden konnte, als der Flüchtlingsbegriff des AsylG (1968) inhaltlich jenem des § 1 Z. 1 AsylG 1991 entspricht und daher die Behauptung des Beschwerdeführers als Verletzung des Rechtes auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des AsylG (1968) zu deuten ist.
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland am 15. März 1991 im wesentlichen angegeben, er gehöre in seinem Heimatland seit Mai 1987 der Partei "Bangladesch Jatiya" als aktives Mitglied an. Es handle sich bei dieser Partei um eine im Parlament vertretene Partei, deren Sinn und Zweck die Durchsetzung von freien Wahlen, die Abschaffung der Militärregierung und das Eintreten für Demokratie sei. Der Beschwerdeführer habe sein Heimatland verlassen, da er als Mitglied dieser Partei "Schwierigkeiten" habe und deshalb um sein Leben fürchte. Seine Partei sei bis jetzt an der Macht gewesen und von der Oppositionspartei "Awami Liga Hasina Gruppe und Khalida Gruppe" unter dem Präsidenten Shabuddin gestürzt worden. Der Präsident der Partei des Beschwerdeführers, Ershad, die (bisherigen) Regierungsmitglieder und die Parteifunktionäre seien nach dem Sturz festgenommen und in das Gefängnis gebracht worden. Von Shabuddin seien neue Wahlen durchgeführt und die Partei des Beschwerdeführers auf die "schwarze Liste" gesetzt worden. Da der Beschwerdeführer bis jetzt gegen die derzeitigen Machthaber gearbeitet habe, werde er von der (jetzigen) Regierung gesucht und er befürchte deshalb auch Repressalien. Mehrere Parteimitglieder seien bereits verhaftet worden, einige sogar ermordet. Da der Beschwerdeführer einen Racheakt auf seine Person befürchte und er, aber auch seine Gattin Angst um sein Leben hätten, habe er sich entschlossen, aus seinem Heimatland nach Österreich zu flüchten. Sobald sich die Lage in seinem Heimatland wieder zu normalisieren beginne, wolle er wieder dorthin zurückkehren. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so wolle er seine Gattin nach Österreich nachkommen lassen, um mit ihr hier eine neue Zukunft aufbauen zu können.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, die "Opposition" hätte am 10. November 1990 einen Überfall auf das Sekretariat seiner Partei verübt, bei dem fünf Menschen ums Leben gekommen seien. Damals habe er seiner Partei bereits "aktive Hilfe" geleistet, wodurch die Opposition auf ihn aufmerksam geworden sei und seine "Liquidierung" angeordnet habe. Um sein Leben zu retten, habe er sich bei Freunden verstecken müssen. In der Folge habe sich - durch das Vorgehen der Opposition - die Situation in seinem Heimatland so verschlechtert, daß die Regierung zunächst den Ausnahmezustand habe verhängen, dann aber die Partei des Beschwerdeführers kapitulieren habe müssen. Der Beschwerdeführer habe "aus verläßlichen Quellen" gewußt, daß sein Leben "mehr denn je" in Gefahr gewesen sei und er habe daher das Land verlassen. Von seiner Frau habe er gehört, daß "täglich die Leute von der Opposition ins Haus kämen" und ihn suchten. Sie habe ihm versichert, daß sein Leben in Bangladesch zur Zeit "keinen Heller mehr wert wäre".
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß eine Verfolgung des Beschwerdeführers wegen seiner Mitgliedschaft zur Jatiya-Partei schon deshalb "relativ unwahrscheinlich" erscheine, weil diese Partei mit 36 Mandaten und somit als drittstärkste Kraft im neugewählten Parlament vertreten sei. Die Behauptung jedoch, der Beschwerdeführer habe wegen der Zugehörigkeit zu dieser Partei um sein Leben zu fürchten, erscheine vor diesem Hintergrund überschießend und unglaubwürdig. Im übrigen sei selbst die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Jatiya-Partei nicht glaubhaft, zumal der Beschwerdeführer behauptet habe, daß es Sinn und Ziel dieser Partei sei, die Militärregierung abzuschaffen und für eine Demokratie einzutreten, es jedoch General Ershad gewesen sei, der durch einen Militärputsch an die Regierung gekommen sei und Bangladesch eine Militärherrschaft gebracht habe, wodurch die Verfassung aufgehoben und das Land unter Kriegsrecht gestellt worden sei. Erst durch die letzten Parlamentswahlen sei es in Bangladesch zum Sieg der Demokratie gekommen. Schließlich habe der Beschwerdeführer - ohne Probleme auch nur zu behaupten - Bangladesch mit seinem erst wenige Monate davor ausgestellten Reisepaß vom Flughafen Dhaka aus verlassen. Wäre er staatlicherseits tatsächlich gesucht worden, hätte er die Paßkontrolle sicher nicht problemlos passieren können.
Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, die belangte Behörde habe die Bedrohung seines Lebens durch Mitglieder der politischen Gegner der "Jatiya-Party" nicht auszuschließen vermocht. Daß es sich dabei nicht um drohende staatliche Verfolgung handle, sei eine unhaltbare Auffassung, zumal die belangte Behörde keinerlei Umstände "zur Darstellung zu bringen" vermocht habe, "wonach die staatlichen Behörden gegen Übergriffe der politischen Gegner der "Jatiya-Party" gegen Mitglieder anderer Parteien einschreite". Die Feststellung der belangten Behörde, daß es durch die letzten Parlamentswahlen in Bangladesch zum Sieg der Demokratie gekommen sei, sei aktenwidrig, zumal den Verwaltungsakten keinerlei Beweisergebnis zu entnehmen sei, das mit dieser Feststellung in Verbindung gebracht werden könnte. Die Annahme der Behörde, daß aufgrund dieser Parlamentswahlen die Verfolgung des Beschwerdeführers wegen seiner Mitgliedschaft zur "Jatiya-Party" relativ unwahrscheinlich erscheine, sei unschlüssig. Vielmehr sei der Zusammenhang zwischen der Vertretung einer Partei im Parlament und einem Ausschluß individueller Verfolgung von Mitgliedern dieser Partei "ohne weitere Hilfstatsachen als gewillkürt anzusehen". Unschlüssig sei ferner die Aberkennung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben mit der Begründung, daß das aktive Eintreten für eine Organisation nur dann glaubhaft sei, wenn der Asylsuchende hinreichende Kenntnisse über ihre Zielsetzung, örtliche Struktur und Arbeitsweise nachweise. Weder sei der Beschwerdeführer nämlich mit derartigen Fragen konfrontiert worden, noch seien weitere Aufklärungen verlangt worden, noch sei die Behörde ihrer Verpflichtung nach § 16 Abs. 1 AsylG, von Amts wegen auf geeignete Weise darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, nachgekommen. Ohne entsprechende Fragestellung hätte die Behörde daher aus dem Fehlen von Ausführungen über die genannten Umstände nicht auf die fehlende Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers schließen dürfen.
Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:
Der belangten Behörde kann zunächst, wenn sie den Angaben des Beschwerdeführers über seine Mitgliedschaft bei der Jatiya-Partei angesichts seiner Ausführungen über die Zielsetzungen dieser Partei im Zuge der erstinstanzlichen Einvernahme die Glaubwürdigkeit absprach, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Denn von der Beschwerde unwidersprochen hat sie dargelegt, daß die Militärregierung im Heimatland des Beschwerdeführers von Vertretern der Jatiya-Partei eingesetzt wurde. Trifft dies aber zu, so erweist sich - bei verständiger Würdigung seines Vorbringens - der Widerspruch zwischen den Angaben des Beschwerdeführers über "Sinn und Zweck" dieser Partei und der von ihm unbestritten gebliebenen Darstellung der Situation in seinem Heimatland durch die belangte Behörde als so erheblich, daß die belangte Behörde frei von Unschlüssigkeit den Angaben des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit versagen konnte. Welche, vom Beschwerdeführer monierten Fragestellungen diesen Widerspruch jedoch beseitigen hätten können bzw. was er bei solchen Befragungen vorgebracht hätte, zeigt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht auf. Damit aber kann der Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe mit seinem Vorbringen, er befürchte Verfolgungsmaßnahmen, weil er Mitglied dieser Partei sei, bzw. diese aktiv unterstützt habe, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Denn über diese - als unglaubwürdig erachtete - Behauptung hinaus, er fürchte als Mitglied der Jatiya-Partei um sein Leben, er werde wegen seiner Parteimitgliedschaft gesucht und befürchte Repressalien, hat der Beschwerdeführer keine weiteren Umstände vorgebracht, die eine Furcht vor Verfolgung i.S.d. Art. I Abschn. A Z. 2 der Flüchtlingskonvention als wohlbegründet erscheinen ließen.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf § 19 Abs. 1 AsylG 1991 verweist, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall das AsylG (1968) anzuwenden hatte. Im übrigen obliegt es nach der ständigen hg. Judikatur dem Asylwerber, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0878). Die Behörde trifft im Grunde der §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG die Verpflichtung, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Sie hat, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1992, Zl. 91/01/0216), im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht allenfalls vorhandene Zweifel über den Inhalt und die Bedeutung des Vorbringens des Asylwerbers durch entsprechende Erhebungen, insbesondere ergänzende Befragungen, zu beseitigen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers einen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt enthält, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention in Betracht kommt. Sie ist nach diesen Bestimmungen jedoch ebensowenig verpflichtet, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, wie sie nach § 13a AVG nicht verpflichtet ist, einen Asylwerber anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten solle.
Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren ausreichend Gelgenheit, konkrete Umstände vorzubringen, die seine Furcht vor Verfolgung als wohlbegründet erscheinen ließen. Er zeigt aber selbst in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht auf, was er bei der von ihm vermißten Befragung noch vorgebracht hätte.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob der Umstand, daß der Beschwerdeführer bei Verlassen seines Heimatlandes die Paßkontrolle problemlos habe passieren können, gegen die Angaben des Beschwerdeführers spreche, staatlicherseits gesucht zu werden und ob die Feststellung der belangten Behörden, durch die letzten Parlamentswahlen sei es in Bangladesch zum Sieg der Demokratie gekommen, durch Beweisergebnisse gedeckt sei. Selbst wenn dies jeweils nicht der Fall wäre, so hätte dies nämlich auf das Ergebnis des Verfahrens keinen Einfluß.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994191329.X00Im RIS seit
20.11.2000