TE Vfgh Beschluss 1993/3/15 G157/92

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Veröffentlicht am 15.03.1993
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Index

23 Insolvenzrecht, Exekutionsrecht
23/04 Exekutionsordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EO §292 Abs4
EO §291a
EO §292k

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der EO idF der EO-Novelle 1991 betreffend den unpfändbaren Freibetrag (Existenzminimum) mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Beschreitung des Zivilrechtsweges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Das antragstellende Unternehmen, das ein Versandhaus betreibt, besitzt nach eigenen Angaben eine Vielzahl von Forderungen gegen Dienstnehmer und Pensionisten, die in vielen Fällen nur im Wege von Lohn- und Gehaltsexekutionen sowie von Pensionspfändungen eingebracht werden können. Die Einkünfte aus der Pfändung von Löhnen, Gehältern und Pensionen seien seit dem 1. März 1992, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Exekutionsordnungs-Novelle 1991, drastisch zurückgegangen, da im Wege dieser Novelle das unpfändbare "Existenzminimum" gegenüber der bis dahin geltenden Gesetzeslage deutlich erhöht worden sei. Bei vielen Pensionspfändungen unterliege seither die an die verpflichtete Partei monatlich zur Auszahlung gelangende Pension keiner Pfändung mehr. Die Antragstellerin sei daher aktuell in dem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden. Außerdem würden die dieses bewirkenden gesetzlichen Bestimmungen gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Da der Antragstellerin keine andere Möglichkeit zur Verfügung stehe, diese Verletzung in ihren Rechten geltend zu machen, scheine die Legitimation zur Antragstellung nach Art140 Abs1 B-VG dem Grunde nach gegeben zu sein. Es werde daher der Antrag gestellt, die §§291 a Abs1, 2 und 3 sowie 292 Abs4 der Exekutionsordnung idF der Exekutionsordnungs-Novelle 1991, BGBl. Nr. 628/1991, und ArtXXXIV Abs2 und 3 der Exekutionsordnungs-Novelle 1991, BGBl. Nr. 628/1991, als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die angefochtenen Bestimmungen haben den folgenden Wortlaut:

"Unpfändbarer Freibetrag

('Existenzminimum')

§291 a. (1) Von dem sich nach §291 ergebenden Betrag (Berechnungsgrundlage) hat dem Verpflichteten je nach dem Zeitraum, für den die Leistungen gezahlt werden,

1.

6500 S monatlich,

2.

1500 S wöchentlich,

3.

220 S täglich

zu verbleiben (allgemeiner Grundbetrag).

(2) Der allgemeine Grundbetrag erhöht sich auf

1.

7000 S monatlich,

2.

1620 S wöchentlich,

3.

230 S täglich,

wenn der Verpflichtete im Rahmen des der gepfändeten Forderung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses Leistungen nach §290 b erhält, die jedoch nicht die Höhe der monatlichen Leistung übersteigen (erhöhter allgemeiner Grundbetrag).

(3) Der allgemeine Grundbetrag erhöht sich auf

1.

7500 S monatlich,

2.

1740 S wöchentlich,

3.

250 S täglich,

wenn der Verpflichtete im Rahmen des der gepfändeten Forderung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses keine Leistungen nach §290 b erhält (erhöhter allgemeiner Grundbetrag).

(4) ...

..."

"Zusammenrechnung - Sachleistungen

§292. (1) ...

...

(4) Bei der Zusammenrechnung von beschränkt pfändbaren Geldforderungen mit Ansprüchen auf Sachleistungen vermindert sich der unpfändbare Freibetrag der Gesamtforderung um den Wert der dem Verplichteten verbleibenden Sachleistungen. Dem Verpflichteten haben jedoch von den Geldforderungen mindestens

1.

3250 S monatlich,

2.

750 S wöchentlich,

3.

110 S täglich oder

4.

bei einer Exekution wegen der in §291 b Abs1

genannten Forderungen 75% davon zu verbleiben.

(5) ..."

"Artikel XXXIV

Schluß- und Übergangsbestimmungen

(1) ...

(2) Für Leistungen, die am Tag des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes oder später fällig werden, gelten die neuen Vorschriften, auch wenn die Exekution bereits vor diesem Zeitpunkt beantragt wurde. Auf Antrag des betreibenden Gläubigers, des Verpflichteten oder des Drittschuldners hat das Exekutionsgericht die Exekutionsbewilligung entsprechend zu ändern.

(3) Abs2 ist auch bei jeder Änderung durch Verordnung nach §292 g EO anzuwenden."

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in welcher sie beantragt, den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, daß die von der Antragstellerin bekämpften Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben sind.

Zur Zulässigkeit des Antrages führt die Bundesregierung in ihrer Äußerung aus:

"Nach der mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (z.B. VfSlg. 8594/1974, 9062/1981, 9685/1983). Die Anrufung eines Gerichts ist dabei grundsätzlich zumutbar, wenn das Gericht die bekämpfte Norm im Sinne des Art89 Abs2 B-VG anzuwenden und somit, falls es Bedenken aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit gegen deren Anwendung gibt, einen Aufhebungsantrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen hat (VfSlg. 9685/1983, 10592/1985, 11823/1988).

Eine solche zumutbare Möglichkeit, ihre verfassungsrechlichen Bedenken über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, steht der Antragstellerin auf Grund des §292k Abs1 Z2 EO zur Verfügung. Danach hat das Exekutionsgericht auf Antrag zu entscheiden, ob und inwieweit ein Bezug oder Bezugsteil pfändbar ist. Antragsberechtigt sind nach Abs3 des zitierten Paragraphen u.a. die Parteien, also auch der betreibende Gläubiger.

Die Antragstellerin könnte daher in jedem der von ihr betriebenen Verfahren auf Pfändung fortlaufender Bezüge - insbesondere auch in denjenigen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Exekutions-Novelle 1991 bereits anhängig waren - eine Entscheidung darüber beantragen, ob die Bezüge (nur) unter Berücksichtigung der durch die bekämpften Bestimmungen der Exekutionsordnung festgesetzten Freibeträge pfändbar sind, und in diesem Antrag ihre Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen darlegen. Das Exekutionsgericht hätte bei seiner Entscheidung die bekämpften Bestimmungen anzuwenden und im Zuge des gerichtlichen Verfahrens könnte das zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständige Gericht einen Antrag nach Art140 Abs1 B-VG stellen.

Der Antrag erscheint aus den dargelegten Gründen als unzulässig."

4. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:

Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

Ein solcher anderer zumutbarer Weg steht aber der Antragstellerin - wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung zutreffend ausführt - zur Verfügung. Dieser Weg wird von §292 k EO idF der Exekutionsordnungs-Novelle 1991, BGBl. Nr. 628/1991, eröffnet, dessen in diesem Zusammenhang maßgebliche Bestimmungen wie folgt lauten:

"Entscheidung des Exekutionsgerichts -

Antragsberechtigung

§292 k. (1) Das Exekutionsgericht hat auf Antrag - in den Fällen der Z1 und 2 nach freier Überzeugung im Sinn des §273 ZPO - zu entscheiden,

1.

...

2.

ob und inwieweit ein Bezug oder Bezugsteil pfändbar ist, insbesondere auch, ob die Entschädigungen nach §290 Abs1 Z1 dem tatsächlich erwachsenden Mehraufwand entsprechen,...

              3.              ...

(2) ...

(3) Antragsberechtigt sind neben den Parteien:

...

(4) ..."

Die Antragstellerin hat somit die Möglichkeit, im Wege eines Antrages gemäß §292 k Abs1 Z2 EO eine Entscheidung des Exekutionsgerichtes über die Höhe des in einem konkreten Fall von der Pfändung ausgenommenen Betrages zu erreichen und im Zuge dieses Verfahrens die Verfassungswidrigkeit der von ihr bekämpften Gesetzesbestimmungen geltend zu machen. Damit aber fehlt es ihr an der Befugnis, ihre Bedenken im Wege eines Individualantrages gemäß Art140 Abs1 B-VG direkt an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Der Antrag war darum allein schon aus diesem Grund mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

5. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Exekutionsrecht, Lohnpfändung, Existenzminimum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G157.1992

Dokumentnummer

JFT_10069685_92G00157_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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