TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/23 95/07/0001

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Veröffentlicht am 23.05.1995
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Index

L66505 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Salzburg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
80/06 Bodenreform;

Norm

FlVfGG §1 Abs1;
FlVfGG §18;
FlVfGG §19;
FlVfLG Slbg 1973 §1 Abs1;
FlVfLG Slbg 1973 §38 Abs3;
FlVfLG Slbg 1973 §38 Abs7;
FlVfLG Slbg 1973 §39;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde

1.) der E T und 2.) der H T, beide in P, Bundesrepublik Deutschland, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Salzburger Landesregierung vom 19. Februar 1993, Zl. LAS-132/4-1993, betreffend agrarbehördliche Genehmigungspflicht (mitbeteiligte Parteien: 1.) Agrargemeinschaft L-Alpe und L-Alpswald, vertreten durch den Obmann G, 2.) A, 3.) M), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ. 7, GB S ("O.-Gut") sind Mitglieder der erstmitbeteiligten Partei. Ihnen steht dabei u.a. ein Kaserrecht zu. 1959 errichtete der Eigentümer des O.-Gutes in Ausnützung des Kaserrechtes ein Bauwerk (Kaser) im Bereich des sogenannten "Staubtrettes".

Die jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ. 5, GB A ("M.-Gut") sind gleichfalls Mitglieder der erstmitbeteiligten Partei mit einem Kaserrecht. 1966 hat der Eigentümer dieses Gutes in Ausnützung des seiner Liegenschaft im Rahmen der erstmitbeteiligten Partei zustehenden Kaserrechtes ebenfalls einen Kaser errichtet.

Beide Kaser waren unmittelbar aneinandergebaut worden, sodaß ein sogenannter "Doppelkaser" entstand, wobei der zum O.-Gut gehörende Kaser auch als "Z.-Kaser" und der zum M.-Gut gehörende Kaser auch als "M.-Kaser" bezeichnet wurde.

Mit Kaufvertrag vom 2. Juli 1959 und vom 25. Juli 1966 haben die Eltern der Beschwerdeführerinnen diese beiden Kaser gekauft. Mit Schenkungsvertrag vom 19. Februar 1970 wurden die Kaser je zur Hälfte den Beschwerdeführerinnen von deren Eltern geschenkt.

1987 beantragte die erstmitbeteiligte Partei beim Amt der Salzburger Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) eine Klärung und Regelung der Verhältnisse, die durch den Besitzwechsel einiger Kaser entstanden waren.

Im Zuge einer von der AB am 23. September 1987 durchgeführten Verhandlung wurde festgestellt, daß für die Rechtsgeschäfte, mit denen der Z.-Kaser und der M.-Kaser übertragen wurden, keine Zustimmung der AB eingeholt wurde. Der Vertreter der Erstbeschwerdeführerin wurde in Kenntnis gesetzt, daß diese Kaufverträge von der AB nicht genehmigt werden könnten und daher eine andere Lösung, z.B. die Umwandlung in einen Pachtvertrag, ins Auge gefaßt werden möge.

Bei einer weiteren mündlichen Verhandung der AB am 1. März 1990 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerinnen dem Auftrag zur Rückabwicklung der seinerzeitigen Kaufverträge nicht nachgekommen seien. Es wurde ihnen die Möglichkeit geboten, die Rückabwicklung dieser Kaufverträge vorzunehmen, andernfalls die AB ein Strafverfahren nach dem Salzburger Flurverfassungs-Landesgesetz 1973 (FLG 1973) einleiten müßte.

Mit Schriftsatz vom 9. September 1992 beantragten die Beschwerdeführerinnen bei der AB die Erlassung eines Feststellungsbescheides des Inhalts, daß die Kaufverträge vom 2. Juli 1959 und vom 25. Juni 1966 sowie der Schenkungsvertrag vom 19. Februar 1970, betreffend die Übertragung des Z.-Kasers und des M.-Kasers aus agrarbehördlicher Sicht keiner Genehmigung bedurften. Begründet wurde dieser Antrag damit, § 43 der Satzungen (S. 38 des Regulierungsplanes) der erstmitbeteiligten Partei spreche lediglich davon, daß die Absonderung von Anteilsrechten von der berechtigten Liegenschaft der Genehmigung der Aufsichtsbehörde unterliege. Zu einer Absonderung der Anteilsrechte von den Stammsitzliegenschaften sei es aber nie gekommen, vielmehr seien die Kaserrechte nach wie vor aufrecht. Lediglich die Baulichkeit selbst, die als Superädifikat zu werten sei, sei veräußert worden. Eine Weiterveräußerung der Baulichkeit durch die Kaserberechtigten selbst sei aber nicht untersagt und auch nicht Gegenstand einer agrarbehördlichen Genehmigung.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 1992 gab die AB gemäß § 43 der Verwaltungsordnung (= Satzung) diesem Antrag keine Folge.

In der Begründung heißt es, nach § 43 der Satzungen des für die erstmitbeteiligte Partei geltenden Regulierungsplanes sei für die Absonderung von Nutzungsrechten von der berechtigten Liegenschaft die Genehmigung der AB erforderlich. Weder das FLG 1973 noch dessen Vorgängernormen, auf denen der Regulierungsplan basiere, noch der für die erstmitbeteiligte Partei geltende Regulierungsplan gäben Aufschluß darüber, welchen Rechtscharakter ein Kaserrecht habe. Nach Ansicht der AB sei dieses Recht analog einem Baurecht nach dem Baurechtsgesetz 1912 zu betrachten. Der Kaser sei im Verhältnis zum Kaserrecht als Zubehör (§ 6 Baurechtsgesetz 1912) zu verstehen, daher wie die Hauptsache zu behandeln. Die Zubehöreigenschaft sei auch historisch zu rechtfertigen. Ein Kaserrecht dürfte wohl nur dann eingeräumt worden sein, wenn eine Liegenschaft ob ihrer Größe, ihres Viehstandes oder aus sonstigen Gründen den Bedarf gehabt habe, einen Kaser zu errichten. Würde man Kaser und Kaserrecht trennen, so wäre nicht mehr dem Standpunkt des Bedarfes Rechnung getragen, sondern es könnten von den Kaserberechtigten Kaser beinah gewerblich gebaut und anschließend veräußert werden; dies würde unabhängig vom nicht gegebenen Bedarf eine Ausweitung des Kaserrechtes gegenüber der Grundeigentümerin - nämlich der Agrargemeinschaft - bedeuten. Die Übertragung der Kaser habe daher einer agrarbehördlichen Genehmigung bedurft.

Die Beschwerdeführerinnen beriefen.

Mit Bescheid vom 19. Februar 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 40 Abs. 1 FLG 1973 und § 43 der Verwaltungsordnung als unbegründet ab.

In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, eine Trennung von Kaser und Kaserrechten sei nicht möglich, sondern die Errichtung eines Kasers sei Ausfluß des besonderen Bodennutzungsrechtes der Berechtigten. Der Kaser als Ausfluß des Kaserrechtes sei unselbständiger Bestandteil des Kaserrechts und mit diesem untrennbar verbunden. Auch der Vertragswortlaut des Kaufvertrages vom 2. Juli 1959 weise auf die Untrennbarkeit zwischen Kaser und Kaserrecht hin. Gemäß Punkt I dieses Kaufvertrages sei die Alphütte "mit allen Rechten und Vorteilen, mit denen der Verkäufer das gegenständliche Gebäudewerk bisher besessen und benützt hat", verkauft und übergeben worden. Unabhängig aber vom vertraglich festgelegten Willen der Parteien hinsichtlich der Verfügungen betreffend die Kaser sei festzuhalten, daß Verfügungen über Nutzungsrechte wie im gegenständlichen Fall nur in dem Rahmen möglich sei, welchen das öffentliche Recht zulasse.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 29. November 1994, B 945/93-3, ihre Behandlung ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof haben die Beschwerdeführerinnen eine Beschwerdeergänzung erstattet, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, der angefochtene Bescheid sei mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weil er die Kaser als Zubehör des Kaserrechtes behandle, was sich - laut Behörde - aus der sinngemäßen Anwendung der Bestimmungen des Baurechtsgesetzes ergebe. Diese Argumentation sei unrichtig; das Baurechtsgesetz könne nicht im Analogieweg auf den vorliegenden Fall angewandt werden. Das zivilrechtliche Eigentum an den von den Kaserberechtigten errichteten Kasern komme nicht der Agrargemeinschaft zu, sondern den Kaserberechtigten. Diese seien auch berechtigt, die Kaser ohne Einholung einer agrarbehördlichen Genehmigung zu verkaufen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 der einen Bestandteil des Regulierungsplanes bildenden Satzung der erstmitbeteiligten Partei sind die im Regulierungsplane umschriebenen Rechte und Pflichten der Mitglieder mit der berechtigten Liegenschaft verbunden und gehen mit dieser vom einen auf den anderen Besitzer über. Jeder künftige Erwerber ist daher auch den Bestimmungen des Regulierungsplanes unterworfen.

Nach § 3 der Satzung bedarf die Absonderung einer solchen Berechtigung von der berechtigten Liegenschaft der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.

Nach § 43 der Satzung unterliegt die Absonderung der Anteilsrechte und Nutzungsrechte von berechtigten Liegenschaften der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

Nach dem Regulierungsplan (S. 21) sind die Kaserrechte bestimmter Alpgenossen besondere Bodenbenützungsrechte an den vier Tretten der Alpe, die im Grundbuch zugleich mit den Anteilsrechten der betreffenden Urbarträger bzw. mit den Weiderechten der betreffenden Zufahrer eingetragen sind.

In der einen Teil des Regulierungsplanes bildenden Alpordnung werden die Alpeinrichtungen aufgezählt. In dieser Aufzählung finden sich auch Alphütten, wobei sich in Klammern der Ausdruck "Kasern" findet (S. 43).

Aus der Begriffsbestimmung des Kaserrechtes und der Gleichsetzung von Alphütten und Kasern ergibt sich, daß es sich beim Kaserrecht - jedenfalls auch - um das bestimmten Mitgliedern der Agrargemeinschaft zustehende Recht handelt, Teile agrargemeinschaftlicher Grundstücke zur Errichtung und zum Betrieb eines Kasers - worunter eine Alphütte zu verstehen ist - handelt. § 43 der Satzung unterwirft - neben der Absonderung von Anteilsrechten - die Absonderung von Nutzungsrechten der agrarbehördlichen Genehmigung. Desgleichen sieht § 3 der Satzung eine agrarbehördliche Genehmigung für die Absonderung einer Berechtigung vor. Eine Absonderung eines Nutzungsrechtes bzw. einer Berechtigung liegt vor, wenn die Ausübung des Nutzungsrechtes (der Berechtigung) einem anderen als dem bisher Berechtigten zukommen soll. Errichtung, Bestand und Benützung eines Kasers sind konstituierender Bestandteil des Kaserrechts. Mit der Übertragung des Eigentumsrechts an einem Kaser wäre die Befugnis verbunden, einen Teil eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes in bestimmter Weise zu nutzen. Genau dies ist der Inhalt des Kaserrechts. Eine Trennung zwischen Kaser und Kaserrecht, wie sie den Beschwerdeführerinnen vorschwebt, ist daher begrifflich nicht möglich. Daraus folgt, daß die Übertragung des Kasers der agrarbehördlichen Genehmigung bedarf.

Die Auffassung der Beschwerdeführerinnen steht auch im Widerspruch zu den Zielen und Zwecken des Flurverfassungsrechts. Das FLG 1973 und die darauf bzw. auf dessen Vorgängerbestimmungen gestützten Verwaltungsakte (wie z. B. Regulierungspläne) zielen auf eine zweckmäßige und geordnete Bewirtschaftung und Nutzung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken und auf die Erhaltung und Stärkung einer lebensfähigen Landwirtschaft ab. Das FLG 1973 sieht zur Erreichung dieses Zweckes auch Beschränkungen - in Form einer agrarbehördlichen Bewilligungspflicht - für die Absonderung der mit einer Stammsitzliegenschaft verbundenen Mitgliedschaften einer Agrargemeinschaft (§ 38 Abs. 3 FLG 1973), für die Teilung einer Stammsitzliegenschaft (§ 38 Abs. 7 leg. cit.) und für die Veräußerung und Belastung agrargemeinschaftlicher Grundstücke (§ 39 FLG 1973) vor. Bei der Erteilung solcher Genehmigungen ist auf den Wirtschaftsbedarf der berechtigten Liegenschaft - dessen Beurteilung nicht allein den Berechtigten überlassen wird - sowie auf eine dem wirtschaftlichen Zweck der Gemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung der Anteilsrechte, ferner darauf, ob der Anteilsrechtswerwerb nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus anderweitigen Zwecken angestrebt wird, und auf landeskulturelle Interessen Bedacht zu nehmen. Diese Grundsätze gelten auch für die Genehmigung der Absonderung eines Nutzungsrechtes nach den §§ 3 und 43 der Satzung der erstmitbeteiligten Partei. Dem Bedarf der berechtigten Liegenschaft dient aber nicht allein das (bloße) Kaserrecht, sondern der real existierende Kaser. Bei einer Trennung zwischen Kaser und Kaserrecht könnte daher die Statuierung der agrarbehördlichen Genehmigungspflicht für die Abtrennung eines Nutzungsrechtes von der berechtigten Liegenschaft die mit dieser Genehmigungspflicht verbundenen Zwecke nicht erreichen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995070001.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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