TE Vwgh Beschluss 1995/5/31 95/16/0064

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Veröffentlicht am 31.05.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

B-VG Art131a;
B-VG Art144;
FinStrG §58 Abs2;
FinStrG §62 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in W, betreffend die vom Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz ergangene "Aufforderung zum Strafantritt gemäß § 175 Abs. 2 des Finanzstrafgesetzes" vom 5. Jänner 1994 sowie die zwangsweise Vorführung zum Strafantritt und die Strafhaft, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde in einem nach der Beschwerdebehauptung nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren mit der durch Hinterlegung am 13. Jänner 1994 zugestellten Erledigung des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 5. Jänner 1994 zum Strafantritt der Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen und 4 Stunden gemäß § 175 Abs. 2 FinStrG aufgefordert.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer festgenommen und war vom 20. April 1994 bis 25. April 1994 in Haft.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die zunächst vor ihm erhobene Beschwerde mit Beschluß vom 28. November 1994, B 1165/94-3, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, es sei beschlossen worden, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, ohne daß untersucht worden sei, ob und inwieweit die Beschwerde zulässig sei.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht insofern verletzt, als er am 20. April 1994 entgegen der Bestimmung des § 172 Abs. 2 FinStrG nicht zum Strafantritt hätte zwangsweise vorgeführt werden dürfen. Er beantragt, die am 20. April 1994 erfolgte zwangsweise Vorführung zum Strafantritt und Festnahme sowie die Anhaltung in Haft bis zum 25. April 1994, 12.15 Uhr, infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen materieller Rechtswidrigkeiten für rechtswidrig zu erklären sowie die Zustellung zur Aufforderung zum Strafantritt vom 5. Jänner 1994 ebenfalls für rechtswidrig zu erklären in eventu aufzuheben und ferner die Aufforderung zum Strafantritt vom 5. Jänner 1994 des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz ebenfalls für rechtswidrig zu erklären und in eventu aufzuheben.

Die Gesetzmäßigkeit des Vollzugs einer Verwaltungsstrafe und damit auch der Vorführung zum Strafantritt ist zunächst davon abhängig, daß die betreffende Verwaltungsstrafe rechtskräftig verhängt worden ist. Eine weitere Voraussetzung für die Gesetzmäßigkeit des Vollzugs bildet die zwingend vorgesehene Aufforderung zum Antritt der Freiheitsstrafe (VfGH vom 24. September 1987, B 275/87).

Die Aufforderung zum Antritt einer Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe ist kein Bescheid (VfGH vom 9. Juni 1988, B 40/88). Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung VfSlg. 4082/1961 ausgesprochen hat, daß einer Strafantrittsaufforderung ein normativer Inhalt zukommen kann, wenn die Behörde die Absicht hatte, den Betroffenen einer im Gesetz nicht vorgesehenen Maßnahme zu unterwerfen. Trifft dies zu, dann ist die Aufforderung ein Bescheid (VfGH vom 27. September 1969, B 194/69). Sollte im Beschwerdefall - was nicht geprüft wurde - davon auszugehen sein, dann wäre insofern der Instanzenzug mangels Bekämpfung des erstinstanzlichen Bescheides nicht erschöpft und eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof als unzulässig zurückzuweisen.

Soweit in der Beschwerde die Aufforderung zum Strafantritt, weiters die zur Einleitung des Strafvollzugs erfolgte Festnahme und Einlieferung in ein Gefangenenhaus sowie der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe als Akte der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden, ist darauf hinzuweisen, daß gemäß § 62 Abs. 3 FinStrG i.d.F. BGBl. Nr. 465/1990 die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer finanzbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dem Vorsitzenden des Berufungssenates obliegt, der über Rechtsmittel gegen Erkenntnisse oder sonstige Bescheide des Spruchsenates zu entscheiden hätte, dem gemäß § 58 Abs. 2 FinStrG unter den dort genannten Voraussetzungen die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses obliegen würde. Eine gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ohne vorangegangene Entscheidung durch den Vorsitzenden des Berufungssenates vor dem (Verfassungsgerichtshof und dem) Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde ist demnach mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen. Die vorliegende Beschwerde war daher deswegen ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995160064.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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