TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/13 94/08/0107

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.1995
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §44 Abs3;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §68 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §68 Abs1 idF 1991/676;
AVG §39 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der X-Sparkasse, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. Dezember 1993, Zl. VII/2-5661/5-1993, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. April 1993 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß die den Dienstnehmern der Beschwerdeführerin, die in den korrigierten Beitragsgrundlagennachweisen für 1989 bis 1991 aufgelistet seien und die aufgrund ihres Monatsbezuges die jeweils in Geltung gestandene Höchstbeitragsgrundlage nicht überschritten hätten, im Zusammenhang mit dem Abschluß von Bauspar- und Versicherungsverträgen in den Jahren 1989 bis 1991 zugeflossenen Provisionen beitragspflichtiges Entgelt darstellten, und die Beschwerdeführerin daher verpflichtet sei, die daraus resultierenden Beiträge und Umlagen in Höhe von insgesamt S 772.789,31 zu entrichten. Begründend wurde ausgeführt, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, die Rechtsmeinung einer Gebietskrankenkasse bestätigt habe, wonach die von den Dienstnehmern einer Bank aufgrund der von ihnen vermittelten Bauspar- und Versicherungsverträge vereinnahmten Provisionen beitragspflichtiges Entgelt darstellten. Da die Beschwerdeführerin dieser Entscheidung nicht Rechnung getragen habe, sei sie am 9. März 1992 schriftlich gebeten worden, die Beitragsabrechnung für sämtliche in Frage kommenden Dienstnehmer rückwirkend ab dem Jahre 1989 durchzuführen. Nach einem mit der Beschwerdeführerin geführten Schriftwechsel seien die Nachtragsbeitragsnachweisungen und die korrigierten Jahresbeitragsgrundlagennachweise für die Jahre 1989 bis 1991 vorgelegt sowie die auf die bezogenen Provisionen entfallenden Sozialversicherungsbeiträge abgerechnet worden. Die Beschwerdeführerin habe sich jedoch der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in diesem Zusammenhang vertretenen Rechtsansicht nicht anschließen können und daher die Ausstellung eines Bescheides verlangt. Diesem Wunsch werde im Sinne des § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG nachgekommen. Im Gegensatz zu der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung sei es auch im gegenständlichen Fall als nicht zweifelhaft anzusehen, daß die Tätigkeit der bei ihr beschäftigten Angestellten im Zusammenhang mit der Vermittlung von Bauspar- und Versicherungsverträgen auch ihre betrieblichen Interessen fördere (Kundenpflege). Bezeichnend hiefür sei unter anderem, daß die betreffenden Leistungen beworben und den Dienstnehmern für ihre Aktivitäten auch Betriebseinrichtungen sowie die Arbeitszeit zur Verfügung gestellt würden. Da nicht angenommen werden könne, daß ein Unternehmer solche Möglichkeiten einem Dritten für dessen ausschließliches Interesse einräume, sei zwangsläufig auf das betriebliche Interesse zu schließen. Daraus ergebe sich, daß die vereinnahmten Bauspar- und Versicherungsprovisionen als Leistungen Dritter beitragspflichtiges Entgelt darstellten und infolgedessen in die allgemeine Beitragsgrundlage einzubeziehen seien. Die Beschwerdeführerin sei daher verpflichtet gewesen, die auf den Zeitraum 1989 bis 1991 hinsichtlich der Vermittlungsprovisionen entfallenden Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen im Gesamtausmaß von S 772.789,31 zu entrichten.

In dem dagegen erhobenen Einspruch wandte die Beschwerdeführerin ein, daß sich der vorliegende Sachverhalt von jenem, der im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen gewesen sei, grundlegend unterscheide: Sowohl die Organisationsform als auch die Organisation im Hinblick auf Bauspar- und Versicherungsverträge sei im Raiffeisensektor völlig verschieden von den im Beschwerdefall maßgeblichen. Die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin schlössen mit der "Bausparkasse" (aus anderen Schriftsätzen der Beschwerdeführerin zu ergänzen: der Bausparkasse der österreichischen Sparkassen sowie der S-Versicherungs AG) eigene Verträge ab, die von der Beschwerdeführerin bewilligt werden müßten, weil es ihren Mitarbeitern im Sinne des Dienstrechtes untersagt sei, mit Konkurrenzinstituten zusammenzuarbeiten. Diesbezüglich bestehe eine gesonderte Dienstanweisung, die den Dienstnehmern die Zusammenarbeit mit der Bausparkasse (und der S-Versicherungs AG) dahingehend gestatte, daß die Provisionsabwicklung direkt zwischen diesen Unternehmen und den Mitarbeitern erfolge. Die Beschwerdeführerin erhalte lediglich Listen, aus denen ersichtlich sei, welche Kunden an die jeweiligen Gesellschaften vermittelt worden seien, aus denen jedoch nicht hervorgehe, welcher ihrer Mitarbeiter den Abschluß getätigt habe. Jeder der Dienstnehmer der Beschwerdeführerin erhalte bei Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Stellenbeschreibung, aus der sich ergebe, welche Leistungen er im Rahmen seines Dienstverhältnisses zu erbringen habe. In keiner dieser Stellenbeschreibungen sei festgelegt, daß die Vermittlung von Versicherungs- bzw. Bausparverträgen zum Aufgabenbereich eines der Mitarbeiter gehöre. Entgegen den Ausführungen im Erkenntnis vom 17. September 1991 stelle die Beschwerdeführerin ihren Angestellten weder zu Schulungszwecken für die genannten Gesellschaften vom Dienst frei noch übernehme sie irgendwelche damit verbundenen Kosten. Zur behaupteten Zurverfügungstellung der Betriebseinrichtungen sowie der Arbeitszeit sei auszuführen, daß die von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellte Betriebseinrichtung minimal sei. Als solche wäre z.B. die Beheizung des Verkaufsraumes zu bezeichnen, die aber nicht anders wäre, wenn der Dienstnehmer keinen Bausparvertrag abschließen würde. Alle anderen wichtigen Unterlagen, wie Formulare, Know how, Werbegeschenke, Informationsbroschüren, würden von den genannten Gesellschaften direkt den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt und müßten von ihnen teilweise selbst angeschafft werden. Was die Zurverfügungstellung der Arbeitszeit betreffe, fehle im bekämpften Bescheid jegliche Feststellung darüber, wieviel Prozent der vermittelten Verträge während der Dienstzeit und wieviel in der Freizeit der Dienstnehmer erstellt worden seien. Für die wirklich aufgewendete Arbeitszeit erhalte die Beschwerdeführerin quasi als Entschädigung eine geringe Provisionsbeteiligung. Sie erziele durch die Vermittlungstätigkeiten bzw. die Einnahme der Provisionszahlungen aber keinen wirklichen Gewinn, wenn man die durch die Dienstnehmer für diese Tätigkeit aufgewendete Zeit berücksichtige. Was das im bekämpften Bescheid zitierte Interesse der Beschwerdeführerin an der Vermittlung von Bauspar- und Versicherungsverträgen anlange, so bestehe dieses höchstens darin, die Kunden im Sektor zu halten und zu verhindern, daß sie zur Konkurrenz übersiedeln. Dieses Interesse sei aber im Vergleich zur Gesamtleistung, die ein Bausparvertreter erbringe, derartig geringfügig, daß es jedenfalls mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen betreffend das Eigentum nicht mehr in Einklang gebracht werden könne. Durch den bekämpften Bescheid werde daher ein minimales Interesse unzulässigerweise einem Beitrag unterworfen, was durch Art. 18 B-VG nicht gedeckt sei und an Willkür grenze, weil es ein schwerer Eingriff in das Recht der Unversehrtheit des Eigentums darstelle. Es bestehe demnach keine Gleichartigkeit des Sachverhaltes mit demjenigen, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991 zugrundegelegt sei. Die belangte Behörde werde diese wesentlichen Unterschiede durch Vernehmung der beantragten Zeugen und sonstige Ermittlungen festzustellen haben. Aus dem bekämpften Bescheid sei auch nicht ersichtlich, woraus sich der Nachverrechnungsbetrag zusammensetze. Aus der Vorkorrespondenz sei ersichtlich, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse von der Beitragsgrundlage 20 % für außerhalb der Dienstzeit abgeschlossene Verträge abgezogen habe; dies deshalb, weil dies der Verwaltungsgerichtshof im mehrfach zitierten Erkenntnis vom 17. September 1991 judiziert habe. Dagegen werde eingewendet, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse diesen Prozentsatz übernehme, ohne auch nur irgendwelche Erhebungen darüber anzustellen, wie hoch der Anteil der außer Haus vermittelten Verträge bei der Beschwerdeführerin tatsächlich sei. Nur weil im Raiffeisensektor 20 % der Verträge außerhalb der Dienstzeit vermittelt würden, könne dieser Richtsatz nicht auch auf die Beschwerdeführerin mit einer völlig unterschiedlichen Organisations- und Abwicklungsform der Verträge übertragen werden. Es widerspreche den Prinzipien des ASVG, daß die Beschwerdeführerin für Leistungen, die ihre Dienstnehmer außerhalb der Arbeitszeit für einen Dritten aufgrund eines eigenen Vertragsverhältnisses erhielten, Abgaben an die Sozialversicherung leisten solle. Wäre dies so, so müßte jeder Dienstgeber, dessen Dienstnehmer außerhalb der Arbeitszeit einer weiteren Beschäftigung nachgehe, die nur in weitester Form einen Kausalzusammenhang mit der Haupttätigkeit herstellen lasse, das Entgelt des Dienstnehmers aus dieser Nebenbeschäftigung hinzurechnen und dafür ebenfalls Beiträge an die Sozialversicherung leisten, wobei in diesem Fall wiederum der unbestimmte Begriff "Interesse" eine klare Auslegung bzw. Abgrenzung unmöglich mache. Ein Interesse könnte man dann, abgesehen von Konkurrenztätigkeiten, immer schon annehmen, wenn berufliche Zusatzerfahrung begründet werde. Es sei jedoch denkunmöglich, ein solches weitestes Interesse als Basis für Abgaben heranzuziehen.

In einer Äußerung zur Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse insistierte die Beschwerdeführerin auf einer konkreten Überprüfung, wie viele der Bauspar- und Versicherungverträge wirklich während der Dienstzeit der Dienstnehmer abgeschlossen würden, und wie tatsächlich die Interessen am Abschluß derartiger Verträge zu bewerten seien. Je größer nämlich das Interesse der Beschwerdeführerin daran wäre, desto kleiner müßte das der Bausparkasse sein. Die Beschwerdeführerin habe in der Vorkorrespondenz mehrmals darauf hingewiesen, daß mindestens 40 % aller Verträge außerhalb der Dienstzeit abgeschlossen worden seien. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse rechtfertige aber ihre "unzulässige Pauschalierung" in ihrer Stellungnahme damit, daß bei Vorliegen eines inneren Zusammenhanges der Tätigkeit mit dem Beschäftigungsverhältnis unerheblich sei, ob die Leistungen während der Dienstzeit oder außerhalb derselben erbracht worden seien. Wäre dies so, so wäre auch die angenommene Beitragsbasis mit 80 % durch keine Erhebungen gedeckt und rein willkürlich. In der Zwischenzeit habe der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0077, seine Judikatur auch geändert. Darin verlange er zusätzlich zum Interesse einen sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit als Gegenwert für die vom Dienstgeber im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses erbrachten Leistungen. Im Beschwerdefall stünden die Provisionen den Dienstnehmern nur als Vertragspartner der Bausparkasse (und der S-Versicherungs AG) zu und stellten diese daher keine Leistungen dar, die im Rahmen des mit der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Beschäftigungsverhältnisses erbracht würden. Sie seien daher nicht als Entgelt "aufgrund des Dienstverhältnisses" zu werten; ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit der Haupttätigkeit liege nicht vor. Nach einer Schätzung lägen wohl 98 % des Interesses am Abschluß von Bausparverträgen bei der Bausparkasse, die schließlich die gesamten Einnahmen aus dem Bauspargeschäft habe. Die an die Beschwerdeführerin bezahlte geringfügige Provision sei maximal als Barauslagenersatz zu werten. Es sei daher der tatsächliche Prozentsatz des Interesses zwischen den dritten Vertragspartnern der Dienstnehmer und der Beschwerdeführerin abzugrenzen, zumal der genannte Prozentsatz von 98 % nur eine Schätzung darstelle.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung wird dem Einspruchsvorbringen entgegengehalten, daß unabhängig von der Organisationsform der Beschwerdeführerin ein betriebliches Interesse am Abschluß von Bauspar- und Versicherungsverträgen gegeben sei, auch wenn damit vorrangig nur das Ziel verfolgt werde, die Kunden im "Sektor" zu halten und damit deren Abwanderung zur Konkurrenz zu verhindern. Denn wenn unter einem solchen Blickwinkel einer solchen Tätigkeit im Rahmen des Dienstverhältnisses zugestimmt und auch die entsprechenden Einrichtungen hiefür zur Verfügung gestellt würden, so könne keineswegs von einem minimalen Interesse gesprochen und damit auch nicht der Kausalzusammenhang verneint werden. Im allgemeinen sei nämlich keineswegs davon auszugehen, daß ein Unternehmer die Nutzung seiner betrieblichen Einrichtungen und die Inanspruchnahme seiner Dienstnehmer in deren Dienstzeit einem Dritten in dessen ausschließlichem Interesse und ohne Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis gestatte. Diese Fakten stellten vielmehr ein gewichtiges Indiz für ein betriebsbezogenes Eigeninteresse dar. Im Hinblick darauf seien folgerichtig die strittigen Bezüge "aufgrund des Dienstverhältnisses" gewährt worden. Dafür spreche auch, daß nicht nur Bezügen aufgrund einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung Entgeltcharakter zukomme, sondern auch solchen, die für Leistungen gewährt würden, die auch ohne arbeitsvertragliche Verpflichtung im Interesse (auch) des Dienstgebers erbracht würden. Wenn - wie im vorliegenden Fall - der innere Zusammenhang der Tätigkeit mit dem Beschäftigungsverhältnis zu bejahen sei, sei es für die Beurteilung des Entgeltcharakters von Bezügen unerheblich, ob die entsprechenden Leistungen der Dienstnehmer während der Dienstzeit oder darüber hinaus erbracht worden seien. Alle diese Aspekte seien bereits im mehrfach zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991 zum Ausdruck gebracht worden. Auch sei auf die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 91/08/0198 und Zl. 91/08/0199, zu verweisen, die unter Würdigung ebensolcher Sachverhalte zu gleichlautenden Ergebnissen kämen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 1. März 1994, B 248/94, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeergänzung erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf eine gesetzmäßige Beitragsvorschreibung gemäß den §§ 44, 49 ASVG in Verbindung mit Art. 18 B-VG verletzt und begründet dies unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen mit den oben wiedergegebenen Ausführungen im Einspruchsverfahren.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit allen auch im Beschwerdefall relevanten Fragen - in Auseinandersetzung mit Einwänden gegen die Vorerkenntnisse vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, und vom 20. Oktober 1992, Zlen. 91/08/0198 und 91/08/0199, sowie in Anwendung der Rechtssätze des von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnisses vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0077 - bereits ausführlich in seinem Erkenntnis vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0149, auf das (sowie auf die anderen genannten Erkenntnisse) gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, befaßt.

Unter Bedachtnahme auf die diesbezüglichen Ausführungen, die der Gerichtshof aufrecht hält, ist es aus nachstehenden Gründen nicht rechtsirrig, wenn die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse und ihr folgend die belangte Behörde, schon ausgehend von dem von der Beschwerdeführerin zugestandenen Sachverhalt, die Wertung der strittigen Provisionen als Leistungen Dritter "aufgrund des Dienstverhältnisses" im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG (d.i. des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG) gewertet und daher die diesbezügliche Beitragspflicht der Beschwerdeführerin bejaht hat:

Nach den genannten Darlegungen ist es zunächst für die Zurechnung von Leistungen Dritter zum Entgelt nicht erforderlich, daß sie ein Dienstnehmer (über das ihm vom Dienstgeber zu zahlende oder gezahlte Entgelt hinaus) von Dritten für Leistungen erhält, zu denen er aufgrund seines Dienstverhältnisses verpflichtet ist. Zuwendungen Dritter an einen Dienstnehmer gehören vielmehr (unabhängig davon, ob sie vom Dritten freiwillig oder aufgrund eines Vertrages mit dem Dienstnehmer gewährt werden) immer (freilich nur) dann zum Entgelt, wenn sie nach dem Parteiwillen Gegenwert für eine vom Dienstnehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung sein sollen, die nicht nur Interessen des Dritten, sondern auch Interessen des Dienstgebers - bezogen auf den Betrieb seines Unternehmens - fördert.

Der demnach erforderliche innere Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis im genannten Sinn und das hiefür zwar nötige, aber - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keiner Quantifizierung bedürftige Teilmoment des "Leistungsinteresses" des Dienstgebers kann durch verschiedene Umstände angezeigt werden, von denen der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004 - bezogen auf den damals zu beurteilenden Beschwerdefall - nur einige herausgestellt hat, ohne damit, wie der Gerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0149, betont hat, zu fordern, es müßten alle darin genannten Kriterien vorliegen, um eine Zurechnung der Leistungen Dritter zum Entgelt nach § 49 Abs. 1 ASVG zu bewirken. Für das Vorliegen des geforderten inneren Zusammenhanges wird es im allgemeinen auch genügen, wenn ein Dienstgeber der Vermittlungs- und Abschlußtätigkeit seiner Dienstnehmer im Rahmen seines Betriebes zustimmt und hiefür seine Einrichtungen sowie die Dienstzeit der betreffenden Dienstnehmer zur Verfügung stellt. Ist aber solcherart der innere Zusammenhang der bezüglichen Tätigkeiten der Dienstnehmer, für die ihnen von Dritten Geld- oder Sachbezüge zufließen, mit dem Beschäftigungsverhältnis zu bejahen, so ist es ohne Bedeutung, ob die entsprechenden Leistungen der Dienstnehmer nur während der Dienstzeit oder auch darüber hinaus erbracht werden.

Im Beschwerdefall liegt aber eine solche zeitliche und inhaltliche Verschränkung der Aktivitäten der Dienstnehmer der Beschwerdeführerin mit ihren Beschäftigungsverhältnissen schon deshalb vor, weil die Beschwerdeführerin den betroffenen Dienstnehmern - abweichend von bestehenden dienstvertraglichen Regelungen - solche (mit dem Bankgeschäft selbst in innerem Zusammenhang stehende) Aktivitäten nicht nur außerhalb ihrer Arbeitszeit, sondern auch innerhalb derselben gestattet hat, ohne dafür - außer einem minimalen Barauslagenersatz in Form von Provisionen - von den dritten Gesellschaften einen Ersatz zu erhalten. Angesichts dieses aus einer solchen Gestattung notwendig abzuleitenden betriebsbezogenen Eigeninteresses der Beschwerdeführerin an den Vermittlungs- und Abschlußtätigkeiten ihrer Dienstnehmer ist es für die genannte Zurechnung nicht entscheidend, daß mindestens 40 % der Vertragsabschlüsse außerhalb der Arbeitszeit der betroffenen Dienstnehmer vorgenommen wurden. (In der Vorkorrespondenz, auf die die Beschwerdeführerin im Einspruch sowie in der Beschwerde verweist, nämlich im Schreiben vom 12. August 1992, ist im übrigen nur von "40 % der Vertragsabschlüsse AUßER HAUS" die Rede, was überdies damit begründet wird, daß die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer internen Organisation über eine sehr starke Außendiensttätigkeit verfüge).

Die Rechtssätze des Erkenntnisses vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0077, in dem sich der Gerichtshof im übrigen nicht mit dem Problem der Zurechnung von Leistungen Dritter zum Entgelt, sondern mit der Frage eines einheitlichen Dienstverhältnisses zu befassen hatte, stellen - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - kein Abgehen von jenen im Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, entwickelten dar; im Gegenteil: Dem auch damals bejahten "Leistungsinteresse" des Dienstgebers an einer Nebentätigkeit seines Dienstnehmers wurde bei der damals zu klärenden Wertung beider Rechtsverhältnisse als einheitliches Dienstverhältnis nur wegen der fehlenden inhaltlichen und sachlichen Verschränkung der beiden aufgrund unterschiedlicher Verträge ausgeübten Tätigkeiten keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen; anders ist dies allerdings, wie der Gerichtshof im mehrfach zitierten Erkenntnis vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0149, unter Hinweis auf das zuerst genannte Erkenntnis dargelegt hat, im Falle einer Bejahung einer zeitlichen und inhaltlichen Verschränkung von Abschluß- und Vermittlungstätigkeiten mit dem Beschäftigungsverhältnis des betroffenen Dienstnehmers.

Zum Beschwerdeeinwand, es müsse die Abgaben- oder Beitragslast meßbar und für den zur Leistung Verpflichteten voraussehbar und berechenbar sein, ist einerseits zu bemerken, daß, wie die Trinkgeldregelung (§ 44 Abs. 3 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 ASVG: vgl. Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0064) erweist, der Gesetzgeber nicht notwendig von einer solchen exakten Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit ausgeht. Andererseits ist die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, daß es ihr freigestanden wäre, bei der Gestattung einer Abweichung von der dienstvertraglichen Regelung durch entsprechende Mitteilungsverpflichtungen der Dienstnehmer für eine solche Berechenbarkeit Vorsorge zu treffen.

Soweit sich die Beschwerdeführerin daher unter den Gesichtspunkten der inhaltlichen Rechtswidrigkeit und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen ihre grundsätzliche Beitragspflicht hinsichtlich der strittigen Provisionen wendet, ist die Beschwerde unbegründet.

Unberechtigt ist auch der Vorwurf einer mangelnden Begründung der Höhe der nachverrechneten Beiträge, weil, wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, der Nachverrechnungsbetrag, wie die Aktenlage erweist, auf den von der Beschwerdeführerin selbst erstellten Beitragsrundlagennachweisen sowie Beitragsnachweisungen basiert.

Dennoch ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet, weil sich die belangte Behörde nicht mit der Verjährungsfrage befaßt hat, wozu sie aber - nach Bejahung der Beitragspflicht - ungeachtet des Umstandes, daß sich die Beschwerdeführerin wegen der Bestreitung des Anspruches selbst nicht mit der von der erstinstanzlichen Behörde implizit vertretenen Auffassung, es sei im Beschwerdefall bereits die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 erster Satz ASVG in der Fassung der 50. Novelle, BGBl. Nr. 676/1991, anzuwenden, auseinandergesetzt hat, von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre. Denn, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/08/0236, ausgeführt hat, ist § 68 Abs. 1 ASVG in der genannten Fassung, d.h. die dreijährige Verjährungsfrist, nur dann anzuwenden, wenn das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung fälliger Beiträge noch nicht vor Inkrafttreten dieser Novelle am 1. Jänner 1992 - nach der bis zum Inkrafttreten der Novelle geltenden Rechtslage - verjährt war (vgl. in diesem Sinn auch Mazal, Beitragsfeststellung und Verjährung, Ecolex 1992, 786). Eine solche Verjährung wäre hinsichtlich der bis spätestens 31. Dezember 1989 fällig gewordenen Beiträge nur dann nicht eingetreten, wenn entweder die fünfjährige Verjährungsfrist des dritten Satzes des § 68 Abs. 1 anzuwenden gewesen wäre (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 22. März 1994, Zlen. 93/08/0176 und 93/08/0177) oder ein Unterbrechungs- bzw. Hemmungsfall im Sinne der beiden letzten Sätze des § 68 Abs. 1 leg. cit. vorgelegen wäre (vgl. die Erkenntnisse vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0149, vom 12. April 1994, Zl. 93/08/0274, und vom 16. Mai 1995, Zl. 94/08/0224). Mangels entsprechender Feststellungen kann auf diese Frage nicht eingegangen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grund - und zwar mangels Trennbarkeit zur Gänze - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG, unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG, aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, allerdings begrenzt durch das gegenüber den Ansätzen in der genannten Verordnung niedrigere Begehren auf Schriftsatzaufwand. Das Kostenmehrbegehren auf Stempelgebührenersatz war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) abzuweisen.

Schlagworte

Entgelt Begriff Entgelt Begriff Dienstverhältnis Entgelt Begriff Provision Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994080107.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten