TE Vwgh Beschluss 1995/6/27 94/20/0420

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.1995
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;
25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AHG 1949 §1 Abs1;
AVG §56;
B-VG Art132;
StVG §120 Abs1;
StVG §120;
StVG §122;
StVG §167 Abs1;
StVG §22 Abs3;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vositzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, in der Beschwerdesache des E in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bundesminister für Justiz, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Strafvollzugsgesetzes, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wird in der Justizanstalt Graz-Karlau im Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 2 StGB angehalten und verbüßt gleichzeitig u.a. eine über ihn wegen des Verbrechens des versuchten Mordes und des Vergehens der gefährlichen Drohung verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Jahren.

Am 5. Dezember 1993 richtete der Beschwerdeführer eine schriftliche "Beschwerde gemäß § 120/1 STVG" an das "BMf.J. Museumstr. 1010 Wien" und machte darin im wesentlichen geltend, der für den Maßnahmenvollzug zuständige Psychologe Dr. S habe - nachdem der Anstaltsarzt keinen Einwand gehabt habe - sein (am 16. Juli 1993 beantragtes) Rapportansuchen, ihm zufolge seiner Hautunverträglichkeit das Tragen seines privaten Jogginganzuges zu genehmigen, "gemäß § 166 STVG" bewilligt. Weiters sei ihm deshalb mündlich gestattet worden, seinen Jogginganzug auch bei allfälligen Besuchen im Besuchsraum tragen zu dürfen. Am 26. November 1993 sei ihm jedoch vom diensthabenden Justizwachebeamten das Betreten des Besuchsraumes mit seinem Jogginganzug mit der Behauptung untersagt worden, daß von einer derartigen ärztlichen Bewilligung nichts bekannt sei. Gegen das "absolut willkürliche, dienst- und rechtswidrige" Verhalten dieses ihm namentlich nicht bekannten Justizwachebeamten erhebe er Beschwerde. Ferner erhebe er auch gegen Dr. S Beschwerde. Dieser habe ihm nämlich diese Maßnahme genehmigt und er wolle über die Gültigkeit dieser Bewilligung eine Klärung. In einem am 17. Oktober 1994 eingebrachten Schriftsatz führte der Beschwerdeführer dazu noch aus, daß er am 12. Juli 1994 einem Facharzt vorgeführt worden sei, der ihm schließlich attestiert habe, daß er tatsächlich an einer atopischen Diathese leide, weshalb es angebracht sei, daß er zur Vermeidung der Verschlechterung seiner Krankheit seine eigene Kleidung tragen sollte. Er beantrage "gemäß § 121/4 STVG" die Ausfertigung und Ausfolgung eines schriftlichen Beschwerdebescheides.

Mit der vorliegenden - am 1. Juli 1994 eingelangten und mit Schriftsatz vom 9. November 1994 fristgerecht ergänzten - Säumnisbeschwerde machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bundesminister für Justiz geltend, weil dieser nicht innerhalb von sechs Monaten seinem Antrag auf bescheidmäßige Erledigung entsprochen habe.

Die belangte Behörde machte von der ihr mit Verfügung vom 22. Dezember 1994 gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingeräumten Möglichkeit, den versäumten Bescheid nachzuholen, keinen Gebrauch, legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Darin verwies sie u.a. darauf, daß dem Beschwerdeführer auf Grund der fachärztlichen Untersuchung vom Juli 1994 laut Mitteilung des Leiters der Justizanstalt vom 19. September 1994 ohnehin das Tragen eines privaten Jogginganzuges auch während des Besuchsempfanges gewährt worden sei. Deshalb habe die belangte Behörde keine Veranlassung mehr gesehen, auf Grund des als Aufsichtsbeschwerde angesehenen Schreibens des Beschwerdeführers vom Dezember 1993 weitere Maßnahmen zu setzen. Dieser Darstellung ist der Beschwerdeführer nicht mehr weiter entgegengetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde ist unzulässig.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Voraussetzung für eine Säumnisbeschwerde ist demnach, daß eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde besteht. Die Entscheidungspflicht ist hingegen zu verneinen, wenn kein Rechtsanspruch auf Entscheidung gegeben ist (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 1980, Slg. NF Nr. 10.287/A).

Der im Maßnahmenvollzug angehaltene Beschwerdeführer gesteht nun - übereinstimmend mit der Darstellung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift - ausdrücklich zu, daß ihm das Tragen eigener Oberbekleidung (hier: Jogginganzug) gemäß "§ 166 STVG", demnach aus medizinischen bzw. psychohygienischen Gründen, gestattet worden war. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdefalles ist somit nicht eine VERGÜNSTIGUNG im Sinne des § 24 Abs. 3 Z. 1 StVG (etwa das Tragen eigener Oberbekleidung), sondern die Frage, ob ihm aus medizinischen Gründen zur Besserung seines Gesundheitszustandes das Tragen eigener Kleider (auch an Besuchstagen) zu gestatten ist. Nach Inhalt der Beschwerdeschrift strebt der Beschwerdeführer gerade dazu eine Klärung im Sinne seines Standpunktes an. Wenn nun der namentlich nicht genannte Justizwachebeamte sich bei Verweigerung des Tragens des Jogginganzuges durch den Beschwerdeführer beim damaligen Besuchstag auf eine ihm nicht bekannte diesbezügliche ärztliche Maßnahme berief, so ist auch sein Verhalten zweifellos im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer angestrebten Feststellung zu sehen, daß ihm aus medizinischen Gründen das Tragen eigener Oberbekleidung gestattet werden müßte.

Im Maßnahmenvollzug Untergebrachten steht aber - wie auch anderen Strafgefangenen - gemäß § 22 Abs. 3 in Verbindung mit § 167 Abs. 1 StVG nur in den Fällen der §§ 116 (Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten) und 121 (Verfahren bei Beschwerden) StVG das Recht zu, die Erlassung eines schriftlichen Bescheides zu verlangen; die übrigen im Straf- bzw. Maßnahmenvollzug außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens ergehenden Anordnungen und Entscheidungen sind ohne förmliches Verfahren und ohne Erlassung eines Bescheides zu treffen.

Durch die (zufolge § 167 Abs. 1 leg. cit. sinngemäß anzuwendende) Bestimmung des § 120 Abs. 1 StVG wird im Maßnahmenvollzug Untergebrachten eine Beschwerde nur gegen jede ihre RECHTE betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre RECHTE betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten eingeräumt. Hingegen braucht gemäß § 122 StVG (der im Beschwerdefall in Verbindung mit § 167 Abs. 1 leg. cit. ebenfalls sinngemäß anwendbar ist) den im Maßnahmenvollzug Untergebrachten auf Ansuchen oder Beschwerden, mit denen die Ausübung des Aufsichtsrechtes der Vollzugsbehörden angerufen wird, kein Bescheid erteilt zu werden. Insbesondere besteht bei den die Art der ärztlichen Behandlung betreffenden Anordnungen gemäß § 120 Abs. 1 zweiter Satz StVG nur die Möglichkeit einer Aufsichtsbeschwerde nach § 122 StVG.

Da die (am 5. Dezember 1993) an die belangte Behörde erhobene Beschwerde somit kein dem Beschwerdeführer eingeräumtes subjektives Recht, sondern die Art seiner ärztlichen Betreuung im Sinne des § 166 Z. 1 StVG betraf, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie diese Eingabe als Aufsichtsbeschwerde gewertet hat.

Da nicht jeder, der eine Verwaltungsbehörde auf einen vermeintlich rechtswidrigen Vorgang oder Zustand aufmerksam macht, den die Behörde nach Meinung des Einschreiters abstellen sollte, ein Tätigwerden der Behörde erzwingen kann, wird die Geltendmachung der Verletzung der Entscheidungspflicht dort begrifflich ausgeschlossen, wo ein Rechtsanspruch auf Handhabung des Aufsichtsrechtes nicht besteht (vgl. den hg. Beschluß vom 14. Dezember 1994, Zl. 93/01/1503). Dem Beschwerdeführer stand daher - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend dargelegt hat - kein Anspruch auf Bescheiderlassung zu. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen das Verhalten des Justizwachebeamten während des seinerzeitigen Besuchstages wendet, ist noch ergänzend anzumerken, daß gemäß § 121 Strafvollzugsgesetz mit Ausnahme der Abhilfe in einem Beschwerdefall durch den Anstaltsleiter selbst über Beschwerden gegen Strafvollzugsbedienstete oder deren Anordnungen durch als Bescheide zu wertende Beschwerdeerkenntnisse zu entscheiden ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 8. April 1987, Zl. 86/01/0040). Im Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde lag der Vorfall anläßlich des Besuchstages zur Gänze in der Vergangenheit. Da durch das vom Beschwerdeführer bekämpfte Verhalten des Strafvollzugsorganes weder ein Schaden an Personen noch sonst ein vermögenswerter Schaden eingetreten sein kann, scheiden Ansprüche des Beschwerdeführers aus diesem Anlaß aus dem Amtshaftungsgesetz aus, sodaß ein allfälliges durch Amtshaftungsansprüche begründetes Rechtsschutzinteresse (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1986, Zlen. 86/18/0142 bis 0146) nicht vorliegt. Damit ist - selbst wenn man das Verhalten des Justizwachebeamten als nach § 120 StVG bekämpften Bescheid qualifizieren wollte - ein Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Die Rechtsstellung des Beschwerdeführers würde sich durch die Aufhebung der angefochtenen Anordnung in bezug auf den damaligen Besuchstag nicht ändern. Hinzu kommt, daß sich der Beschwerdeführer mit seinem Schreiben vom Dezember 1993 nicht an den für Beschwerden zunächst zuständigen Anstaltsleiter, sondern sogleich an die unzuständige belangte Behörde gewandt hat. Wenn diese in der Folge den Anstaltsleiter verständigte, somit die dafür unmittelbar zuständige Behörde befaßte, entspricht dies der Vorschrift des § 6 AVG. Die Weiterleitung eines Anbringens gemäß § 6 AVG bewirkt aber das Erlöschen der Entscheidungspflicht der weiterleitenden Behörde. Mit dem Einlangen des weitergeleiteten Antrages bei der "zuständigen" Behörde trifft diese die Entscheidungspflicht. Diese Rechtswirkungen einer Weiterleitung treten unabhängig davon ein, ob sie rechtens erfolgt ist (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch4, zu § 6 AVG, S. 90, angeführte Judikatur). Nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes sowie den Ausführungen in der Gegenschrift, denen wiederum der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, hat der Anstaltsleiter mittlerweile dem Beschwerdeführer ohnehin das Tragen von Jogginganzügen auch bei Besuchstagen genehmigt.

Da im Beschwerdefall sohin keine Entscheidungspflicht bestand, die durch die belangte Behörde hätte verletzt werden können und der Beschwerdeführer somit dadurch, daß über sein Ansuchen nicht bescheidmäßig entschieden wurde, auch nicht in seinem subjektiven Recht verletzt werden konnte, war die Beschwerde wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideAnspruch auf Sachentscheidung Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200420.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten