TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/27 93/11/0052

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Veröffentlicht am 27.06.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

IESG §1 Abs2;
IESG §6 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des G in F, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 1. Februar 1993, Zl. 39.132/637-3a/92, betreffend Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 1991, Zl. 91/11/0001, verwiesen. Mit diesem wurde der Bescheid des (im Devolutionsweg zuständig gewordenen) Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 12. November 1990, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom 3. September 1985 auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld auf Grund der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des ehemaligen Arbeitgebers "abgelehnt" worden war, hinsichtlich der Abweisung von Insolvenz-Ausfallgeld in der im Antrag vom 3. September 1985 begehrten Höhe wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Februar 1993 (Ersatzbescheid) wurde (erneut) die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Linz vom 12. März 1986, mit dem der genannte Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 1 Abs. 1 und 2 des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 324/1977, in der geltenden Fassung (IESG) "abgelehnt" worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit "§ 1 Abs. 2 des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (IESG), BGBl. Nr. 327/1977", abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht und dessen kostenpflichtige Aufhebung beantragt werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor,

erstattete jedoch keine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ausgehend vom bereits erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 1991, Zl. 91/11/0001, sind hier nur mehr gegenständlich die vom Beschwerdeführer behaupteten Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld in der im Antrag vom 3. September 1985 (die belangte Behörde bezeichnet in der Begründung des angefochtenen Bescheides diesen Antrag als vom "12.9.1985" stammend; hiebei handelt es sich jedoch um das Datum des Handzeichens des Prüfers) begehrten Höhe. Die belangte Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, daß sie im fortgesetzten Verfahren eine Stellungnahme des Masseverwalters im Konkurs des ehemaligen Arbeitgebers des Beschwerdeführers eingeholt habe, und zitiert in der Begründung des angefochtenen Bescheides diese Stellungnahme. Daraus ergibt sich unter anderem, daß der Masseverwalter offensichtlich auf Grund der Information des seinerzeitigen Sachbearbeiters im Unternehmen auf Lohnvorschüsse des Beschwerdeführers für April 1985 in der Höhe von S 20.000,--, Mai 1985 in der Höhe von S 8.000,-- und Juni 1985 in der Höhe von S 10.000,-- verwies. "Restliche Forderungen" von brutto S 4.936,75 und S 6.188,50 für April und Mai 1985 seien richtig. Auf Grund der "seinerzeitigen" Meinung des ehemaligen Geschäftsführers sei der Mai 1985 von der Buchhaltung erledigt worden, indem der Beschwerdeführer einen Vorschuß von S 8.000,-- und einen restlichen Auszahlungsbetrag von S 1.286,-- erhalten habe. Im April 1985 habe der Beschwerdeführer einen Vorschuß von S 20.000,-- erhalten, was laut Abrechnung um S 11.513,-- zu viel sei. Diesen Rückforderungsanspruch habe die Gemeinschuldnerin mit den restlichen Forderungen für April und Mai 1985 laut der Forderungsanmeldung kompensiert, wobei diese Kompensation insofern nicht ganz richtig gewesen sei, als ja lediglich die jeweiligen Nettobeträge für April und Mai 1985 zu kompensieren gewesen wären. Dadurch habe sich ein geringes Guthaben zugunsten der Masse ergeben. Hinsichtlich Juni 1985 habe der ehemalige Geschäftsführer S erklärt, daß laut Anmeldung ein Lohn samt Zulagen von brutto S 10.856,50 zustünde, und daß der Beschwerdeführer im Juni 1985 einen Vorschuß von S 10.000,-- erhalten habe, sodaß dieser Vorschuß "leicht ausreichte, die Nettolohnforderung des Herrn G abzudecken". Ferner wurde darauf hingewiesen, daß der Lohnanspruch für Juli 1985 im Bruttobetrag von S 3.864,-- durch den seinerzeitigen Geschäftsführer für richtig und angemessen erachtet worden sei; darauf sei keine Akontozahlung mehr geleistet worden.

Die belangte Behörde führt weiters aus, daß der seinerzeitige Masseverwalter bei seiner Bestreitung der Ansprüche des Beschwerdeführers im Hinblick auf eingewendete Gegenforderungen geblieben sei und daß nach der nachträglichen Prüfungstagsatzung vom 7. April 1987 hinsichtlich der vom Beschwerdeführer angemeldeten Beträge gegen die Forderungsfeststellung bis zum Schreiben des Masseverwalters vom 6. Juli 1992 keine rechtlichen Schritte unternommen worden seien. Dieses Schreiben sei dem Beschwerdevertreter zugestellt worden, woraufhin dieser jedoch lediglich fernmündlich mitgeteilt habe, daß im Hinblick auf die ohnehin schon hohen Vertretungskosten er sich nicht in der Lage sehe, hiezu Stellung zu nehmen und "außerdem alles den vorliegenden Unterlagen entnommen werden könne". Mangels Mitwirkung des Beschwerdevertreters sei eine Faktenermittlung nur auf Basis der Darlegungen des Masseverwalters möglich. In freier Beweiswürdigung gehe die belangte Behörde daher davon aus, daß die erwähnten Gegenforderungen im Gesamtausmaß von S 38.000,-- zu Recht bestünden, den im Schreiben des Masseverwalters dargelegten Entlohnungszeiträumen zuzuordnen seien, und somit diese den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zur Gänze vernichten. Es könne daher unerörtert bleiben, ob hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche für Juni 1985 tatsächlich im vollen Umfang eine ordnungsgemäße Forderungsanmeldung vorliege oder nicht.

Der Beschwerdeführer wendet demgegenüber insbesondere ein, daß er im Verwaltungsverfahren mehrfach darauf hingewiesen habe, daß die von ihm geltend gemachten Beträge unter Berücksichtigung der an ihn ausgezahlten Akontobeträge errechnet worden seien und daher eine Kompensation der Ansprüche in der geltend gemachten Höhe nicht eingetreten sei. Die belangte Behörde habe den Sachverhalt hiezu nicht hinreichend ermittelt und insbesondere die vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen R und W nicht vernommen, die darüber Auskunft hätten geben können, wie die ihm geleisteten Vorschüsse zu verrechnen gewesen seien; die belangte Behörde hätte aber auch - von Amts wegen - den Masseverwalter und den seinerzeitigen Geschäftsführer S vernehmen müssen, um zu ermitteln, inwieweit dem Beschwerdeführer Ansprüche zustehen.

Es ist zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 3. September 1985 seinen Anspruch darauf stützte, daß ihm Gehalt bzw. Zulagen in der Höhe von S 25.845,40 für die Zeit vom 2. April bis 5. Juli 1985 zustünden und er weiters Kosten der Forderungsanmeldung in der Höhe von S 323,05 geltend mache. Im Zuge des Verwaltungsverfahrens präzisierte er seine Ansprüche mehrfach; die belangte Behörde geht selbst davon aus, daß hiebei die Schreiben des Beschwerdeführers vom 22. Jänner 1986 und vom 10. Oktober 1990 berücksichtigt worden seien. Es ist aber auch zu beachten, daß der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 12. März 1986 und auch in der Berufung die Grundlage seiner Ansprüche beschrieben und dafür sowie für die vorgenommene Verrechnung die Einvernahme der Zeugen R und W beantragt hat. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhalt mit den im Akt erliegenden Unterlagen ergibt sich, daß die Vorschüsse dem Beschwerdeführer für seine Lohnansprüche im April 1985 mit S 20.000,--, im Mai 1985 mit S 8.000,-- und im Juni 1985 mit S 10.000,-- ausgezahlt wurden.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte bereits in seinem Erkenntnis vom 4. Juni 1991, Zl. 91/11/0001, festgehalten, daß die belangte Behörde ermitteln und entsprechende Feststellungen darüber treffen hätte müssen, wofür nach Absicht der Parteien des Arbeitsvertrages die (der Höhe nach unbestrittenen) Vorschüsse jeweils an den Beschwerdeführer geleistet worden sind. Dabei ist es wesentlich, ob die Vorschüsse ihrer Art nach die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Entgeltansprüche oder andere betreffen oder diese Ansprüche nicht unter das vom Beschwerdeführer im Antrag vom 3. September 1985 begehrte Ausmaß vermindert haben.

Wie die belangte Behörde unter Berücksichtigung der im Akt erliegenden Unterlagen, insbesondere Lohnzettel, und auch unter Bedachtnahme auf die Äußerung des Masseverwalters zu dem Ergebnis gelangte, die erwähnten Gegenforderungen seien auch dem Entlohnungszeitraum Juli 1985 zuzuordnen, wodurch der Anspruch auf Insolvenzausfallgeld vernichtet worden sei, ist in keiner Weise nachvollziehbar.

Aber auch in Ansehung der übrigen Lohnzeiträume kann ohne nähere Begründung die Entscheidung der belangten Behörde derzeit noch nicht nachvollzogen werden. Der Inhalt des Aktenvermerkes der belangten Behörde vom 19. August 1992 kann dahingestellt bleiben, weil nicht einmal nach der Auffassung der belangten Behörde eine Zustimmung des Beschwerdeführers bzw. dessen Vertreters zu der aus dem Schreiben vom 6. Juli 1992 erkennbaren Auffassung des Masseverwalters, daß die Ansprüche des Beschwerdeführers für April bis Juni 1985 durch hingegebene Vorschüsse abgedeckt worden seien, vorgelegen hat. Auch wenn der Beschwerdevertreter nach dem Schreiben vom 6. Juli 1992 keine weitere detaillierte Stellungnahme abgegeben hat, enthob dies die belangte Behörde nicht, den Sachverhalt in die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 1991, Zl. 91/11/0001, aufgezeigte Richtung zu erheben und diesbezügliche konkrete Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer behaupteten Ansprüchen und insbesondere auch zu den dargestellten Gegenforderungen zu treffen.

Aus dem angefochtenen Bescheid ist nicht erkennbar, inwieweit die belangte Behörde zu der hier maßgeblichen Frage die Aussage des Zeugen R im Zusammenhang mit den vorgelegten Lohnzetteln verwertet hat oder nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Einvernahme des - vom Beschwerdeführer zum selben Beweisthema wie der Zeuge R beantragten - Zeugen W unterblieben ist. Schließlich kann es für die notwendige Erforschung der Absicht der Parteien des Arbeitsvertrages hinsichtlich der Vorschüsse nicht als unerheblich abgetan werden, auch die daran beteiligten Personen zu vernehmen; daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Stellung eines diesbezüglichen konkreten Beweisanbotes aufgefordert hätte, ist im Inhalt des Verwaltungsaktes nicht auffindbar.

Da die belangte Behörde den Sachverhalt nicht hinreichend erhoben und festgestellt hat, war nicht nur der Beschwerdeführer in der Verfolgung seiner Rechte beeinträchtigt, sondern auch der Verwaltungsgerichtshof an einer nachprüfenden Kontrolle gehindert. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Mängel, allenfalls nach einer Ergänzung des Ermittlungsverfahrens, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993110052.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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