TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/28 95/21/0282

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Veröffentlicht am 28.06.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des S in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. Juni 1994, Zl. St 159/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 16. Juni 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 19 bis 21 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrolle am 4. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist sei und am 7. April 1992 einen Asylantrag gestellt habe, der mittlerweile mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1994 rechtskräftig abgewiesen worden ist. Am 31. Juli 1993 habe der Beschwerdeführer zwar eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, jedoch sei diesbezüglich ein Scheidungsverfahren anhängig und die Ehe als gescheitert zu betrachten. In diesem Zusammenhang drückte die belangte Behörde die (allerdings im Bescheid nicht weiter begründete) Annahme aus, daß es sich dabei um eine Scheinehe gehandelt habe. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet sei der Beschwerdeführer bislang dreimal rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden, wobei diesen Strafverfahren der (von der belangten Behörde übernommene) im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck nachstehend angeführte (zusammengefaßte) Sachverhalt zugrunde gelegen sei:

Am 10. April 1993 habe der Beschwerdeführer in alkoholisiertem Zustand mit dem von ihm gelenkten PKW einen Verkehrsunfall verursacht, indem er auf die linke Fahrbahnhälfte gelangt und dort gegen einen ordnungsgemäß entgegenkommenden PKW gestoßen sei, wodurch dessen Lenker schwer und die Beifahrerin tödlich verletzt worden sei. Der Beschwerdeführer sei deshalb mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 6. Oktober 1993 wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach dem § 81 Z. 2 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 StGB zu einer (zum Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 13. August 1993 Zusatz-)Geldstrafe von 340 Tagessätzen verurteilt worden.

Durch das vorerwähnte Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 13. August 1993 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens, Verheimlichens oder Verhandelns von Sachen gemäß § 165 (§ 164 Abs. 1 Z. 2) StGB bestraft worden.

Weiters sei er vom Bezirksgericht Vöcklabruck mit Urteil vom 24. Jänner 1994 wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB im Zusammenhang mit der Nichtbezahlung seiner Miete im August 1993 bestraft worden.

Aufgrund von weiteren Anzeigen seien beim Bezirksgericht Vöcklabruck gegen den Beschwerdeführer zwei weitere Strafverfahren anhängig, nämlich wegen des Verdachtes des Raufhandels und des Vergehens der Sachbeschädigung sowie der fahrlässigen Gemeingefährdung. Wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen sei der Beschwerdeführer auch nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO rechtskräftig bestraft worden. Da somit der Beschwerdeführer mehr als einmal wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden sei, sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 4. Fall FrG erfüllt und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zur Aufrechterhaltung einer geordneten Fremdenpolitik - dringend geboten und daher zulässig. Im vorliegenden Fall kämen den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegenüber den mit dieser Maßnahme verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie der Vorrang zu. Der Beschwerdeführer sei zwar mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, jedoch sei diesbezüglich ein Scheidungsverfahren anhängig. Dem erst 2-jährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet komme kein hoher Integrationsgrad zu, sodaß die nach § 20 FrG anzustellende Abwägung zu seinen Lasten ausfalle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In der Beschwerde bleiben die wiedergegebenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen - die oben genannten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers - unbestritten und die daraus gezogene rechtliche Schlußfolgerung auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG unbekämpft. Der Beschwerdeführer vertritt hingegen die Auffassung, daß die beiden gerichtlichen Verurteilungen wegen der von ihm begangenen Vermögensdelikte nicht als derart schwerwiegend zu beurteilen seien, daß daraus auf das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG geschlossen werden könne. Die im Bescheid angesprochenen weiteren Strafverfahren wegen des Verdachtes des Raufhandels, des Vergehens der Sachbeschädigung sowie der fahrlässigen Gemeingefährdung seien mittlerweile eingestellt worden. Der von ihm verursachte Verkehrsunfall mit Todesfolge und die deshalb verhängte Verwaltungsstrafe bezögen sich auf den selben Vorfall, sodaß diese nicht voneinander getrennt gesehen werden könnten.

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß mit Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG die "unwiderlegliche Rechtsvermutung" für die im § 18 Abs. 1 umschriebene Annahme bestehe, kann nicht geteilt werden. § 18 Abs. 1 FrG ordnet vielmehr an, daß bei Vorliegen eines der im Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Tatbestand in concreto die umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1994, Zl. 93/18/0493, und vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0196). Im vorliegenden Fall stellen aber die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten in ihrer Gesamtheit eine derart schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit dar, daß sie die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigen. Bei der im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG gebotenen Beurteilung des Gesamt(Fehl)verhaltens ist insbesondere die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung in alkoholisiertem Zustand zu berücksichtigen, durch die die Annahme einer Gefährdung maßgebender öffentlicher Interessen evident wird. Da - im Ergebnis mit der belangten Behörde - von der Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 1 leg. cit. auszugehen ist, wurde der Beschwerdeführer durch die unzutreffende Auffassung der belangten Behörde über das Vorliegen einer "unwiderleglichen Rechtsvermutung" nicht in seinen Rechten verletzt. Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Annahme der Behörde, daß das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 19 FrG zulässig sei.

Im Hinblick auf die großen Gefahren, die von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehen, und die mit den weiteren Verurteilungen aufgezeigte geringschätzige Einstellung des Beschwerdeführers zu den von der Rechtsordnung geschützten Werten, hat die belangte Behörde im Rahmen der gemäß § 20 FrG gebotenen Interessenabwägung die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes mit Recht zumindest so schwerwiegend angesehen wie die gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib im Bundesgebiet.

Die Beschwerde gesteht zu, daß die Ehe des Beschwerdeführers als gescheitert anzusehen sei, sodaß als maßgebliche nachteilige Auswirkung des Aufenthaltsverbotes lediglich der Eingriff in sonstige private und familiäre Beziehungen während des zweijährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet verbleibt. Da aber mit einer solchen Aufenthaltsdauer kein besonders hoch zu veranschlagender Integrationsgrad verbunden ist, kann das Ergebnis der von der belangten Behörde angestellten Interessenabwägung nicht als rechtswidrig angesehen werden. Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang noch zum Ausdruck gebrachte Vermutung, daß es sich bei der Ehe des Beschwerdeführers ohnehin nur um eine Scheinehe gehandelt habe, ist dabei außer Betracht zu lassen; dies führt aber zu keinem anderen Ergebnis.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde zutreffend aufgezeigt, daß mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht auch eine Abschiebung des Fremden angeordnet, sondern nur das Verbot, sich weiterhin in Österreich aufzuhalten, ausgesprochen wird. In einem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auf § 37 Abs. 1 oder 2 FrG nicht Bedacht zu nehmen. Dem Beschwerdeführer steht zur Geltendmachung einer Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG während des Verfahrens zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine Antragstellung nach § 54 leg. cit. offen.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210282.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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