TE Vwgh Erkenntnis 1995/7/26 94/20/0883

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.07.1995
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §19 Abs1 Z1;
AsylG 1991 §19 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Juli 1994, Zl. 4.344.247/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Pakistans, stellte am 17. Februar 1994 schriftlich den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Der ihm am 24. Februar 1994 zugestellten Ladung des Bundesasylamtes für die für den 16. März 1994, 8.00 Uhr vorgesehene niederschriftliche Einvernahme kam der Beschwerdeführer nicht nach. Mit Bescheid vom 18. März 1994 wies das Bundesasylamt daraufhin den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 1 Z. 1 AsylG 1991 ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen vom Beschwerdeführer fristgerecht eingebrachte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Z. 1 AsylG 1991 ab. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer sei der Ladung vom 24. Februar 1994 für den 16. März 1994 nicht nachgekommen, ohne sich vorher entschuldigt zu haben. Die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung aufgestellte Behauptung, er habe sich durch einen Dritten am 16. März 1994 kurz vor 8.00 Uhr (dem angesetzten Vernehmungstermin) telefonisch entschuldigen lassen, sei mangels einer entsprechenden Dokumentation im Verwaltungsakt des Bundesasylamtes nicht verifiziert. Die spätere Mitteilung vom 24. März 1994, er sei wegen Krankheit nicht erschienen, könne die Nichtbefolgung der Ladung (offenbar gemeint im Sinn des § 19 Abs. 1 Z. 1 AsylG 1991) nicht mehr rechtfertigen. Im übrigen verwies die belangte Behörde auf die Möglichkeit der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages, welcher allerdings als verspätet hätte zurückgewiesen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 19 Abs. 1 Z. 1 AsylG 1991 sind Asylanträge in jedem Stand des Verfahrens abzuweisen, wenn der Asylwerber einer Ladung zu einer Vernehmung oder zu einer mündlichen Verhandlung ohne vorhergehende Entschuldigung nicht nachgekommen ist. Im Unterschied zu § 19 Abs. 3 AVG, nach welchem bereits das Vorliegen eines triftigen Hinderungsgrundes von der Verpflichtung, einer Ladung Folge zu leisten, entbindet und es keiner VORHERGEHENDEN Entschuldigung bedarf, wobei die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten, nur unter den dort genannten Voraussetzungen sanktioniert ist, bestimmt § 19 Abs. 1 Z. 1 AsylG 1991 als die im Asylverfahren anzuwendende Spezialnorm, daß die im Gesetz vorgesehene Sanktion, nämlich die Abweisung des Asylantrages in jeder Lage des Verfahrens, lediglich an das ohne vorhergehende Entschuldigung erfolgte Nichterscheinung des Geladenen geknüpft ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 94/20/0440). Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 1 Z. 1 AsylG 1991 ist daher nicht nur der - objektive - Umstand des Nichterscheinens des Geladenen, sondern auch der - allenfalls zu ermittelnde - weitere Umstand des Mangels einer vorherigen Entschuldigung. Bereits in seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung stellte der Beschwerdeführer die Behauptung auf, die Feststellung, er habe sein Fernbleiben von dem Vernehmungstermin am 16. März 1994 vorher nicht entschuldigt, sei aktenwidrig, vielmehr habe er an diesem Tag kurz vor 8.00 Uhr, dem Termin der Ladung, telefonisch und in der Folge am 24. März 1994 mittels Telefax unter Übermittlung der ärztlichen Bestätigung vom 16. März 1994 das Nichterscheinen mit Erkrankung (Gastritis) entschuldigt. Hiezu stützte er sich nicht nur auf die im Akt befindlichen Urkunden (Telefax vom 24. März 1994, ärztliche Bestätigung vom 16. März 1994, sowie Telefaxsendebericht), sondern auch auf die Einvernahme zweier Auskunftspersonen, nämlich des Herrn K und des Herrn A sowie seine eigene Einvernahme zu diesem Thema. Dennoch begnügte sich die belangte Behörde im Rahmen der Behandlung dieses vom Beschwerdeführer erhobenen Einwandes mit dem Verweis, ein derartiger Anruf (gemeint: Telefonanruf) sei im Akt des Bundesasylamtes nicht dokumentiert. Sie bezieht sich damit auf einen Aktenvermerk vom 9. Mai 1994 über eine telefonische Rücksprache mit dem Sachbearbeiter bei der Behörde erster Instanz, demzufolge "im Falle einer telefonischen Entschuldigung des Asylwerbers, wenn dieser einen Ladungstermin nicht wahrnehmen könne, der Anruf im Akt vermerkt und dem AW eine neuerliche Ladung zugestellt wird.

Im Falle des N geht aus dem Akt des BAW nicht hervor, daß das Fernbleiben des AWs von der Einvernahme vor dem Termin telefonisch entschuldigt worden wäre".

Allein aus diesem - im übrigen negativ formulierten - Aktenvermerk, ableiten zu wollen, die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung aufgestellte Behauptung, er habe sich unmittelbar vor dem Ladungstermin durch einen (der deutschen Sprache mächtigeren) Dritten entschuldigen lassen, sei unrichtig, erweist sich mangels einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage als nicht schlüssig. Die belangte Behörde hätte vielmehr ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durch Einvernahme der Beteiligten bzw. der namhaft gemachten Personen durchführen müssen, um verläßlich beurteilen zu können, ob die Angaben des Beschwerdeführers über das Vorliegen einer "vorhergehenden Entschuldigung" für sein Nichterscheinen, also einer essentiellen Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung des von der belangten Behörde herangezogenen § 19 Abs. 1 Z. 1 AsylG 1991, unrichtig sei.

Da die belangte Behörde ihren Bescheid jedoch ohne ein entsprechendes Ermittlungsverfahren erlassen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200883.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten