TE Vwgh Erkenntnis 1995/7/26 94/20/0755

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Veröffentlicht am 26.07.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der A mit mj. L, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. August 1994, Zl. 4.331.150/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Irak, die am 18. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 20. Dezember 1991 einen Asylantrag gestellt hat, hat bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 6. Februar 1992 als Grund für die Ausreise aus ihrem Heimatland angegeben, sie sei mit ihren Kindern nach Österreich gereist, weil ihr Sohn zu einer Verteidigungstruppe eingezogen worden wäre. Außerdem befinde sich schon ein anderer Sohn der Beschwerdeführerin in Österreich als Gastarbeiter und sie beabsichtige selbst, in Österreich zu bleiben und zu arbeiten.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich hat mit Bescheid vom 18. März 1992 festgestellt, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling sei.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, in der Niederschrift über ihre Erstbefragung seien ihre Fluchtgründe nur unvollständig und zum Teil nicht korrekt wiedergegeben worden. In einem gesonderten Schriftsatz ergänzte sie ihr Vorbringen und machte geltend, sie habe ihrem älteren Sohn im Jahr 1990 bei seiner Flucht geholfen. Seit dieser Zeit sei die ganze Familie vom Geheimdienst verfolgt worden. Dessen Organe seien jeden Tag ins Haus gekommen, um nach dem älteren Bruder (gemeint offenbar der ältere Sohn der Beschwerdeführerin) zu suchen und die Beschwerdeführerin zu zwingen, der Partei Saddam Husseins beizutreten. Im Fall ihrer Rückkehr würde der Beschwerdeführerin bestenfalls Gefängnis, wahrscheinlich aber der Tod drohen. Die Beschwerdeführerin habe ihren jüngeren Sohn, der bereits ein Militärtraining in Bagdad habe absolvieren müssen, vor einer frühzeitigen Einziehung zum Militär bewahren wollen.

Mit Bescheid vom 26. August 1994 wies die belangte Behörde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat unter Eingehen auf das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin die Auffassung vertreten, es sei ihr nicht gelungen glaubhaft zu machen, ihre Furcht vor Verfolgung sei objektiv begründet, bzw. daß sie konkreten gegen sie selbst gerichteten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Vielmehr habe sie lediglich ausgeführt, sie habe ihre Söhne vor der Einberufung zur irakischen Armee schützen wollen. Die Einberufung zum Wehrdienst stelle aber keine asylrelevante Verfolgung dar. Dieser Argumentation der belangten Behörde ist beizupflichten, weil dem Vorbringen der Beschwerdeführerin vor der Behörde erster Instanz - dieses ist gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde zu legen - keinerlei gegen sie selbst gerichtete staatlichen Aktivitäten zu entnehmen sind.

Die Beschwerdeführerin hat zwar in der Berufung geltend gemacht, ihre Fluchtgründe seien in der Niederschrift über ihre Erstbefragung nur unvollständig bzw. zum Teil nicht korrekt wiedergegeben, doch hat sie in Ausführung bzw. Ergänzung dieser Gründe abermals vor allem ihr Bestreben, ihre Söhne vor dem Militärdienst zu bewahren, betont und im übrigen nur allgemein Probleme mit dem Regime wegen der Flucht ihres älteren Sohnes bzw. mit Hausbesuchen und Aufforderungen zum Parteibeitritt verbundene Nachforschungen des Geheimdienstes hinsichtlich des Aufenthaltes ihres Sohnes ins Treffen geführt. Derartige behördliche, in der Hauptsache auf die Ausforschung des Aufenthaltsortes ihres Sohnes gerichtete Aktivitäten hat die belangte Behörde zu Recht als nicht gegen die Beschwerdeführerin selbst gerichtete Verfolgungshandlungen gewertet (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0745). Auch erreichen solche Maßnahmen nicht eine solche Intensität, daß von einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, die eine massive Bedrohung der Lebensgrundlagen voraussetzt, gesprochen werden könnte oder daß deswegen der Aufenthalt eines Asylwerbers in seinem Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl. abermals das angeführte hg. Erkenntnis).

Der belangten Behörde ist auch beizupflichten, wenn sie die - die Beschwerdeführerin gar nicht persönlich betreffende - Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes grundsätzlich nicht als für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geeigneten Umstand angesehen hat (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377).

Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 - 0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen der Beschwerdeführerin vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da ein durch ein entsprechendes Vorbringen belegter Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen ist, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200755.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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