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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des R in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Jänner 1995, Zl. 4.323.481/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Ghanas und am 22. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist. Am 24. September 1991 stellte er den Antrag, ihm Asyl zu gewähren.
Anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 17. Dezember 1991 gab er entscheidungswesentlich an, er sei Angestellter bei einem Bauunternehmen in Accra und dort seit 1985 gewerkschaftlich - zuletzt in führender Position - tätig gewesen. Am 30. Juli 1991 habe die Dachorganisation der Gewerkschaften eine Versammlung in Accra abgehalten, an der er als führendes Mitglied seiner Fachgewerkschaft teilgenommen habe. Dort seien "brisante Themen, wie z.B. Lohnerhöhung, Arbeitszeitverkürzung und das Recht auf Pensionierung zur Sprache" gekommen. Dabei habe er die Ansicht vertreten, daß die Regierung nicht in der Lage sei, die Interessen der Arbeiter zu vertreten; die Arbeiter würden ausgenützt und müßten unter schweren Bedingungen ihre Arbeit verrichten. Schließlich sei für den 15. August 1991 eine weitere Tagung mit Beschlußfassung anberaumt worden. Er selbst sei schon am 14. August 1991 (gemeinsam mit drei weiteren Gewerkschaftsmitgliedern) von der Militärpolizei auf dem Weg zur Arbeit festgenommen worden. Dabei sei er beschuldigt worden, "Revolutionsgegner zu sein und gegen die Regierung zu arbeiten"; weiters seien die Festgenommenen auch beschuldigt worden, einen Streik geplant zu haben. Der Beschwerdeführer sei "brutal mißhandelt" und geschlagen worden; er habe eine halbe Stunde lang direkt in die Sonne schauen müssen, wobei ihn die Sonnenstrahlen geblendet hätten. Nach zwei Wochen im Arrest des Militärs sei ihm mit der Unterstützung eines befreundeten Soldaten die Flucht gelungen.
In der Folge legte der Beschwerdeführer noch einen Brief seines Bruders vor, in dem ihm berichtet werde, daß jene Gewerkschaftsmitglieder, die gemeinsam mit ihm festgenommen worden seien, vermutlich getötet worden seien; der Bruder habe überdies den Beschwerdeführer gewarnt, nicht nach Ghana zurückzukehren, da sein Leben bedroht sei.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 3. Jänner 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.
Mit dem Bescheid vom 4. Jänner 1995 wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde geht zunächst davon aus (ohne jedoch das Beweismittel zu nennen, auf das sie ihre Annahme stützt), daß es sich bei der gewerkschaftlichen Vereinigung, der der Beschwerdeführer angehört habe, um keine verbotene Organisation handle; die Mitgliedschaft bei einer Gruppierung sei (überdies) für sich alleine noch kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Den Ausführungen des Beschwerdeführers über die Mißhandlungen komme Glaubwürdigkeit nicht zu, da er keine genauere Schilderung der Vorkommnisse gegeben habe und es für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar sei, daß plötzlich im Juli 1991 von staatlicher Seite zu "drastischen Mitteln" gegriffen worden sein solle.
Selbst dann, wenn man mit der belangten Behörde davon ausgehen wollte, daß der Beschwerdeführer keiner verbotenen gewerkschaftlichen Organisation angehört hat, hat die belangte Behörde jedoch - was der Beschwerdeführer zutreffend darlegt - die Angaben des Beschwerdeführers über seine Äußerungen bei der Gewerkschaftstagung in Accra nicht entsprechend beachtet. Der Verwaltungsgerichtshof geht im Rahmen der ihm zukommenden Schlüssigkeitsprüfung davon aus, daß sich aus diesen Ausführungen, nämlich der vorgetragenen Kritik an der Regierung, ein Motiv entnehmen läßt, warum im Juli 1991 "von staatlicher Seite zu drastischen Mitteln gegriffen worden" ist. Der Gerichtshof vermag daher daraus nicht den Mangel der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers abzuleiten. Daran ändert auch der Mangel der "genaueren Schilderung der Vorkommnisse" nichts, läßt sich doch dem Protokoll über die niederschriftliche Einvernahme nicht entnehmen, daß der Beschwerdeführer diesbezüglich genauer befragt worden wäre.
Soweit aber die belangte Behörde der Ansicht ist, daß für den Beschwerdeführer selbst bei der Annahme der von ihm gemachten Behauptungen über seine Mißhandlungen als wahr, nichts gewonnen sei, kann ihr gleichfalls nicht gefolgt werden. Die belangte Behörde hält nämlich dem Vorbringen des Beschwerdeführers nur entgegen, daß die von ihm behaupteten Mißhandlungen Übergriffe einzelner Organe seien, welche nicht den staatlichen Behörde zugerechnet werden könnten und daher die Asylgewährung nicht zu rechtfertigen vermöchten. Die belangte Behörde hat jedoch nicht angegeben, auf welcher Sachverhaltsgrundlage diese, ihre Ansicht beruht; das Verfahren ist daher auch insoweit mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0835 und vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/01/0230).
Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da - soweit es nicht ohnedies auf einem Rechenfehler beruht - die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995190031.X00Im RIS seit
20.11.2000