TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/6 94/01/0787

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Veröffentlicht am 06.09.1995
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Index

L00060 Landesbürger;
L42000 Staatsbürgerschaft;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

AVG §38;
B-VG Art9 Abs1;
Landes- und BundesbürgerschaftG 1925 §15;
Landes- und BundesbürgerschaftG 1925 §9 Abs1;
StbG 1985 §6 Z1;
StbG 1985 §7 Abs1;
StbG 1985;
St-ÜG 1949 §1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WehrG 1978 §1 Abs1;
WehrG 1978 §36 Abs1;
WehrG 1990 §35 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des JF in W, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Oktober 1994, Zl. MA 61/III-F 15/93, betreffend Feststellung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe an die belangte Behörde vom 22. Juni 1994 - nachdem ihm auf Grund früherer Anträge um Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises mit Erledigung vom 2. Februar 1994 mitgeteilt worden war, daß er "nach dem durchgeführten Feststellungsverfahren die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt" und er "sie weder mit Geburt noch zu einem späteren Zeitpunkt erworben hat"

(vgl. diesbezüglich den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1994, Zl. 94/01/0336) - förmlich die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 42 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, beantragt. Mit dem Bescheid vom 18. Oktober 1994 hat daraufhin die Wiener Landesregierung gemäß § 39 leg. cit. festgestellt, daß der am 13. Juni 1954 in Wien geborene Beschwerdeführer "weder kraft Abstammung gemäß § 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 (StbG 1949), BGBl. Nr. 276/49, und § 8 Abs. 2 und 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, noch auf andere Art die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat" und er "nicht österreichischer Staatsbürger ist".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Der Beschwerdeführer hat seinen Feststellungsantrag auch auf § 8 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, gestützt, und er macht der belangten Behörde in diesem Zusammenhang zum Vorwurf, daß sie, obwohl gemäß dieser Bestimmung die Vermutung der Staatsbürgerschaft nur durch den Beweis des Gegenteiles durch die Staatsbürgerschaftsbehörde erbracht werden könne, "diesen Nachweis nicht einmal versucht" habe. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde den "Beweis des Gegenteiles" im Sinne der genannten Gesetzesstelle auf Grund der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides - ungeachtet der Frage nach deren Richtigkeit - als erbracht angesehen hat, weist sie in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf hin, daß die Vermutung des § 8 Abs. 2 leg. cit., wonach bis zum Beweis des Gegenteiles als Staatsbürger kraft Abstammung eine Person gilt, die im Gebiet der Republik geboren wird, wenn bei ehelicher Geburt (lit. a) - wie dies beim Beschwerdeführer der Fall ist - ein Elternteil im Gebiet der Republik geboren worden ist, nur eintritt, wenn die betreffende Person nicht vor dem 1. September 1983 geboren wurde, hingegen hinsichtlich der vor diesem Zeitpunkt geborenen Personen ehelicher Geburt § 8 Abs. 3 leg. cit. Anwendung findet und es hiebei ausschließlich darauf ankommt, ob ihr ehelicher Vater (nicht aber alternativ ihre eheliche Mutter) im Gebiet der Republik geboren worden ist (siehe RV 1272 BlgNR 15. GP, S. 10). Diese Voraussetzung liegt aber hier nicht vor, zumal der eheliche Vater des Beschwerdeführers, KF, unbestrittenermaßen 1920 in Südtirol, Italien, geboren ist.

2. Der Beschwerdeführer macht allerdings auch geltend, daß er die österreichische Staatsbürgerschaft kraft Abstammung gemäß § 3 Abs. 1 StbG 1949 erworben habe. Nach dieser Gesetzesstelle erwarben nicht eigenberechtigte eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft entweder nach dem Vater oder, wenn dieser staatenlos war, dann, wenn die Mutter die Staatsbürgerschaft besaß. Sowohl die Frage der Staatenlosigkeit des Vaters des Beschwerdeführers als auch die der österreichischen Staatsangehörigkeit der Mutter des Beschwerdeführers im Zeitpunkt seiner Geburt ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittig. Für die Beurteilung dieser beiden, auf Grund des zugrunde liegenden Sachverhaltes miteinander eng verknüpften Fragen ist zunächst § 1 des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276, maßgebend. Demnach sind österreichische Staatsbürger ab 27. April 1945 a) Personen, die am 13. März 1938 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben; ... alle diese Personen jedoch nur dann, wenn in ihrer Person vor dem 27. April 1945 kein Tatbestand eingetreten ist, mit dem nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 30. Juli 1925, BGBl. Nr. 285, über den Erwerb und den Verlust der Landes- und Bundesbürgerschaft in der am 13. März 1938 geltenden Fassung der Verlust der Bundesbürgerschaft verbunden ist.

Die in Wien geborene Mutter des Beschwerdeführers, EF, geborene S, hatte kraft Abstammung das Heimatrecht ihres Vaters in Wien und zugleich die österreichische Bundesbürgerschaft erworben, und diese kam ihr auch am 13. März 1938 zu. Sie verehelichte sich aber am 12. Mai 1943 beim Standesamt Wien-Hernals mit dem Vater des Beschwerdeführers, welcher mit Einbürgerungsurkunde des Landeshauptmannes von Tirol vom 25. Jänner 1940 die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hatte. Gemäß § 9 Abs. 1 des genannten Bundesgesetzes BGBl. Nr. 285/1925 verlor durch Verehelichung mit einem Ausländer die Ehegattin ihre bisherige Landesbürgerschaft - und damit gemäß § 15 die Bundesbürgerschaft -, sofern nachgewiesen, daß sie nach den Gesetzen des Staates, dem der Ehegatte angehört, durch die Verehelichung die Staatsbürgerschaft dieses Staates erwarb. Letzteres war nach Auffassung der belangten Behörde auf Grund des zum Zeitpunkt der Eheschließung geltenden § 6 des deutschen Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913, RGBl. I, S. 583, der Fall, weil danach der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Eheschließung eintrat. Wäre der Vater des Beschwerdeführers als deutscher Staatsangehöriger anzusehen gewesen, so wäre dieser Verlusttatbestand in Ansehung der Mutter des Beschwerdeführers zufolge des zitierten § 1 St-ÜG 1949 fiktiv eingetreten, woran der Umstand, daß auf Grund der Verordnung vom 3. Juli 1938, dBGBl. Nr. I, 790, mit Wirkung vom 13. März 1938 alle österreichischen Bundesbürger - und damit bereits auch die Mutter des Beschwerdeführers - zu deutschen Staatsbürgern erklärt wurden, als für den österreichischen Rechtsbereich unbeachtlich nichts zu ändern vermöchte. War hingegen der Vater des Beschwerdeführers - entsprechend dem Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers - als staatenlos zu betrachten, so wäre § 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 285/1925 nicht zum Tragen gekommen, auch wenn unter dem Begriff "Ausländer" auch Staatenlose und nicht nur Angehörige eines fremden Staates gefallen wären (vgl. das zu § 4 dieses Gesetzes ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1931, Slg. Nr. 16.653/A), hätte doch in diesem Falle die Mutter des Beschwerdeführers durch ihre Verehelichung nicht die Staatsbürgerschaft eines anderen Staates erworben, sondern wäre österreichische Staatsbürgerin geblieben (siehe Thienel, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht I, S. 79, FN 14).

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter anderem auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juni 1950, Slg. Nr. 1566/A, aus dem sich ergibt, daß eine Frau, die am 13. März 1938 österreichische Bundesbürgerin war und während der Besetzung Österreichs einen deutschen Reichsangehörigen ehelichte, der am 13. März 1938 eine andere als die österreichische oder die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, die Bundesbürgerschaft durch die Eheschließung verlor, verwiesen. Dieses Judikat, das an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Februar 1948, Slg. Nr. 305/A, anschloß, in dem die Frage der staatsbürgerschaftsrechtlichen Wirkung der Verehelichung einer Frau, die am 13. März 1938 österreichische Bundesbürgerin war, mit einem deutschen Staatsangehörigen, der am 13. März 1938 schon reichsdeutscher Staatsangehöriger war, im Sinne des fiktiven Eintrittes eines Verlusttatbestandes nach § 1 St-ÜG 1945 beantwortet wurde (vgl. dazu noch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1953, Slg. Nr. 3123/A, sowie jenes des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 1990, B 85/90), kann aber nicht ohne weiteres im vorliegenden Beschwerdefall herangezogen werden, weil seine Berücksichtigung die Richtigkeit der Annahme voraussetzt, daß der Vater des Beschwerdeführers deutscher Reichsangehöriger war (vgl. auch dazu Thienel, a.a.O.). Gerade dies wird aber vom Beschwerdeführer in Abrede gestellt. Dabei legt er auf die Unterscheidung zwischen "Altreichsdeutschen", für die diese Rechtsprechung gelte, und "Volksdeutschen", zu denen sein aus Südtirol stammender Vater zähle, Wert und begründet dies damit, daß die durch das Deutsche Reich erfolgten Einbürgerungen "Volksdeutscher" völkerrechtswidrig gewesen und "damit für Österreich als unbeachtlich zu qualifizieren" seien.

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf diese Argumentation erwidert, daß die Frage, ob der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch KF völkerrechtswidrig gewesen sei, im vorliegenden Falle nicht die Bedeutung habe, die ihr vom Beschwerdevertreter beigemessen worden sei. Es herrsche keine einheitliche Lehrmeinung hierüber; gute Gründe würden für eine Völkerrechtswidrigkeit sprechen, ebensolche dagegen. Gehe man von einer Völkerrechtswidrigkeit des Erwerbes der deutschen Staatsangehörigkeit durch Südtiroler Optanten auf Grund einer antragsbedürftigen Einbürgerung aus, dann müsse aber folgerichtig auch der in diesem Zusammenhang ebenso antragsbedürftige, durch Entlassung erfolgte Verlust der italienischen Staatsangehörigkeit durch Südtiroler Optanten mit der gleichen Begründung als völkerrechtswidrig angesehen werden, und KF wäre daher aus österreichischer Sicht und vom völkerrechtlichen Standpunkt aus weiterhin als italienischer Staatsangehöriger, keineswegs aber als staatenlos zu betrachten. Vertrete man die gegenteilige Ansicht, so müsse natürlich ebenfalls eine Staatenlosigkeit ausgeschlossen werden und KF auch aus österreichischer Sicht als deutscher Staatsangehöriger gelten. Dieser Begründung, auf die die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auch nicht mehr zurückkommt, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Vom Vater des Beschwerdeführers mußte zwar auf Grund seiner Option die italienische Staatsangehörigkeit aufgegeben werden. Selbst wenn aber der bisherige Heimatstaat solchen Personen die Staatsangehörigkeit entzogen hätte, hätten sie diese jedenfalls verloren, was sich daraus ergibt, daß den Staaten bei der Entziehung ihrer Angehörigkeit keine Schranken gesetzt sind (vgl. Thienel, a.a.O., S. 149 f). In diesem Sinne konnte dann später auch auf Grund des italienischen Gesetzdekretes vom 2. Februar 1948, Nr. 23, über die Revision der Optionen (siehe Goldemund-Ringhofer-Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht, S. 376) von den davon betroffenen Personen der Wiedererwerb der italienischen Staatsbürgerschaft beantragt werden, wobei aber der Vater des Beschwerdeführers der Aktenlage nach von diesem "Reoptionsrecht" nicht Gebrauch gemacht hat. Entscheidend ist daher nur, ob die Einbürgerung des Vaters des Beschwerdeführers in das Deutsche Reich im Jahre 1940 völkerrechtswidrig war, bejahendenfalls diese Einbürgerung für den österreichischen Rechtsbereich keine Rechtswirkungen nach sich gezogen hätte, zumal gemäß Art. 9 Abs. 1 B-VG die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes als Bestandteile des Bundesrechtes gelten.

Bei den Südtiroler Optanten handelte es sich um solche "Volksdeutsche", also Personen deutscher Volkszugehörigkeit, die vor dem 2. Weltkrieg Angehörige anderer Staaten als Österreich und Deutschland gewesen waren, die im Zuge einer Umsiedlungsaktion vom Deutschen Reich eingebürgert wurden; nur die staatsbürgerschaftsrechtliche Stellung dieser Gruppe von "Volksdeutschen" (siehe dazu Thienel, a.a.O., S. 74) ist im vorliegenden Beschwerdefall von Interesse. Für den Standpunkt des Beschwerdeführers ist daher von vornherein nichts zu gewinnen, wenn er sich auf Weiss-Tessbach in JBl. 1948, 381 ff, "Zur Frage der jetzigen Staatsbürgerschaft der mittels Verfassungsdekret des Präsidenten der tschechoslowakischen Republik vom 2. VIII. 1945, Nr. 33 der Sammlung der Gesetze und Verordnungen der tschechoslowakischen Republik, ausgebürgerten Personen deutscher Volkszugehörigkeit", und auf Magerstein in ZÖR 1953, 338 ff, "Die Frage des staatsbürgerrechtlichen Status der in der Tschechoslowakischen Republik mit Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 2. August 1945,

Zahl 33/1945 Slg., ausgebürgerten "Personen deutscher Nationalität"", die diesbezüglich keine verwertbaren Aussagen enthalten, beruft. In dem (von Magerstein zitierten) Aufsatz von Seidl-Hohenveldern in ÖJZ 1948, 516 ff, "Die Staatsbürgerschaft der Volksdeutschen im Licht österreichischer Urteile", ist zwar unter anderem davon die Rede, daß die Staatsbürgerschaftsverleihungen an "Volksdeutsche" durch das Deutsche Reich teils als Rechtsfolge der Umsiedlungsverträge erschienen seien; für die Annahme, daß sie insgesamt gegen das Völkerrecht verstoßen hätten "und daher wohl als nichtig angesehen werden müssen", wird jedoch lediglich in Ansehung der Bewohner der seit 1938 besetzten Gebiete auf Grund des Art. 45 der Haager Landkriegsordnung, demzufolge es verboten sei, die Bevölkerung eines besetzten Gebietes zu zwingen, der feindlichen Macht den Treueid zu leisten, und des "daher" ergangenen Urteiles im Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg eine Begründung gegeben. Bei der darin dargestellten Judikatur österreichischer Gerichte werden auch zwei Fälle von Personen, die als Südtiroler auf Grund erfolgter Umsiedlung die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hätten, angeführt, doch blieb in diesen beiden Urteilen (nämlich des OGH JBl. 1947, 61, und des OLG Graz EvBl. 357/1946), bei denen die Frage der Anwendbarkeit fremden Rechtes bzw. die der inländischen Gerichtsbarkeit zu klären war, die im vorliegenden Beschwerdefall entscheidende Frage ungelöst; diese Bezugnahme fehlt auch in dem weiteren, ausführlichen Beitrag von Seidl-Hohenveldern in ZÖR 1950, 305 ff (konkret 336) über "Die Staatsbürgerschaft der Volksdeutschen". Wenn in beiden zuletzt genannten literarischen Quellen auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes JBl. 1946, 509, hingewiesen wird, so ist zu bemerken, daß der Fall einer "Volksdeutschen" aus der Tschechoslowakei vorlag (siehe ÖJZ 1948, 518, FN 23) und der Gerichtshof im übrigen im Zusammenhang mit der beantragten Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses von der Behauptung der betreffenden Person, staatenlos zu sein, ausgegangen ist, ohne sich damit rechtlich auseinanderzusetzen.

Seidl-Hohenveldern hat in dem bereits erwähnten, in ZÖR 1950 veröffentlichten Beitrag zur Frage der Rechtswidrigkeit der Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft an "Volksdeutsche" nach Völkerrecht Stellung genommen und diese auch hinsichtlich sämtlicher "Umsiedler" bejaht (314 f). Diesbezüglich wird ausgeführt, daß die Haager Landkriegsordnung auf die Einbürgerung von "Umsiedlern" nicht anwendbar zu sein scheine. Im Zeitpunkt der Umsiedlung seien ihre Heimatländer meist noch gar nicht vom Deutschen Reich besetzt gewesen. Später wären wohl deutsche Truppen in diesen Ländern gestanden, das Deutsche Reich sei aber deren offizieller Verbündeter gewesen, sodaß man kaum von der Erzwingung eines Treueids durch eine feindliche Macht sprechen könne. Wenn die Umsiedlungstätigkeit der Volksdeutschen Mittelstelle trotzdem im Nürnberger Urteil als eine der verbrecherischen Tätigkeiten der SS aufgezählt und auch sonst die Einbürgerung der "Umsiedler" nicht anerkannt werde (Hinweis auf den auf S. 333 abgedruckten Artikel 2 lit. b der Verordnung Nr. 82 des Französischen Hochkommissars in Österreich vom 17. Jänner 1948 sowie das "Umsiedler" aus der Bukowina betreffende Urteil des OLG Wien JBl. 1947, 244, das aber bloß die Aussage traf, daß "Volksdeutsche wohl als staatenlos angesehen werden müssen, solange über ihre Staatsbürgerschaft keine Entscheidung" deutscher Behörden "gefallen ist", und jenes des OGH JBl. 1949, 394 f, das sich zwar auf Südtiroler "Umsiedler" bezog, aber diese Frage gleichfalls nicht prüfte), so werde diese sogenannte "Heimführung" und "Umsiedlung" eben allgemein als Teil der verbrecherischen deutschen Angriffspolitik verurteilt. Diese nur theoretisch freiwillige, in Wirklichkeit oft mit gröbstem Zwang erreichte Umsiedlung habe ja nur den Zweck gehabt, Rekruten in die deutsche Kriegsmaschine zu pressen, die ihr sonst entgangen wären, und deutschsprachige Siedler für die systematisch ihrer heimischen slawischen Bevölkerung entblößten "Ostgebiete" zu schaffen. Die Umsiedlungstätigkeit der Volksdeutschen Mittelstelle sei somit in ursächlichem Zusammenhang mit dem deutschen Angriff gestanden und sei daher als ein Teil dieses nach Ansicht des Nürnberger Urteils völkerrechtswidrigen Verbrechens angesehen worden. Auch aus einem Bericht des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen gehe hervor, daß die Einbürgerung unter anderem der Umsiedler als völkerrechtswidrig und nichtig angesehen werden müsse. In einer Zusammenstellung von Staatsverträgen, die Bestimmungen über die Staatsbürgerschaft von Ehefrauen enthielten, führe dieser Bericht "Verträge im Zusammenhang mit der Aggressionstätigkeit der Achsenmächte vor und während des zweiten Weltkrieges" an. In dieser Aufstellung seien unter anderem die Südtirol betreffenden "Richtlinien mit Italien vom 21.10.1939" (305, FN 3) enthalten. Der Bericht stelle fest, "daß die Änderungen in der Souveränität, mit denen diese Verträge zusammenhängen, von den in Betracht kommenden Mächten nicht anerkannt wurden. Diese Abkommen können nicht als Verträge angesehen werden, die zu irgendeiner Zeit völkerrechtlich gültig waren. Sie seien gegenwärtig sicherlich nicht in Kraft". Hinsichtlich der "Österreichischen Praxis" in Ansehung der "staatsbürgerschaftlichen Stellung der Volksdeutschen in Österreich" (334 ff) folgt der Beitrag weitgehend den Ausführungen in ÖJZ 1948, 516 ff, wobei Südtiroler, die die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatten, nur im Zusammenhang mit der Prüfung der inländischen Gerichtsbarkeit im bereits genannten Urteil des OGH JBl. 1949, 394 f (= EvBl. 197/1949), erwähnt werden.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, die österreichische Lehre und Judikatur nehme einheitlich den Standpunkt ein, daß die gegenständlichen Einbürgerungen völkerrechtswidrig und demnach die Südtiroler "Umsiedler" als staatenlos anzusehen seien, entspricht nicht den Tatsachen. In der Judikatur wurde diese Frage bisher - wie bereits dargestellt und auch sonst, soweit überblickbar - noch nicht abschließend behandelt. Im Schrifttum hat Heinl, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht3, S. 66 ff, eine gegenteilige Position bezogen und diese im wesentlichen damit begründet, daß die im Zuge der Umsiedlungsaktionen in das Deutsche Reich verbrachten Personen durch individuelle Verwaltungsakte eingebürgert worden seien. Zu der Annahme, daß diese Einbürgerungen als nicht erfolgt zu erachten seien - etwa deshalb, weil sich das Reich völkerrechtswidriger Handlungen schuldig gemacht habe -, liege kein Grund vor; es müsse daher angenommen werden, daß sie auch zu Ende des Krieges noch deutsche Staatsangehörige gewesen seien. Wenn die belangte Behörde - erst in ihrer Gegenschrift - ausführt, daß "andere Autoren" mit gutem Grunde davon ausgingen, daß der im Wege der Einbürgerung erfolgte Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch volksdeutsche "Umsiedler" aus Südtirol nicht als völkerrechtswidrig anzusehen und demnach auch für den österreichischen Rechtsbereich beachtlich sei, und in diesem Zusammenhang außer auf Heinl noch auf Seeler, Das Staatsangehörigkeitsrecht Österreichs, Sammlung geltender Staatsangehörigkeitsgesetze, Bd. 20, Frankfurt am Main 1957, S. 68, verweist, so geht zwar daraus einerseits hervor, daß die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die "Umsiedler" rechtmäßig gewesen und zu erschließen sei, daß dies "auf Grund von Einzeleinbürgerungen" der Fall gewesen sei; andererseits heißt es aber daran anschließend, daß die in Österreich lebenden Volksdeutschen, die im Zuge der Umsiedlungsaktionen dorthin gekommen sind, die deutsche Staatsangehörigkeit "also auch heute noch" besitzen, es sei denn, die Verleihung sei völkerrechtswidrig gewesen und brauche deswegen von Österreich nicht anerkannt zu werden, wobei auf Seidl-Hohenveldern, ZÖR 1950, 334 ff, hingewiesen wird.

Der Umstand, daß die Einbürgerung durch einen individuellen Verwaltungsakt erfolgt ist, bedeutet nicht zwangsläufig, daß sie den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes entsprochen habe (vgl. Thienel, a.a.O., S. 74, FN 23). Vielmehr kommt es in diesem Zusammenhang bei der Beurteilung einer allfälligen Völkerrechtswidrigkeit auf die näheren, bei der Einbürgerung maßgebenden Umstände rechtlicher und faktischer Natur an. Wäre demnach eine Völkerrechtswidrigkeit vorgelegen, so konnte sie dadurch, daß hiebei jeweils die Rechtsform eines individuellen Verwaltungsaktes gewählt wurde, nicht beseitigt werden. Im vorliegenden Fall lag der Einbürgerung des Vaters des Beschwerdeführers in das Deutsche Reich die deutsch-italienische Vereinbarung von Rom über Richtlinien für die Rückwanderung der Reichsdeutschen und Abwanderung der Volksdeutschen aus dem Alto Adige in das Deutsche Reich vom 21. Oktober 1939 zugrunde. Thienel, a.a.O., S. 149, meint, daß bei "Umsiedlungsverträgen", bei denen zwei Staaten vereinbaren, daß bestimmte Personen die Staatsangehörigkeit des einen Staates verlieren und die des anderen Staates erwerben sollen, eine solche Vereinbarung grundsätzlich unbedenklich scheine, soweit dabei den betroffenen Personen eine Art freie Option zugunsten einer Staatsangehörigkeit eingeräumt und dafür vorgesorgt werde, daß die betroffenen Personen mit dem neuen Heimatstaat in eine ausreichende Beziehung treten. Nur dann, wenn den "Umsiedlern" eine nur theoretisch freie Entscheidung eingeräumt werde, die in Wirklichkeit jedoch erzwungen sei, könne der Erwerb der neuen Angehörigkeit nicht als beachtlich angesehen werden. Dabei bezieht er sich (in FN 213 hiezu) auf Seidl-Hohenveldern, ZÖR 1950, 314 f, wo - wie bereits wiedergegeben wurde - in bezug auf die Umsiedlungsaktionen des Deutschen Reiches von einer nur theoretisch freiwilligen, in Wirklichkeit oft mit gröbstem Zwang erreichten Umsiedlung gesprochen wird. Der genannte "Umsiedlungsvertrag" aus dem Jahre 1939 sah zwar nicht nur eine Option, sondern darüber hinaus die Herstellung einer örtlichen Beziehung des Optanten zum Deutschen Reich vor, setzte sich aber darüber hinweg, daß Österreich auf Grund eines völkerrechtswidrigen Aktes Teil des Deutschen Reiches war. Es wurde daher in diesem Abkommen kein Unterschied gemacht, ob der Betreffende eine derartige Beziehung zum sogenannten "Altreich" oder zu einem Gebiet, das vor 1938 nicht zum Deutschen Reich gehörte, begründet. Obwohl der Vater des Beschwerdeführers seinen Wohnsitz von Südtirol nach Tirol (und nicht in das sogenannte "Altreich") verlegt hat, beanspruchte ihn das Deutsche Reich für sich als Staatsangehörigen, ohne daß er die Möglichkeit gehabt hätte, für Österreich zu optieren. "Das vom Völkerrecht für Einbürgerungen geforderte "Naheverhältnis" des Eingebürgerten zum Einbürgerungsstaat" war daher - entgegen der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift - nicht "durchaus gegeben". Schon allein das Fehlen dieser Anknüpfung reicht aus, um von einer Völkerrechtswidrigkeit der Einbürgerung des Vaters des Beschwerdeführers in das Deutsche Reich auszugehen. Es kann daher sowohl unerörtert bleiben, ob - im Sinne der zuletzt dargestellten Ausführungen von Seidl-Hohenveldern, auf die sich der Beschwerdeführer beruft - derartige Einbürgerungen auch auf die damalige Angriffspolitik des Deutschen Reiches zurückzuführen waren, als auch nicht darauf eingegangen zu werden braucht, ob - wie der Beschwerdeführer im Hinblick auf eine beabsichtigte "ethnische Säuberung" in Südtirol weiters argumentiert - Südtiroler, die für das Deutsche Reich optiert haben, "dazu unter dem Druck der politischen Verhältnisse "gezwungen" waren und gar keine andere Wahl hatten".

Nicht unerwähnt soll bleiben, daß durch Beschluß der Provisorischen Staatsregierung vom 29. August 1945 - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - die administrative Gleichstellung solcher Personen mit den Österreichern vorläufig angeordnet wurde, sofern sie darum ansuchten. Der Verwaltungsgerichtshof qualifizierte diese Akte lediglich als allgemein an die Behörden gerichtete Weisungen, aus denen subjektive Rechte nicht abgeleitet werden konnten (vgl. das Erkenntnis vom 17. Februar 1982, Zl. 01/0709/80, mit weiteren Judikaturhinweisen und zustimmender Stellungnahme von Thienel, a. a.O., S. 75 f und FN 33 hiezu). Dieser (in der Folge mehrmals abgeänderte und in seinem Anwendungsbereich verlängerte) Beschluß bewirkte demnach nicht den Erwerb der (österreichischen) Staatsbürgerschaft, was auch vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet wird. Thienel spricht in a. a.O. II, S. 107, davon, daß unter anderem der angeführten Behandlung der Südtiroler Optanten in Österreich die Auffassung zugrunde gelegen sei, daß "die Zwangseinbürgerungen seitens Deutschlands" völkerrechtswidrig und daher für Österreich unbeachtlich gewesen seien, "die österreichische Gesetzgebung" nach 1945 als Angehörige anderer Staaten also stets solche Personen betrachtet habe, die von diesen unter Beachtung der völkerrechtlichen Schranken eingebürgert worden seien, und bei Überschreitung dieser Grenzen der Betroffene nicht als Angehöriger des anderen Staates gegolten habe. Ob diese Ausführungen hinsichtlich des genannten Personenkreises zutreffen oder die Haltung Österreichs in dieser Frage eher davon bestimmt war, daß eine unklare Rechtslage angenommen wurde, die schließlich nach bilateralen Verhandlungen auf Grund des italienischen "Optantendekrets" im Jahre 1948 zum Teil einer Bereinigung zugeführt wurde, kann auf sich beruhen. Vom Anwendungsbereich des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 142/1954, waren jedenfalls die Südtiroler Optanten ausgenommen (vgl. Thienel, a.a.O. I, S. 75), wobei in den Erläuterungen (RV 252 BlgNR 7. GP, S. 7) dazu insbesondere betont wurde, daß es sich bei ihnen nicht um Flüchtlinge oder Heimatvertriebene handle und der Kabinettsratsbeschluß vom 29. August 1945 ohnehin der überwiegenden Mehrheit der Südtiroler die Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern im Verwaltungswege gewähre.

Die Eltern des Beschwerdeführers haben die österreichische Staatsbürgerschaft durch Verleihung seitens der Wiener Landesregierung mit Wirkung vom 31. August 1976, die auf den mittlerweile volljährig gewordenen Beschwerdeführer nicht erstreckt werden konnte, erworben. Die belangte Behörde hat der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge bei ihrer Entscheidung auch darauf Bedacht genommen, daß im Zuge dieses Einbürgerungsverfahrens die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Wien mit Schreiben vom 8. Mai 1972 bestätigt habe, daß KF, sofern er keine fremde Staatsangehörigkeit auf Antrag erworben und nicht nach dem 2. Weltkrieg auf die deutsche Option verzichtet hätte, die deutsche Staatsangehörigkeit "auch heute noch" besitze. Dabei hat sie aber - wie der Beschwerdeführer richtig erkannt hat - übersehen, daß eine solche Erklärung keine bindende Wirkung für Österreich haben konnte und die Beurteilung der Frage, ob der Vater des Beschwerdeführers im österreichischen Rechtsbereich als staatenlos anzusehen war, ausschließlich ihr oblag. Allerdings ist der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Umstand, daß er beim österreichischen Bundesheer den Präsenzdienst geleistet habe, ohne jeden Einfluß auf diese Beurteilung. Richtig ist zwar, daß gemäß § 36 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Wehrgesetz 1978 zum österreichischen Bundesheer nur österreichische Staatsbürger einberufen werden dürfen. Wäre aber die gemäß § 38 AVG zu lösende Vorfrage der österreichischen Staatsbürgerschaft hiebei unrichtig gelöst worden, so wäre damit nicht "erwiesen", daß er "von Geburt an die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hat".

Da somit die belangte Behörde in mehrfacher Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen ist, daß im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers sein Vater nicht staatenlos und demzufolge auch seine Mutter nicht österreichische Staatsbürgerin war, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem mit S 12.500,-- pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist, ein Ersatz des Aufwandes für einen weiteren Schriftsatz als die Beschwerde nicht vorgesehen ist und als Ersatz für Stempelgebühren lediglich S 330,-- (S 240,-- für die Beschwerde und S 90,-- für die Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnten.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Umsiedlungsvertrag Alto Adige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010787.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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