TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/15 93/17/0027

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Veröffentlicht am 15.09.1995
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37209 Armenprozente Versteigerungsabgabe Wien;
L70319 Versteigerung Wien;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/03 Außerstreitverfahren;
23/04 Exekutionsordnung;

Norm

ABGB §154 Abs3;
ABGB §865;
AußStrG §278 Abs1;
EO §352;
LAO Wr 1962 §3 Abs1;
VersteigerungsabgabeV Wr 1985 §1;
VersteigerungsabgabeV Wr 1985 §2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, als bestellter Sachwalter, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 18. Dezember 1992, Zl. MD-VfR - P 36/92, betreffend Versteigerungsabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 26. März 1990 wurde Dr. J zum Sachwalter für die Beschwerdeführerin zur Besorgung folgenden Kreises von Angelegenheiten bestellt:

"Vertretung der Betroffenen in allen zwischen dieser und Ing. P anhängigen, behördlichen Verfahren betreffend die Liegenschaft Grundbuch U, EZ 591, bestehend aus den Grundstücken Nr. 204/21 Garten und Nr. 204/39 Baufläche, Haus in der N-Gasse 30 in Wien, das sind derzeit das Verfahren 28 Cg 123/84 des Landesgerichtes für ZRS Wien, sowie andere, allenfalls noch anhängig werdende (auch verwaltungs- und finanzbehördliche) Verfahren betreffend die zitierte Liegenschaft, ferner hinsichtlich aller rechtsgeschäftlichen Veranlassungen und Verfügungen der Betroffenen hinsichtlich der genannten Liegenschaft inkl. Vollmachtserteilung für die darauf bezughabenden Verfahren."

Der Beschwerdeführerin wurde aufgrund ihres durch ihren Sachwalter eingebrachten Antrages zur Vollstreckung des rechtskräftigen Urteiles des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Oktober 1990, 28 Cg 154/88, zum Zweck der Aufhebung der Eigentumsgemeischaft mit Ing. P die Versteigerung der Liegenschaft EZ 591, Grundbuch U, Bezirksgericht Hietzing, bewilligt. In der Versteigerungstagsatzung vom 17. Juli 1991 vor dem Bezirksgericht Hietzing zog die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Feilbietung zurück und beantragte die Einstellung des Verfahrens. Dieser Antrag wurde vom Bezirksgericht Hietzing abgewiesen. Aufgrund der sodann durchgeführten Versteigerung wurde die Liegenschaft um das Meistbot von S 1,300.000,-- dem Bieter Ing. P zugeschlagen. Über Rekurs der Beschwerdeführerin hob das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit Beschluß vom 16. Jänner 1992 die Erteilung des Zuschlages auf. Einem dagegen vom Ersteher erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs gab der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 27. Mai 1992 (3 Ob 56/92) Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her. Eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Erteilung des Zuschlages ist nicht erfolgt.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 21. August 1992 wurde der Beschwerdeführerin zur ungeteilten Hand mit Ing. P eine von der freiwilligen öffentlichen Versteigerung der genannten Liegenschaft zu entrichtende Versteigerungsabgabe von S 26.000,-- vorgeschrieben. Die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Durch den Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 27. Mai 1992 sei die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt worden, sodaß der erteilte Zuschlag dem Rechtsbestand angehöre. Der Abgabenanspruch sei mit Erfüllung des Abgabentatbestandes (freiwillige öffentliche Versteigerung der Liegenschaft) entstanden. Die Heranziehung der Rechtsmittelwerberin entspreche den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der geltend gemacht wird, daß der Zuschlag, um wirksam zu sein, pflegschaftsbehördlich genehmigt werden müsse. Im vorliegenden Fall habe das Pflegschaftsgericht die Genehmigung des Zuschlages versagt; das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht habe einem dagegen erhobenen Rekurs des Bieters Ing. P nicht Folge gegeben; auch ein außerordentlicher Revisionsrekurs sei erfolglos geblieben. Besteuerungsgrundlage sei das Rechtsgeschäft (Kauf im Rahmen der gerichtlichen Feilbietung) und nicht der Rechtsakt (Beschluß über den Zuschlag).

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§§ 1 bis 3 der Verordnung des Wiener Gemeinderates vom 26. April 1985 über die Ausschreibung einer Abgabe von den in Wien stattfindenden freiwilligen öffentlichen Versteigerungen, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien vom 30. Mai 1985, lauten:

"§ 1

(1) Von den in Wien stattfindenden öffentlichen Versteigerungen beweglicher und unbeweglicher Sachen wird nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine Abgabe erhoben.

(2) Versteigerungen gemeinschaftlicher Liegenschaften nach § 352, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896, gelten als freiwillige Versteigerungen.

(3) Versteigerungen unbeweglicher Sachen sind abgabenpflichtig, wenn sie von Gerichten oder Notaren durchgeführt werden; ...

§ 2

Die Abgabe beträgt 2 % des bei der Versteigerung erzielten Erlöses. Der Versteigerungserlös besteht aus dem Meistbot und dem Wert jener Lasten, die von dem Ersteher zusätzlich zum Meistbot zu übernehmen sind. Der Wert solcher Lasten ist bezogen auf den Ersteigerungstag in sinngemäßer Anwendung des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148, zu ermitteln.

§ 3

Abgabenpflichtig ist derjenige, der die Sache versteigern läßt. Ist er nicht Eigentümer der Sache, so haftet der Eigentümer mit ihm zur ungeteilten Hand für die Entrichtung der Abgabe. Sämtliche Miteigentümer einer zu versteigernden Sache sind Gesamtschuldner."

Gemäß § 3 WAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen. Dies ist bei der Versteigerungsabgabe der Zeitpunkt der durchgeführten (beendeten) Versteigerung (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1992, 91/17/0189). Von Beendigung in diesem Sinn kann auch im Hinblick darauf, daß die Abgabe vom erzielten Versteigerungserlös zu berechnen ist, nicht schon dann gesprochen werden, wenn die Tagsatzung nach Zuschlagserteilung geschlossen wurde, sondern frühestens wenn der Zuschlag einen an sich rechtlich tauglichen Titel für den Eigentumsübergang begründet hat.

Bei der Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft nach § 352 EO wird das Eigentum nicht aufgrund eines staatlichen Hoheitsaktes erworben, sondern es liegt ein Kauf

vor (Heller-Berger-Stix III 2546; SZ 52/61 = MietSlg. 31819/26

= RZ 1980/2; MietSlg. 33065; RpflE 1992/145 = 3 Ob 56/92). Ist

daran - wie hier - ein Pflegebefohlener beteiligt, so setzt die Eintragung im Grundbuch wie bei jedem anderen Kaufvertrag gemäß § 154 Abs. 3 ABGB voraus, daß das Rechtsgeschäft vom Pflegschaftsgericht genehmigt wird. In diesem Sinne bedarf auch der Zuschlag der Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes. Ist der Verkauf und damit die Erteilung des Zuschlages genehmigungspflichtig, so wird der Verkauf nach § 865 ABGB erst mit dieser Genehmigung gültig. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes über die Genehmigung sind solche Geschäfte schwebend UNwirksam, auch der Pflegebefohlene erwirbt aus ihnen noch keinen Anspruch (Rummel I2 RZ 5 zu § 865). Die gemäß § 352 EO auf die Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft anwendbare Bestimmung des § 278 Abs. 1, zweiter Satz, AußStrG, wonach der Kauf durch den Zuschlag unwiderruflich für abgeschlossen anzusehen ist, setzt die volle Geschäftsfähigkeit des Feilbietenden voraus. Daraus folgt, daß das Exekutionsgericht durch die Erteilung des Zuschlages hier lediglich das Zustandekommen eines schwebend unwirksamen Geschäftes festgestellt hat (vgl. RZ 1991/74, 256).

Ein zum Eigentumserwerb rechtlich tauglicher Titel wurde in diesem Fall durch den Zuschlag allein noch nicht geschaffen und damit die Versteigerung auch noch nicht beendet.

§ 21 Abs. 3 WAO ist schon deshalb nicht anwendbar, weil der Abgabentatbestand nicht auf wirtschaftliche Gegebenheiten abstellt.

Im vorliegenden Fall lag im Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Entscheidung am 7. Jänner 1993 eine zwar noch nicht rechtskräftige, aber doch wirksame Versagung der Bewilligung des Zuschlages durch das Pflegschaftsgericht erster Instanz vor (welche mittlerweile auch in formelle Rechtskraft erwachsen ist). Eine für die Entstehung der Abgabepflicht essentielle Veräußerung der gegenständlichen Liegenschaft im Wege einer Versteigerung nach § 352 Exekutionsordnung ist daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zustande gekommen.

Der angefochtene Bescheid war daher nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG infolge Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. Juni 1994, BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993170027.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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