TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/20 95/20/0035

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Veröffentlicht am 20.09.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des I T in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. September 1994, Zl. 4.318.111/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung, reiste am 9. Mai 1991 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 13. Mai 1991 einen schriftlichen Asylantrag. Darin behauptete er, er sei in seiner Heimat "wegen seiner Zugehörigkeit zur Rasse und Nationalität und auch zu sozialen Gruppen sowie wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt und mißhandelt" worden. Er habe Flugzettel und Propagandaschriften verteilt, was zur Folge gehabt habe, daß er von Organen der Verwaltung festgenommen und eine Woche ohne Verfahren und ohne gerichtliche Entscheidung in den Gemeindekotter gesperrt worden sei. Nichtkurdische Landsleute seien gegen ihn tätlich vorgegangen, indem sie ihn durch Schläge mit der Faust ins Gesicht verletzt hätten. Es sei ihm auch angeraten worden, umgehend die Türkei zu verlassen, da er ansonsten getötet würde. Aus berechtigter Sorge um sein Leben und seine Gesundheit habe er die Flucht ergriffen.

Bei seiner niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 22. Juli 1991 gab er demgegenüber an, er habe sich infolge seiner kurdischen Abstammung von den türkischen Behörden und deren Organen benachteiligt gefühlt. Im Jahre 1980 sei er wegen seiner Abstammung für zwei Tage in Varto in Polizeihaft genommen worden, besitze dafür jedoch keine Bestätigung. Es sei nicht richtig, wie im Asylansuchen stehe, daß er wegen seiner Zugehörigkeit zur Rasse und Nationalität oder auch zu sozialen Gruppen und wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt und mißhandelt worden sei; richtig sei vielmehr, daß er keine politische Gesinnung habe, also auch nicht verfolgt oder mißhandelt worden sei. Die Polizei in Varto habe ihn nur davor gewarnt, den Mitgliedern der PKK Unterstützung zu gewähren, was er auch nicht getan habe. Er habe nie Flugzettel oder Propagandaschriften verteilt und sei aus diesem Grunde auch nie im Gefängnis gewesen. Flugzettel seien von einem Freund von ihm, ebenfalls I mit Vornamen, verteilt worden, irrtümlich sei er dafür vor Gericht geladen worden, der Irrtum habe sich jedoch aufgeklärt. Weiters sei auch nicht richtig, daß er von Landsleuten tätlich verletzt worden sei, dies sei in den letzten Jahren nicht mehr vorgekommen, diese Raufereien hätten sich auf seine Schulzeit bezogen (der Beschwerdeführer gab an, 1977 die Mittelschule abgeschlossen zu haben). Richtig sei aber, daß Polizisten in Varto ihm mehrmals, zuletzt im September 1990, gedroht hätten, ihn umzubringen, weil die "Kurden einen eigenen Staat wollten". Er wäre auch schon früher aus der Türkei weggegangen, hätte jedoch früher keinen Reisepaß bekommen. Dies sei auch der ausschlaggebende Grund gewesen, weshalb er erst im März 1991 die Türkei verlassen habe. Er sei von den türkischen Behörden und deren Organen zwar nicht verfolgt, aber benachteiligt worden. Er sei nie in Strafhaft gewesen und sei auch nicht gesucht worden, den Reisepaß habe er gegen Hingabe eines Bestechungsbetrages von 300.000 türkischen Lira ausgefolgt erhalten. Er sei nie Mitglied einer legalen oder illegalen politischen Gruppierung gewesen und habe auch nicht an Demonstrationen teilgenommen. In der Ausübung seines Glaubens sei er nicht beeinträchtigt worden. Nach Österreich sei er gekommen, weil er dieses Land leicht habe erreichen und hier um Asyl ansuchen können. Er wolle in Österreich bleiben, hier arbeiten und auch seine Familie hierherholen. Wenn er in die Türkei zurückkehren müßte, würde er vermutlich eingesperrt oder getötet, er könne aber nicht genau sagen, was ihn erwarte.

Im Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 14. Oktober 1991 wurde festgestellt, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle. In seiner dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer wiederum in Bekräftigung seiner Angaben im schriftlichen Asylantrag aus, er habe niemals die Möglichkeit gehabt, im durch die Erstinstanz durchgeführten Ermittlungsverfahren ausführlich auf seine politischen Tätigkeiten einzugehen. Diesbezügliche Fragen seien an ihn nicht gestellt worden, er habe auch nichts Ergänzendes hinsichtlich der Ursachen und Gründe vorbringen können, die zu seiner Flucht geführt hätten. Die Tatsache, daß seine Partei und seine Gesinnungsfreunde gerade jetzt einer starken Verfolgung unterlägen, könne auch aus den täglichen Nachrichten entnommen werden. Konkrete Verfolgungs- und Haftbestätigungen könne er auf Grund seiner Flucht nicht vorlegen. Das erstinstanzliche Verfahren sei äußerst mangelhaft geblieben und könne demnach für die Abweisung seines Asylantrages nicht herangezogen werden. Bei ordnungsgemäß durchgeführtem Verfahren wäre die entscheidende Behörde zur Ansicht gelangt, daß sein Asylantrag gerechtfertigt gewesen sei. Unter Berücksichtigung seiner Rassenzugehörigkeit und seiner politischen Gesinnung bzw. Tätigkeit müsse von wohlbegründeter Furcht im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen gesprochen werden. Die Zustände in der Türkei seien auch aus objektiver Sicht dergestalt, daß ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland unerträglich geworden sei.

Die belangte Behörde beurteilte den sich aus den Angaben des Beschwerdeführers ergebenden Sachverhalt rechtlich dahingehend, der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft machen können, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde. Insbesondere seien durch die Ergebnisse seiner Vernehmung die von seinem Vertreter im Asylantrag aufgestellten Behauptungen, vor allem in der entscheidenden Frage seines politischen Engagements und der daher rührenden Gefährdung, nicht bestätigt worden. Zu den zuletzt im Jahr 1990 von Polizisten angeblich ausgesprochenen Drohungen fehle im übrigen der zeitliche Konnex. Die belangte Behörde stützte die Abweisung der Berufung und damit die Versagung von Asyl jedoch nicht nur auf das Nichtvorliegen der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991, sondern darüber hinaus auch auf das Vorliegen des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit., weil sich dieser vor Einreise in das Bundesgebiet im "ehemaligen Jugoslawien" aufgehalten habe, welches damals Mitgliedstaat der Genfer Konvention gewesen sei, und weil nichts dafür spreche, daß dieser Staat die sich aus dieser Mitgliedschaft ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in Art. 33 verankerte Refoulementverbot, vernachlässigt hätte, womit der Beschwerdeführer daselbst bereits Verfolgungssicherheit erlangt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz, bei der er sich ausdrücklich und im Zuge einer eingehenden Befragung von der im schriftlichen Asylantrag enthaltenen Darstellung seiner Fluchtgründe distanziert hat, kann kein Sachverhalt entnommen werden, der den Schluß zuließe, daß der Beschwerdeführer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befände und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt wäre, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen (vgl. § 1 Z. 1 AsylG 1991, der inhaltlich keine Änderung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 AsylG (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention gebracht hat). Bei seiner Befragung hat der Beschwerdeführer ausdrücklich betont, die im schriftlichen Asylantrag enthaltene Darstellung in bezug auf seine politische Gesinnung und die sich daraus ergebenden, für ihn nachteiligen Konsequenzen seien unrichtig gewesen, er sei weder in seiner Religionsausübung beeinträchtigt noch verfolgt worden. Die im schriftlichen Asylantrag ins Treffen geführte tätliche Auseinandersetzung mit - im übrigen schwerlich den staatlichen Organen zuzurechnenden - Personen habe sich auf seine Schulzeit bezogen. Auch die von Polizisten seines Heimatortes ausgesprochene Drohung, man werde ihn umbringen, "weil die Kurden einen eigenen Staat wollten", lasse eine asylrechtlich relevante, in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland stehende Verfolgung aus Konventionsgründen nicht erkennen. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die allgemeinen Verhältnisse der Kurden in seinem Heimatland allein läßt auch noch nicht den Schluß zu, der Beschwerdeführer sei einer konkreten, ihn selbst betreffenden Verfolgung durch staatliche Behörden ausgesetzt gewesen, zumal er dies in concreto selbst verneint hat.

Ging die belangte Behörde aber bereits zutreffend vom Nichtvorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 aus, erweist sich die Frage nach dem Vorliegen eines der Asylausschließungsgründe des § 2 Abs. 2 AsylG 1991 als nicht mehr entscheidungsrelevant, weshalb auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde nicht weiter eingegangen werden muß.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200035.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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