TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/20 95/20/0332

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Veröffentlicht am 20.09.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. April 1995, Zl. 4.321.107/7-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, der am 28. Dezember 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat seinen am 11. Jänner 1991 gestellten Asylantrag bei seiner niederschriftlichen Befragung am 26. August 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien damit - wie in der Beschwerde bestätigt - begründet, daß er auf Grund der von der Geheimpolizei des ehemaligen kommunistischen Regimes geübten Praxis bereits in seinem damaligen jugendlichen Alter sich ständig in der Gefahr befunden habe, zwangsrekrutiert und im Kampf gegen die Modjahedin eingesetzt zu werden. Er sei zweimal von der Geheimpolizei verschleppt worden, wobei ihm beide Male die Flucht gelungen sei. Nach der zweiten Flucht sei er nach Istalef gebracht worden, wo er sich bei Verwandten vier Monate lang habe versteckt halten können. Er habe nicht in Afghanistan bleiben können, da für ihn keine Möglichkeit der Fortsetzung der schulischen Ausbildung bestanden habe, und man ihn im Kampf gegen seine eigenen Landsleute hätte einsetzen wollen. Mit Bescheid vom 2. September 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, beim Beschwerdeführer lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde das erstinstanzliche Vorbringen wiederholt und dahingehend konkretisiert, daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner "weltanschaulichen und antikommunistischen Einstellung" nicht bereit gewesen sei, auf seiten des "kommunistischen Kabuler Regimes" gegen seine eigenen Landsleute zu kämpfen. Er habe keine andere Wahl gehabt als zu flüchten, weil er auf Grund seiner zweimaligen Flucht vor dem Militär und der damit dokumentierten Weigerung, gegen die Modjahedin zu kämpfen, der Gefahr ausgesetzt gewesen sei, wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt und schwer bestraft zu werden.

Die belangte Behörde wies die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Die wesentliche Begründung lautet, daß die Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes in vielen Staaten bestehe und sich dieser Pflicht zu entziehen strafbar sei. Somit könne eine etwaige aus diesem Grund drohende Bestrafung nicht als Verfolgung angesehen werden. Darüber hinaus hätten sich die politischen Verhältnisse in Afghanistan seit dem Zeitpunkt der Ausreise entscheidend geändert, weil das kommunistische Regime niedergezwungen und der kommunistische Präsident Najibullah zum Rücktritt gezwungen worden sei, da er den Druck der Modjahedin nicht mehr habe standhalten können. Somit habe der Beschwerdeführer zum jetzigen Zeitpunkt keine Verfolgungshandlungen seitens der Behörde mehr zu befürchten. Der Beschwerdeführer habe zu dieser Annahme Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten und nunmehr angeführt, daß in Afghanistan Bürgerkrieg herrsche und die einander bekämpfenden Modjahedin-Gruppen jeden kampffähigen Mann "zwangsrekrutierten". Eine Rückkehr würde daher höchste Lebensgefahr bedeuten. Hiezu führte die belangte Behörde aus, daß die Auswirkungen des Bürgerkriegs Nachteile darstellten, denen die gesamte Bevölkerung in gleichem Maß ausgesetzt sei. Ein zielgerichtetes Handeln des Heimatstaates, das konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtet sei, könne darin nicht erblickt werden. Abschließend stellte die belangte Behörde fest, daß die fehlende Möglichkeit zur Fortsetzung der schulischen Ausbildung nicht unter die in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aufgezählten Gründe subsumierbar sei.

Der Beschwerdeführer behauptet in der Beschwerde das Vorliegen von Verfolgung im Sinne des § 1 Asylgesetz, weil er "heute nicht nur seine Freiheit, sondern jetzt auch das Leben durch die verschiedensten politischen Kräfte bedroht" sehe, weil nach der Machtübergabe von den Kommunisten an die Modjahedin das Land "im blutigen Konflikt versinkt". Es finde derzeit ein "Gemetzel verschiedenster Gruppen, Nationalitäten und politischer Parteien gegeneinander statt". Anläßlich der Rückkehr bestehe für "junge kampffähige Männer" die Gefahr, "zwangsrekrutiert" und zum Kampf gezwungen zu werden. Eine Weigerung werde mit Gefängnis und Folter bedroht. Bei unfreiwilliger Teilnahme an den Kämpfen für eine Partei sei der Beschwerdeführer bereits in einem für ihn lebensgefährlichen Konflikt. Somit sei im Sinne des § 1 Asylgesetz auch derjenige als Flüchtling zu betrachten, der begründete Angst vor "unkalkulierbaren Bedrohungen" habe. Denn der Beschwerdeführer könne zudem der "Zwangsrekrutierung der verschiedenen Banden" nicht entgehen, weil es dagegen keinen funktionierenden staatlichen Schutz gebe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat zunächst mit Recht festgestellt, daß die ursprünglich vorhandene politische Gesinnung, nämlich die antikommunistische Einstellung auf Grund des mittlerweile eingetretenen Regimewechsels nunmehr keinen Grund des § 1 Asylgesetz darstelle, welcher Feststellung der Beschwerdeführer konkret auch nicht entgegengetreten ist.

Zum Vorbringen betreffend die Bürgerkriegssituation ist dem Beschwerdeführer zunächst zu entgegnen, daß in dem Umstand, daß im Heimatland des Beschwerdeführers "einander fünf bis zehn Gruppen" mit "Waffengewalt zu unterdrücken" suchen, somit eine Bürgerkriegssituation herrscht, für sich allein noch keine Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention gelegen ist (vgl. u.a. das hg Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982). Denn im Sinn des § 1 Asylgesetz 1991 ist Flüchtling nur eine Person, deren wohlbegründete Furcht sich auf Gründe der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung stützt. Die Furcht des Beschwerdeführers stützt sich auf keinen dieser genannten Gründe, da er die ihm drohende Gefahr ausschließlich in der Tatsache erblickt, daß er ein junger kampffähiger Mann sei, und solche Männer von einer der rivalisierenden Gruppen "zwangsrekrutiert" würden. Eine Verfolgung, die ausschließlich aus dem Geschlecht und dem Alter des Beschwerdeführers resultiert, fällt hingegen nicht unter § 1 Z. 1

Asylgesetz 1991. Mangels Zugehörigkeit zu einer der im Asylgesetz 1991 genannten Gruppen kann es daher auch dahingestellt bleiben, ob die befürchtete "Zwangsrekrutierung" durch irgendeine der rivalisierenden Gruppen dem Heimatstaat des Beschwerdeführers als eine von § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 losgelöste unmittelbare oder mittelbare staatliche Verfolgung zurechenbar wäre.

Die übrigen Ausführungen der belangten Behörde hinsichtlich der ursprünglichen Verweigerung des Militärdienstes und der mangelnden Möglichkeit, die schulische Ausbildung fortsetzen zu können, wurden vom Beschwerdeführer konkret nicht in Zweifel gestellt, und es kann auch der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf seine ständige Rechtsprechung (vgl. zum Militärdienst das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/19/0040; zur schulischen Ausbildung das hg. Erkenntnis vom 16. März 1994, Zlen. 93/01/0982, 0997) darin keine Rechtswidrigkeit erkennen.

Da sich sohin bereits aus dem Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200332.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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