TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/20 95/20/0004

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Veröffentlicht am 20.09.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/20/0021 95/20/0022 95/20/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden 1.) der AB in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, 2.) der CB, 3.) des DB, und

4.) der NS, mit der mj. EB und dem mj. FB, alle in K, alle vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres, jeweils vom 19. August 1994, Zlen. 4.338.836/1-III/13/92, 4.338.834/1-III/13/92, 4.338.833/1-III/13/92 und 4.338.837/1-III/13/92, alle betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Alle Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden wurden die Berufungen der Beschwerdeführer - Staatsangehörigen des Irak, die gemeinsam am 21. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist waren und am 25. Mai 1992 die Asylanträge gestellt hatten - gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich jeweils vom 7. Juli 1992, mit denen festgestellt worden war, daß die Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllten, abgewiesen und damit die Gewährung von Asyl versagt.

Die belangte Behörde ging in der Begründung ihrer Bescheide von den anläßlich der niederschriftlichen Befragungen der Beschwerdeführer vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich, jeweils am 30. Mai 1992 gemachten Angaben aus, wonach keiner der Beschwerdeführer einer politischen Organisation in ihrem Heimatland angehört hätte. Alle Beschwerdeführer, eine Mutter mit ihren insgesamt 5 Kindern, seien jedoch Angehörige der christlichen Minderheit im Irak gewesen. Die Erstbeschwerdeführerin hat darüber hinaus angegeben, obwohl sie gut gelernt habe, hätte sie keine höhere Schule besuchen dürfen. Es gebe im Irak auch keinerlei Meinungsfreiheit; sie habe sich auch nicht offen zu ihrer Religion bekennen dürfen, weshalb sie sich entschlossen habe, mit ihrer Mutter den Irak zu verlassen. Sie habe ihren Vater im Krieg verloren und sei selbst in Angst gewesen, daß auch ihre Brüder bei Kämpfen ums Leben hätten kommen können. Im Jänner 1991 sei die Familie nach Dohouk in den Norden des Irak gezogen, als dort jedoch die irakischen Truppen angerückt seien, um die kurdischen Aufständischen zu bekämpfen, seien sie geflüchtet. Auch in ihrem Berufungsvorbringen wiederholte die Erstbeschwerdeführerin, als Angehörige der christlichen Minderheit Repressalien ausgesetzt gewesen zu sein, sie habe keine Möglichkeit gehabt, eine Arbeitsstelle zu bekommen und sei auch als Schülerin gezwungen gewesen, den Koran zu lernen. Für Dienste an der Kirche sei sie bestraft worden.

Die Zweitbeschwerdeführerin bestätigte diese Angaben, indem sie ausführte, sie habe immer schlechtere Noten als die islamischen Kinder bekommen und sei auch gezwungen worden, den Koran zu lernen. Von den Nachbarn sei sie wegen ihres Glaubens belästigt worden. Ihren Vater habe sie im Krieg verloren und habe daher auch Angst gehabt, ihre Brüder durch Kampfhandlungen zu verlieren. Saddam Hussein sei ein Diktator und man habe seine Meinung nicht frei äußern dürfen. Die Mutter (Viertbeschwerdeführerin) habe nur eine Pension von 200 Dinar bekommen und hätte damit das Auslangen finden müssen. Da ihre Mutter Christin sei und sich geweigert habe, der Baath-Partei beizutreten, habe sie auch keine Arbeit erhalten und nichts dazuverdienen können. Durch den andauernden Krieg im Irak habe sie sich nicht mehr sicher gefühlt und den Entschluß der Mutter befürwortet, den Irak zu verlassen. Im April 1990 sei ihr in Bagdad ohne Schwierigkeiten ein Reisepaß ausgestellt worden, im Jänner 1991 sei sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern von Bagdad in den Norden des Irak gezogen. Erst als irakische Truppen gegen die aufständischen Kurden dort vorgegangen und weitervorgerückt seien, habe sie sich mit ihrer Familie nach Jordanien begeben. Diese Angaben bekräftigte sie auch in ihrer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung.

Der Drittbeschwerdeführer behauptete ebenfalls, als Angehöriger der christlichen Minderheit im Irak in der Schule benachteiligt und strenger benotet worden zu sein. Man habe ihn gezwungen, den Koran zu lernen. Im Jänner 1991 habe sich seine Mutter wegen des Krieges entschlossen, mit ihm und seinen Geschwistern in den Nordirak zu ziehen. Bei Vorrücken der irakischen Truppen in den Norden hätten sie den Entschluß gefaßt, den Irak zu verlassen. Er habe nicht allein im Irak zurückbleiben können und habe darüber hinaus auch Angst gehabt, mit 18 Jahren zum Militär einrücken zu müssen und wie sein Vater im Krieg umzukommen. Auch er bekräftigte in seiner - mit jener der Zweitbeschwerdeführerin gleichlautenden - Berufung diese Aussagen.

Die Viertbeschwerdeführerin führte - ebenfalls im wesentlichen damit gleichlautend - aus, sie habe keinen Arbeitsplatz bekommen können und mit der Pension nach ihrem verstorbenen Gatten, 200 Dinar, mit den Kindern das Auslangen finden müssen. Die Kinder seien in der Schule gezwungen worden, den Koran zu lernen. 1990 sei sie zu Hause von der Polizei festgenommen und zwei Tage am Wachzimmer verhört worden, weil sie für die orthodoxe Kirche kostenlos etwas genäht habe. Da ihr Mann im Krieg gefallen sei und sie sich mit ihren Kindern in Bagdad nicht mehr sicher gefühlt habe, sei sie mit ihnen im Jänner 1991 in den Norden des Irak nach Dohouk gezogen. Dort habe sie sich bis zum 20. August 1991 bei ihrem Schwager aufgehalten. Im März 1991 habe sie in Dohouk an Demonstrationen gegen Saddam Hussein teilgenommen. Als dann irakische Truppen immer weiter vorgerückt seien und die kurdischen Aufständischen bekämpft hätten, habe sie in Angst um das Leben ihrer Kinder beschlossen, die Heimat zu verlassen.

Die belangte Behörde beurteilte diese zu Feststellungen erhobenen Angaben der Beschwerdeführer im wesentlichen dahingehend, allgemeine Hinweise auf die Lage der christlichen Minderheit im Irak, insbesondere Beschränkungen der Meinungs- und Religionsfreiheit, könnten Flüchtlingseigenschaft nicht begründen, weil die im Heimatland der Asylwerber allgemein herrschenden politischen oder religiösen Verhältnisse keine Verfolgung im Sinne der Konvention bzw. des Asylgesetzes 1991 darstellten und konkrete, gegen die Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen hätten glaubhaft gemacht werden müssen. Berücksichtigung könnten nur Umstände finden, die eine Person unmittelbar beträfen, daher könnten Familienmitglieder betreffende Ereignisse (insbesonders gemeint: den Tod des Vater im Krieg) nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken. Die Beschwerdeführer seien auch bereits in Dohouk vor eventueller Verfolgung sicher gewesen, insbesondere hätten die Beschwerdeführer für den Zeitraum bis August 1991 konkrete, asylrelevante und individuelle Verfolgungshandlungen nicht einmal behauptet. Im März 1991 sei von den Alliierten des Golfkrieges nördlich des 36. Breitengrades eine Sicherheitszone eingerichtet worden, das dortige Gebiet der Kurden sei autonom und die Gefahr einer individuellen Verfolgung durch irakische Behörden ausgeschlossen. Die Verfolgung bzw. die Furcht vor einer solchen müsse jedoch an sich im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben. Hinsichtlich Zweit- und Drittbeschwerdeführer führte die belangte Behörde darüber hinaus aus, auch der Umstand, den Koran zwangsweise lernen zu müssen, könne nicht als konkrete Verfolgungshandlung gewertet werden, ebensowenig wie die Belästigung durch Nachbarn. Die belangte Behörde qualifizierte darüber hinaus die Behauptung der Zweitbeschwerdeführerin, einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein, auf Grund des Umstandes, daß ihr im April 1990 ohne Schwierigkeiten ein Reisepaß ausgestellt worden sei, als unglaubwürdig. Hinsichtlich des Drittbeschwerdeführers ergänzte die belangte Behörde, auch die Aussicht, mit Erreichung des 18. Lebensjahres zum Militär einrücken zu müssen, und die ihm drohende Bestrafung im Falle der Ablehnung der Wehrdienstleistung stelle keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Auch in klassisch demokratischen und rechtsstaatlichen Ländern bestehe allgemeine Wehrpflicht. Auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht komme es nicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen mit bestimmten Eigenschaften oder Überzeugungen. Die Rekrutierung und damit auch die Bestrafung wegen Entziehung oder Verweigerung hätten nicht erkennbar den Zweck, die Wehrpflichtigen in schutzwürdigen persönlichen Merkmalen (Rasse, Religion oder politische Überzeugung) zu treffen. Staatliche Maßnahmen zur Einhaltung der Wehrpflicht seien vielmehr Ausfluß des Rechtes eines jeden Staates und stellten als solche keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention dar.

Den Ausführungen der Viertbeschwerdeführerin entgegnet die belangte Behörde ferner, aus dem Umstand, daß die Viertbeschwerdeführerin nach ihren Verhören im Jahre 1990 jeweils wiederum freigelassen worden sei, ohne daß der Vorwurf einer strafbaren Handlung erhoben worden sei, lasse den Schluß zu, die maßgeblichen staatlichen Stellen hätten sich davon überzeugt, daß die kostenlose Tätigkeit als Näherin für die orthodoxe Kirche keine ernstzunehmende Gefahr für den Staat bzw. die Staatsreligion darstellte. Festnahmen, Verhöre oder Befragungen allein seien jedoch regelmäßig keine asylrelevanten Verfolgungshandlungen. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum ein weiterer Verbleib in der Heimat hätte unerträglich sein sollen, wenn die Beschwerdeführerin etwa 8 Monate hindurch mit Unterstützung ihres Schwagers keine Probleme gehabt habe. Die Unerträglichkeit des Weiterverbleibs im Heimatstaat müsse jedoch aus objektiver Sicht gegeben sein. Auch lasse sich der Darstellung der Viertbeschwerdeführerin nicht entnehmen, daß der behaupteten Demonstrationsteilnahme im März 1991 staatliche Verfolgungshandlungen gefolgt seien oder daß staatliche Stellen davon überhaupt Kenntnis erlangt hätten.

Dem halten die Beschwerdeführer im wesentlichen pauschaliter entgegen, aus ihren jeweiligen Vorbringen sei dennoch, gerade im Hinblick auf die allgemein bekannte Lage der Christen im Irak, begründete Furcht vor Verfolgung zu entnehmen gewesen, hinsichtlich des Drittbeschwerdeführers insbesondere hätte die belangte Behörde festzustellen gehabt, daß dieser im Fall der Verweigerung des Wehrdienstes mit der Todesstrafe rechnen müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Ausführungen in den Beschwerden bieten keinen Anlaß, von der - auch von der belangten Behörde zur Stützung ihrer rechtlichen Beurteilung herangezogenen - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abzugehen. Sowohl was die Ausführungen zur allgemeinen Situation der christlichen Minderheit im Heimatstaat der Beschwerdeführer, zum Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative im Norden ihres Heimatlandes, als auch was ihr Vorbringen hinsichtlich der Benachteiligungen und Repressalien, denen die christliche Minderheit im Irak ausgesetzt ist, betrifft, befindet sich die belangte Behörde auf dem Boden der geltenden Rechtslage (vgl. hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0806, und die dort wiedergegebene Judikatur, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Auch die vom Drittbeschwerdeführer ins Treffen geführte Wehrdienstverweigerung weist selbst nach seinem eigenen Vorbringen keinerlei asylrelevanten Aspekt auf, zumal er nicht behauptet hat, eine Bestrafung wegen der Wehrdienstverweigerung falle in seinem Fall aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen schwerer aus als in anderen Fällen (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Auch wurde von keinem der Beschwerdeführer die Behauptung aufgestellt, der Tod des Vaters im Krieg sei auf asylrechtlich relevante, damit aber besondere, nicht jeden Kriegsteilnehmer treffende Umstände zurückzuführen gewesen.

Aber auch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde vor Erlassung ihrer Bescheide kann nicht erkannt werden, zumal die Berufungen der Beschwerdeführer Verfahrensmängel der erstinstanzlichen Verfahren nicht aufgezeigt haben, weshalb die belangte Behörde zutreffend im Sinn des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 von den Ermittlungen des erstinstanzlichen Verfahrens ausgegangen ist. Worin darüber hinaus eine Verletzung des Parteiengehöres gelegen sein könnte, lassen die Beschwerden offen, ganz davon abgesehen, daß die Wesentlichkeit von allenfalls unterlaufenen diesbezüglichen Verfahrensverletzungen - sofern sie nicht bereits aus rechtlichen Erwägungen irrelevant sind - nicht dargetan wurde.

Insgesamt erweisen sich daher die Beschwerden als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Der Ausspruch über die Aufwandersätze gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200004.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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