TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/20 95/20/0015

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Veröffentlicht am 20.09.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. August 1994, Zl. 4.329.316/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. August 1994, wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Februar 1992 abgewiesen und ausgesprochen, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Anläßlich seiner am 13. Jänner 1992 erfolgten niederschriftlichen Befragung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich hat der Beschwerdeführer angegeben, er sei Kurde, gehöre jedoch keiner Partei oder politischen Organisation an. Er stamme aus der Unruheprovinz Bingöl, wo es ständig zu Kampfhandlungen zwischen den kurdischen Freischärlern und der türkischen Armee komme. Die Kämpfer der kurdischen Organisation PKK seien ständig in sein Haus gekommen und hätten Lebensmittel und Informationen über die türkischen Soldaten verlangt. Man sei gezwungen gewesen, ihnen zu helfen, weil sie bewaffnet gewesen seien. Wer Hilfe verweigere, werde bestraft. Man werde von den Kämpfern dann als Feind angesehen und könne auch getötet werden. Wegen der Unterstützung der PKK-Kämpfer sei er selbst im September 1982 von Soldaten der türkischen Armee festgenommen worden. Man habe ihm vorgeworfen, für die kurdischen Terroristen gearbeitet zu haben. Ein Unteroffizier habe ihn dabei mit seinem Kopf gegen seine Nase geschlagen, worauf der Beschwerdeführer zu Boden gefallen sei, und habe dem Beschwerdeführer sodann den rechten Arm "abgetreten". Die anderen Soldaten hätten seine Frau beschimpft, und ihn mit dem Umbringen bedroht, falls er sich beschwere. Er habe nicht einmal die Möglichkeit gehabt, seine Verletzung von einem Arzt behandeln zu lassen. Etwa zwei Jahre später seien zwei PKK-Kämpfer festgenommen worden, die angeblich ihn der PKK-Unterstützung bezichtigt hätten. Diese beiden seien anschließend getötet worden. Nach dem Geständnis der beiden Kämpfer sei er des öfteren von Soldaten immer für kurze Zeit festgenommen, verhört und geschlagen, jedoch anschließend wieder freigelassen worden. Er habe seinen Aufenthaltsort regelmäßig der Gendarmerie bekanntgeben müssen. Er nehme an, die Sunnitenbewohner des Dorfes hätten der Gendarmerie erzählt, daß kurdische Terroristen in seinem Hause Unterschlupf fänden. Dieser Umstand sei ihm erst vor kurzem bekanntgeworden, er fürchte deshalb weitere Verhaftungen durch die Gendarmerie. Dies sei Anlaß für seine Flucht gewesen.

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im wesentlichen damit, die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten kurzfristige Festnahmen und Mißhandlungen im Jahre 1982 sowie im Jahre 1984 stünden in keinem zeitlichen Naheverhältnis mehr zu seiner (im Jahre 1991 erfolgten) Ausreise. Im übrigen handle es sich bei den von ihm geltend gemachten vorläufigen Festnahmen und im Zuge dieser angeblich stattgefundenen Mißhandlungen um verhältnismäßig geringe vorübergehende Beeinträchtigungen im Zuge behördlicher Ermittlungen, die keine Zwangslage zu begründen vermöchten, der sich der Beschwerdeführer nur hätte durch seine Ausreise entziehen können. Die vom Beschwerdeführer vermutete Denunziation sei ihm überdies nur gerüchteweise bekannt und enthielte keine wesentlichen über die beiden Terroristengeständnisse hinausgehende Information, die ein schärferes Vorgehen ihm gegenüber sinnvoll hätte erscheinen lassen. Im übrigen sei die bloße Behauptung, kurzfristig festgenommen, verhört und geschlagen worden zu sein bzw. derartiges befürchten zu müssen, nicht näher konkretisiert und damit zu unsubstantiiert, um Flüchtlingseigenschaft zu indizieren. Dasselbe gelte auch für die Behauptung des Beschwerdeführers, ständig der Gendarmerie seinen Aufenthaltsort bekanntgeben zu müssen. Im übrigen führte die belangte Behörde noch die Möglichkeit einer "inländischen Fluchtalternative" ins Treffen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid in Anwendung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 in seiner Fassung vor Kundmachung der Aufhebung des Wortes "offenkundig" durch den Verfassungsgerichtshof (Bundesgesetzblatt Nr. 610/1994) erlassen. Dazu ist festzustellen, daß der angefochtene Beschluß zwar mit Datum 5. August 1994 - dies ist auch das Datum der angeführten Kundmachung - unterfertigt und genehmigt wurde, die Zustellung an den Beschwerdeführer (Erlassung) erfolgte jedoch erst am 11. August 1994. Des weiteren wird im angefochtenen Bescheid darauf verwiesen, daß auch in der Berufung vom Beschwerdeführer vom erstinstanzlichen Vorbringen abweichende Angaben nicht gemacht und Verfahrensverletzungen nicht gerügt wurden. Auch in der Beschwerde fehlen entsprechende Behauptungen, was der Beschwerdeführer im Falle der Anwendung der bereinigten Rechtslage durch die belangte Behörde ergänzend an entscheidungswesentlichen Umständen hätte vorbringen können. Damit unterläßt der Beschwerdeführer aber, die Entscheidungsrelevanz der von ihm gerügten, allenfalls vorliegenden Verfahrensverletzungen geltend zu machen. In Anbetracht sowohl der knappen Berufungsausführungen einerseits sowie des Datums der Erlassung des angefochtenen Bescheides (11. August 1994) ist vielmehr davon auszugehen, daß die belangte Behörde entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung von der bereits bereinigten Rechtslage ausgegangen ist.

Des weiteren wendet sich der Beschwerdeführer gegen die rechtliche Qualifikation der belangten Behörde, die von ihm - zeitlich nicht exakt einordenbaren - Verhaftungen und Mißhandlungen seien als lediglich vorübergehende Beeinträchtigungen im Zuge behördlicher Ermittlungen gegen Mitglieder einer terroristischen Organisation nicht derart gravierend, eine Zwangslage zu begründen, der sich der Beschwerdeführer nur durch seine Flucht hätte entziehen können. Dem kann mit Erfolg nicht entgegengetreten werden, weil der Beschwerdeführer nicht vorgebracht hat, diese Beeinträchtigungen hätten bis zu seiner Ausreise angedauert. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten - allerdings gravierenden - Verletzungen (Nasenbeinbruch, Armbruch) erfolgten jedoch bereits in einem soweit zurückliegenden Zeitpunkt, daß der Behörde zuzustimmen ist, wenn sie den zur Ausreise des Beschwerdeführers herzustellenden zeitlichen Zusammenhang damit als nicht mehr vorliegend erachtet hat. Schon aus diesem Grunde erweist sich auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers als unberechtigt, weil die belangte Behörde - die die vom Beschwerdeführer genannten erheblichen Verletzungen ohnedies als gegeben erachtet hat - diese nur auf Grund ihres mangelnden zeitlichen Konnexes nicht als für die Asylgewährung geeignet angesehen hat, ganz davon abgesehen, daß auch die gerügte Aktenwidrigkeit in diesem Zusammenhang nicht vorliegt, da eine Aktenwidrigkeit begrifflich nur vorliegen kann, wo entgegen den entsprechenden Ermittlungsergebnissen eine davon abweichende Feststellung getroffen wird, nicht aber, wenn keine Feststellung getroffen wird. Im übrigen hätte auch ein vom Beschwerdeführer gefordertes Gutachten keinen verläßlichen Aufschluß über die Ursache der geltend gemachten Verletzungen bringen können.

Da die belangte Behörde sich mit der von ihr als "nicht näher konkretisiert" und zu "unsubstantiiert" qualifizierten Behauptungen der kurzfristigen Festnahmen, Verhöre und Mißhandlungen ohnedies inhaltlich auseinandergesetzt hat, erübrigt es sich, auf diesen Vorwurf im Sinne der Beschwerdeausführungen näher einzugehen.

Bei diesem Ergebnis war auf das Vorliegen einer "inländischen Fluchtalternative" nicht mehr einzugehen, abgesehen davon, daß die vom Beschwerdeführer dagegen herangezogene Begründung nicht zu überzeugen vermag. Meint er nämlich, es sei "ihm wohl nicht zuzumuten, daß er sein Haus und seine Familie sowie seinen Grund und Boden, sohin seine Existenzgrundlage aufgebe, um an einen anderen Ort, in welchem keine bürgerkriegsähnlichen Zustände herrschten, eine neue Existenz aufzubauen", so erscheint die Frage berechtigt, welch anderes Ergebnis seine Flucht nach Österreich gezeitigt hat.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200015.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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