TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/26 93/04/0252

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Veröffentlicht am 26.09.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1972 §27 Abs5;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs2;
GewO 1973 §79 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der A Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. September 1993, Zl. 315.357/3-III/A/2a/93, betreffend Vorschreibung von Maßnahmen gemäß § 27 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über Antrag des Arbeitsinspektorates für den 1. Aufsichtsbezirk hat der Magistrat der Bundeshauptstadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk, mit Bescheid vom 7. Oktober 1991 für eine dem Standort nach näher bestimmte Betriebsanlage der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf § 79 GewO 1973 und § 27 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz (im folgenden: ASchG) insgesamt 19 zusätzliche Auflagen vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, daß die zusätzlich vorgeschriebenen Auflagen Betriebseinrichtungen und Betriebsmittel beträfen, die außerhalb der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin gelegen seien.

Mit Bescheid vom 8. Jänner 1992 gab der Landeshauptmann von Wien der Berufung Folge und behob den erstinstanzlichen Bescheid.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es zusammenfassend, es sei unzulässig, in einem Betriebsanlagenverfahren Auflagen vorzuschreiben, welche zwar in einem Zusammenhang mit einer Betriebsanlage stünden, aber nicht innerhalb ihrer räumlichen Grenzen, sondern außerhalb dieser zu erfüllen wären. Im Hinblick auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsansicht (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1990, Zlen. 89/04/0089, 89/04/0090) wären im vorliegenden Fall die mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Auflagen, welche laut Mitteilung des im Verfahren gehörten Arbeitsinspektorates für den

"6. Aufsichtsbezirk" zur Gänze nicht in der Betriebsanlage, sondern in Gebäudeteilen zu erfüllen wären, die außerhalb der Betriebsanlage lägen, spruchgemäß zu beheben gewesen.

Über Berufung des Arbeitsinspektorates für den

1. Aufsichtsbezirk entschied der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dahin, daß der angefochtene Bescheid (des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Jänner 1992) sowie der diesem zugrundeliegende Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk, vom 7. Oktober 1991 insoweit behoben werden, als mit diesen Bescheiden auch eine Entscheidung gemäß § 27 Abs. 5 ASchG getroffen wurde, und verwies die Angelegenheit insoweit an die Gewerbebehörde erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei die Frage, ob und gegebenenfalls auf welcher Rechtsgrundlage die vom Arbeitsinspektorat für den 1. Aufsichtsbezirk begehrten 19 Maßnahmen der Konsensinhaberin vorgeschrieben werden könnten. Der Bundesminister gehe dabei von der auch vom berufungswerbenden Arbeitsinspektorat nicht bekämpften Sachverhaltsannahme der zweitinstanzlichen Behörde, wonach sich keine einzige der vorgeschriebenen 19 Auflagenpunkte räumlich auf die gegenständliche Betriebsanlage selbst beziehe, aus. Hinsichtlich der Rechtslage sei zwischen der GewO 1973 einerseits und dem ASchG andererseits zu unterscheiden. Während bezüglich der Vollziehung der Gewerbeordnung vollinhaltlich auf die im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung zu verweisen sei - wobei die Frage, ob seinerzeit für die gegenständliche Betriebsanlage, welche keine unmittelbare Verbindung zu der außerhalb des sie beherbergenden Gebäudes liegenden Umwelt aufweise, zu Recht erfolgt sei, außer Betracht zu bleiben habe -, führe eine Betrachtung des § 1 Abs. 2 ASchG und des § 26 Abs. 1 AAV zu dem Ergebnis, daß der örtliche Anwendungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechts weiter sei, als jener des gewerblichen Betriebsanlagenrechts, weil sowohl nicht örtlich gebundene Teile eines Betriebes (§ 1 Abs. 2 ASchG) wie in örtlicher Verbindung stehende Betriebe, welche unterschiedlichen Tätigkeiten dienten (§ 26 Abs. 1 AAV), von den arbeitnehmerschutzrechtlichen Normen erfaßt seien, wobei Adressat dieser Normen nicht etwa der Inhaber eines Betriebes bzw. des Betriebsgebäudes, sondern stets der Arbeitgeber sei. Systemkonform korrespondiere dem Umstand, daß nach Arbeitnehmerschutzrecht ein Arbeitgeber Adressat von Normen sein könne, deren Erfüllung außerhalb seiner Ingerenz liege, die Ermächtigung der Behörde, sowohl in Bewilligungsverfahren wie nachträglich gemäß § 27 Abs. 5 ASchG die zum Schutze des Arbeitnehmers notwendigen Maßnahmen entweder in der Rechtsform einer Bedingung oder in der Rechtsform einer Auflage vorzuschreiben. Eine Auflage komme dabei nur in den Fällen in Frage, in denen der Partei, gegenüber der der Verwaltungsakt ergehe, selbst eine Verpflichtung zur Handlung, Duldung oder Unterlassung auferlegt werde, während die Rechtsform der Bedingung zu wählen sei, wenn die Erfüllung seiner Voraussetzungen vom Handeln einer dritten Person abhänge. Im hier gegebenen Fall also, daß zum Schutze der Arbeitnehmer eines Arbeitgebers Maßnahmen zu setzen seien, die nicht von ihm selbst unmittelbar gesetzt werden könnten - welche daher auch von der Behörde ihm gegenüber nicht vollstreckbar wären, sondern, daß vielmehr die Erfüllung dieser Maßnahmen vom Handeln des Inhabers des vom gegenständlichen Betrieb verschiedenen Betriebsgebäudes abhänge, sei daher nicht die Rechtsform einer Auflage, sondern jene einer Bedingung zu wählen. Die Vorschreibung dieser Bedingung hätte sich ausschließlich auf § 27 Abs. 5 ASchG zu stützen. Voraussetzung für die Vorschreibung solcher nachträglicher Bedingungen gemäß § 27 Abs. 5 ASchG sei jedoch, daß diese Bedingungen zum Schutz des Arbeitnehmers unbedingt notwendig seien. Wiewohl das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmales dem Bundesminister auch in einer Stellungnahme des Zentral-Arbeitsinspektorates vom 13. November 1992 behauptet werde, fehle dennoch bislang jede Objektivierung durch ein von der Gewerbebehörde durchgeführtes eigenständiges Ermittlungsverfahren. Das von der Gewerbebehörde erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren sei daher grob mangelhaft geblieben, weshalb der Bundesminister von der im § 66 Abs. 2 AVG eingeräumten Möglichkeit der Rückverweisung Gebrauch mache, zumal im gegenständlichen Falle auf Grund der Notwendigkeit eines detaillierten Ortsaugenscheines im Beisein sowohl von Sachverständigen wie von Parteien insbesondere des Arbeitsinspektorates die Durchführung einer mündlichen Augenscheinsverhandlung unvermeidlich erscheine und entgegenstehende Sachverhaltsumstände im Sinne des § 66 Abs. 3 AVG nicht bestünden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich wie folgt in ihren

Rechten verletzt:

"1. In dem aus §§ 1 Abs. 2, 27 Abs. 5 ANSchG erfließenden Recht als Arbeitgeber keine Bedingungen oder Auflagen erfüllen zu müssen, die Gebäudeteile und Einrichtungen betreffen, die außerhalb des Betriebes der Beschwerdeführerin liegen;

2. im Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren und damit in dem unter Z. 1 genannten Recht."

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, das ASchG sei keine ausreichende Rechtsgrundlage für die vom Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 7. Oktober 1991 vorgeschriebenen Maßnahmen, mögen diese als Auflage oder als Bedingung bezeichnet werden. Es gehe nicht an, nunmehr Arbeitgeber mit Auflagen oder Bedingungen zu belasten, die allenfalls dem Eigentümer im Rahmen des baurechtlichen oder gewerberechtlichen Bewilligungsverfahrens hätten vorgeschrieben werden müssen. Das Verfahren selbst sei mangelhaft geblieben, weil die belangte Behörde keinerlei Ermittlungsverfahren zum Umfang des Betriebes der Beschwerdeführerin und zur Frage, inwieweit die mit erstinstanzlichem Bescheid vorgeschriebenen Maßnahmen den Betrieb beträfen, durchgeführt habe.

Schon mit dem zuletzt genannten Beschwerdeargument ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht:

Das im Beschwerdefall noch anzuwendende ASchG bestimmte im § 27 Abs. 5:

"Zeigt sich in einem Betrieb nach rechtskräftig erteilter Betriebsbewilligung, daß den Erfordernissen des Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer unter den vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen nicht in ausreichendem Maße entsprochen wird, so sind die hiezu unbedingt notwendigen Maßnahmen von der Behörde aufzutragen. Dies gilt sinngemäß auch für Betriebe, für die eine Bewilligung nach einer anderen bundesgesetzlichen Vorschrift vorliegt, soweit diese Rechtsvorschrift eine entsprechende Regelung nicht enthält."

§ 27 Abs. 5 ASchG erweist sich seinem normativen Gehalt nach als eine Regelung, durch die die Behörde ermächtigt wird, rechtskräftige Bescheide betreffend die Genehmigung des Betriebes aus anderen als den im § 68 Abs. 3 AVG genannten Gründen durch Vorschreibung anderer "Maßnahmen" (unter Wahrung der in dieser Gesetzesstelle angeführten Einschränkungen) abzuändern. Nur die Vorschreibung (anderer oder zusätzlicher) "Maßnahmen" - die ihrem Wesen nach Nebenbestimmungen eines begünstigenden Verwaltungsaktes sind - ist Gegenstand eines Verfahrens nach § 27 Abs. 5 ASchG, nicht aber das durch den Hauptinhalt des Spruches des rechtskräftigen Bescheides betreffend die Genehmigung der (hier) gewerblichen Betriebsanlage gestaltete (und in bezug auf dessen materielle Rechtskraft bei Anwendung der Regelung des § 27 Abs. 5 ASchG nicht durchbrochene) Rechtsverhältnis (vgl. dazu sinngemäß zur diesbezüglich inhaltsgleichen Regelung des § 79 GewO 1973 das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 90/04/0271).

Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß in den Gegenstand der Bewilligung - und zwar auch hinsichtlich der räumlichen Grenzen der bewilligten Betriebsanlage - nicht eingegriffen werden darf. Das Vorliegen einer (rechtskräftigen) Bewilligung hat vielmehr im Verfahren nach § 27 Abs. 5 ASchG ohne weitere Prüfung ihres rechtlichen Zustandekommens als Tatbestandselement zu dienen und nur bezogen auf den durch die Bewilligung bestimmten Gegenstand ist es zulässig, Maßnahmen im Grund des § 27 Abs. 5 ASchG aufzutragen. Damit korresponsiert auch, daß die Anordnungen nach § 27 Abs. 5 ASchG von der Genehmigungsbehörde zu treffen sind (vgl. Schwarzer, Die Genehmigung von Betriebsanlagen, S. 95).

Die belangte Behörde verkannte damit die Rechtslage, wenn sie ohne Bedachtnahme auf die räumlichen Grenzen der BEWILLIGTEN Betriebsanlage die Vorschreibung von "Bedingungen" als zulässig erachtete (und damit auch ihre Zuständigkeit losgelöst vom Gegenstand der Bewilligung bejahte).

Es war daher der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Gewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993040252.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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