TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/25 90/04/0271

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Veröffentlicht am 25.02.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs3;
GewO 1973 §2 Abs1 Z15;
GewO 1973 §79;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 3. August 1990, Zl. 307.387/1-III-3/90, betreffend Vorschreibung von Auflagen gemäß § 79 GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft - berichtigt hinsichtlich des Datums (9. November 1987) mit Bescheid vom 13. November 1987 - wurde für die Betriebsanlage (Flüssiggastanklager) des Beschwerdeführers im näher bezeichneten Standort gemäß § 79 Abs. 1 und 2 GewO 1973 in Verbindung mit § 27 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz sowie den Bestimmungen der Flüssiggasverordnung eine Reihe zusätzlicher Auflagen vorgeschrieben.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung entschied der Landeshauptmann von Burgenland mit Bescheid vom 9. Februar 1990 dahin, daß er die im erstinstanzlichen Bescheid vorgeschriebenen zusätzlichen Auflagen teilweise änderte, teilweise behob und teilweise bestätigte.

Über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers - in welcher der Beschwerdeführer neben Einwendungen gegen einzelne Auflagen vor allem vorbrachte, der Bescheid sei von einer unzuständigen Behörde erlassen worden - erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 3. August 1990 dahin, daß der angefochtene Bescheid, mit Ausnahme einer der im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Auflagen, bestätigt werde. Zu dem Berufungsvorbringen, die Gewerbebehörden seien im konkreten Fall unzuständig gewesen, wurde im wesentlichen ausgeführt, die Gewerbeordnung 1973 sei nach § 2 Abs. 1 Z. 15 leg. cit. ausschließlich auf den Betrieb von Eisenbahnunternehmen und deren Hilfseinrichtungen sowie deren Hilfstätigkeiten nicht anzuwenden. Hingegen lasse sich aus der Qualifikation einer Anlage als Eisenbahnanlage gemäß § 10 EisenbahnG 1957 die mangelnde Zuständigkeit der Gewerbebehörden nicht ableiten. Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließe die eisenbahnrechtliche Genehmigung einer Eisenbahnanlage deren Genehmigungspflicht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen nicht aus. Ob es sich bei der gegenständlichen Anlage um eine Hilfseinrichtung eines Eisenbahnunternehmens handle, sei entsprechend § 18 Abs. 5 EisenbahnG 1957 zu beurteilen. Gemäß dieser Bestimmung sei das Eisenbahnunternehmen berechtigt, die für den Bau, Betrieb und Verkehr der Eisenbahn erforderlichen Hilfseinrichtungen selbst zu errichten und zu betreiben sowie alle Arbeiten, die den Bau, Betrieb und Verkehr der Eisenbahn dienten, vorzunehmen. So würden unter Hilfseinrichtungen Schottergewinnungsanlagen, Schwellentränkanstalten, Ausbesserungswerke, die der Instandhaltung und Modernisierung des Wagenparks dienten, udgl. verstanden, nicht jedoch Anlagen, die wie Eisenbahnbetriebe gemäß § 50 leg. cit. zur Deckung der Bedürfnisse der Bahnbenützer bestimmt seien. Die gegenständliche Anlage diene dem Zweck, Flüssiggas von russischen auf westeuropäische Waggons umzufüllen bzw. dieses zwischenzulagern. Daraus folge, daß diese Anlage zwar mittelbar der Abwicklung des Eisenbahnverkehrs und der Deckung der Bedürfnisse der Eisenbahnbenützer diene, jedoch für den Bau, Betrieb und Verkehr der Eisenbahn selbst nicht unmittelbar erforderlich sei. Es liege somit im gegenständlichen Fall eine die Zuständigkeit der Gewerbebehörden ausschließende Hilfseinrichtung im Sinne der oben zitierten Bestimmung nicht vor. Zumal auch andere Tatbestandselemente des § 2 Abs. 1 Z. 15 GewO 1973 nicht erfüllt seien, könne aus diesen Gründen den Berufungsausführungen nicht gefolgt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht "auf ein ordnungsgemäßes gesetzliches Verfahren, infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde" verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, § 18 EisenbahnG behandle die Rechte des Eisenbahnunternehmens. Abs. 5 dieser Bestimmung führe aus, wozu das Eisenbahnunternehmen berechtigt sei. Danach dürfe das Eisenbahnunternehmen die für den Bau, Betrieb und Verkehr der Eisenbahn erforderlichen Hilfseinrichtungen selbst errichten und betreiben sowie alle Arbeiten, die dem Bau, Betrieb und Verkehr der Eisenbahn dienten, selbst vornehmen. Im vorliegenden Fall gehe es aber nicht um die Frage der Berechtigungen im Sinne des § 18 Abs. 5 EisenbahnG, sondern um die Klärung der Frage, ob die Gewerbebehörde über die Kompetenz verfüge, eine Anlage, die als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisenbahnG gelte, mit Auflagen zu versehen. Die Frage der Zuständigkeit lasse sich daher im gegenständlichen Fall nicht mit einem Verweis auf § 18 Abs. 5 EisenbahnG klären, sondern sei unter Heranziehung des § 10 EisenbahnG in Verbindung mit den vorliegenden Bescheiden des Bundesministeriums für Verkehr, betreffend die gesamte gegenständliche Anlage, zu lösen. Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Kompetenzfrage im gegenständlichen Fall sei der Bescheid des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 16. Mai 1983. Mit diesem Bescheid habe das vorgenannte Bundesministerium entschieden, daß das Grundstück - auf dem sich die gegenständliche Anlage befinde - als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisenbahnG zu werten sei. Nach § 11 EisenbahnG sei dann, wenn die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde von der Klärung der Vorfrage abhängig sei, ob eine Anlage als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisenbahnG zu gelten habe, die Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft, nun des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, einzuholen. Diese Entscheidung sei durch den Bescheid vom 16. Mai 1983 des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft getroffen worden. Der Umfang dieses Bescheides sei unzweifelhaft aus seinem Betreff ersichtlich:

"Betr.: RÖEE-Strecke B-N, (Bahnhof X; Errichtung einer Anschlußbahn und eines Tanklagers nebst Umfüllanlage für Flüssiggas d.d. Firma K)."

Mit diesem Bescheid habe das oben genannte Bundesministerium entschieden, daß Anschlußbahn, Tanklager und Umfüllanlage eine Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisenbahnG darstellten. In der Begründung des vorgenannten Bescheides sei ausgeführt worden, daß das im Eigentum der RÖEE stehende Grundstück ganz und unmittelbar der Abwicklung des Eisenbahnbetriebes und Eisenbahnverkehrs diene. Nicht alle Bauten auf einem Eisenbahngrundstück seien als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisenbahnG anzusehen, sondern nur solche, die unmittelbar oder mittelbar dem Eisenbahnverkehr dienten. Eine Anlage aber, die als Eisenbahnanlage zu werten sei, schließe alle übrigen Kompetenzen aus, die alleinige Zuständigkeit des Bundes (Eisenbahnbehörde) sei gegeben (vgl. Anmerkung 2 zu § 10 EisenbahnG in Kühne-Hoffmann-Nugent-Roth 1982). Die Qualifikation einer Anlage als Eisenbahnanlage ergebe sich aus ihrer eigentlichen Zweckbestimmung und stelle nicht auf eine zeitweilig anderwärtige Verwendung ab. Gemäß § 10 EisenbahnG seien Eisenbahnanlagen Bauten, ortsfeste und eisenbahntechnische Einrichtungen und Grundstücke einer Eisenbahn, die ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung und Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder Eisenbahnverkehrs dienten. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Fahrbahn sei nicht erforderlich. Im gegenständlichen Fall dienten die Flüssiggastanks dieser Anlage der Zwischenlagerung von Flüssiggas für den Fall, daß eine sofortige und vollständige Umfüllung von russischen auf westeuropäische Waggons nicht möglich sei. Da die Flüssiggastanks weder von Straßenfahrzeugen oder Tankcontainern gefüllt werden könnten, noch umgekehrt Straßenfahrzeuge oder Tankcontainer aus den Flüssiggastanks betankt werden könnten, sei eine vom Eisenbahnbetrieb unabhängige Existenz dieser Flüssiggastanks unmöglich. Die gesamte Anlage sei daher ihrer Zweckbestimmung nach genau eine im Sinne der Bestimmung des § 10 EisenbahnG. Kein Teil dieser Eisenbahnanlage wäre unabhängig vom Eisenbahnbetrieb existenzfähig. Auch aus diesem Blickwinkel sei die ausschließliche und alleinige Kompetenz des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr als Eisenbahnbehörde für die gesamte gegenständliche Anlage gegeben.

Dieses Vorbringen ist schon aus folgendem Grund nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:

Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, daß die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid und im Betriebsbewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat gemäß § 79 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 die Behörde (§§ 333, 334, 335) die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben.

§ 79 GewO 1973 erweist sich seinem normativen Gehalt nach als eine Regelung, durch die die Gewerbehörde ermächtigt wird, rechtskräftige Bescheide betreffend die Genehmigung gewerblicher Betriebsanlagen aus anderen als den in § 68 Abs. 3 AVG genannten Gründen durch Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen (unter Wahrung der im § 79 GewO 1973 angeführten Einschränkungen) abzuändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1979, Slg. N.F. Nr. 9837/A). Nur die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen - die ihrem Wesen nach pflichtenbegründende NEBENbestimmungen eines begünstigenden Verwaltungsaktes sind - ist Gegenstand eines Verfahrens nach § 79 GewO 1973, nicht aber das durch den Hauptinhalt des Spruches des rechtskräftigen Bescheides betreffend die Genehmigung gewerblicher Betriebsanlagen gestaltete (und in bezug auf dessen materielle Rechtskraft bei Anwendung der Regelung des § 79 GewO 1973 nicht durchbrochene) Rechtsverhältnis (vgl. in diesem Sinne auch etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 1985, Zl. 85/04/0019, wonach die Anordnung einer Stillegung des Betriebes in Verfahren nach § 79 GewO 1973 nicht in Betracht kommt, weil eine solche Maßnahme begrifflich nicht als "Auflage" im Sinne dieser Gesetzesstelle angesehen werden könnte). Das Vorliegen einer (rechtskräftigen) Genehmigung - und damit (auch) die Beurteilung des Vorliegens einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1973, worunter jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen ist, die der Entfaltung einer GEWERBLICHEN Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist - hat im Verfahren nach § 79 GewO 1973 ohne weitere Prüfung seines rechtlichen Zustandekommens (lediglich) als Tatbestandselement zu dienen. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Betriebsanlagengenhmigung als solche ist daher im Verfahren nach § 79 GewO 1973, das lediglich der Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen (unter Wahrung der im § 79 GewO 1973 angeführten Einschränkungen) gewidmet ist, nicht (mehr) zu prüfen.

Das Beschwerdevorbringen, das ausschließlich darauf abzielt, es liege eine gewerbliche Betriebsanlage gar nicht vor, weil die Anlage der Entfaltung einer im Grunde des § 2 Abs. 1 Z. 15 GewO 1973 nicht der Gewerbeordnung unterliegenden Tätigkeit diene und DAHER die im angefochtenen Bescheid getroffenen Auflagenvorschreibungen nach § 79 GewO 1973 rechtswidrig seien, vermag schon aus allen diesen Überlegungen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen, so daß auf das - oben wiedergegebene - Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen war.

Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Gewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990040271.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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