TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/26 93/08/0231

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Veröffentlicht am 26.09.1995
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Index

L92057 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Tirol;

Norm

SHG Tir 1973 §1 Abs3 lita;
SHG Tir 1973 §7 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in I, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 11. Mai 1993, Zl. Va-456-4700/1, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 26. Jänner 1993 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 18. Dezember 1992 beim Stadtmagistrat Innsbruck die Gewährung einer fortlaufenden Sozialhilfe nach dem Tiroler Sozialhilfegesetz (TSHG) zur Deckung des Lebensunterhaltes, da ihm hiefür im Monat nur ein Betrag von S 2.000,-- zur Verfügung stünde. In seinem Antrag gab er als sein Einkommen den Bezug einer Notstandsunterstützung in der Höhe von S 7.254,-- an; ferner gab er den Betrag von S 2.014,-- als Wohnungs- bzw. Mietzinsbeihilfe an. Unter seinen Ausgaben führte er neben der Miete inklusive Betriebskosten in der Höhe von S 4.953,-- und der jährlichen Darlehenstilgung für Baukostenzuschuß in der Höhe von S 1.150,--, Zahlungen für Strom (S 120,--), Haushalts- (S 410,--) und Unfallversicherung (S 136,--) sowie einen Betrag von S 2.300,-- als Unterhaltszahlung für seine geschiedene Frau an.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 26. Jänner 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, daß sich bei Gegenüberstellung von Einkommen und Richtsatz ein Überbezug von S 295,-- ergebe. Gemäß § 7 Tiroler Sozialhilfeverordnung (TSHV) könnten die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag angeführten Ausgaben bei der Berechnung der Sozialhilfe nicht berücksichtigt werden, da die in § 7 leg. cit. taxativ angeführten Einkommen und Einkommensbestandteile bei der Berechnung des Ausmaßes der Sozialhilfe außer Ansatz zu lassen seien, was im Umkehrschluß bedeute, daß alle anderen Einkommen unter dem Blickpunkt eines Einsatzes der eigenen Mittel auf der Einkommensseite anzurechnen seien.

In seiner dagegen erhobenen Berufung beantragte der Beschwerdeführer, den Bescheid dahingehend abzuändern, daß ihm ab Antragsdatum eine monatliche Sozialhilfe in der Höhe von S 2.229,-- gewährt werde. Begründend führte er aus, daß zwar die Formulierung des § 7 TSHV für eine taxative Aufzählung spreche, entsprechend dem verfassungsgemäßen Legalitätsprinzip eine Verordnung aber nicht enger gefaßt sein könne als das ihr zugrunde liegende Gesetz. Zudem könne § 7 TSHV nicht jeden erdenkbaren Fall eines nicht zumutbaren Einsatzes der eigenen Mittel abdecken. Zumutbar sei ihm aber nicht, die eigenen Mittel zur Deckung seines Lebensunterhaltes insoweit heranzuziehen, daß er infolge Nichterfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung einen im Strafgesetz vorgesehenen Tatbestand verwirkliche oder infolge der Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen über weniger als die Hälfte jener Mittel verfüge, die der Gesetzgeber als zur Führung eines menschenwürdigen Lebens für notwendig erachtet. Es hätte daher jener Teil seines Einkommens, der für die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht notwendig sei, im Hinblick auf die Zumutbarkeit des Einsatzes der eigenen Mittel außer Ansatz bleiben müssen. Außerdem fehle es für die nicht erfolgte Veranschlagung der Tilgungsraten für das Wohnbauförderungsdarlehen auf der Bedarfsseite an einer Begründung. Im Hinblick auf § 4 Abs. 2 lit. b TSHV seien diese unter dem Begriff "Kosten für Unterkunft" zu subsumieren, zumal sie in ursächlichem Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stünden und für die Fortführung desselben zu leisten seien. Da die Nichtbezahlung der Tilgungsraten für das Wohnbauförderungsdarlehen eine Kündigung zur Folge haben könnte, seien diese somit bei der Bemessung der Sozialhilfe unter dem Titel "Kosten für die Unterkunft" im Sinne des § 4 TSHV zu veranschlagen gewesen. Darüber hinaus führe die Nichtbezahlung der Tilgungsraten für das Wohnbauförderungsdarlehen neben der Kündigung des Darlehens auch automatisch zur Einstellung der Wohnbeihilfe, sodaß die Bezahlung der Rate somit als eine Ausgabe zu werten sei, die zur Erzielung eines Einkommens notwendig sei und auch unter diesem Gesichtspunkt bei der Bemessung der Sozialhilfe einkommensmindernd wirke. Auf der Bedarfsseite wäre daher ein Betrag von S 9.644,-- zu veranschlagen (Richtsatz für Alleinstehende in Höhe von S 4.595,-- sowie Kosten für Unterkunft in Höhe von S 4.953,-- und S 96,-- Wohnbauförderungsdarlehen), dem als Einkommen ein Betrag von insgesamt S 7.415,-- gegenüberstehe (Notstandshilfe abzüglich Unterhalt: S 5.401,-- sowie Wohnbeihilfe in Höhe von S 2.014,--), womit sich ein Differenzbetrag und daher ein Sozialhilfeanspruch von S 2.229,-- ergebe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 1 Abs. 3 lit. a und 7 Abs. 2 TSHG und §§ 4 Abs. 1 lit. b und 7 TSHV insoweit Folge, als eine monatliche Rate von S 96,-- für das Wohnbauförderungsdarlehen zu den tatsächlichen Kosten für Unterkunft dazugerechnet wurde; im übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung stützte sich die belangte Behörde im wesentlichen darauf, daß zu den gemäß § 4 Abs. 1 lit. b TSHV zur Deckung des Aufwandes für Unterkunft tatsächlich zu tragenden Kosten auch Rückzahlungsraten für ein Wohnbauförderungsdarlehen zu zählen seien. Im übrigen seien in § 7 TSHV u.a. Einkommensbestandteile angeführt, welche außer Ansatz zu lassen seien. Es könne dieser Gesetzesstelle genausowenig wie § 4 TSHV, der die Deckung des Aufwandes für Unterhaltsleistungen nicht vorsehe, entnommen werden, daß gesetzlich auferlegte Unterhaltsleistungen bei der Bemessung der Sozialhilfe zu berücksichtigen seien.

In seiner nur gegen den abweisenden Abspruch des angefochtenen Bescheides erhobenen Beschwerde machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragte die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer im wesentlichen gegen die seiner Meinung nach von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, daß die Aufzählung in § 7 TSHV taxativ zu verstehen sei.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid - in Bestätigung der Entscheidung der Behörde erster Instanz - die Auffassung vertreten, daß § 7 der Sozialhilfeverordnung jene Einkommen und Einkommensbestandteile taxativ anführt, die bei der Bemessung des Ausmaßes der Sozialhilfe außer Ansatz zu lassen sind. Im Umkehrschluß bedeute dies, daß alle anderen Einkommen unter dem Blickpunkt eines Einsatzes der eigenen Mittel auf der Einkommensseite anzurechnen sind. Die Unterhaltsleistung könne dabei bei der Berechnung der Sozialhilfe nicht berücksichtigt werden.

Mit der Geltendmachung seiner Unterhaltsverpflichtung macht der Beschwerdeführer Belastungen geltend, die seinen Bedarf vergrößern. Es geht dabei nicht um - anrechenbare oder nicht anrechenbare - Einkünfte des Beschwerdeführers, die im Rahmen der eigenen Kräfte und Mittel bei Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung von Sozialhilfe zu berücksichtigen wären. Der Beschwerdeführer hat vielmehr behauptet, ihn träfen damit Belastungen, die zufolge Vergrößerung seines Bedarfes sein verfügbares Einkommen mindern. Die belangte Behörde hätte sich daher mit den entsprechenden Berufungsausführungen unter dem Gesichtspunkt auseinanderzusetzen gehabt, ob es sich bei den in Rede stehenden Belastungen um solche handelt, die für den Beschwerdeführer eine unvermeidlliche Schmälerung seiner Einkünfte bewirken (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 9. Mai 1989, Zl. 89/11/0029).

Unterhaltsverpflichtungen bestehen zwar grundsätzlich nur nach Maßgabe der eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse; ist ein Unterhaltsverpflichteter nicht in der Lage, seine eigene Existenz wirtschaftlich zu sichern, bedarf er also hiezu der Hilfe der Gemeinschaft, so erlischt oder mindert sich seine Unterhaltspflicht für die Dauer dieser Notlage (vgl. das Erkenntnis vom 20. Dezember 1988, Zl. 87/11/0006). Sollte der Beschwerdeführer freilich kraft eines vollstreckbaren Titels zur Unterhaltsleistung an seine (offenbar geschiedene) Ehegattin in bestimmter Höhe verpflichtet sein, so hätte die belangte Behörde prüfen müssen, ob es ihm möglich und zumutbar war, dem Gericht gegenüber auf Herabsetzung oder Aufhebung der Unterhaltsverpflichtung zu dringen, oder ob er vom Gericht allenfalls dessenungeachtet zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wurde, deren Exekution ihn in eine Notlage im Sinne des Sozialhilfegesetzes führen könnte (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom 9. Mai 1989).

Die belangte Behörde hat ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht notwendige Feststellungen unterlassen; sie hat damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993080231.X00

Im RIS seit

13.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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