TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/18 92/13/0265

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Veröffentlicht am 18.10.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BAO §115 Abs1;
BAO §243;
BAO §273 Abs1;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch den Sachwalter Dr. R in A, dieser vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. September 1992, Zl. GA 5 - 1880/6/92, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Familienbeihilfe ab dem 1. Jänner 1988), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Berufungsentscheidung vom 5. Juli 1989 wies die belangte Behörde im Instanzenzug den Antrag der Beschwerdeführerin vom 26. April 1988 auf Weitergewährung von Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 FLAG ab dem 1. Jänner 1988 als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin sei seit April 1983 in einem Wohnheim untergebracht; der Magistrat der Stadt Wien (MA 16) habe mit Schreiben vom 22. Juni 1989 mitgeteilt, daß er die Gesamtkosten hiefür trage. In der Berufung sei zwar auch vorgebracht worden, die Kosten der Unterbringung würden nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln bestritten werden, die Beschwerdeführerin habe im Jahre 1987 einen Wohnhausbeitrag von S 8.700,-- entrichtet. Dieser Hinweis auf den im Jahr 1987 entrichteten Beitrag sei jedoch nicht relevant, weil nach der Auskunft der MA 12 die einkunftslose Beschwerdeführerin diesen Beitrag aus Mitteln der mittlerweile eingestellten Familienbeihilfe erbracht habe. Da somit die Kosten für die Unterbringung der Beschwerdeführerin im Wohnheim zur Gänze aus öffentlichen Mitteln getragen worden seien, bestehe ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 FLAG nicht.

Mit Erkenntnis vom 19. Dezember 1990, 89/13/0156, auf welches zur weiteren Sachverhaltsdarstellung verwiesen wird, wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde als unbegründet ab.

Mit der an das Finanzamt für den 12., 13., 14. und 23. Bezirk gerichteten Eingabe vom 29. Juli 1991 stellte die Beschwerdeführerin durch ihren Sachwalter den Antrag, die belangte Behörde (Finanzlandesdirektion) solle das mit Berufungsentscheidung vom 5. Juli 1989 abgeschlossene Verfahren wieder aufnehmen und dem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe stattgeben. Zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages wurde vorgebracht, die Lebenshilfe Wien habe dem Sachwalter der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 4. Juli 1991 mitgeteilt, daß der Magistrat der Stadt Wien (MA 12) nicht alle für die Unterbringung und Verpflegung im Wohnheim der Lebenshilfe auflaufenden Kosten tragen würde. Die Beschwerdeführerin habe selber noch einen Wohnhausbeitrag von S 775,-- pro Monat zu bezahlen. Das Schreiben der Lebenshilfe sei am 8. Juli 1991 beim Sachwalter eingelangt, erst durch dieses Schreiben habe er Kenntnis davon erlangt, daß die Stadt Wien nicht sämtliche Kosten der Unterbringung trage.

Mit Eingabe vom 30. Jänner 1992 teilte die Beschwerdeführerin durch ihren Vertreter dem Finanzamt mit, daß sie bei einem KFZ-Unfall verletzt worden sei und ihr aus dem Titel des Schmerzengeldes eine Entschädigung zuerkannt worden sei. In der Beilage zu dieser Eingabe wurde ein Schreiben der Lebenshilfe vom 3. April 1990 an den Sachwalter der Beschwerdeführerin - es trägt den Eingangsstempel des Sachwalters vom 6. April 1990 - vorgelegt, in welchem die Lebenshilfe zur Kenntnis nahm, daß dem Sachwalter ein Teilbetrag des Schmerzengeldes für den Unfall vom 14. Februar 1989 zugekommen sei. In diesem Schreiben gab die Lebenshilfe dem Sachwalter die Zahlungsrückstände bekannt; unter diesen führt das Schreiben auch die Wohnhausbeiträge für 1988 (S 8.700,--), 1989 (S 8.700,--) und 1990 (S 9.300,--) an.

Mit Schreiben vom 10. Juni 1992 legte das Finanzamt der belangten Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor. Die belangte Behörde wies den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. September 1992 ab. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO seien nicht gegeben. Der Sachwalter der Beschwerdeführerin habe bereits in der Berufung, die mit der das Verfahren abschließenden Berufungsentscheidung vom 5. Juli 1989 erledigt worden sei, auf den Wohnhausbeitrag hingewiesen und somit bereits damals von diesem Kenntnis gehabt.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist, gemäß § 303 Abs. 1 lit. b stattzugeben, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Gemäß § 303 Abs. 2 BAO ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

In der Beschwerde wird vorgebracht, der Wiederaufnahmeantrag habe sich auch darauf gestützt, daß das Schreiben der Lebenshilfe vom 4. Juli 1991 ein neues Beweismittel darstelle. Es sei dem Sachwalter der Beschwerdeführerin erst am 8. Juli 1991 zugegangen, sodaß er es im abgeschlossenen Verfahren nicht verwenden habe können.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde eine Verletzung der Beschwerdeführerin in subjektiven öffentlichen Rechten nicht aufzuzeigen. Das Schreiben der Lebenshilfe vom 4. Juli 1991 ist erst nach Ergehen der das Verfahren abschließenden Berufungsentscheidung vom 5. Juli 1989 (zugestellt am 19. Juli 1989) entstanden. Es kann somit ein NEU HERVORGEKOMMENES Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO nicht darstellen.

Der angefochtene Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin aber auch nicht insoweit in ihren Rechten, als der Wiederaufnahmeantrag auf den Wiederaufnahmegrund der neu hervorgekommenen Tatsachen gestützt ist. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin ab dem Jahre 1988 Wohnhausbeiträge zu leisten gehabt habe, ergibt sich nicht aus der von der belangten Behörde erwähnten Berufungsschrift, weil diese die Beitragszahlung des Jahres 1987 erwähnt, aber nicht in eindeutiger Weise zum Ausdruck bringt, daß derartige Zahlungen für nachfolgende Zeiträume anfielen. Auch in der Berufungsentscheidung vom 5. Juli 1989 wertete die belangte Behörde (im Rahmen ihrer Beweiswürdigung) das betreffende Berufungsvorbringen als ausschließlich auf die Zeit vor 1988 bezogen. Dem Berufungsvorbringen nun eine andere Bedeutung zuzumessen, verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1307). Der Sachwalter der Beschwerdeführerin hat aber jedenfalls durch das ihm am 6. April 1990 zugestellte Schreiben der Lebenshilfe vom 3. April 1990 von der Verpflichtung zur Zahlung von Wohnhausbeiträgen für die Jahre ab 1988 Kenntnis erlangt, sodaß der Wiederaufnahmeantrag vom 29. Juli 1991 nicht innerhalb der Frist des § 303 Abs. 2 BAO gestellt worden ist. Wenn ein Antrag aber abgewiesen, statt als verspätet zurückgewiesen wird, so beeinträchtigt dies subjektive öffentliche Rechte der Beschwerdeführerin nicht (vgl. sinngemäß Stoll, BAO-Kommentar, 2682).

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Beschwerde gemäß § 42 Abs.1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1992130265.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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