TE Lvwg Beschluss 2022/11/16 LVwG-S-2850/001-2022

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Veröffentlicht am 16.11.2022
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Entscheidungsdatum

16.11.2022

Norm

VwGVG 2014 §31
ZustG §11
  1. ZustG § 11 heute
  2. ZustG § 11 gültig ab 01.03.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 40/2017
  3. ZustG § 11 gültig von 01.03.2013 bis 28.02.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. ZustG § 11 gültig von 01.01.2002 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  5. ZustG § 11 gültig von 01.03.1983 bis 31.12.2001

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch MMag. Dr. Michaela Lütte-Mersch als Einzelrichterin über die Beschwerde der A, in ***, UNGARN, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 27. September 2022, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960, den

BESCHLUSS:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist die Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) in Verbindung mit Art. 133 Abs. 4 und 9 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.

Begründung:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (in der Folge: belangte Behörde) vom 27. September 2022, Zl. ***, wurde Frau A (in der Folge: Beschwerdeführerin) die folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt und über sie die folgende Verwaltungsstrafe unter Vorschreibung eines Kostenbeitrags zum Verwaltungsstrafverfahren in Höhe von 10% verhängt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:    18.05.2022, 17:25 Uhr

Ort:     Gemeindegebiet ***, 103m nach *** 4 m nach Ortsende

***, Fahrtrichtung ***

Fahrzeug: ***, Personenkraftwagen

Tatbeschreibung:

Die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung"

erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten.

50 km/h erlaubte Höchstgeschwindigkeit.

71 km/h gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug von 3 km/h Messtoleranz.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 52 lit.a Z.10a StVO 1960 BGBl Nr. 159/1960 i.d.F. BGBl I Nr. 37/2019, § 99 Abs.3 lit.a

StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

€ 60,00

27 Stunden

§ 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 BGBl Nr.

159/1960 i.d.F. BGBl I Nr. 154/2021

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2

Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der

Strafe, mindestens jedoch 10 Euro              10,00

                                                               Gesamtbetrag:         70,00“

2.   Zur Beschwerde:

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 10. Oktober 2022, in der vorgebracht wird, dass sich das Fahrzeug der Beschwerdeführerin zum angelasteten Tatzeitpunkt nicht in Österreich befunden habe; das Fahrzeug sei im Hof ihrer Wohnung (Anmerkung: wohl in Ungarn) geparkt gewesen.

3.   Feststellungen:

3.1. Die Beschwerdeführerin ist ungarische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Ungarn. Die Zustellung des (unter Punkt 1. angeführten) Straferkenntnisses wurde an den Wohnsitz der Beschwerdeführerin in Ungarn unmittelbar per Post verfügt. Das Schriftstück wurde dort am 06. Oktober 2022 von der Beschwerdeführerin übernommen. Das Straferkenntnis ist ausschließlich in deutscher Sprache verfasst. Dem Straferkenntnis war keine Übersetzung in die ungarische Sprache angeschlossen; auch wurden die wesentlichen Inhalte des Straferkenntnisses nicht in die ungarische Sprache übersetzt.

3.2. Die Beschwerdeführerin ist der deutschen Sprache nicht mächtig. Für die belangte Behörde lagen Anhaltspunkte vor, dass die Beschwerdeführerin der deutschen Sprache nicht mächtig ist.

4.   Beweiswürdigung:

4.1. Die unter 3.1. getroffenen Feststellungen gründen auf den unzweifelhaften und eindeutigen Inhalten des Verwaltungsstrafaktes der belangten Behörde, dem sich die Zustellung des Straferkenntnisses an die Adresse der Beschwerdeführerin in Ungarn sowie das Fehlen einer Übersetzung dieses Straferkenntnisses (oder zumindest von dessen wesentlichen Inhalten) ergibt.

4.2. Zu den unter Punkt 3.2. getroffenen Feststellungen ist auszuführen, dass die von der Beschwerdeführerin eingebrachten Schriftsätze im bisherigen Verwaltungsstrafverfahren (vgl. dessen Eingaben vom 12. Juni 2022, 11. Juli 2022, 01. September 2022 und 23. September 2022; Beschwerde vom 10. Oktober 2022) stets in ungarischer Sprache – unter Anschluss einer Übersetzung in die deutsche Sprache – verfasst waren. Zudem teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit Schreiben vom 23. September 2022 wörtlich ausdrücklich Folgendes mit: „Leider spreche ich kein Deutsch.“.

5.   Erwägungen:

5.1. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

5.2. Gemäß § 11 des Zustellgesetzes (ZuStG) sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommens – gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellt – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen, ABl. C 197 vom 12. Juli 2000, (in der Folge: EU-RHÜ) lautet:

„(3) Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefaßt ist, unkundig ist, so ist die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen. Ist der Behörde, die die Verfahrensurkunde ausgestellt hat, bekannt, daß der Empfänger nur einer anderen Sprache kundig ist, so ist die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in diese andere Sprache zu übersetzen.“

Dieses Abkommen ist nach Ratifizierung und Kundmachung in BGBl. III Nr. 65/2005 in Österreich am 03. Juli 2005 in Kraft getreten. Das Übereinkommen wurde auch durch Ungarn ratifiziert (vgl. dazu ebenfalls die Kundmachung BGBl. III Nr. 65/2005).

Daraus ergibt sich, dass bei Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass der Zustellungsempfänger der deutschen Sprache unkundig ist, die Verfahrensurkunde – oder zumindest deren wesentlichen Inhalt – in die Sprache des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen ist. Wird dies unterlassen, ist die Zustellung der Verfahrensurkunde nicht rechtswirksam. Eine Heilung dieses Zustellmangels kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht (vgl. etwa VwGH 03.02.2022, Ra 2020/17/0095, VwGH 17.06.2019, Ra 2019/02/0029, jeweils mwN).

5.3. Gemäß den oben getroffenen Feststellungen lagen im vorliegenden Fall entsprechende Anhaltspunkte über die Unkenntnis der Beschwerdeführerin der deutschen Sprache vor (dies – wie dargelegt – schon im Hinblick auf ihre Eingaben in ungarischer Sprache unter Beifügung einer deutschen Übersetzung sowie im Besonderen im Hinblick auf ihre eindeutige Mitteilung über ihre Unkenntnis von der deutschen Sprache mit Schreiben vom 22. September 2022). In Anbetracht dessen wäre die belangte Behörde im Sinne des Art. 5 Abs. 3 EU-RHÜ gehalten gewesen, das an die Beschwerdeführerin nach Ungarn zugestellte Straferkenntnis – oder zumindest dessen wesentlichen Inhalt – in die ungarische Sprache zu übersetzen. Da sie dies unterlassen hat, war die Zustellung des Straferkenntnisses nicht rechtswirksam und erweist sich die dagegen erhobene Beschwerde der Beschwerdeführerin“ (im vorliegenden Einparteienverfahren vor der belangten Behörde) als nicht zulässig. Eine Heilung dieses Zustellmangels kommt nach der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Betracht.

5.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

6.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt und konnte schon gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen.

7.   Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der zitierten und als einheitlich anzusehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und überdies nur Fragen der Beweiswürdigung (betreffend das Vorliegen von Anhaltspunkten für die Unkenntnis der Beschwerdeführerin von der deutschen Sprache) betroffen sind.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Verfahrensrecht; Zustellung; Verfahrensurkunde; Sprache; Übersetzung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2850.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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