TE Vwgh Erkenntnis 2023/2/21 Ra 2021/04/0147

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Veröffentlicht am 21.02.2023
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

AVG §59 Abs1
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §340 Abs1
BVergG 2018 §340 Abs1 Z1
BVergG 2018 §340 Abs1 Z7
BVergG 2018 §341
BVergG 2018 §341 Abs1
BVergG 2018 §341 Abs3
BVwG-PauschGebV Vergabe 2018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der M GmbH in 1210 Wien, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Juli 2021, Zl. W279 2241502-3/5E, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1        1. Die Revisionswerberin beantragte beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Schriftsatz vom 15. April 2021, die Wahl der Direktvergabe der A GmbH (Auftraggeberin) für näher bezeichnete Bauleistungen für nichtig zu erklären bzw. in eventu festzustellen, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung betreffend diese Bauleistungen sowie die Zuschlagserteilung ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung rechtswidrig gewesen seien. Unter einem wurde - neben der Erlassung einer einstweiligen Verfügung - beantragt, die Auftraggeberin zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren zu verpflichten.

2        Die Revisionswerberin brachte (auf das Wesentliche zusammengefasst) vor, sie habe sich an einem von der Auftraggeberin im Dezember 2020 bekannt gemachten offenen Vergabeverfahren als Subunternehmerin beteiligt. Nach der Zuschlagserteilung an die F KG habe sie erfahren, dass die von ihr angebotenen Teilleistungen (betreffend Fahrbahnübergangskonstruktionen) nicht - wie im Leistungsverzeichnis ausgeschrieben - als Schweißkonstruktion, sondern als geschraubte Konstruktion umgesetzt und ein anderes Unternehmen mit der Erbringung dieser Teilleistungen betraut werden solle. Es sei daher davon auszugehen, dass es nach der Zuschlagserteilung durch das Abgehen von der Ausschreibung zu einer wesentlichen Vertragsänderung gekommen sei, was eine unzulässige Direktvergabe darstelle. Es hätte daher insoweit eine neuerliche Ausschreibung stattfinden müssen, die aber unterblieben sei.

3        Die Revisionswerberin entrichtete für diesen Antrag eine Pauschalgebühr von insgesamt € 486,-, wobei sich der Betrag aus € 324,- für die Anfechtung einer Direktvergabe und € 162,- (50 % von € 324,-) für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (EV-Antrag) zusammensetzte. Mit Schreiben vom 26. April 2021 und vom 6. Mai 2021 forderte das BVwG die Revisionswerberin auf, die Differenz zur Pauschalgebühr bei Bauaufträgen im Oberschwellenbereich (zunächst hinsichtlich des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Höhe von € 3.079,- und sodann hinsichtlich des Nachprüfungsantrages in Höhe von € 6.158,-) zu entrichten. Die Revisionswerberin kam diesen Aufforderungen jeweils nach, wies in den dazu erstatteten Stellungnahmen vom 27. April 2021 (betreffend die Gebührennachzahlung für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung) und vom 28. Mai 2021 (betreffend die Gebührennachzahlung für den Nachprüfungsantrag) aber darauf hin, dass sich der verfahrenseinleitende Antrag nicht auf die Zuschlagserteilung im ursprünglichen Vergabeverfahren und damit einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich, sondern auf eine unzulässige Direktvergabe (nach dieser Zuschlagserteilung) beziehe, und ersuchte dementsprechend um neuerliche Prüfung der Gebührenbemessung und um Rückerstattung der zu viel entrichteten Pauschalgebühren.

4        Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2021 zog die Revisionswerberin ihren Antrag auf Nachprüfung, in eventu Feststellung vom 15. April 2021 zurück und beantragte zum einen - infolge der Antragszurückziehung - die Rückerstattung von 25 % der entrichteten Pauschalgebühren und zum anderen - unter Verweis auf ihr bisheriges dazu erstattetes Vorbringen - die „Rückerstattung der zu viel entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt € 9.318,00 (€ 6.239,00 für den Antrag auf Nachprüfung, in eventu Feststellung und € 3.079,00 für den EV-Antrag)“.

5        Nachdem der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bereits mit Beschluss vom 29. April 2021 zurückgewiesen worden war, stellte das BVwG das Verfahren über den verfahrenseinleitenden Antrag infolge der Antragszurückziehung mit Beschluss vom 23. Juni 2021 ein.

6        2. Am 2. Juli 2021 fasste das BVwG durch Einzelrichter im hier zugrundeliegenden Vergabeverfahren der Auftraggeberin „aufgrund des Antrages [der Revisionswerberin] vom 15.06.2021 auf Gebührenersatz“ folgenden Beschluss:

„Der Antrag auf ‚Rückerstattung der zu viel entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt € 9.318,00 (€ 6.239,00 für den Antrag auf Nachprüfung, in eventu Feststellung und € 3.079,00 für den EV-Antrag)‘ wird gemäß § 341 BVergG 2018 zurückgewiesen.“

7        Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 B-VG für unzulässig.

8        Das BVwG hielt (über den dargestellten Verfahrensgang hinaus und auf das Wesentliche zusammengefasst) Folgendes fest: Die Auftraggeberin habe im zugrundeliegenden Vergabeverfahren nach Ablauf der Stillhaltefrist am 16. März 2021 den Zuschlag erteilt. Dass die nunmehr in Rede stehenden Fahrbahnübergangskonstruktionen entgegen dem Wortlaut des Leistungsverzeichnisses als geschraubte Konstruktion erfolgen sollten bzw. dies beabsichtigt gewesen und es somit zu einer Vertragsänderung nach Zuschlagserteilung gekommen sei, habe nicht festgestellt werden können. Diesbezüglich verwies das BVwG auf die übereinstimmenden Ausführungen der Auftraggeberin und der Zuschlagsempfängerin, wonach das Angebot der Zuschlagsempfängerin ausschreibungskonform gewesen und es zu keiner Änderung des Leistungsverzeichnisses nach der Zuschlagserteilung gekommen sei. Im Hinblick auf das - dem entgegenstehende - Vorbringen der Revisionswerberin (dem zufolge sie mündlich erfahren habe, dass die Fahrbahnübergangskonstruktion ausschreibungswidrig in geschraubter anstatt geschweißter Form erfolgen solle) habe das BVwG zur Klärung der divergierenden Ansichten eine mündliche Verhandlung anberaumt, die aber aufgrund der Zurückziehung des Antrags durch die Revisionswerberin nicht mehr stattgefunden habe. Beweise für eine Vertragsänderung habe die Revisionswerberin nicht vorgelegt. Auch eine Klaglosstellung der Revisionswerberin habe nicht festgestellt werden können.

9        In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das BVwG zur Zuständigkeit des Einzelrichters zunächst fest, im hier gegenständlichen Verfahren sei allein über den Gebührenersatz nach § 341 BVergG 2018 und nicht über die Höhe der bereits entrichteten Pauschalgebühr abzusprechen, sodass eine Einzelrichterzuständigkeit vorliege.

10       Anschließend führte das BVwG zur Höhe der Pauschalgebühr aus, die Revisionswerberin habe vorgebracht, ihr Antrag richte sich nicht gegen das ursprüngliche offene Vergabeverfahren bzw. die dort erfolgte Zuschlagserteilung, sondern gegen die freihändige Vornahme einer wesentlichen Vertragsänderung. Da die behauptete Vertragsänderung nicht habe erwiesen werden können, seien die dargestellten Aufforderungen zur Nachzahlung der Pauschalgebühr erfolgt. Die Höhe der zu entrichtenden Pauschalgebühr sei „somit (wenn auch implizit) durch die Beschlüsse des BVwG vom 29.04.2021 [...] und vom 23.06.2021 [...] festgelegt“ worden. Die von der Revisionswerberin behauptete niedrigere Höhe der Pauschalgebühr sei untrennbar mit der Frage verbunden, ob gegenständlich eine Direktvergabe vorliege oder nicht. Diese Frage wäre im Hauptverfahren zu klären gewesen, allerdings sei der - dem zugrundeliegende - Antrag zurückgezogen worden. Im gegenständlichen Gebührenersatzverfahren sei daher nicht über die bereits feststehende Höhe der Pauschalgebühr abzusprechen, sondern vielmehr darüber, ob die Revisionswerberin die von ihr entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin ersetzt bekomme. Die von der Revisionswerberin begehrte „neuerliche Prüfung der Gebührenbemessung“ sei daher zurückzuweisen. Darüber hinaus verwies das BVwG auf das hg. Erkenntnis VwGH 11.5.2017, Ra 2016/04/0048, dem zufolge die bloße Behauptung einer Direktvergabe nicht zur niedrigeren Gebührenbemessung führe.

11       Voraussetzung für einen Gebührenersatz sei ein Obsiegen der Revisionswerberin oder ihre Klaglosstellung. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Im Hinblick auf die Antragszurückziehung seien aber 25 % der für den Nachprüfungsantrag entrichteten Pauschalgebühr (formlos) zurückzuerstatten.

12       3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13       Im Hinblick darauf, dass neben der Revisionswerberin keine weiteren Parteien am Verfahren beteiligt sind, konnte von der Einleitung eines Vorverfahrens nach § 36 VwGG Abstand genommen werden.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14       1. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ua. vor, das BVwG habe zu Unrecht keine Sachentscheidung getroffen. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Anträge auf Rückerstattung von in Vergabekontrollsachen zu viel entrichteten Pauschalgebühren in die Zuständigkeit des Senates oder des Einzelrichters des BVwG fallen.

15       Die Revision erweist sich im Hinblick darauf als zulässig.

16       2. § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, lautet:

Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“

17       Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG 2018), BGBl. I Nr. 65, lauten auszugsweise:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

[...]

Gebühren

§ 340. (1) Für Anträge gemäß den §§ 342 Abs. 1, 350 Abs. 1 und § 353 Abs. 1 und 2 hat der Antragsteller nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten:

1.   Die Pauschalgebühr ist gemäß den von der Bundesregierung durch Verordnung festzusetzenden Gebührensätzen bei Antragstellung zu entrichten. Bieter- und Arbeitsgemeinschaften haben die Pauschalgebühr nur einmal zu entrichten. Die Gebührensätze sind entsprechend dem Verhältnis des durch den Antrag bewirkten Verfahrensaufwandes zu dem für den Antragsteller zu erzielenden Nutzen festzusetzen. Die Gebührensätze sind nach objektiven Merkmalen abzustufen. Als objektive Merkmale sind insbesondere der Auftragsgegenstand, die Art des durchgeführten Verfahrens, die Tatsache, ob es sich um Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibung oder um sonstige gesondert anfechtbare Entscheidungen bzw. ob es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich oder im Unterschwellenbereich handelt, heranzuziehen.

[...]

4.   Für Anträge gemäß § 350 Abs. 1 ist eine Gebühr in der Höhe von 50% der festgesetzten Gebühr zu entrichten.

[...]

7.   Wird ein Antrag vor Durchführung der mündlichen Verhandlung oder, wenn keine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, vor Erlassung des Erkenntnisses oder Beschlusses zurückgezogen, so ist lediglich eine Gebühr in der Höhe von 75% der für den jeweiligen Antrag festgesetzten oder gemäß Z 5 reduzierten Gebühr zu entrichten. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuerstatten.

[...]

Gebührenersatz

§ 341. (1) Der vor dem Bundesverwaltungsgericht auch nur teilweise obsiegende Antragsteller hat Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 340 entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber. Der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 340 entrichteten Gebühren, wenn er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird.

(2) Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung besteht nur dann, wenn

1.   dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird oder wenn der Antragsteller während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird und

2.   dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattgegeben wurde bzw. im Falle der Klaglosstellung stattzugeben gewesen wäre oder der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde oder im Falle der Klaglosstellung abzuweisen gewesen wäre.

(3) Über den Gebührenersatz hat das Bundesverwaltungsgericht spätestens drei Wochen ab jenem Zeitpunkt zu entscheiden, ab dem feststeht, dass ein Anspruch auf Gebührenersatz besteht.

[...]

Inhalt und Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages

§ 344. [...]

(2) Der Antrag ist jedenfalls unzulässig, wenn

[...]

3.   er trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.

[...]

Antragstellung

§ 350. [...]

(7) Ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig, wenn trotz Aufforderung zur Verbesserung der Antrag nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.“

18       § 1 der BVwG-Pauschalgebührenverordnung Vergabe 2018 (BVwG-PauschGebV Vergabe 2018), BGBl. II Nr. 212, lautet auszugsweise:

Gebührensätze

§ 1. Für Anträge gemäß den §§ 342 Abs. 1 und 353 Abs. 1 und 2 BVergG 2018 [...] hat der Antragsteller nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten:

Direktvergabe

324 €

[...]

 

Bauaufträge im Oberschwellenbereich

6 482 €

[...]

 

[...]“

19       3. Zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung ist vorab zunächst Folgendes festzuhalten:

20       Das BVwG spricht im Kopf der angefochtenen Entscheidung vom Antrag der Revisionswerberin „auf Gebührenersatz“, zudem wird als Rechtsgrundlage für die Zurückweisung der - den Gebührenersatz regelnde - § 341 BVergG 2018 genannt. Im Spruch des Beschlusses selbst heißt es allerdings, dass der Antrag „auf Rückerstattung“ der Pauschalgebühren zurückgewiesen wird. Zudem beinhaltet der zugrundeliegende Antrag „vom 15.06.2021“ keinen Antrag auf Gebührenersatz, sondern einen Antrag auf Rückerstattung entrichteter Gebühren. In der rechtlichen Beurteilung lautet es zunächst, im hier maßgeblichen Verfahren sei allein über den Gebührenersatz und nicht über die Höhe der entrichteten Pauschalgebühr abzusprechen. In der Folge heißt es aber, dass über die Höhe der Pauschalgebühren bereits zuvor implizit abgesprochen worden und der neuerliche Antrag daher zurückzuweisen sei. Darüber hinaus finden sich Ausführungen, mit denen der (von der Revisionswerberin behaupteten) niedrigeren Gebührenbemessung inhaltlich entgegengetreten wird.

21       § 340 Abs. 1 BVergG 2018 sieht vor, dass ein Antragsteller für bestimmte Anträge eine Pauschalgebühr zu entrichten hat, die ihm - im Fall des zumindest teilweisen Obsiegens oder einer Klaglosstellung - gemäß § 341 Abs. 1 BVergG 2018 vom Auftraggeber zu ersetzen sind. Während das BVergG 2018 vereinzelte Regelungen betreffend die Entscheidung über den Gebührenersatz enthält (§ 328 Abs. 1 sowie § 341 Abs. 3), finden sich keine ausdrücklichen Regelungen betreffend eine im Einzelfall ergehende Entscheidung über die Höhe der Pauschalgebühr bzw. über einen Antrag auf Rückerstattung einer entrichteten Pauschalgebühr. Die Höhe der zu entrichtenden Pauschalgebühr ergibt sich vielmehr unmittelbar aus der BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 (allenfalls in Verbindung mit den Reduktionsregelungen des § 340 Abs. 1 BVergG 2018); die Pauschalgebühr ist vom Antragsteller bei Antragstellung - ohne gesonderte Vorschreibung - zu entrichten. Die (trotz Aufforderung) unterbliebene ordnungsgemäße Vergebührung führt zur Unzulässigkeit des Antrages.

22       Bei einem Abspruch über einen Antrag auf Gebührenersatz sowie einem Abspruch über einen Antrag auf Rückerstattung entrichteter Pauschalgebühren handelt es sich um zwei grundsätzlich voneinander zu trennende Verfahrensgegenstände (siehe zur Trennbarkeit der diesbezüglichen Spruchpunkte VwGH 19.6.2020, Ra 2017/04/0125, Rn. 11; weiters zur Abgrenzung dieser beiden Gegenstände VfGH 26.9.2019, V 64/2019, Rn. 56; dem steht auch nicht entgegen, dass über die Verpflichtung zur Tragung und über die Höhe bzw. einen allfälligen Antrag auf Rückerstattung unter einem abgesprochen werden kann; vgl. insoweit die dem Beschluss VwGH 11.12.2020, Ra 2019/04/0039, Rn. 30, zugrunde gelegene Konstellation). Während sich die Entscheidung über einen Antrag auf Gebührenersatz auf die Kostentragung im Verhältnis zwischen Antragsteller und Auftraggeber bezieht, betrifft die Frage der Höhe der zu entrichtenden Pauschalgebühr bzw. der Rückerstattung der entrichteten Pauschalgebühr in erster Linie das Verhältnis zwischen Antragsteller und Verwaltungsgericht (bzw. Gebietskörperschaft). Eine Entscheidung, mit der nur über den Gebührenersatz gegenüber dem Auftraggeber abgesprochen wird, beinhaltet nicht automatisch auch eine Entscheidung über die Höhe der Pauschalgebühr bzw. einen allenfalls bestehenden Anspruch auf Rückerstattung (vgl. etwa VwGH 13.11.2013, 2013/04/0122).

23       Auch wenn im Kopf des angefochtenen Beschlusses von einem Antrag „auf Gebührenersatz“ gesprochen wird, wird im insoweit maßgeblichen Spruch der Antrag „auf Rückerstattung“ der entrichteten Pauschalgebühren zurückgewiesen. Dies deckt sich damit, dass der (im Kopf angesprochene) Antrag vom 15. Juni 2021 keinen Antrag auf Gebührenersatz enthält (der dahingehende Antrag findet sich im Nachprüfungsantrag vom 15. April 2021), sondern einen Antrag auf Rückerstattung der (behaupteter Maßen) zu viel entrichteten Pauschalgebühren. Es handelt sich beim angefochtenen Beschluss daher - entgegen der teilweise anderslautenden Hinweise des BVwG - nicht um eine Entscheidung über den Gebührenersatz im Sinn des § 341 BVergG 2018 (zumal der Gebührenersatz im Spruch selbst auch nicht angesprochen wird), sondern um eine Entscheidung über die Rückerstattung von Pauschalgebühren.

24       4. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, durch Einzelrichter. Eine solche Entscheidung durch Senate sieht § 328 Abs. 1 BVergG 2018 in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018 vor, somit über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines (in den Vollziehungsbereich des Bundes fallenden) Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens; davon abweichend ist für Entscheidungen (ua.) über den Gebührenersatz eine Einzelrichterzuständigkeit vorgesehen.

25       Da - wie dargelegt - Entscheidungen über die Rückerstattung von Pauschalgebühren den Entscheidungen über den Gebührenersatz nicht gleichzuhalten sind, kommt die zuletzt genannte Sonderregelung des § 328 Abs. 1 BVergG 2018 betreffend die Einzelrichterzuständigkeit für Entscheidungen über den Gebührenersatz vorliegend nicht zum Tragen.

26       Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss VfGH 18.6.2014, A 3/2014, VfSlg. 19.880, zutreffend festgehalten, beim Verfahren der Überprüfung der entrichteten Pauschalgebühren handle es sich um ein akzessorisches Verfahren, das ein Vergabekontrollverfahren zwingend voraussetze, weshalb die dort fallbezogen maßgebliche Übergangsbestimmung (des Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG) betreffend den Übergang der Zuständigkeit zur Weiterführung bestimmter anhängiger Verfahren auf die Verwaltungsgerichte auch die Zuständigkeit zur Führung derartiger akzessorischer Verfahren erfasse. In seinem Erkenntnis VfGH 1.3.2019, E 4474/2018, VfSlg. 20.307, hat der Verfassungsgerichtshof - unter Verweis auf die (aus dem Umstand, dass die ordnungsgemäße Vergebührung eine Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags darstellt, resultierende) „Koppelung der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Antrages auf vergaberechtliche Nachprüfung [...] mit der Entscheidung, ob der Antrag trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde“ - von einem zwingenden Zusammenhang der Verfahren zur Überprüfung der Pauschalgebühren zu einem Vergabekontrollverfahren, in dem die Ordnungsmäßigkeit der Vergebührung (mit)beurteilt wird, gesprochen (Rn. 40); Entscheidungen über die Rückerstattung der Pauschalgebühren fielen daher als Annex zur Hauptsache in die Zuständigkeit des BVwG, das im Streitfall als Rechtsprechungsorgan durch Senat mit Beschluss darüber abzusprechen habe (Rn. 41).

27       Ausgehend davon sind Entscheidungen über die Rückerstattung von Pauschalgebühren als Entscheidungen in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018 anzusehen und daher durch Senat zu treffen. Das BVwG hätte die angefochtene Entscheidung über die Rückerstattung von Pauschalgebühren somit im Senat treffen müssen.

28       5. Darüber hinaus wird auch noch auf Folgendes hingewiesen:

29       Das BVwG führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, über die Höhe der zu entrichtenden Pauschalgebühren sei bereits implizit durch die Beschlüsse vom 29. April 2021 (Zurückweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung) und vom 23. Juni 2021 (Einstellung des Verfahrens über den Nachprüfungsantrag) entschieden worden und der Antrag auf neuerliche Prüfung der Gebührenbemessung sei daher zurückzuweisen.

30       Der Verfassungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis E 4474/2018 festgehalten, es müsse sichergestellt sein, dass das BVwG über Antrag der Partei über die Höhe und gegebenenfalls einen Rückforderungsanspruch von Pauschalgebühren mit Beschluss entscheide (vgl. dazu auch VwGH Ra 2019/04/0039, Rn. 28). Eine spruchmäßige Entscheidung über den Rückerstattungsantrag der Revisionswerberin lässt sich den beiden vom BVwG genannten Beschlüssen allerdings nicht entnehmen (im Beschluss vom 29. April 2021 wird lediglich bei der Darstellung des Verfahrensgangs auf die Nachzahlung von Pauschalgebühren verwiesen; im Beschluss vom 23. Juni 2021 findet sich überhaupt kein Hinweis auf die Höhe der Pauschalgebühr). Auch ansonsten ist kein Grund ersichtlich, der einer Sachentscheidung über den Antrag der Revisionswerberin auf Rückerstattung der zu viel entrichteten Pauschalgebühr entgegengestanden wäre.

31       Zudem hat sich das BVwG in seiner rechtlichen Beurteilung - ungeachtet dessen, dass es den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen hat - auch inhaltlich mit dem Vorbringen der Revisionswerberin betreffend die Rückerstattung der zu viel entrichteten Pauschalgebühren auseinandergesetzt. Dabei verwies das BVwG zum einen auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis Ra 2016/04/0048, wonach die bloße Behauptung einer Direktvergabe nicht zu einer niedrigeren Gebührenbemessung führe. Zum anderen hielt das BVwG fest, dass die Frage der Gebührenbemessung untrennbar mit der Frage verbunden sei, ob gegenständlich eine Direktvergabe vorliege, was infolge der Zurückziehung des Hauptantrages nicht mehr zu klären sei.

32       Dem ist Folgendes entgegenzuhalten: Der Verwaltungsgerichtshof hat im bezogenen Erkenntnis Ra 2016/04/0048, Rn. 45, festgehalten, dass - soweit die Art des durchgeführten Verfahrens als objektives Merkmal herangezogen wird - für die Bemessung der zu entrichtenden Pauschalgebühr nicht allein darauf abgestellt werden kann, welche Verfahrensart der Antragsteller in seinem Antrag angeführt hat, sondern vielmehr maßgeblich ist, worauf der Antrag inhaltlich gerichtet war, weil sich danach der Verfahrensaufwand und der mögliche Nutzen bestimmt (vgl. auch VwGH 19.6.2020, Ra 2017/04/0125, Rn. 28). Während der Verwaltungsgerichtshof im erstgenannten Erkenntnis die Annahme, es sei keine Direktvergabe gegenständlich (weil der Leistungsvergabe ein Aufruf zum Wettbewerb auf Basis einer Rahmenvereinbarung zugrunde gelegen sei), nicht beanstandet hat, hat er - in Abgrenzung davon - im zweitgenannten Erkenntnis den Antrag (der eine nach der ursprünglichen Auftragsvergabe erfolgte Preisanpassung betraf) als auf eine unzulässige Direktvergabe gerichtet angesehen. Im vorliegenden Fall richtete sich der Nachprüfungsantrag (ebenso wie der eventualiter gestellte Feststellungsantrag) der Revisionswerberin, wie sich seiner Begründung entnehmen lässt, nicht gegen die im offenen Verfahren erfolgte Zuschlagserteilung vom März 2021, sondern gegen eine (behaupteter Maßen danach erfolgte) Direktvergabe hinsichtlich einer Teilleistung dieses Auftrags. Entgegen der Annahme des BVwG ist für die Frage der Bemessung der Pauschalgebühr auch nicht maßgeblich, ob der Antragsteller mit seinem Antrag inhaltlich durchgedrungen und somit tatsächlich eine Direktvergabe vorgelegen wäre. Da die ordnungsgemäße Gebührenentrichtung eine Zulässigkeitsvoraussetzung darstellt (und somit vor der Entscheidung in der Sache zu prüfen ist), kann das Ergebnis dieser Prüfung nicht vom späteren Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache abhängig gemacht werden.

33       6. Da das BVwG den angefochtenen Beschluss aber aus den oben dargelegten Erwägungen zu Unrecht durch einen Einzelrichter getroffen hat, war der Beschluss schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit aufzuheben (vgl. VwGH 25.4.2019, Ro 2018/09/0010).

34       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. Februar 2023

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021040147.L00

Im RIS seit

28.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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