TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/8 94/12/0287

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Veröffentlicht am 08.11.1995
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;

Norm

AHG 1949 §1 Abs1;
BO Wr 1967 §11 Abs1;
DO Wr 1966 §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des Ing. NN in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Stadtgartenamtsrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.

Ihm war mit Bescheid vom 17. Oktober 1980 eine in Wien, A-Straße 15, gelegene Wohnung im Hinblick auf seine dienstliche Verwendung als Leiter des Reservegartens XY als "Werkswohnung" gemäß § 37 DO 1966 zugewiesen worden.

Am 9. Juni 1981 wurde der Beschwerdeführer vom Reservegarten XY versetzt. Infolge der geänderten dienstlichen Verwendung wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 6. Juli 1981, bestätigt durch den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 14. September 1981, das Benützungsrecht an dieser Werkswohnung rechtskräftig entzogen. Nach Ausschöpfung verschiedener rechtlicher Möglichkeiten mußte die Wohnung schließlich am 8. März 1993 zwangsweise gerichtlich geräumt werden.

Bereits mit Schreiben vom 6. April 1993 hatte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 37 DO 1966 und neben anderen Ausführungen den Antrag gestellt, die Behörde möge feststellen, daß ihm durch den Entzug und die Räumung dieser Werkswohnung Schaden erwachsen sei und ihm dieser Schaden im Wege einer Ausgleichszahlung in noch zu bestimmender Höhe abzugelten sei.

Mit Bescheid vom 3. Mai 1993 stellte der Magistrat der Stadt Wien gemäß § 37 DO in Verbindung mit § 11 der Besoldungsordnung fest, daß der Beschwerdeführer aus Anlaß der Räumung der Werkswohnung keinen Anspruch auf eine Geldleistung nach der Besoldungsordnung habe. Über dieses Verfahren ist, nachdem der Beschwerdeführer gegen den in der Folge ergangenen abweislichen Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 19. Oktober 1993 Beschwerde erhoben hatte, vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tage Zl. 93/12/0328 abweisend entschieden worden.

Mit dem dem nunmehrigen Verfahren zugrundeliegenden Bescheid vom 5. Oktober 1993 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung, daß ihm durch den Entzug und die Räumung der Werkswohnung Schaden erwachsen sei, zurück, weil auf derartige Schäden, die durch Organe eines Rechtsträgers im Rahmen der Hoheitsverwaltung verursacht worden seien, das Amtshaftungsgesetz anzuwenden und die Feststellung eines solchen Schaden im Verwaltungsverfahren gesetzlich nicht vorgesehen sei.

In seiner Berufung rügt der Beschwerdeführer diese rechtliche Beurteilung und brachte vor, daß ein Schaden in einer Bezugsdifferenz (Verlust des Sachbezuges) bestehe, worüber im Verwaltungsverfahren abzusprechen wäre.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei zuzustimmen, daß über besoldungsrechtliche Ansprüche im Verwaltungsverfahren abzusprechen sei. Als Rechtsgrundlage für derartige Ansprüche komme im gegenständlichen Fall nur die Dienstordnung 1966 (DO) in Verbindung mit der Besoldungsordnung 1967 (BO) in Frage. Die Feststellung eines Schadens sei in diesen Gesetzen allerdings nicht vorgesehen. Die Feststellung eines Schadenersatzanspruches an sich sei eine typisch zivilrechtliche Angelegenheit. Zweifellos enthielten auch zahlreiche Verwaltungsvorschriften bestimmte "Entschädigungsansprüche" über die auf Grund verwaltungsrechtlicher Normen im Verwaltungsverfahren mittels Bescheid abzusprechen sei. Dabei handle es sich um Ausgleichszahlungen für Vermögensnachteile, die dem Rechtsunterworfenen durch (wenn auch rechtmäßiges) Verwaltungshandeln zugefügt würden. Ein Beispiel hiefür biete § 37 a DO, wonach ein Beamter, bei Räumung einer Dienst- oder Werkswohnung, unter bestimmten in dieser Bestimmung aufgezählten, Voraussetzungen einen betragsmäßig begrenzten Anspruch auf eine einmalige Entschädigung habe. Seien die in der jeweiligen Verwaltungsvorschrift dargelegten Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Entschädigungszahlung nicht erfüllt, könne ein Anspruch auf Entschädigung nicht bestehen. Jegliche nicht ausdrücklich in den Verwaltungsvorschriften vorgesehene Entschädigungsforderung sei dem zivilrechtlichen Schadenersatzrecht zu unterstellen und nach den jeweiligen zivilrechtlichen Normen (ABGB, Amtshaftungsgesetz, u.a.) zu prüfen. Rechtsgrundlage dafür sei das ABGB oder die entsprechende zivilrechtliche Sondernorm, wie im gegenständlichen Fall das Amtshaftungsgesetz. Auch wenn der Beschwerdeführer durchaus ein berechtigtes Interesse an der Feststellung eines Schadens habe, stehe der Erlassung eines diesbezüglichen Feststellungsbescheides das verfassungsrechtliche Prinzip der Gewaltentrennung entgegen. Die Vollziehung von privatrechtlichen Normen sei, soweit keine anderslautende ausdrückliche Ermächtigung durch den Gesetzgeber bestehe, nicht Sache der Verwaltungsbehörden und des vor diesen Behörden anzuwendenden Verwaltungsverfahrens.

Gegen diesen Bescheid wandte sich der Beschwerdeführer an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 20. Juni 1994, B 1008/94, ablehnte und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit 24. Oktober 1994 an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.

Nach der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren erforderlichen Ergänzung der Beschwerde leitete der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren ein, in dem die belangte Behörde die Akten des Verfahrens vorlegte, eine Gegenschrift erstattete und die kostenpflichtige Abweisung beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde und Verletzung von Verfahrensvorschriften, wobei er sich in seinen Rechten auf den gesetzlichen Richter, auf Nichteingriff in einen rechtskräftigen Bescheid sowie auf eine Sachentscheidung verletzt fühlt.

Dazu bringt er im wesentlichen vor, der Magistrat der Stadt Wien habe mit dem "ersten" Bescheid vom 3. Mai 1993 (vgl. Erkenntnis vom heutigen Tag, 93/12/0328) über seinen Antrag vom 6. April 1993 zur Gänze abgesprochen. Durch die Bestätigung dieses Bescheides durch den Berufungssenat der Stadt Wien mittels Berufungsbescheid vom 19. Oktober 1993 sei dieser in Rechtskraft erwachsen und somit unwiederholbar und verbindlich geworden.

Mit dem "zweiten" Bescheid vom 5. Oktober 1993 hätte der Magistrat der Stadt Wien neuerlich über diesen Antrag vom 6. April 1993 entschieden. Die belangte Behörde hätte durch die Bestätigung des "zweiten" Bescheides nach Eintritt der Rechtskraft der "ersten" Entscheidung den Grundsatz der Unwiederholbarkeit einer behördlichen Entscheidung verletzt.

Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, daß ihm zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert worden sei. Mit seinem Antrag vom 6. April 1993 habe er die bescheidmäßige Feststellung eines Schadenersatzsanspruches begehrt. Dieses Begehren richte sich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses. Derartige Feststellungsbescheide wären nach der Judikatur zulässig, wenn die bescheidmäßige Feststellung im rechtlichen Interesse einer Partei gelegen sei. Diese Voraussetzung wäre gegeben und ihm durch die Zurückweisung seines Antrages zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert worden. Im übrigen sei die Ansicht der Behörde verfehlt, das Amtshaftungsgesetz schließe die bescheidmäßige Feststellung von Schadenersatzansprüchen aus.

Verfahrensgegenstand ist primär die Frage, ob die Behörde über den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. April 1993 neben dem bescheidmäßigen Abspruch vom 3. Mai 1993 bzw. 19. Oktober 1993 noch zurückweisend zu entscheiden hatte oder nicht.

Mit den "ersten" Bescheid vom 3. Mai 1993 ist nur darüber abgesprochen worden, daß dem Beschwerdeführer aus Anlaß der Räumung seiner Werkswohnung kein Anspruch auf eine Geldleistung nach der Besoldungsordnung 1967 zusteht. Auch wenn im Spruch dieses Bescheides auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. April 1993 Bezug genommen worden ist, so ist damit - die Teilbarkeit eines Abspruches vorausgesetzt - noch nichts über eine vollständige Erledigung dieses Antrages ausgesagt. Es ist vielmehr damit inhaltlich keine Erledigung des ebenfalls darin enthaltenen Feststellungsantrages, dem Beschwerdeführer sei durch den Entzug und die Räumung der Werkwohnung ein Schaden erwachsen, erfolgt. Davon ausgehend, daß die Behörde über diese weiters beantragte Feststellung mit dem "zweiten" Bescheid in Form einer Zurückweisung entschieden hat, ist weder die behauptete Unzuständigkeit noch eine Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" erkennbar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. April 1983, Zl. 82/12/0085, 82/12/0062, sowie vom 13. Oktober 1986, Zl. 85/12/0119 und 85/12/0120, sowie die dort angeführte Rechtsprechung) sind Verwaltungsbehörden berechtigt, im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Feststellungsbescheide zu erlassen, wenn diese entweder im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse der Partei liegen und die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen. Unzulässig ist es hingegen, eine Vorfrage, die in einem anderen Verfahren zu lösen wäre, zum Gegenstand einer selbständigen Feststellungsentscheidung zu machen. Es muß mithin für die Feststellung ein im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei begründeter Anlaß gegeben sein. Ein solcher Anlaß liegt aber nicht vor, wenn über die maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verfahrens zu entscheiden ist.

Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß auf Grund seines Antrages besoldungsrechtlich bereits mit Bescheiden vom 3. Mai 1993 und 19. Oktober 1993 abgesprochen worden ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tage, 93/12/0328). Für einen allenfalls über diesen besoldungsrechtlichen Anspruch hinausgehenden Schadenersatzanspruch steht das Verfahren nach dem Amtshaftungsgesetz zur Verfügung. Für einen solchen Anspruch im Rahmen des Besoldungsrechtes nennt der Beschwerdeführer keine Grundlage und ist auch sonst kein Ansatz erkennbar.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994120287.X00

Im RIS seit

29.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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