TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/8 95/01/0079

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Veröffentlicht am 08.11.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §14 Abs4;
AsylG 1991 §20 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des K in A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Februar 1995, Zl. 4.316.505/10-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Februar 1995 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. August 1991 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem Staatsangehörigen "der Jugosl. Föderation", der am 2. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 4. Juni 1991 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides einleitend davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 7. Juni 1991 im wesentlichen angegeben habe, seit Jänner 1990 Mitglied "der demokratischen Bewegung" in seinem Heimatland gewesen zu sein, jedoch keine Mitgliedskarte gehabt und auch nie Beiträge bezahlt zu haben. Er sei Angehöriger der albanischen Volksgruppe, welche durch die Serben sehr unterdrückt werde. Die Löhne würden gekürzt werden, und man würde sogar entlassen werden. Die Posten würden nur mehr mit Serben nachbesetzt werden. Wegen dieser Probleme mit den Serben habe er freiwillig gekündigt, da er ohnehin mit seiner Entlassung habe rechnen müssen. Deswegen sei er gezwungen gewesen, sein Heimatland aus wirtschaftlichen Gründen zu verlassen.

In der Meinung, daß keiner der Fälle des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 (in der bereinigten Fassung nach der Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994) vorliege, auf Grund dessen eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen wäre, hat die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. ausschließlich diesen Sachverhalt als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Wenn sie daraus in rechtlicher Hinsicht den Schluß gezogen hat, daß der Beschwerdeführer nicht als Flüchtling gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzusehen sei, so kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Demnach war nämlich der Beschwerdeführer keinen individuell gegen ihn gerichteten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt und äußerte sich die Unterdrückung der albanischen Volksgruppe durch die Serben lediglich im arbeitsrechtlichen Bereich. Der Beschwerdeführer hat im Bewußtsein der allgemein bekannten schlechten wirtschaftlichen Lage in seinem Heimatland das mit ihm aufrecht bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt, ohne daß bereits ein konkreter Anhaltspunkt dafür vorhanden gewesen wäre, daß auch er seinen Arbeitsplatz verlieren werde. Er hat nicht dargetan, aus welchen Gründen es ihm nicht zumutbar gewesen wäre, abzuwarten, ob auch er tatsächlich (bloß auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit) entlassen werde. Im übrigen ist allein mit dem Verlust des Arbeitsplatzes - der im Falle der Entlassung ebenso eingetreten wäre - noch nicht zwangsläufig der Entzug der Lebensgrundlage verbunden (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0486, und vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0733).

Der Beschwerdeführer hat aber - nach Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof, Aufhebung des ihn betreffenden Bescheides der belangten Behörde vom 13. Mai 1993 mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1994, Zl. 94/01/0293, und Ermöglichung der Ergänzung der Berufung durch die belangte Behörde - in seinem Schriftsatz vom 30. Jänner 1995 geltend gemacht, daß der seiner niederschriftlichen Vernehmung beigezogene Dolmetscher seine Aussage "nicht wortwörtlich übersetzt" habe. Darin scheine "nirgendwo" auf, daß er den Kosovo "wegen den persönlich gerichteten politischen Terror" gegen ihn habe verlassen müssen; seine Aussage sei "verharmlost - "verwässert" - worden". Dem hat die belangte Behörde entgegengehalten, daß der Vernehmung des Beschwerdeführers ein Dolmetsch für die albanische Sprache beigezogen worden sei und ihm "am Ende der Vernehmung der Inhalt der aufgenommenen Niederschrift zur Kenntnis gebracht wurde bzw." er ausdrücklich erklärt habe, "alles verstanden und dem nichts mehr hinzuzufügen zu haben bzw." er dies mit seiner Unterschrift bekräftigt habe. Hätte er zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich "Bedenken gegenüber der Übersetzung" seiner Aussage gehabt, hätte er - so die belangte Behörde - "zumindest seine Unterschrift verweigert", weshalb diese Verfahrensrüge ins Leere gehe. Der Beschwerdeführer ist damit im Recht, daß die von der belangten Behörde diesbezüglich für ihren Standpunkt angeführten Umstände an sich nicht ausreichen, um die Behauptung, seine Angaben seien unvollständig protokolliert worden, als widerlegt zu erachten (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1995, Zl. 94/20/0877, und vom 4. Oktober 1995, Zlen. 95/01/0042, 0080). Bemerkt wird allerdings, daß der Aktenlage nach in der betreffenden, in Maschinschrift angefertigten Niederschrift die abschließenden Erklärungen des Beschwerdeführers dahingehend festgehalten wurden, daß ihm die Niederschrift in seiner Muttersprache vorgelesen worden sei, er "alles verstanden und keine weiteren Angaben mehr zu tätigen" habe und er "dies auch im Anschluß eigenhändig in meiner Muttersprache bestätigen werde", wobei sich unterhalb der Unterschriften des vernehmenden Beamten, des Dolmetschers und des Beschwerdeführers eine weitere, nunmehr handschriftlich und in einer fremden (offensichtlich der albanischen) Sprache geschriebene Zeile findet, die nur vom Beschwerdeführer unterfertigt wurde. Ob eine darauf gestützte Begründung der belangten Behörde einer Schlüssigkeitsprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof standhalten würde, kann unerörtert bleiben, ergibt sich doch aus der Beschwerde keineswegs, daß der Beschwerdeführer - entsprechend seiner Behauptung im Schriftsatz vom 30. Jänner 1995 - bei seiner Vernehmung überdies darauf hingewiesen habe, wegen eines gegen ihn "persönlich gerichteten politischen Terros" sein Heimatland verlassen zu haben.

Er rügt nämlich in diesem Zusammenhang lediglich, daß seine Angaben "über die ihm Anfang der 80-er Jahre persönlich widerfahrenen Verfolgungshandlungen" nicht in die Niederschrift aufgenommen und "die diesbezüglichen Angaben vom einvernehmenden Beamten oder vom übersetzenden Dolmetsch offensichtlich als unbeachtlich angesehen" worden seien. Weder daraus noch aus einer anderen Stelle der Beschwerde geht deutlich hervor, daß der Beschwerdeführer schon bei seiner Vernehmung zur Glaubhaftmachung einer asylrechtlich relevanten Verfolgung weitere, in der Folge eingetretene Umstände ins Treffen geführt habe, deren Protokollierung aber unterblieben sei. Selbst unter Berücksichtigung seines Vorbringens in der Berufung könnte ein zeitlicher Konnex zwischen gegen ihn ergriffenen Maßnahmen von erheblicher Intensität und seiner Ausreise anfangs Juni 1991 nicht mehr angenommen werden. Danach sei der Beschwerdeführer als Reservepolizist einem Befehl im Zusammenhang mit einer am 1. März 1981 stattgefundenen Demonstration nicht nachgekommen, habe er deshalb, nach zwischenzeitigem Aufenthalt in der Schweiz, im Dezember 1981 massive, näher angeführte Eingriffe gegen seine Person erdulden müssen, die jedoch nach zweiwöchiger Haft aufgehört hätten, sei er weiterhin "von serbischen Geheimdiensten" beobachtet worden, sobald er auf die Straße gegangen sei, und habe er, da er befürchtet habe, nochmals eingesperrt zu werden und den von ihm geschilderten Mißhandlungen ausgesetzt zu sein, sein Heimatland verlassen. Warum der Beschwerdeführer insofern eine neuerliche Verfolgung befürchtet habe, ist daraus nicht zu erkennen. Seine Ausführungen im ergänzenden Schriftsatz vom 30. Jänner 1995, mit denen er versucht hat, dies nachzuholen, widersprachen dem Neuerungsverbot des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 und waren daher für die belangte Behörde unbeachtlich.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hätte bei seiner Vernehmung auch nicht "versucht" werden müssen, "durch näheres Befragen die tatsächliche Lebenssituation des Beschwerdeführers in seiner Heimat sowie die nicht nur ihn allein, sondern die gesamte albanische Volksgruppe treffenden serbischen Repressionen und Verfolgungen näher auszuleuchten", weshalb auch für die belangte Behörde keine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorlag. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrale Entscheidungsgrundlage des Asylverfahrens das Vorbringen des Asylwerbers und obliegt es diesem, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Auch wenn der belangten Behörde die allgemeine Lage im Heimatland des Beschwerdeführers hätte bekannt sein müssen, würde dies noch nicht bedeuten, daß daraus in Verbindung mit dem von ihm bei seiner Vernehmung dargestellten Sachverhalt (laut Niederschrift vom 7. Juni 1991, allenfalls ergänzt durch die von ihm behaupteten Vorfälle "Anfang der 80-er Jahre") asylrechtlich relevante Rückschlüsse auf seine konkrete Situation hätten gezogen werden können (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0052). Wenn der Beschwerdeführer den Asylbehörden zum Vorwurf macht, trotz seiner Angabe, "daß wir Albaner durch die Serben sehr unterdrückt werden", nicht "hinterfragt" zu haben, "um welche Art von Unterdrückungen und Benachteiligungen es sich dabei handelt und inwieweit der Beschwerdeführer selbst davon betroffen war", so übersieht er, daß dazu keine Veranlassung bestand, weil er damals aus eigenem erläutert hat, daß die von ihm erwähnte "Unterdrückung" in arbeitsrechtlicher Hinsicht gegeben war. Es war dem nicht zu entnehmen, daß generell gegen die albanische Volksgruppe im Kosovo zielende Maßnahmen von erheblicher Intensität gesetzt worden oder bevorgestanden wären, die als systematische Verfolgung dieser Volksgruppe aus Gründen ihrer Nationalität, von der auch der Beschwerdeführer direkt betroffen gewesen wäre, angesehen werden müßten, und kann dies auch nicht als notorisch im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 17 Abs. 4 Z. 1 Asylgesetz 1991 bezeichnet werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1994, Zl. 94/01/0072). Auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen kann gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nicht Bedacht genommen werden.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995010079.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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