TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/10 92/17/0286

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Veröffentlicht am 10.11.1995
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Index

L34006 Abgabenordnung Steiermark;
L36056 Kriegsopferabgabe Behindertenabgabe Steiermark;
L37036 Lustbarkeitsabgabe Vergnügungssteuer Steiermark;
L70606 Film Kino Lichtspiel Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §115 Abs3;
BAO §135 Abs1;
BAO §135;
BAO §217 Abs1;
LAO Stmk 1963 §108 Abs1;
LAO Stmk 1963 §165 Abs1;
LAO Stmk 1963 §93 Abs3;
LichtspielG Stmk 1983 §4;
LustbarkeitsabgabeG Stmk §1;
LustbarkeitsabgabeG Stmk §14a;
LustbarkeitsabgabeO Graz 1987 §19;
LustbarkeitsabgabeO Graz 1987 §5;
LustbarkeitsabgabeO Graz 1987 §9;
LustbarkeitsabgabezuschlagsG Stmk;
UStG 1972 §10 Abs2 Z16;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des O in L, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 6. Februar 1992, Zl. A 8 - K-267/1991-2, betreffend Lustbarkeitsabgabe und Kriegsopferzuschlag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. Oktober 1990 setzte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz gegenüber dem Beschwerdeführer die Lustbarkeitsabgabe (nach dem Einleitungssatz: für eine "Peep-Show mit Vorführung von Videofilmen") für den Zeitraum vom 28. November 1988 bis 31. August 1990 wie folgt fest:

"Nettoumsätze 28.11.1988 - 31.12.1988          S  20.258,--

               1. 1.1989 - 31.12.1989          " 497.752,--

               1. 1.1990 - 30. 4.1990          " 200.032,--

                                               S 718.042,--

               1. 5.1990 - 31. 8.1990          " 150.017,--

Gesamtnettoumsatz                              S 868.059,--

davon 25 % LuA. v. 28.11.1988 - 30.4.1990      " 179.511,--

                v.  1. 5.1990 - 31.8.1990      "  37.505,--

Gesamt Lustbarkeitsabgabe

vom 28.11.1988 bis 31.8.1990                   S 217.016,--

Für den gg. Zeitraum wurde eine Lustbarkeitsabgabe in Höhe von S 37.505,-- im Wege der Selbstbemessung einbekannt.

Der Differenzbetrag von S 179.511,-- zuzüglich S 3.590,-- Säumniszuschlag gemäß § 156 der Stmk. LAO 1963 i.d.g.F. und S 6.510,-- Verspätungszuschlag (S 5.385,-- f. 11/88 bis 4/90 und S 1.125,-- für 5/90-8/90) nach § 108 leg. cit., insgesamt also S 189.611,--, ist innerhalb eines Monates nach Erhalt des Bescheides einzuzahlen."

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen sinngemäß vor, es treffe ihn an einer verspäteten Abgabe kein Verschulden. Weiters stütze sich der bekämpfte Bescheid auf eine "nichtige" Bestimmung, weil § 5 der Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 verfassungswidrig sei.

Nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag. Darin wurde vorgebracht, daß der Verwaltungsgerichtshof Videovorführungen in Einzelkabinen Filmvorführungen gemäß § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG 1972 gleichsetze. Es sei daher "auch im Sinne der Gleichbehandlung" die Lustbarkeitsabgabe für Videovorführungen in Einzelkabinen in gleicher Höhe wie für Filmvorführungen im Kino zu bemessen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz die Berufung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, das Vorbringen, wonach die Abgabenerklärungen deshalb nicht eingereicht worden seien, weil von der Behörde keine entsprechende Steuernummer zugeteilt worden sei, müsse deshalb als nicht zielführend gewertet werden, weil der Abgabepflichtige von einem Steuerberater vertreten worden sei. Von diesem müsse erwartet werden, daß er § 15 Abs. 2 Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 kenne, wonach bei ständig wiederkehrenden Veranstaltungen der Unternehmer längstens am 10. jedes Monats für den unmittelbar vorausgehenden Kalendermonat dem städtischen Steueramt die Abrechnung vorzulegen und die darin ausgewiesene Abgabe zu entrichten habe. Obwohl die Kontrolle im Mai 1990 stattgefunden habe, habe es der Beschwerdeführer unterlassen, die monatlichen Abrechnungen für den Zeitraum April bis August 1990 zeitgerecht vorzulegen. Diese seien erst am 20. September 1990 vorgelegt worden. Säumniszuschlag und Verspätungszuschlag seien somit zu Recht vorgeschrieben worden. Die Abgabenbehörde habe bei der Erlassung von Abgabenbescheiden nicht die Möglichkeit, die den Bescheiden zugrundeliegenden Verordnungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Sie sei vielmehr ausschließlich verpflichtet, die in den Verordnungen enthaltenen Bestimmungen anzuwenden. Auch das Vorbringen, wonach Videovorführungen in Einzelkabinen Filmvorführungen gemäß § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG 1972 gleichzusetzen seien, müsse als nicht zielführend gewertet werden. Videovorführungen, die den Kunden von Sexshows, Peepshows und "Video-Peep-Shows" vorgeführt würden, müßten unter die Bestimmungen des § 5 Grazer Lustbarkeitsordnung 1987 subsumiert und mit dem dort bestimmten Abgabensatz vorgeschrieben werden. Auch wenn diese Subsumtion bestritten werde, ergäbe dies keine Änderung in der Höhe der Abgabe. Gemäß § 3 Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 sei nämlich, wenn ein Veranstalter am gleichen Ort gleichzeitig oder unmittelbar nacheinander mehrere verschiedenartige Veranstaltungen darbiete, die nach der Art ihrer Zusammenstellung, Aufeinanderfolge und Ankündigung nach der Verkehrsanschauung als ein Ganzes anzusehen seien, der Berechnung der Abgabe diejenige Veranstaltung zugrunde zu legen, die den höchsten Abgabensatz bedinge. Nachdem Videovorführungen als Filmvorführungen und damit abgabepflichtig zu bewerten seien und der Beschwerdeführer am bezeichneten Standort gleichzeitig mehrere Veranstaltungen, die nach der Verkehrsanschauung als ein Ganzes anzusehen seien, darbiete, wäre auch in diesem Fall die Abgabe vom Gesamtumsatz mit dem in § 5 ausgewiesenen Prozentsatz zu berechnen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 5. Oktober 1992, B 374/92-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich der Beschwerdeführer "in seinem subjektiven öffentlichen Recht auf Ausübung der Verwaltung aufgrund der einschlägigen Gesetze und in seinem subjektiven öffentlichen Recht darauf, nicht mehr Steuern und Abgaben zu bezahlen, als im Gesetz vorgeschrieben ist, verletzt". Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 des Lustbarkeitsabgabegesetzes, LGBl. für das Land

Steiermark Nr. 37/1950, hat folgenden Wortlaut:

"§ 1.

Abgabeberechtigung.

(1) Die steirischen Gemeinden sind ermächtigt, anläßlich von Lustbarkeitsveranstaltungen eine Abgabe (Lustbarkeitsabgabe) einzuheben. Die Abgabe ist vom Gemeinderat ordnungsgemäß zu beschließen. Der Beschluß ist öffentlich kundzumachen und 14 Tage zur Einsicht im Gemeindeamt aufzulegen.

(2) Unter Lustbarkeiten (Vergnügungen) sind Veranstaltungen zu verstehen, welche überwiegend geeignet sind, die Teilnehmer zu unterhalten und zu ergötzen."

Das Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz 1950, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 38, normierte die Einhebung eines Zuschlages von 20 v.H. zur Lustbarkeitsabgabe der Gemeinden zur Deckung der Ausgaben des Landes für die Unterstützung von Kriegsopfern.

Mit Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 10. Dezember 1986, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 22/1986, S. 302 ff, wurde die Lustbarkeitsabgabeordnung der Landeshauptstadt Graz vom 23. März und 21. September 1950 neu gefaßt (Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987). Ihre im Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen hatten folgenden Wortlaut:

"Auf Grund des freien Beschlußrechtes nach den Bestimmungen der §§ 7 und 8 F-VG 1948, BGBl. Nr. 45/1948, und § 15 FAG 1985, BGBl. Nr. 544/1984 i.d.F. BGBl. Nr. 384/1986, wird in Verbindung mit dem Gesetz vom 20. Juli 1950 über die Einhebung einer Lustbarkeitsabgabe (Lustbarkeitsabgabegesetz), LGBl. Nr. 37, i.d.F. LGBl. Nr. 34/1986, gemäß § 45 (2) Z. 13 des Statutes der Landeshauptstadt Graz, LGBl. Nr. 130/1967, i.d.F.

LGBl. Nr. 11/1985, verordnet:

ARTIKEL I

I. Abschnitt

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

§ 1

Gegenstand der Abgabe

(1) Der Abgabepflicht unterliegen grundsätzlich alle Veranstaltungen im Gebiet der Stadt Graz, welche überwiegend geeignet sind, die Teilnehmer zu unterhalten und zu ergötzen.

(2) Für die einzelnen Arten von Veranstaltungen erfolgt die Erhebung der Lustbarkeitsabgabe unter Einschluß des gemäß dem Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz vom 20. Juli 1950, LGBl. Nr. 38, zur Deckung der Aufgaben des Landes für die Unterstützung von Kriegsopfern gleichzeitig einzuhebenden Zuschlages zur Lustbarkeitsabgabe (Kriegsopferzuschlag), dem Grunde und der Höhe gemäß den Bestimmungen des II., III. und IV. Abschnittes dieser Verordnung.

...

§ 3

Zusammentreffen verschiedenartiger Veranstaltungen

Bietet ein Veranstalter am gleichen Orte gleichzeitig oder unmittelbar nacheinander mehrere verschiedenartige Veranstaltungen dar, die nach der Art ihrer Zusammenstellung, Aufeinanderfolge und Ankündigung nach der Verkehrsanschauung als ein Ganzes anzusehen sind, so ist bei der Berechnung der Abgabe diejenige Veranstaltung zugrundezulegen, die den höchsten Abgabesatz bedingt.

...

II. Abschnitt

KARTENABGABE

§ 5

Sexshows, Peepshows, Nachtlokale u.dgl.

Die Abgabe (einschließlich Kriegsopferzuschlag) beträgt 33 1/3 v.H. des Eintrittsgeldes ausschließlich der Abgabe (d.s. 25 v.H. des Eintrittsgeldes einschließlich der Abgabe).

...

§ 9

Filmvorführungen in Kinobetrieben

(1) Die Vorführung von mit "besonders wertvoll" bzw. "wertvoll" prädikatisierten Filmen unterliegt nicht der Abgabepflicht. Wird jedoch ein prädikatisierter Film länger als 21 Tage in einem Lichtspieltheater vorgeführt, so entfällt die Begünstigung ab dem 15. Spieltag für das betreffende Lichtspieltheater.

    (2) Die Abgabe (einschließlich Kriegsopferzuschlag) beträgt

bis zu einem Jahresumsatz

von S 1.000.000,--                              0    v.H.

von S 2.000.000,--                              2,04 v.H.

von S 3.000.000,--                              4,17 v.H.

von S 4.000.000,--                              6,38 v.H.

von S 5.000.000,--                              8,70 v.H.

über S 5.000.000,--                            11,11 v.H.

des Eintrittgeldes ausschließlich der Abgabe.

(3) Für die gemäß Abs. 2 zur Anwendung gelangenden Abgabesätze ist der Jahresumsatz des Vorjahres (einschließlich der Einspielergebnisse von prädikatisierten Filmen) heranzuziehen.

...

§ 15

Entstehung, Festsetzung und Fälligkeit

der Abgabeschuld

(1) Die Abgabeschuld entsteht mit der Ausgabe der Karten. Die Ausgabe ist mit der Übertragung des Eigentums an der Karte vollendet. Die Abgabeschuld mindert sich nach Zahl und Preis derjenigen Karten, die gegen Erstattung des vollen Preises zurückgenommen worden sind.

(2) Der Unternehmer hat die Abrechnung der einmaligen Veranstaltungen binnen einer Woche nach der Veranstaltung, bei täglich oder sonst regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen längstens am 10. jedes Monats für den unmittelbar vorausgehenden Kalendermonat dem städtischen Steueramt vorzulegen und die darin ausgewiesene Abgabe zu entrichten. Kinounternehmen haben die Abrechnung innerhalb einer Woche für die vorangegangene Woche vorzulegen und die darin ausgewiesene Abgabe zu entrichten. Für die Rechnungslegung und für die Entrichtung der Abgabe können auch kürzere Fristen vorgeschrieben werden.

(3) Mit der Abrechnung gilt die Abgabe als festgesetzt. Erweist sich die Abrechnung als nicht richtig, wird die Abgabe mit Bescheid festgesetzt.

III. Abschnitt

§ 16.

Prozentualabgabe von der Bruttoeinnahme

(1) Anstelle der Kartenabgabe (§§ 5 u. 7) wird die Prozentualabgabe von der Bruttoeinnahme (ausschließlich der Abgabe) erhoben, wenn die Teilnehmer zwar eine Eintrittskarte oder einen sonstigen Ausweis zu lösen haben, die Durchführung der Kartenausgabe aber nicht ausreichend überwacht werden kann. Der Abgabesatz (einschließlich Kriegsopferzuschlag) beträgt bei Veranstaltungen gemäß § 5 33 1/3 v.H. der Bruttoeinnahme ausschließlich der Abgabe (d.s. 25 v.H. der Bruttoeinnahme einschließlich der Abgabe) und bei Veranstaltungen gemäß § 7 25 v.H. der Bruttoeinnahme ausschließlich der Abgabe (d.s. 20 v.H. der Bruttoeinnahme einschließlich der Abgabe).

(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 gelten auch für Veranstaltungen, die ohne Eintrittskarten oder Ausweise zugänglich sind.

..."

Für den Beschwerdefall ist zunächst streitentscheidend, ob Filmvorführungen in Videokabinen - und zwar von sogenannten Sex-Videos - von einem der Tatbestände der Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 erfaßt waren. Die belangte Behörde sah in einem solchen Vorgang (nach ihrer primären Argumentation) den Tatbestand des § 5 der Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 erfüllt. Wie schon auf Verwaltungsebene wird demgegenüber in der Beschwerde unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 89/15/0080, die Auffassung vertreten, bei diesen Filmvorführungen handle es sich um solche im Sinne des § 9 Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen zeigt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf:

Im zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, daß auch dann "Filmvorführungen" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG 1972 vorliegen, wenn zentral abgespielte Videofilme dem Kunden eines "Sex-Shops" bzw. einer "Video-Peepshow" nach Münzeinwurf auf Vorführgeräten in Einzelkabinen übertragen über Drahtleitungen sichtbar gemacht werden. Daraus ist für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die Überschrift des § 9 der Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 auf Filmvorführungen "in Kinobetrieben" (bzw. der Text des § 9 auf Vorführungen im "Lichtspieltheater") abstellt. Anders als die Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 enthielt § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG 1972 KEINE Einschränkungen auf Filmvorführungen in Kinobetrieben. Auf diesen Umstand hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 8. Oktober 1990 auch ausdrücklich hingewiesen, wenn es darin heißt, eine Einschränkung der Begünstigung auf Filmvorführungen, die in Kinos (Film- bzw. Lichtspieltheatern) stattfänden, könne dem Gesetz nicht entnommen werden.

Wenn aber der Beschwerdeführer vorbringt, sein Unternehmen sei ein Betrieb, in welchem Filme gezeigt würden, weshalb es sich um Filmvorführungen in einem "Kinobetrieb" handle, so verkennt er die Rechtslage. Unter "Kinobetrieb" ist nicht der Betrieb von Filmvorführungen gemeint, sondern die Filmvorführung in Lichtspieltheatern. Daß es sich bei den gegenständlichen Videokabinen um Lichtspieltheater im Sinne von Betriebsstätten nach § 4 Abs. 5 und 6 des Steiermärkischen Lichtspielgesetzes 1983, LGBl. Nr. 60, handle, wird vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer wendet sich auch dagegen, die Formulierung "Peepshow mit Vorführungen von Videofilmen" sei zu ungenau und irreführend, weil es sich bei der Peepshow um eine von der Vorführung von Videofilmen vollkommen getrennte Veranstaltung handle, für welche das Publikum auch gesondert zu zahlen habe. Die belangte Behörde habe möglicherweise deshalb genauere Feststellungen zu diesem Punkt unterlassen, weil sie die (irrige) Rechtsansicht vertreten habe, es käme § 3 Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 zur Anwendung.

Ob dies in Ansehung der diesbezüglichen - aber nur hilfsweisen - Begründungsdarlegungen des angefochtenen Bescheides zutrifft, kann im Beschwerdefall dahinstehen:

Aus dem im Akt erliegenden Werbematerial ist unschwer zu erkennen, daß es sich bei den in den Videokabinen vorgeführten Filmen um sogenannte Sexfilme handelte. In diesem Sinne geht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof auch von einer (sachlich) nicht gerechtfertigten höheren Besteuerung von Sexfilmen in Videokabinen aus.

Wenn nun in der beispielhaften Aufzählung des § 5 Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 u.a. auf Peep-Shows Bezug genommen wurde, so wurde damit ein lustbarkeitsabgabepflichtiger Tatbestand genannt, der auf die sexuelle Stimulation zielende Zurschaustellung einer nackten Frau, die gegen Geldeinwurf durch das Guckfenster einer Kabine betrachtet werden kann (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Mannheim 1980), abgestellt ist. Daß die Vorführung von Sexfilmen in Videokabinen diesem Tatbestand wesensverwandt oder zumindest ähnlich ist, läßt sich nicht ernstlich bestreiten. Besteht der Unterschied doch lediglich darin, daß die auf die sexuelle Stimulation zielende Zurschaustellung des menschlichen Körpers nicht "live" sondern durch Vorführung eines Videofilms erfolgt. Die belangte Behörde hat daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie - offenkundig unter dem Begriff "Video-Peep-Shows" - die Vorführung von Sexfilmen in Videokabinen unter § 5 Grazer Lustbarkeitsabgabeverordnung 1987 subsumierte. Derart wird ein entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel nicht mit der Beschwerderüge aufgezeigt, der Sachverhalt hätte einer Ergänzung bedurft, nämlich dahin, ob der "Betrieb einer Peepshow mit Vorführungen von Videofilmen" als eine Veranstaltung anzusehen sei oder ob hier zwei voneinander rechtlich auseinanderzuhaltende Veranstaltungen vorlägen.

Da es nicht als rechtswidrig zu erkennen ist, daß die belangte Behörde (auch) die gegenständlichen (Sex-)Filmvorführungen in Videokabinen dem § 5 Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 unterstellte, ist es entbehrlich, auf das Beschwerdevorbringen einzugehen, soweit es sich auf die hilfsweisen Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid in Ansehung der Zusammenrechnungsregel des § 3 Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 bezieht.

Soweit hinsichtlich des Säumniszuschlages in der Beschwerde ein mangelndes Verschulden des Beschwerdeführers geltend gemacht wird, so genügt der Hinweis, daß im Grunde der §§ 165 ff Stmk. LAO die Pflicht zur Entrichtung eines Säumniszuschlages jeden trifft, der - gleichgültig ob ein Verschulden vorliegt - eine Abgabe bis zum Fälligkeitstag nicht entrichtet und ein Ansuchen um Zahlungserleichterung nicht rechtzeitig eingebracht hat (vgl. zur diesbezüglich inhaltsgleichen Regelung der BAO etwa VfSlg. 9924/1984; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 29. November 1994, Zl. 94/14/0094, wonach der Gesetzgeber die Gründe, die zum Zahlungsverzug führen, im Anwendungsbereich des § 217 Abs. 1 erster Satz BAO als unmaßgeblich erachtet).

Soweit sich der Beschwerdeführer hinsichtlich des Verspätungszuschlages auf ein mangelndes Verschulden beruft, ist folgendes auszuführen:

§ 108 Stmk. LAO bestimmt:

"(1) Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, kann die Abgabenbehörde einen Zuschlag bis zu 10 % der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst errechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlichen Haftungspflichtigen obliegt.

(2) Die Anforderung eines Säumniszuschlages (§§ 166 ff) schließt die Festsetzung eines Verspätungszuschlages nicht aus."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur gleichartigen Norm des § 135 Abs. 1 BAO (sowie zu vergleichbaren Regelungen in anderen Landesabgabenordnungen) ist entschuldbar im Sinne dieser Gesetzesstelle eine Verspätung dann, wenn dem Abgabepflichtigen ein Verschulden nicht zugerechnet werden kann, d.h., wenn er die Versäumung der Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat. Unter Fahrlässigkeit ist hier auch leichte Fahrlässigkeit zu verstehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 1992, Zl. 88/17/0094).

Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen (vgl. nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 29. April 1992, und die dort angeführte weitere

hg. Rechtsprechung). Allerdings gilt, daß Rechtsunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen nur dann entschuldbar und als fahrlässig nicht zuzurechnen sind, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer acht gelassen wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang weiters hervorgehoben hat, liegt in der Unterlassung einer entsprechenden, den Umständen und persönlichen Verhältnissen nach gebotenen oder zumindest zumutbaren Erkundigung ein Verschulden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. November 1967, Zl. 275/67); dies gilt insbesondere bei selbständiger Erwerbstätigkeit und bei Tätigkeiten, die typischerweise mit Abgabenpflichten, und damit mit Erklärungspflichten verbunden sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Februar 1987, Zl. 85/17/0005, vom 22. Jänner 1988, Zl. 86/17/0258, sowie vom 29. April 1992, Zl. 88/17/0094).

Ausgehend von der dargestellten Verpflichtung, sich fachkundig informieren und beraten zu lassen, ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht, wenn er vorbringt, die Argumentation des in Beschwerde gezogenen Bescheides, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zielführend sei, weil er von einem Steuerberater vertreten gewesen sei, sei rechtlich verfehlt. Der Beschwerdeführer hat auf Verwaltungsebene (in der Berufung) behauptet, er müsse erst eine Abgabenerklärung abgeben, wenn ihm von der Behörde eine entsprechende Steuernummer zugeteilt sei; in diesem Sinne habe ihn auch sein Steuerberater "bestärkt".

Die belangte Behörde hat nun die Rechtslage insofern verkannt, als sie die Aufklärung des Sachverhaltes in der Richtung für entbehrlich hielt, welche Rechtsbelehrungen (Ratschläge), mit welchen Begründungen der Beschwerdeführer von seinem Steuerberater erhielt. Erst auf Grund eines solcherart ergänzten Sachverhaltes ließe sich beurteilen, ob beim Beschwerdeführer - mit der von einer Person seiner Stellung zu erwartenden Gewissenhaftigkeit - an der Richtigkeit der Anschauung seines Ratgebers weder ernstliche Zweifel auftauchten, noch solche bei ihm in Anbetracht der von ihm zu prästierenden Kenntnisse auftauchen müßten (vgl. in diesem Sinne etwa das hg. Erkenntnis vom 15. April 1983, Zl. 82/17/0151).

Die Vorschreibung eines Verspätungszuschlages erweist sich

daher schon aus diesem Grund als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid ist aber auch noch mit einer weiteren - in der Beschwerde nicht geltend gemachten - Rechtswidrigkeit belastet:

Mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, VfSlg. 13651, hat der Verfassungsgerichtshof das Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz 1950, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 38, als verfassungswidrig aufgehoben. Er hat gleichzeitig ausgesprochen, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten und das aufgehobene Gesetz nicht mehr anzuwenden ist.

Der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes schließt die Anwendung des aufgehobenen Gesetzes auch im vorliegenden Beschwerdefall aus (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. N.F. Nr. 9994/A). Die diesbezüglichen Bestimmungen der Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 haben durch die Aufhebung des Gesetzes jedenfalls ihre Anwendbarkeit verloren (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1994, Zl. 94/17/0438, unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 20. März 1981, Slg. N.F. Nr. 10.400/A).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher auch deshalb als inhaltlich rechtswidrig, weil mit ihm im Instanzenzug die Lustbarkeitsabgabe INKLUSIVE 20 % KRIEGSOPFERZUSCHLAG festgesetzt wurde und der Ausspruch über die Festsetzung des Zuschlages von jenem über die Festsetzung der Abgaben nicht trennbar ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1992170286.X00

Im RIS seit

17.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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