TE Vwgh Beschluss 2023/2/16 Ra 2023/03/0009

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Veröffentlicht am 16.02.2023
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Index

27/04 Sonstige Rechtspflege
40/01 Verwaltungsverfahren
64/05 Sonstiges besonderes Dienstrecht und Besoldungsrecht

Norm

AVG §17
AVG §56
RechtspraktikantenG 1987 §8 Abs2
RStDG §12 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der MMag. C S in W, vertreten durch Mag. Dr. Maria Lisa Aidin, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Paracelsusstraße 27, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2022, Zl. W195 2256300-1/5E, betreffend Akteneinsicht in einen anlässlich der Gerichtspraxis gebildeten Personalakt (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - in Bestätigung eines Bescheides der Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien vom 7. April 2022 - den Antrag der Revisionswerberin auf Einsicht in den sie betreffenden, anlässlich ihrer Gerichtspraxis beim Oberlandesgericht Wien gebildeten Personalakt (§ 520 Abs. 1 Z 2 Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz - Geo.) zurück und erklärte eine Revision dagegen für nicht zulässig.

2        Dazu stellte es zunächst fest, dass die Revisionswerberin ihre Gerichtspraxis nach dem Rechtspraktikantengesetz (RPG) im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien absolviert habe, wobei sie die Übernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst nicht angestrebt habe. Ein Dienstverhältnis zum Bund habe nicht bestanden und bestehe nicht.

3        In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht, dass es sich beim Einsichtsantrag der Revisionswerberin zwar um eine Justizverwaltungssache gemäß § 11 Abs. 1 Z 35 Geo. handle. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei aber auf Grund der Generalklausel des Art. I EGVG auch in Verfahren vor den Justizverwaltungsbehörden grundsätzlich das AVG anzuwenden.

Auf § 17 AVG könne ein Anspruch der Revisionswerberin auf generelle Einsicht in ihren Personalakt jedoch nicht gestützt werden, weil diese Bestimmung ein Recht auf Akteneinsicht nur den Parteien einräume, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt sind; ohne ein solches Verfahren könne daher niemandem ein solches Recht zustehen. Das (verfahrensrechtliche) Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 Abs. 1 AVG setze daher den Bezug zu einem bestimmten, wenn auch allenfalls schon abgeschlossenen Verfahren voraus. Im Falle der Revisionswerberin liege weder ein aktuell anhängiges noch ein abgeschlossenes Verfahren vor der belangten Behörde vor.

Weiters könne sich zwar ein Recht auf Akteneinsicht (z.B. in den Personalakt) unabhängig von einem konkreten Verwaltungsverfahren aus anderen (z.B. dienstrechtlichen) Vorschriften ergeben. Jedoch gewähre § 8 Abs. 2 RPG iVm § 12 Abs. 2 Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG) lediglich ein Recht auf mündliche Auskunftserteilung über den wesentlichen Inhalt einer nach § 8 Abs. 2 RPG iVm § 12 Abs. 1 RStDG vorgenommenen Beurteilung des Ausbildungsstandes, nicht aber auf Abschriftnahme oder Kopienherstellung.

Ein Recht auf Akteneinsicht ergebe sich für die Revisionswerberin weiters weder aus den Bestimmungen des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), weil gemäß § 2 Abs. 4 RPG durch die Zulassung zur Gerichtspraxis und deren Ableistung kein Dienstverhältnis, sondern ein Ausbildungsverhältnis begründet werde, noch jenen des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG), weil dieses nach § 1 Abs. 3 PVG u.a. auf Rechtspraktikanten nicht anwendbar sei.

Soweit die Revisionswerberin in der Beschwerde vorbringe, die belangte Behörde habe durch die Verweigerung der Akteneinsicht auch das Auskunftspflichtgesetz sowie das Auskunftsrecht nach § 44 Abs. 1 Datenschutzgesetz (DSG) verletzt, sei ihr zu entgegnen, dass Gegenstand des bekämpften Bescheides ausschließlich ein Antrag auf Akteneinsicht in den Personalakt und nicht auf Erteilung einer Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz oder dem DSG gewesen sei. Ein im Beschwerdeverfahren vorgebrachtes Begehren, welches den Gegenstand des angefochtenen Verfahrens überschreite, liege außerhalb der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens und könne den zulässigen Beschwerdegegenstand nicht erweitern. Im Übrigen sei (näher begründet) weder die Auskunftspflicht nach dem Auskunftspflichtgesetz noch das Auskunftsrecht nach § 44 Abs. 1 DSG geeignet, eine Akteneinsicht durchzusetzen.

4        Eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf das Erfordernis der Effizienz und Ökonomie entfallen können, weil in der Beschwerde auf der Sachverhaltsebene nichts Entscheidungsrelevantes vorgebracht, sondern vor allem die rechtliche Beurteilung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalts gerügt worden sei. Eine Erörterung mit den Parteien sei daher nicht erforderlich gewesen.

5        Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG mit Beschluss vom 28. November 2022, E 2939/2022-5, ablehnte und gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In seiner Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Beschwerde die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten rüge. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob für Rechtspraktikanten neben dem Recht auf Auskunft nach § 8 Abs. 2 RPG iVm § 12 Abs. 2 RStDG ein Recht auf Einsicht in den Personalakt bestehe, nicht anzustellen.

6        Daraufhin wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision unterbreitet unter der Überschrift „Zum Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG und § 25a VwGG mit zugleich erstatteter Ausführung der Revisionsgründe hierzu“ das nach § 28 Abs. 3 VwGG erforderliche Zulässigkeitsvorbringen kaum unterscheidbar vermengt mit den Ausführungen zu den Revisionsgründen. Damit liegt keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vor, weshalb die Revision schon aus diesem Grund als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 14.7.2021, Ra 2021/04/0109, mwN).

9        Im Übrigen zeigt die Revision aber auch inhaltlich nicht auf, dass sie von der Beantwortung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge. Dazu im Einzelnen:

10       So entspricht die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach ein auf § 17 AVG gestützter Antrag auf Akteneinsicht das Vorliegen eines konkreten - etwa auf Bescheiderlassung zielenden - Verwaltungsverfahrens nach dem AVG erfordert, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 25.9.2017, Ra 2017/02/0149, und 28.3.2008, 2007/02/0325, zur Einsicht in einen Verordnungsakt sowie VwGH 24.3.1999, 96/12/0152, zur „generellen“ Einsicht in einen Personalakt ohne Bezug zu einem konkreten Verfahren).

11       Weiters ergibt sich aus der insofern eindeutigen und klaren Regelung des § 12 Abs. 2 RStDG iVm § 8 Abs. 2 RPG, dass einer Rechtspraktikantin oder einem Rechtspraktikanten lediglich mündliche Auskünfte über den wesentlichen Inhalt der über sie oder ihn verfassten Beurteilungen zu erteilen sind. Ein darüber hinausgehendes Recht auf Einsicht in diese oder weitere Aktenstücke des Personalaktes wird mit diesen Bestimmungen gerade nicht eingeräumt.

12       Die Revision bestreitet dies nicht und nennt auch keine andere ausdrückliche Rechtsgrundlage für die von ihr begehrte Akteneinsicht. Sie argumentiert vielmehr im Wesentlichen damit, dass im Vergleich zu den Rechten von Beamten und Vertragsbediensteten eine gleichheitswidrige, gegen Art. 7 B-VG verstoßende Rechtslage bestehe, sodass eine „analoge Anwendung bestehender Rechtsvorschriften“ erforderlich sei. Diesbezüglich ist sie darauf zu verweisen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 28. November 2022 zum Ausdruck gebracht hat, dass er die verfassungsrechtlichen Bedenken der Revisionswerberin nicht teilt.

13       Die Revision bringt weiters zwar vor, die belangte Behörde habe im Hinblick auf die Führung eines elektronischen Personalaktes das (erkennbar gemeint: datenschutzrechtliche) Auskunftsrecht der Revisionswerberin verletzt. Sie tritt aber der diesbezüglichen Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach die Revisionswerberin eine derartige Auskunft von der belangten Behörde vor Erlassung des bekämpften Bescheides nicht verlangt habe und die Behauptung einer solchen Rechtsverletzung damit außerhalb der Sache des Beschwerdeverfahrens liege, nicht argumentativ entgegen.

14       Das Revisionsvorbringen, es stehe die unzulässige Bildung eines „zweiten Personalaktes“ oder Teilaktes im Raum, weil es angeblich als ausgeschlossen anzusehen sei, dass die belangte Behörde dem Verwaltungsgericht den gesamten Personalakt vorgelegt habe, bleibt einerseits rein spekulativ, anderseits fehlt ihm jede erkennbare Relevanz für den Entscheidungsgegenstand des Verwaltungsgerichtes und damit auch für das Revisionsverfahren.

15       In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt die Revisionswerberin, sie sei weder durch das Verwaltungsgericht von der Vorlage der Beschwerde samt Verwaltungsakt informiert worden, noch sei ihr das Vorlageschreiben der belangten Behörde zur Kenntnisnahme und allfälligen Gegenäußerung übermittelt worden. Sie legt aber weder dar, welche Verfahrensvorschrift damit verletzt bzw. von welcher Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen worden sein soll, noch, inwiefern das Verwaltungsgericht andernfalls im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG zu einem anderen Erkenntnis hätte kommen können.

16       Zuletzt macht die Revision geltend, dass das Verwaltungsgericht nicht von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen. Das Verwaltungsgericht hat dies fallbezogen mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 VwGVG begründet. Der Revision gelingt es mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen - es wäre im Zuge der Verhandlung hervorgekommen, dass entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes ein konkretes, näher bezeichnetes Verwaltungsverfahren geführt worden sei - nicht darzulegen, dass diese Beurteilung fehlerhaft gewesen wäre:

17       So trifft es zwar zu, dass die belangte Behörde - entgegen den Annahmen des Verwaltungsgerichtes - im Jahr 2019 unter dem Aktenzeichen des Personalaktes der Revisionswerberin ein Verwaltungsverfahren nach dem RPG (und damit dem AVG) geführt hat, das zur Abweisung ihres (ersten) Antrags auf Zulassung zur Gerichtspraxis mit Bescheid vom 29. November 2019 geführt hat. Daher steht ihr auch nach § 17 AVG das Recht auf Akteneinsicht in die dieses Verfahren betreffenden Aktenteile zu. Eine solche wurde ihr im Hinblick auf dieses Verfahren auch - wie die Revision selbst betont - bereits am 30. Dezember 2019 gewährt. Ein Recht auf Einsicht in den gesamten Personalakt als solchen - wie von der Revisionswerberin im gegenständlichen Fall beantragt - lässt sich damit jedoch nicht begründen.

18       Die Frage, ob unter dem Aktenzeichen des Personalaktes der Revisionswerberin (auch) ein Verwaltungsverfahren geführt wurde, erweist sich damit für das Bestehen des Rechtes auf Akteneinsicht in den (gesamten) Personalakt als nicht relevant und konnte daher auch nicht die Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung begründen.

19       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 16. Februar 2023

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023030009.L00

Im RIS seit

14.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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