TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/14 95/08/0172

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Veröffentlicht am 14.11.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §5;
AlVG 1977 §1 Abs4;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §26 Abs4 lite;
AlVG 1977 §32a Abs2;
AlVG 1977 §71 Abs2;
AlVGNov 1993 Art1 Z21;
ASVG §49 Abs1;
MRK Art7;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der A in U, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in R, gegen den auf Grund eines Beschlusses des zuständigen Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des AMS OÖ vom 4. Mai 1995, Zl. B1-AlV-7022-1-B/3935 110460/Ried, betr Widerruf und Rückforderung von Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben, soweit darin die Berufung gegen Spruchpunkt 4 des erstinstanzlichen Bescheides (Verhängung eines Zuschlages zum Karenzurlaubsgeld) abgewiesen wurde.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die bis 7. September 1992 als Servierkraft im Betrieb ihres Ehegatten beschäftigt gewesene Beschwerdeführerin bezog im Zusammenhang mit der am 29. Oktober 1992 erfolgten Geburt ihrer Tochter u.a. vom 30. Dezember 1992 bis 30. September 1994 Karenzurlaubsgeld. Im Antragsformular wurde zu Punkt 4 ("Ich stehe derzeit in Beschäftigung. Wenn ja, Art der Tätigkeit ... (z.B. Dienstnehmer, Hausbesorger, Mitarbeiter im Familienbetrieb, Geschäftsführer")) mit Nein beantwortet. In einer mit 28. Oktober 1994 datierten "Veränderungsmeldung" teilte die Beschwerdeführerin dem Arbeitsamt folgendes mit:

"Ich habe während meines Karenzurlaubes (Anfang 1993) eine geringfügige Beschäftigung bei meinem Gatten (Gasthaus) aufgenommen. Aushilfs-LBes sende ich umgehend nach. Eine Meldung ist irrtümlich nicht erfolgt."

Nach der im Akt liegenden "Lohnbescheinigung für Aushilfsarbeiten" bestätigt der Ehegatte der Beschwerdeführerin als Dienstgeber, daß diese vom 1. Jänner 1993 bis 30. April 1994 als Servierkraft (Arbeiterin) mit einem Monatslohn von S 3.000,-- gleichbleibend bis 30. April 1994 "zwei Tage zehn Stunden" in der Woche beschäftigt gewesen sei. Nach einer weiteren Lohnbescheinigung war die Beschwerdeführerin daran anschließend vom 1. Mai 1994 bis 29. Oktober 1994 als Servierkraft (Arbeiterin) im Betrieb ihres Ehegatten zwei Tage, zehn Stunden in der Woche zu einem Monatslohn von S 3.100,-- beschäftigt.

Das Arbeitsamt hat die Beschwerdeführerin am 27. Dezember 1994 einvernommen, wobei sie ausweislich in der Niederschrift u.a. folgendes angab:

"Ich war während meines Karenzurlaubsgeldbezuges im Betrieb meines Gatten, welcher eine Gastwirtschaft ... führt, aushilfsweise beschäftigt und zwar je nach Arbeitsanfall in der Küche als Köchin oder in der Gaststube als Serviererin und Schankhilfe. Genaue Uhrzeiten kann ich nicht anführen, da ich diesbezüglich keinerlei Aufzeichnung führte. Ich wurde bei Bedarf von der angestellten Kellnerin, welche während meines Karenzurlaubsgeldbezuges ganztägig in der Gaststube als Serviererin beschäftigt war, zur Aushilfe gerufen. Die Serviererin ... war auch bei Bedarf in der Küche als Köchin tätig. Eine fix angestellte Küchenkraft war nicht vorhanden, da ich jede Tätigkeit bei Bedarf und Arbeitsanfall erledigt habe. Den Umfang der Tätigkeit in einem Monat kann ich, da ich wie bereits angeführt keine Aufzeichnung führe, nicht mehr genau angeben. Bei Bedarf war ich etliche Stunden in der Gastwirtschaft tätig. Manchmal war ich mehrere Tage überhaupt nicht beschäftigt. Eine Schätzung zur geringfügigen Aushilfe liegt bei der Gebietskrankenkasse vor. Ein Stundenlohn wurde nicht ausgemacht, sondern nur eine fixe monatliche Pauschale von ca. S 3.000,--. Die Kellnerin wurde mit einem monatlichen Fixlohn beschäftigt. Die Höhe des Lohnes von ihr ist mir nicht bekannt, weil die Lohnverrechnung zwischen meinem Gatten (und dem Steuerberater) abgewickelt wird. Das monatliche Einkommen, welches ich vor meinem Antritt des Karenzurlaubes erhalten habe, weiß ich heute nicht mehr, es müßte einige Prozente niedriger als im Antrag der Wiedereinstellungsbeihilfe angeführt, gewesen sein. Als ich noch hauptberuflich im Betrieb des Gatten tätig war, wurde bei erhöhtem Arbeitsanfall und Veranstaltung Angehörige (Eltern) zur Aushilfe angefordert. (Eine Aushilfe) war jedoch regelmäßig stundenweise ... vor meinem Antritt des Karenzurlaubes beschäftigt. Bei Antritt des Karenzurlaubes wurde (eine andere Kraft) fix als Ganztagskraft eingestellt. (Die Aushilfskraft) hat ihre Aushilfe mit diesem Tag beendet. Seit 1. November 1994 bin ich wieder ganztägig im Betrieb des Gatten beschäftigt. Mein Gatte hilft wie bisher am Abend und an seinen freien Tagen im Gastbetrieb mit.

...

Die aushilfweise Tätigkeit im Betrieb des Gatten wurde von mir während des ganzen Karenzurlaubes im Umfang wie angeführt, erledigt."

Nach Einvernahme des Ehegatten der Beschwerdeführerin, der deren Angabe im wesentlichen bestätigte, wurde mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Ried, Regionalgeschäftsstelle, vom 17. Februar 1995 gemäß § 29 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 24, 25 Abs. 1, 32a Abs. 2 und § 26 Abs. 4 lit. a des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, AlVG 1977, BGBl. Nr. 609/1977 in geltender Fassung, das Karenzurlaubsgeld ab 1. Oktober 1994 eingestellt (Spruchpunkt 1), die Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes für die Zeit vom 30. Dezember 1992 bis 30. September 1994 widerrufen (Spruchpunkt 2), das im genannten Zeitraum zu Unrecht bezogene Karenzurlaubsgeld in der Höhe von S 157.469,-- rückgefordert (Spruchpunkt 3) und die Beschwerdeführerin zur Zahlung eines Zuschlages zum rückgeforderten Karenzurlaubsgeld in der Höhe von S 33.934,-- verpflichtet (Spruchpunkt 4). Nach der Begründung dieses Bescheides bestimme Punkt 5 lit. a des anzuwendenden Kollektivvertrages für das Gastgewerbe, daß Arbeitnehmer, die kürzer als die wöchentliche Normalarbeitszeit beschäftigt seien (Teilzeitbeschäftigung) nicht unter vier Stunden pro Tag entlohnt werden dürften. Nach Punkt 5 lit. c des besagten Kollektivvertrages gebühre Teilzeitbeschäftigten für die ersten vier Stunden pro Arbeitstag ein Stundenlohn von mindestens S 60,--. Die Beschwerdeführerin hätte daher monatlich zumindest einen Entgeltanspruch in der Höhe von S 5.196,-- gehabt. Dieser Betrag übersteige die Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 Ab. 2 lit. a bis c ASVG, die 1992 monatlich S 2.924,--, 1993 monatlich S 3.102,-- und 1994 monatlich S 3.288,-- betragen hätten. Die Zuerkennung von Karenzurlaubsgeld sei daher zu Unrecht erfolgt und zu widerrufen gewesen. Da die Geringfügigkeitsgrenze auch im Oktober 1994 überschritten worden sei, sei der Bezug des Karenzurlaubsgeldes ab 1. Oktober 1994 einzustellen gewesen. Da die Beschwerdeführerin erst am 20. Oktober 1994 die Tatsache ihrer Beschäftigung gemeldet habe, liege der in § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG genannte Rückforderungsgrund des Verschweigens maßgebender Tatsachen vor. Es sei somit das unberechtigt empfangene Karenzurlaubsgeld in der Zeit vom 30. Dezember 1992 bis 30. September 1994 im Gesamtausmaß von S 157.469,-- zurückzufordern gewesen. Nach Anhörung des Regionalbeirates sei die Geschäftsstelle zur Überzeugung gelangt, daß im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin mitzuversorgenden vier Kinder lediglich ein Zuschlag zur Rückforderung in der Höhe von 50 % des ab 1. Jänner 1994 (des Zeitpunktes des Inkrafttretens des § 32a Abs. 2 AlVG) rückgeforderten Karenzurlaubsgeldbezuges, das seien S 33.934,-- zu verhängen gewesen sei, um soziale Härten zu vermeiden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie - zusammengefaßt - vorbrachte, daß sie wesentlich weniger Stunden im Betrieb ihres Ehegatten gearbeitet hätte, als die Behörde annehme. Die Feststellung, sie hätte wöchentlich an fünf Tagen mit einem Arbeitsausmaß von ein bis zwei Stunden als Servierkraft gearbeitet, sei verfehlt und realitätsfern. Außer Diskussion müsse auch die Höhe des ausbezahlten Entgelts von monatlich S 3.000,-- bzw. S 3.100,-- bleiben. Sie habe daher im Sinne des § 26 Abs. 4 lit. a AlVG "nur ein Entgelt erhalten (= erzielt), welches die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG genannten Beträge nicht überstiegen hat". Es komme nicht auf ein "beanspruchtes, sondern erzieltes Entgelt" an. Überdies sei die Tätigkeit ordnungsgemäß bei der Unfallversicherungsanstalt gemeldet worden, sodaß ein Verschweigen maßgeblicher Tatsachen nicht vorliege. Auch habe die Beschwerdeführerin nicht erkennen können, daß ihr der Karenzurlaubsgeldbezug nicht zustehen sollte. Damit fehle es an einer gesetzlichen Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung. Die Verhängung des Zuschlages gemäß § 32a Abs. 2 AlVG sei nur bei nachgewiesenem Vorsatz oder wenigstens grober Fahrlässigkeit möglich, wobei die Behörde den Nachweis zu erbringen habe. Der bloße Hinweis auf einen Irrtum genügte keineswegs.

Mit Bescheid vom 4. Mai 1995 hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht Folge gegeben. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Hinweisen auf die von der belangten Behörde angewendeten Rechtsvorschriften begründete die belangte Behörde diesen Bescheid im wesentlichen damit, daß - ungeachtet des tatsächlichen Ausmaßes der Beschäftigung der Beschwerdeführerin im Gastgewerbebetrieb ihres Ehegatten - der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe unter Punkt 5 (Teilzeitbeschäftigung) lit. a vorsehe, daß Arbeitnehmer, die kürzer als die wöchentliche Normalarbeitszeit beschäftigt würden, nicht unter vier Stunden pro Tag entlohnt werden dürften. Gemäß Punkt 5 lit. c dieses Kollektivvertrages gebühre solchen Teilzeitbeschäftigten für die ersten vier Stunden pro Arbeitstag ein Stundenlohn von mindestens S 60,--, wobei ab 1. Jänner 1994 der Stundenlohn S 64,-- betrage und ab 1. November 1992 die mindeste kollektivvertragliche Entlohnung von S 10.000,-- zu beachten sei. Ein betriebsfremder teilzeitbeschäftigter Dienstnehmer hätte sohin ab 1. November 1992 Anspruch auf mindestens S 57,80 brutto pro Stunde gehabt, ab 1. Mai 1993 auf S 60,-- brutto pro Stunde und ab 1. Mai 1994 auf S 64,-- brutto pro Stunde. Der monatliche Anspruchslohn betrage daher ab 1. November 1992 brutto monatlich mindestens S 5.005,--, ab 1. Mai 1993 brutto mindestens S 5.196,-- und ab 1. Mai 1994 brutto mindestens S 5.542,--. Damit habe der monatliche Anspruchslohn in jedem Jahr, das heißt für die gesamte Dauer des Karenzurlaubsgeldbezuges der Beschwerdeführerin, die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überstiegen, weshalb die Beschwerdeführerin vom Karenzurlaubsgeldbezug gemäß § 26 Abs. 3 lit. d in Verbindung mit dem § 26 Abs. 4 lit. e AlVG ausgeschlossen sei. Es sei nicht relevant, daß die Beschwerdeführerin tatsächlich lediglich S 3.000,-- bzw. S 3.100,-- monatlich an Entlohnung für ihre Tätigkeit erhalten habe, da Dienstgeber, für die der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe anzuwenden sei, kollektivvertraglich dazu verpflichtet seien, ihre Dienstnehmer kollektivvertraglich zu entlohnen. Da der Leistungsbezieher verpflichtet sei, den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis bzw. die Aufnahme einer Tätigkeit zu melden, auch wenn er annehme, daß das daraus erzielte Einkommen geringfügig sei, so liege in einer solchen Nichtmeldung der Rückforderungstatbestand der Verschweigung maßgebender Tatsachen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. April 1988, Zl. 88/08/0022). Eine solche Meldung habe die Beschwerdeführerin erst am 28. Oktober 1994 erstattet, weil die Beschwerdeführerin der Meinung gewesen sei, ohnehin nur geringfügig für ihren Gatten tätig zu sein und daher von dieser Meldung Abstand genommen habe. Am 28. Oktober 1994 habe sich schließlich der unberechtigte Karenzurlaubsgeldbezug herausgestellt. Der Rückforderungstatbestand sei damit erfüllt. Schließlich sei ein Zuschlag im Sinne des § 32a Abs. 2 AlVG dann zu verhängen, wenn trotz ausdrücklicher Befragung unter anderem das Bestehen von Dienst- bzw. Beschäftigungsverhältnissen verschwiegen würde. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Karenzurlaubsgeldantrag vom 12. Jänner 1993 die Frage "Ich stehe derzeit in Beschäftigung" verneint, obwohl sie laut ihren eigenen Angaben für die Dauer ihres Karenzurlaubes - also ab 30. Dezember 1992 - laufend bei ihrem Gatten tätig gewesen sei. Diese Angabe sei "daher von einer gravierenden Verschuldensform, welche vom Ausschuß für Leistungsangelegenheiten als grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 32a Abs. 2 AlVG beurteilt" werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 26 Abs. 3 lit. a und d AlVG haben Mütter, die in einem Dienstverhältnis stehen, sowie jene Mütter, die ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig sind, keinen Anspruch auf Karenzurlaubsgeld.

Gemäß § 26 Abs. 4 AlVG haben jedoch bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Mütter, die aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielen, das die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt, Anspruch auf Karenzurlaubsgeld; ebenso gemäß § 26 Abs. 4 lit. e AlVG, wenn sie ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig sind, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einer Dienstnehmerin ausgeübt, die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigen würde.

Dies bedeutet, daß die Mithilfe im Betrieb des Ehegatten vom Anspruch auf Karenzurlaubsgeld zwar ausschließt, diese Ausschlußwirkung jedoch (ausnahmsweise) nicht eintritt, wenn auch bei Bestehen eines Dienstverhältnisses kein Entgelt erzielt worden wäre, welches die genannten Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG übersteigt. Die belangte Behörde hat daher mit Recht geprüft, welchen Entgeltanspruch die Beschwerdeführerin im hier strittigen Zeitraum vom 30. Dezember 1992 bis 30. September 1994 gehabt hätte, wenn sie wie eine familienfremde Dienstnehmerin im Betrieb ihres Ehegatten in dem von ihr behaupteten Umfang beschäftigt gewesen wäre.

Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde im Zusammenhang mit der Frage, ob ihr im strittigen Zeitraum Karenzurlaubsgeld zustand, ausschließlich gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde, der Prüfung dieser Frage nicht das tatsächlich bezogene (wie die Beschwerdeführerin meint: erzielte) Entgelt zugrunde zu legen, sondern den sogenannten "Anspruchslohn", d.h. jenes Entgelt, auf welches ein Dienstnehmer nach den in Betracht kommenden arbeitsrechtlichen Vorschriften Anspruch gehabt hätte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist - dieser Argumentation zuwider - der Begriff des Entgelts in § 12 Abs. 6 lit. a AlVG (diese Bestimmung regelt in gleichartiger Weise den Ausschluß vom Arbeitslosengeld) im Sinne des Entgeltbegriffes des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu verstehen. Dies legt nicht nur die ausdrückliche Bezugnahme auf § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG nahe, sondern entspricht auch dem bestehenden engen Konnex zwischen der Arbeitslosenversicherungspflicht und der Krankenversicherungspflicht nach dem ASVG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. November 1986, Slg. Nr. 12298/A, sowie aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0250, 0278). Im Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 95/08/0106, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Auffassung auch auf § 26 Abs. 4 lit. a AlVG (und nichts anderes kann daher auch für die Bestimmung des § 26 Abs. 4 lit. e AlVG gelten) übertragen.

Der in diesem Zusammenhang daher jedenfalls maßgebende § 49 Abs. 1 ASVG stellt auf den sogenannten Anspruchslohn ab, also auf jenen Lohn, auf den der einzelne Dienstnehmer Anspruch hat. Dies ist in jenen Fällen, in denen kollektivvertragliche Vereinbarungen in Betracht kommen, zumindest das nach diesen Vereinbarungen den Dienstnehmern zustehende Entgelt. Daß ein Lohnteil, der dem einzelnen Dienstnehmer zusteht, tatsächlich nicht ausbezahlt wird, ist dabei nicht von Bedeutung (vgl. neuerlich die bereits erwähnten Erkenntnisse vom 13. November 1986, Slg. Nr. 12298/A, vom 27. März 1990,

Zlen. 89/08/0250, 0278, und vom 5. September 1995, Zl. 95/08/0106).

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe unter den genannten Voraussetzungen auf ein Dienstverhältnis zu ihrem Ehegatten anzuwenden gewesen wäre. Die belangte Behörde hat daher die Bestimmung des Punkt 5 lit. a dieses Kollektivvertrages, wonach Arbeitnehmer, die kürzer als die wöchentliche Normalarbeitszeit beschäftigt werden, nicht unter vier Stunden pro Tag entlohnt werden dürfen, ihrer rechtlichen Beurteilung zu Recht zugrunde gelegt. Davon ausgehend übersteigt aber der Anspruchslohn eines Dienstnehmers gleichartiger Tätigkeit die für 1992 bis 1994 in Geltung gestandenen Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 Abs. 2 ASVG bei weitem.

Unzutreffend ist die Auffassung der Beschwerdeführerin, ihr monatlicher Entgeltanspruch sei "mit gerichtlichem Vergleich mit S 3.000,-- bzw. S 3.100,-- rechtskräftig festgestellt" worden. Abgesehen davon, daß diese erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgestellte Behauptung gegen das aus § 41 VwGG ableitbare Neuerungsverbot verstößt, ist aus der vorgelegten Niederschrift des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 7. März 1995 lediglich zu entnehmen, daß darin die Tatsache der Beschäftigung der Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum mit einem Bruttolohn von S 3.000,-- und ab 1. Mai 1994 mit S 3.100,-- "festgestellt" wird, von den gegenseitigen Rechtsansprüchen aus diesem Beschäftigungsverhältnis hingegen in diesem Vergleich keine Rede ist. Es kann daher offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen die Behörde gegebenenfalls an einen solchen Vergleich gebunden wäre. Die belangte Behörde hat daher bereits aus den genannten Gründen zu Recht die Zuerkennung von Karenzurlaubsgeld für die Zeit vom 30. Dezember 1992 bis 30. September 1994 widerrufen.

Die belangte Behörde hat das Karenzurlaubsgeld aber auch zu Recht gemäß § 25 Abs. 1 AlVG rückgefordert: Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antrag auf Karenzurlaubsgeld vom 12. Jänner 1993 in Kenntnis des Umstandes, daß sie zu diesem Zeitpunkt bereits im Betrieb ihres Ehegatten mitgearbeitet hat, die Frage nach einer derzeitigen Beschäftigung verneint, obgleich in der Rubrik nach der Art der Tätigkeit ausdrücklich "Mitarbeiter im Familienbetrieb" als Beispiel angegeben ist. Damit hat die Beschwerdeführerin einen für den Bezug von Karenzurlaubsgeld bedeutsamen Umstand verschwiegen. Auch die Rückforderung des zu Unrecht bezogenen Karenzurlaubsgeldes erfolgte daher zu Recht.

Mit Recht wendet sich die Beschwerdeführerin jedoch gegen den von der belangten Behörde verhängten Zuschlag zum rückgeforderten Karenzurlaubsgeld im Sinne des § 32a Abs. 2 AlVG in der Fassung der Novellen BGBl. Nr. 817/1993 und BGBl. Nr. 314/1994: Danach hat die regionale Geschäftsstelle Beziehern bzw. Bezieherinnen von Karenzurlaubsgeld, die grob fahrlässig oder vorsätzlich unwahre Angaben gemacht oder maßgebliche Tatsachen verschwiegen und dadurch zu Unrecht Karenzurlaubsgeld bezogen haben, unbeschadet der Bestimmungen des § 25 einen Zuschlag in der Höhe des zu Unrecht bezogenen Karenzurlaubsgeldes zur Zahlung vorzuschreiben. Im Falle außergewöhnlicher sozialer Härten kann die Höhe dieses Zuschlages gesenkt werden. Diese Bestimmung trat gemäß Art. I Z. 21 der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 am 1. Jänner 1994 in Kraft. Sie hat Strafcharakter (so auch ausdrücklich die Erläuterungen zum Initiativantrag im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 1332 Blg sten. Prot. NR XVIII. GP, S. 2 Anm. zu Z. 18) und knüpft - ähnlich einem Straftatbestand - an grob fahrlässig oder vorsätzlich gemachte unwahre Angaben bzw. an die Verschweigung maßgeblicher Tatsachen an und ist daher in zeitlicher Hinsicht nur auf jene (derartigen) Sachverhalte anzuwenden, die sich nach ihrem Inkrafttreten ereignet haben: Dies ergibt sich aus dem im § 5 ABGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsatz, daß Gesetze nicht zurückwirken (jedenfalls nicht im Zweifel vgl. EvBl. 1972/218 und Bydlinski in Rummel I2, RdZ. 2 zu § 5) und unabhängig davon, ob auf die vorliegende Regelung ungeachtet dessen, daß es sich nicht um Verwaltungsstrafrecht im formellen Sinne handelt (vgl. hingegen § 71 Abs. 2 AlVG) auch Art. 7 MRK anzuwenden wäre. Soweit daher die belangte Behörde die Verhängung eines Zuschlages im Sinne des § 32a Abs. 2 AlVG an die unrichtige Angabe im Antragsformular vom 12. Jänner 1993 (das heißt vor dem Inkrafttreten des § 32a AlVG) knüpft, hat sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Entgelt Begriff Anspruchslohn Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995080172.X00

Im RIS seit

18.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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