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E3R E19104000Norm
VwGG §30 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2022, Zl. W240 2254087-1/6E, betreffend Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (mitbeteiligte Partei: H, geboren 2002, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antragstattgegeben.
Begründung
1 Mit Bescheid der revisionswerbenden Behörde, des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), vom 1. April 2022 wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, gegen den Mitbeteiligten die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung nach Bulgarien zulässig sei.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß § 21 Absatz 3 erster Satz BFA-VG statt, ließ „das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz“ zu und behob den bekämpften Bescheid. Zudem sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des BFA. Nachträglich stellte das BFA einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Zur unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Interessen macht das BFA zusammengefasst geltend, nach Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO, die während des Revisionsverfahrens ablaufen könnte, werde Österreich als der um Aufnahme ersuchende Mitgliedstaat für die Führung des Asylverfahrens nach der Dublin III-VO zuständig. Es bestehe daher die Gefahr, dass die Überstellungsfrist vor einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ablaufe, was der Revision jegliche Effektivität nehmen würde. Dagegen würde bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Überstellungsfrist mit der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache neu zu laufen beginnen. Die rechtlichen Interessen des Mitbeteiligten seien nur beschränkt berührt, zumal keine aufrechte aufenthaltsbeendende Maßnahme bestehe.
4 Gemäß § 30 Abs. 1 erster Satz VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
5 Als „unverhältnismäßiger Nachteil für die revisionswerbende Partei“ ist im Fall einer Amtsrevision auch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung der angefochtenen Entscheidung in die Wirklichkeit zu verstehen. Insoweit treten diese öffentlichen Interessen im Falle einer Amtsrevision bei der vorzunehmenden Interessenabwägung an die Stelle jener Interessenlage, die sonst bei einem „privaten“ Revisionswerber als Interesse an dem Aufschub des sofortigen Vollzugs der angefochtenen Entscheidung in die Abwägung einfließt (vgl. VwGH 23.2.2022, Ra 2021/01/0409, mwN).
6 Im Hinblick auf die im Antrag auf aufschiebende Wirkung dargestellte Dringlichkeit und darauf, dass keine aufrechte aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht, wird von der Einholung einer Stellungnahme des Mitbeteiligten vor der Entscheidung über den Antrag abgesehen (vgl. etwa VwGH 19.8.2022, Ra 2019/18/0333).
7 Es ist nicht zu sehen, dass zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden. Es gibt auch keinen Hinweis dafür, dass im Rahmen der nach § 30 Abs. 2 VwGG vorzunehmenden Interessenabwägung von der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen wäre, weshalb dem Antrag des BFA stattzugeben war (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 23.2.2022, Ra 2021/01/0409, und VwGH 28.5.2021, Ra 2021/01/0127).
Wien, am 12. Dezember 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010222.L00Im RIS seit
13.03.2023Zuletzt aktualisiert am
13.03.2023