TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/31 LVwG-2022/12/0808-6

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Veröffentlicht am 31.01.2023
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Entscheidungsdatum

31.01.2023

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Kroker über die Beschwerde der AA, wohnhaft in Adresse 1, ***** Z, Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, **** Y, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 19.10.2021, Zl ***, betreffend die Festsetzung der Freizeitwohnsitzabgabe für das Jahr 2021 für die Wohnung Top 3 in der Adresse 3 in **** X, nach Erlassung der Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 07.03.2022, Zl ***, aufgrund des Vorlageantrages vom 16.03.2022,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 19.10.2021, Zl ***, wurde die von der Beschwerdeführerin für das Jahr 2021 zu entrichtende Freizeitwohnsitzabgabe für die Wohnung Top 3 in der Adresse 3 in **** X auf Basis einer Nutzfläche von 66,67 m2 nach §§ 1, 3, 4 und 5 des Tiroler Freizeitwohnsitzabgabengesetzes - TFWAG, LGBI Nr 79/2019 in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 1 lit c der Verordnung über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe der Gemeinde X, kundgemacht am 11.09.2019, mit dem Betrag von Euro 700,00 sowie ein Säumniszuschlag von 2 % in Höhe von Euro 14,00 festgesetzt.

Dagegen brachte die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist eine Beschwerde ein und brachte – zusammengefasst – begründend vor, der angefochtene Bescheid leide an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie an Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde finde seit dem 25.09.2020 überhaupt keine Nutzung der genannten Wohnung mehr statt, sodass kein Sachverhalt vorliege, der als solcher den Tatbestand der Abgabenpflicht nach dem Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz und des Beschlusses des Gemeinderates der Gemeinde X vom 11.09.2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe erfüllen würde. Da ausdrücklich auf die „Verwendung“ als Freizeitwohnsitz abgestellt werde, sei nicht nur die Freizeitwohnsitzeigenschaft als solche, sondern die tatsächliche Nutzung (= Verwendung) als Freizeitwohnsitz für die Abgabenpflicht ausschlaggebend. Letzter Aufenthaltstag eines Gastes in der Wohnung Top 3 im Objekt Adresse 3 in **** X sei der 25. September 2020 gewesen. Seitdem stehe die Wohnung leer. Eine Vermietung an Hauptwohnsitznehmer sei bis dato nicht zustande gekommen. Entscheidungswesentliche Beweise zur Frage, ob die Abgabenpflicht nach dem TWFAG erfüllt sei, seien nicht aufgenommen worden, sodass zentrale Feststellungen dazu im angefochten Bescheid fehlen würden. Darüber hinaus liege auch aufgrund der Widmung der Wohnung als Hauptwohnsitz kein Freizeitwohnsitz vor. Mangels Erfüllung eines Abgabentatbestandes nach dem TFWAG könne auch keine Säumnis bei der Erledigung der Abgabenpflicht eingetreten sein, weshalb auch der Säumniszuschlag zu Unrecht zur Zahlung vorgeschrieben worden sei. Von der Beantragung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde Abstand genommen, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits aus den Akten ergebe.

Aus den genannten Gründen wurden an das Landesverwaltungsgericht Tirol die Anträge gestellt, den angefochtenen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 19. Oktober 2021 ersatzlos zu beheben, in eventu gemäß Art 130 Abs 4 B-VG und § 28 Abs 3 VwGVG den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 07.03.2022 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde auf das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W vom 12.07.2021, GZ: ***, hingewiesen, mit dem die Beschuldigte rechtskräftig betreffend den Tatzeitraum vom 01.01.2014 bis 12.07.2021 wegen unzulässiger Nutzung des Wohnsitzes Adresse 3 Top 3 als Freizeitwohnsitz bestraft worden sei und wurde weiters ausgeführt, dass gemäß höchstgerichtlicher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen entfalte, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetze (VwGH 09.12.1992, 90/13/0281, 30.01.2001, 95/14/0043). Wenn also durch das oben genannte Straferkenntnis rechtskräftig über den Tatzeitraum vom 01.01.2014 bis 12.07.2021 abgesprochen worden sei, so ergebe sich daraus abgabenrelevant, dass der in Rede stehende Wohnsitz somit unter anderem auch zum 01.01.2021 als Freizeitwohnsitz in Verwendung gestanden sei. Ob dies tatsächlich der Fall gewesen sei, habe die Abgabenbehörde dabei nicht zu ermitteln oder zu hinterfragen, sondern seien für sie gemäß obiger Rechtsprechung ausschließlich die Feststellungen der Strafentscheidung maßgebend. Wenn die Abgabenschuldnerin nunmehr den Tatzeitraum wegen dem sie bestraft worden ist, im Abgabenverfahren nicht anerkennen wolle – wäre ihr die Bekämpfung dieser Feststellungen im Beschwerdeverfahren vor dem LVwG Tirol gegen den Strafentscheid offen gestanden. Tatsächlich sei von ihr bzw ihrem Rechtsvertreter aber die dagegen erhobene Beschwerde freiwillig in der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2021 zurückgezogen worden. Den Ausführungen in der Bescheidbeschwerde kommt daher insgesamt keine Berechtigung zu, weshalb sie als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

Mit fristgerecht eingebrachten Schriftsatz vom 16.03.2022 hat die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin den Antrag gestellt, die gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 19.10.2022 erhobene Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vorzulegen.

Begründend wurde nochmals darauf hingewiesen, die nunmehrige Abgabenvorschreibung wider besseres Wissen der Abgabenbehörde erfolge. Dieser sei bekannt und bewusst, dass über den 30.11.2020 hinaus keine weitere Vermietung der Wohnung Top 3 stattgefunden habe. Auch die von der belangten Behörde behauptete Bindungswirkung bestehe nicht. Insbesondere sei diese auch nicht aus den von der belangten Behörde zur Unterstützung ihrer Rechtsansicht angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 09.12.1992, 90/13/0281; 30.01.2001, 95/14/0043 = VwSIg 7578 F/2001) abzuleiten, da diese ausschließlich strafgerichtliche (justizielle) Verurteilungen das Verhältnis von Verwaltungsbehörde zum Strafgericht betreffen. In diesem - und nur in diesem - Fall (des Vorliegens einer strafgerichtlichen Verurteilung) leite der Verwaltungsgerichtshof unter Rückgriff auf das verfassungsrechtliche Prinzip der Gewaltenteilung eine Bindungswirkung ab, da es ansonsten unter Umständen zu einer Überprüfung und Änderung einer gerichtlichen Entscheidung durch eine Verwaltungsbehörde kommen würde. Das sei gegenständlich nicht der Fall. Aus abgabenrechtlicher Sicht liege gegenständlich schon mangels Tatbestandskongruenz bzw Tatbestandsgleichheit keine bindende Vorfragenentscheidung der Bezirkshauptmannschaft W vor. So bestehe Tatbestandsgleichheit insbesondere dann nicht, wenn, wie dies hier der Fall ist, das einschlägige Abgabengesetz wirtschaftliche Begriffe verwendet, während das TROG 2016 eine rein formalrechtliche Anknüpfung vornehme (vgl Ritz, BAO5 [2014] § 116, Rz 2). Die Abgabenbehörde hätte daher den entscheidungswesentlichen Sachverhalt selbst festzustellen gehabt, was von ihr aber rechtsirrig unterlassen worden sei.

Mit E-Mail des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 20.12.2022 wurde der belangten Behörde unter Vorhalt von näher angeführter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Möglichkeit eingeräumt, zur Frage der Bindungswirkung eines Straferkenntnisses einer Bezirkshauptmannschaft nochmals Stellung zu nehmen und wurde die belangte Behörde zudem aufgefordert bekannt zu geben, ob Ermittlungsergebnisse vorliegen, die auf die tatsächliche Verwendung der gegenständliche Wohnung als Freizeitwohnsitz im Jahr 2021 hinweisen.

Die belangte Behörde gab mit E-Mail vom 25.01.2023 bekannt, dass der Abgabenbehörde keine Ermittlungsergebnisse vorliegen, die eine Benützung bzw Verwendung des Wohnsitzes Adresse 3 Top 3 im Jahr 2021 dokumentieren. In diesem Zusammenhang werde die dieser Mail beigelegte Auskunft der Abteilung Tourismus vom 20.01.2023 zur Kenntnis gebracht. Der Wohnsitz Adresse 3 Top 3 sei nicht im Verzeichnis der Freizeitwohnsitze der Gemeinde X eingetragen. Es liege auch keine Ausnahmebewilligung als Freizeitwohnsitz vor. Seitens der Abteilung CC vom Amt der Tiroler Landesregierung wurde mitgeteilt, dass bis Oktober 2021 die Beschwerdeführerin mit einer Vermietung gemeldet gewesen sei, und es sei für Top 3 keine Freizeitwohnsitzpauschale entrichtet worden. Die letzte Gästemeldung sei im September 2020 erfolgt.

Mit Email vom 30.01.2023 wurde eine eidesstattliche Erklärung der Beschwerdeführerin vorgelegt, wonach sie seit dem 25.09.2020 die gegenständliche Wohnung weder an Dritte zu Ferienwohnzwecken vermietet noch diese durch sie selbst oder durch Familienmitglieder zu Ferienwohnzwecken genutzt habe. Die Wohnung sei seit dem 25.09.2020 unbewohnt und stehe als solche leer.

Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche weder von den Parteien beantragt, noch von der entscheidenden Richterin als erforderlich erachtet worden ist.

Sachverhalt:

Eigentümerin der Wohnung Top 3 in der Adresse 3 in **** X (Gst Nr **1, KG ***** X) ist DD aufgrund eines Kaufvertrages vom 22.01.2013. DD hat in Folge diese Wohnung an die Beschwerdeführerin verkauft. Der entsprechende Kaufvertrag wurde von DD am 12.03.2018 und von der Beschwerdeführerin am 27.03.2018 unterschrieben. Bislang wurde dieser Kaufvertrag im Grundbuch noch nicht eingetragen. Mangels Eintragung im Grundbuch ist DD nach wie vor die Eigentümerin der Wohnung. Tatsächlich nutzt die Beschwerdeführerin die Wohnung bereits seit 01.01.2015 aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit DD.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W vom 12.07.2021, ***, wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, dass sie zumindest im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 12.07.2021 die Wohnung Top 3, Adresse **** X, Adresse 3 anderen zur Verwendung als Freizeitwohnsitz überlassen hat, obwohl kein in § 13a Abs 1 lit a TROG 2016 angeführter Fall vorliegt, der eine rechtliche statthafte Nutzung der Wohnung zu Freizeitwohnsitzzwecken erlaubt. Wegen der Verwaltungsübertretung nach § 13a Abs 1 lit a zweiter Fall in Verbindung mit § 13 Abs 3 TROG 2016 wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von Euro 4000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt. Eine gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol wurde wieder zurückgezogen. Das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht wurde eingestellt.

Bei der gegenständlichen Wohnung handelt es sich um keinen genehmigten Freizeitwohnsitz.

Im Jahr 2021 wurde die Wohnung Top 3 in der Adresse 3 in X nicht mehr als Freizeitwohnsitz verwendet. Er wurde zu Freizeitwohnsitzzwecken weder vermietet noch von der Beschwerdeführerin selbst verwendet.

II.      Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Abgabenakt zu Zl *** und in den gegenständlichen Akt des Landesverwaltungsgerichts Tirol *** sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichts Tirol zu ***.

Die Eigentumsverhältnisse an der Wohnung Top in der Adresse 3 in X ergeben sich aus dem eingeholten Grundbuchsauszug. Dass die Wohnung Top 3 seit 01.01.2015 aufgrund einer Vereinbarung mit der Eigentümerin DD von der Beschwerdeführerin genutzt wird, geht aus dem Akt *** hervor.

Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W vom 12.07.2021, ***, liegt im Abgabenakt der belangten Behörde ein, ebenso der Einstellungsbeschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 07.10.2021, ***.

Dass der Wohnsitz Adresse 3 Top 3 nicht im Verzeichnis der Freizeitwohnsitze der Gemeinde X eingetragen ist und auch keine Ausnahmebewilligung als Freizeitwohnsitz vorliegt, folgt aus dem Schreiben der belangten Behörde vom 20.01.2023.

Nach dem Beschwerdevorbringen wurde die gegenständliche Wohnung im Jahr 2021 nicht mehr als Freizeitwohnsitz verwendet. Die belangte Behörde wurde aufgefordert Ermittlungsergebnisse, die auf eine Nutzung der Wohnung als Freizeitwohnsitz im Jahr 2021 schließen lassen, vorzulegen. Mit Schreiben vom 20.01.2023 hat die belangte Behörde mitgeteilt, dass keine solche Beweise vorliegen. Nach Auskunft der Abteilung CC war die Wohnung im Jahr 2021 zwar noch zur Vermietung gemeldet, allerding wurde die letzte Nächtigung im September 2020 gemeldet. Die Beschwerdeführerin hat zudem eidesstattlich erklärt, dass die Wohnung seit diesem Zeitpunkt weder von ihr noch Dritten als Freizeitwohnsitz genutzt werde, sondern leer stehe.

Beweise, dass die Wohnung im Jahr 2021 noch als Freizeitwohnsitz genutzt wurde, liegen sohin nicht vor, sodass mangels sonstiger Hinweise auf eine Nutzung der Wohnung als Freizeitwohnsitz im Jahr 2021 dem Beschwerdevorbringen gefolgt wird.

III.     Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Freizeitwohnsitzabgabengesetz (im Folgenden: TFWAG), LGBl Nr 79/2019, der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr 194/1961 idF BGBl I Nr 70/2013, lauten wie folgt:

§ 1 TFWAG

Abgabengegenstand

(1) Für die Verwendung eines Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz ist eine Freizeitwohnsitzabgabe zu erheben.

(2) Freizeitwohnsitze sind Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden.

(3) Die Freizeitwohnsitzabgabe ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe.

§ 3 TFWAG

Abgabenschuldner

(1) Abgabenschuldner ist der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet. Miteigentümer schulden die Abgabe zur ungeteilten Hand; dies gilt nicht im Fall von Wohnungseigentum.

(3) Wird ein Freizeitwohnsitz unbefristet oder für einen längeren Zeitraum als einem Jahr an ein und dieselbe Person vermietet, verpachtet oder sonst überlassen, so ist der Inhaber des Freizeitwohnsitzes Abgabenschuldner. Der Eigentümer bzw. Bauberechtigte haftet neben dem Inhaber des Freizeitwohnsitzes als Gesamtschuldner.

(4) Änderungen in Bezug auf die Person des Abgabenschuldners sind von diesem der Gemeinde binnen eines Monats ab dem Eintritt der Änderung zu melden.

§ 5 TFWAG

Entstehung des Abgabenanspruchs, Fälligkeit und Entrichtung der Abgabe

((1) Der Abgabenanspruch entsteht jeweils mit Beginn des Kalenderjahres. Abweichend davon entsteht er

         a)       bei einem neu errichteten Freizeitwohnsitz mit dem Beginn des Monats, in dem die Anzeige über die Bauvollendung nach § 44 der Tiroler Bauordnung 2018, einlangt, anteilig für die bis zum Ende des Kalenderjahres verbleibenden vollen Monate;

         b)       bei Gebäuden, Wohnungen oder sonstigen Teilen, die der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs gedient haben, mit dem Beginn des Monats, in dem sie als Freizeitwohnsitz genutzt werden, anteilig für die bis zum Ende des Kalenderjahres verbleibenden vollen Monate.

(2) Der Abgabenschuldner hat jährlich bis 30. April die Abgabe selbst zu bemessen und unter Bekanntgabe der Bemessungsgrundlagen nach § 4 Abs 2 an die Gemeinde zu entrichten. Entsteht die Abgabenschuld erst nach Jahresbeginn, so hat er die Abgabe bis spätestens 30. April des folgenden Jahres zu bemessen und an die Gemeinde zu entrichten.

(3) Endet der die Abgabepflicht begründende Tatbestand während des Kalenderjahres, so hat die Gemeinde auf Antrag des Abgabenschuldners die Abgabe anteilig für die bis zum Ende des Kalenderjahres verbleibenden vollen Monate zu erstatten.

§ 201 BAO

(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs 2 und muss nach Maßgabe des Abs 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

(2) Die Festsetzung kann erfolgen,

         1.       von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

         2.       wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,

         3.       wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,

(Anm: Z 4 aufgehoben durch BGBl I Nr 20/2009)

         5.       wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.

(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,

         1.       wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,

(Anm: Z 2 aufgehoben durch BGBl I Nr 70/2013)

         3.       wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.

(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.

IV.      Erwägungen:

Zur Zulässigkeit:

Der angefochtene Abgabenbescheid wurde der Beschwerdeführerin am 12.02.2022 zugestellt. Innerhalb der Monatsfrist wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Nach Erlassung der Beschwerdevorentscheidung mit 09.03.2020 wurde binnen Monatsfrist der Antrag auf Vorlage an das Landesverwaltungsgericht Tirol gestellt. Die Beschwerde ist zulässig.

In der Sache:

Wird ein Freizeitwohnsitz gemäß § 3 Abs 3 Tiroler Freizeitwohnsitzabgabengesetz unbefristet oder für einen längeren Zeitraum als einem Jahr an ein und dieselbe Person vermietet, verpachtet oder sonst überlassen, so ist der Inhaber des Freizeitwohnsitzes Abgabenschuldner.

Im gegenständlichen Fall wurde die Wohnung Top 3 in der Adresse 3 in X von deren Eigentümerin DD an die Beschwerdeführerin ab 01.01.2015 zur Nutzung aufgrund einer Vereinbarung im Zusammenhang mit einer geplanten Eigentumsübertragung überlassen. Gemäß § 3 Abs 3 Tiroler Freizeitwohnsitzabgabengesetz ist die Beschwerdeführerin daher die Abgabenschuldnerin.

Hinsichtlich der Frage, ob die gegenständliche Wohnung auch im Jahr 2021 als Freizeitwohnsitz genutzt worden ist, erachtet sich die belangte Behörde an die Tatsachenfeststellung im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W vom 12.07.2021, ***, wegen einer Übertretung nach § 13a Abs 1 lit a zweiter Fall in Verbindung mit § 13 Abs 3 TROG 2016 gebunden, wonach als Tatzeit „zumindest der Zeitraum von 01.01.2014 bis 12.07.2021“ aufscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24.09.1996, 95/13/0214 zur Bindung der Abgabenbehörde an gerichtliche Entscheidungen ausgeführt:

§ 116 Abs. 2 BAO handelt nur von den Voraussetzungen einer Bindung der Abgabenbehörde in der Beurteilung privatrechtlicher Vorfragen an gerichtliche Entscheidungen, mit welchen solche Vorfragen als Hauptfragen entschieden worden waren, und bildet auch nicht den tragenden Grund für die verwaltungsgerichtliche Judikatur zur bindenden Wirkung strafgerichtlicher Tatsachenfeststellungen. Diese Judikatur knüpft vielmehr an den Gedanken der materiellen Rechtskraft strafgerichtlicher Urteile an, die als solche Bindungswirkung für alle staatlichen Organe entfalte (vgl die in gleiche Richtung weisenden Überlegungen des bereits zitierten Urteiles des Obersten Gerichtshofes vom 17. Oktober 1995, 1 Ob 612/95, AnwBl 1995/12/6067, 900), und erstreckt diese Wirkungen auch auf die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen. Deren Bestandskraft soll dem Verurteilten gegenüber auch in späteren Verwaltungsverfahren deswegen gesichert bleiben, weil die betroffenen Lebenssachverhalte in einem Verfahren festgestellt worden sind, welches in der amtswegigen Sachverhaltsermittlung durch die unabhängigen Organe der Rechtsprechung, in der institutionellen Ausstattung durch die in der Strafprozessordnung eingeräumte Ermittlungspotenz und in der gesetzlichen Verankerung der dem Verurteilten zur Verfügung gestandenen Rechtsschutzmöglichkeiten die höchstmögliche Gewähr für die Übereinstimmung der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen mit der Lebenswirklichkeit bietet. Von einem in einem solchen Verfahren festgestellten Sachverhalt darf die Abgabenbehörde in einem nachfolgenden Verwaltungsverfahren nicht abweichen.“

Der Verwaltungsgerichtshof bejaht sohin die Bindung der Abgabenbehörden an strafgerichtliche Urteile. Im vorliegenden Fall liegt allerdings kein Urteil eines Strafgerichtes vor, sondern vielmehr ein behördliches Straferkenntnis einer Bezirkshauptmannschaft.

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.04.2021, Ro 2018/16/0001, wurde ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bindung der Abgabenbehörden und des Bundesfinanzgerichts im Falle rechtskräftiger verurteilender Entscheidungen eines Strafgerichts, einer Finanzstrafbehörde oder des Bundesfinanzgerichts nach einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren an die Tatsachenfeststellungen besteht, auf denen der Schuldspruch beruht, wozu auch jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt (vgl etwa VwGH 27.11.2020, Ra 2018/16/0210, 27.03.2018, Ra 2018/16/0043, und 30.03.2000, 99/16/0141).

Im vorliegenden Fall liegt ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W (***) vor, mit dem der Beschwerdeführerin eine Übertretung des § 13a Abs 1 lit a zweiter Fall in Verbindung mit § 13 Abs 3 TROG, nämlich die Überlassung der Wohnung an andere zur Verwendung als Freizeitwohnsitz im Zeitraum 01.01.201 bis 12.07.2021 zur Last gelegt worden ist. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde zurückgezogen und das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht wurde insofern eingestellt.

Nach Ansicht des Landesverwaltungsgericht Tirol liegt mit diesem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft weder eine rechtskräftige verurteilende Entscheidung eines Strafgerichts, einer Finanzstrafbehörde oder des Bundesfinanzgerichts nach einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren vor, weil das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft nicht in einer Finanzstrafangelegenheit ergangen ist. Es handelt sich vielmehr um ein verwaltungsstrafrechtliches Straferkenntnis einer Behörde nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz. Eine Bindungswirkung dieses Straferkenntnisses auf die Entscheidung des Bürgermeisters einer Gemeinde in einer Abgabensache besteht nicht. Es handelt sich bei der Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft auch nicht um eine Entscheidung über eine Vorfrage für das gegenständliche Verfahren. Präjudiziell - und damit Vorfragenentscheidung im verfahrensrechtlich relevanten Sinn - ist nur eine Entscheidung, die erstens eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung unabdingbar - dh eine notwendige Grundlage - ist und zweitens die diese in einer die Verwaltungsbehörde bindenden Weise regelt (vgl VwGH 07.05.1986, 85/11/0287, 17.12.2002, 99/08/0171 ua).

Nachdem aber im Weiteren eine Verwendung des Freizeitwohnsitzes im Jahr 2021 nicht erwiesen wurde, ist die Abgabepflicht für die Beschwerdeführerin nicht entstanden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Entscheidung der Beschwerdeinstanz auf ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides lauten, wenn eine in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehene Abgabenfestsetzung vorgenommen wird (vgl dazu beispielsweise VwGH 21.09.2006, 2006/15/0236, 26.04.2012, 2009/15/0056). Das Beschwerdevorbringen ist zutreffend, wonach mangels Erfüllung eines Abgabentatbestandes nach dem TFWAG auch keine Säumnis bei der Erledigung der Abgabenpflicht eingetreten sein könne, weshalb auch der Säumniszuschlag zu Unrecht zur Zahlung vorgeschrieben worden ist und daher ersatzlos zu beheben ist.

Der angefochtene Bescheid ist daher ersatzlos zu beheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die in der gegenständlichen Beschwerdesache zu lösenden Rechtsfragen konnten anhand der in der vorliegenden Beschwerdeentscheidung zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einwandfrei einer Beantwortung zugeführt werden. Eine außerhalb dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegende Rechtsfrage ist für das erkennende Gericht im Gegenstandsfall nicht hervorgekommen.

Belehrung und Hinweise

Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.

Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst.

Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühr beträgt gemäß § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz
Euro 240,00.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Kroker

(Richterin)

Schlagworte

Freizeitwohnsitzabgabe
Bindungswirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.12.0808.6

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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