TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/28 95/20/0092

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.1995
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatsprässident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des K in P, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. November 1994, Zl. 4.342.652/2-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, der am 26. August 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. September 1994, mit dem sein Antrag auf Asylgewährung abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 14. November 1994 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Vorauszuschicken ist, daß der Beschwerdeführer bereits am 4. Februar 1993 einen Asylantrag gestellt hatte, der mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. April 1993 in Anwendung der Bestimmung des § 19 Abs. 1 Z. 1 AsylG 1991 abgewiesen worden war. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung blieb erfolglos. Im August 1993 reiste der Beschwerdeführer in der Folge in sein Heimatland zurück.

Nach seiner neuerlichen Einreise im August 1994 stellte er am 1. September 1994 einen schriftlichen Asylantrag, den er im wesentlichen damit begründete, nach seiner Rückkehr in die Türkei wieder bei seinen Eltern gelebt zu haben, doch kurz nach seiner Rückkehr einen Einberufungsbefehl erhalten zu haben. Er sei zur Stellungskommission gegangen und habe dort erklärt, daß er nicht in einem solch schmutzigen Krieg gegen sein eigenes Volk kämpfen wolle und daß er nicht zum Militär zu gehen wünsche. Er sei daraufhin verprügelt worden und sei davongelaufen. Sein Körper sei von blauen Flecken übersät worden. Mit einem falschen Reisepaß sei ihm die neuerliche Flucht nach Österreich gelungen. Im übrigen verwies er auf die allgemeine Diskriminierung der kurdischen Volksgruppe in seinem Heimatland.

Anläßlich seiner neuerlichen niederschriftlichen Befragung vor dem Bundesasylamt am 7. September 1994 gab er - was den Zeitraum nach seiner Rückkehr in sein Heimatland anbelangt - im wesentlichen an, er sei im August 1993 mit einem Linienbus von Istanbul nach Elvistan gefahren. Bereits während seiner Abwesenheit sei entweder seinem Vater oder seiner Mutter ein Einberufungsbefehl zugestellt worden, dem er jedoch nicht nachkommen wolle, weil er nicht gegen seine Brüder kämpfen wolle. In Elvistan habe er sich ein bis eineinhalb Monate aufgehalten. Von seinen Eltern habe er erfahren, daß man ihn suche. Sie hätten zwar auch nicht gewollt, daß er zum Militärdienst gehe, hätten die Entscheidung jedoch ihm überlassen, wieder die Türkei zu verlassen. Als Militärdienstverweigerer erwarte ihn eine Gefängnisstrafe von 2 Jahren. Während des Aufenthaltes in Elvistan habe er einige Zeitschriften unter der Hand verteilt, da aber zusätzliche Probleme mit dem Militärdienst aufgetaucht seien, habe er sich nicht mehr so engagiert wie früher (als PKK-Sympathisant). Etwa Ende Oktober/Anfang November (1993) sei er wieder nach Istanbul gegangen und habe sich bis zu seiner neuerlichen Einreise nach Österreich dort aufgehalten. Obwohl er sich dort auch politisch betätigt habe, habe er keine Schwierigkeiten mit der Polizei gehabt. Er habe immer acht gegeben, daß sie ihn nicht "erwische". Jedes Mal, wenn er Beamte gesehen habe, habe er sich versteckt. Er habe während der Zeit in Istanbul keinen Kontakt mit Sicherheitsorganen oder Sicherheitsbehörden gehabt. Er wolle auf keinen Fall zum Militärdienst. Er wisse genau, was ihn bei einer Festnahme durch die faschistische Regierung der Türkei erwarte: 2 Jahre Gefängnis und Folter.

In seiner gegen den abweislichen erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufung machte der Beschwerdeführer neben allgemein gehaltenen Verfahrensrügen insbesondere geltend, er habe an Kampfhandlungen oder terroristischen Aktionen der PKK niemals teilgenommen.

Die belangte Behörde begründete die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe keine Umstände vorgebracht, die darauf schließen ließen, daß er während seines ca. einjährigen Aufenthaltes in seiner Heimat konkreten Nachteilen oder Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Auch die Einberufung zur Militärdienstleistung stelle für sich allein keine Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 dar, da die erforderliche Verfolgungsmotivation nicht gegeben sei, wenn die staatlichen Maßnahmen der Durchsetzung staatsbürgerlicher Pflichten dienten. Die Einberufung zum Militärdienst sei eine auf einem originären und souveränen staatlichen Recht beruhende legitime Maßnahme, weshalb eine unter Umständen auch strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion keine Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG darstelle. Auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Beweggründe seien asylrechtlich insoferne unbeachtlich, als sie für sich noch keine Rückschlüsse auf eine Verfolgungsmotivation des Staates zuließen und seinem Vorbringen auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen seien, daß die Einberufung etwa mit seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe oder einer politischen Gesinnung im Zusammenhang stünde und daß damit eine Diskriminierung beabsichtigt gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

In seiner Beschwerde stellt der Beschwerdeführer nunmehr - erstmals - die Behauptung auf, die von ihm geltend gemachten konkreten Nachteile bei Verbleib in seiner Heimat seien darin gelegen gewesen, daß Kurden bei Ableistung des Präsenzdienstes im türkischen Militär zum Einsatz im Kurdengebiet herangezogen würden und dabei auch in den Widerstands- und Kampfgebieten kurdische Präsenzdiener von der Armee in Hinterhalte gelockt und erschossen würden, um diese Ermordungen den kurdischen Aufständischen anzulasten und somit weiteres Vorgehen der offiziellen Armee gegen die Kurden rechtfertigen zu können. Dem Beschwerdeführer ist jedoch darauf zu entgegnen, daß er ein derartiges Vorbringen im Verwaltungsverfahren nicht erstattet hat, es sich dabei also um Neuerungen handelt, die im Sinn des § 41 Abs. 1 VwGG vom Verwaltungsgerichtshof nicht mehr aufgegriffen werden können. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof dient nicht dazu, Versäumnisse, die den Parteien im Verwaltungsverfahren unterlaufen sind, nachzuholen (vgl. u.a. auch die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seiten 552 ff abgedruckte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Insoweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, gerade in diesem Punkte ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben, sei darauf verwiesen, daß der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens die Partei grundsätzlich nicht von der Verpflichtung befreit, bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Daher ist die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren - zumindest in diesem Punkte - untätig geblieben ist, um erst vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie insoweit nicht genügend mitgewirkt hat. Auch § 16 AsylG 1991 ist lediglich dahin zu verstehen - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Erkenntnissen ausgeführt hat - daß die amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde nur dort Platz greift, wo konkrete Hinweise auf asylrechtlich relevante Umstände in den Angaben des Beschwerdeführers (Asylwerbers) enthalten sind.

Aus seinen Angaben im Verwaltungsverfahren hat aber die belangte Behörde zutreffend auf das Nichtvorliegen asylrelevanter Verfolgungshandlungen des Heimatstaates des Beschwerdeführers geschlossen.

Bereits aus diesem Grunde erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 6 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200092.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten