TE OGH 2022/12/15 3Ob207/22w

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Veröffentlicht am 15.12.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei G* d.o.o., *, Serbien, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die verpflichtete Partei M* d.o.o. *, Serbien, vertreten durch MMag. Ewald Lichtenberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 355 EO, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. September 2022, GZ 46 R 151/22d-6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 15. Juni 2022, GZ 64 E 1999/22h-3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Bezeichnung der verpflichteten Partei wird von G* d.o.o. auf M* d.o.o. * richtiggestellt.

II. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch lautet:

„Der angefochtene Beschluss des Erstgerichts wird aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, das gesetzliche Verfahren über den Exekutionsantrag einzuleiten.“

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Zu I.:

[1]       Die Verpflichtete hat bekanntgegeben, dass im Laufe des Verfahrens ihre Firma geändert wurde, was sich auch aus der Revisionsrekursbeantwortung der Betreibenden ergibt. Dieser unstrittige Umstand war gemäß § 235 Abs 5 ZPO richtigzustellen.

Zu II.:

[2]       Aufgrund einer vollstreckbaren einstweiligen Verfügung hat es die in Serbien ansässige Verpflichtete gegenüber der ebenfalls in Serbien ansässigen Betreibenden zu unterlassen, in Österreich ohne Zustimmung der Betreibenden Folgen bestimmter (konkret bezeichneter) TV-Shows zu senden und/oder im Internet zur Verfügung zu stellen und/oder zu vervielfältigen sowie solche Handlungen durch Dritte zu ermöglichen.

[3]       Aufgrund dieses Titels stellte die Betreibende einen Exekutionsantrag gemäß § 355 EO. Die Verpflichtete habe gegen die Unterlassungsverpflichtung dadurch verstoßen, dass sie eine bestimmte Folge einer TV-Show in Österreich über Live-Stream und über eine Streamingplattform zur Verfügung gestellt habe. Die Zuständigkeit des Erstgerichts richte sich nach § 5c Abs 3 EO. Die beanstandete Sendung sei über das Internet in ganz Österreich und damit auch im Sprengel des angerufenen Erstgerichts abrufbar gewesen.

[4]       Das Erstgericht sprach aus, dass es als Exekutionsgericht (örtlich) unzuständig sei.

[5]       Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betreibenden Folge und sprach aus, dass „das Erstgericht für die Entscheidung über den Exekutionsantrag zuständig“ sei. Mit dem Wahlgerichtsstand nach § 5c Abs 3 EO idF der GREx solle bei einer Unterlassungsexekution das Erfordernis eines Ordinationsantrags nach § 28 JN vermieden werden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob die genannte Bestimmung auch dann anzuwenden sei, wenn der Betreibende das Exekutionsgericht infolge österreichweiten Erfolgseintritts frei wählen könne, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

[6]       Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Verpflichteten, der auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.

[7]       Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Betreibende, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[8]       Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu der mit der Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx), BGBl I 2021/86, neu eingeführten Zuständigkeitsbestimmung des § 5c EO noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt; er ist aber nicht berechtigt.

[9]             1. Die inländische Gerichtsbarkeit ist im Anlassfall unstrittig gegeben, zumal der Exekutionstitel ein Verbot bestimmter Handlungen in Österreich ausspricht und nach den Behauptungen der Betreibenden im Exekutionsantrag die Verpflichtete weiterhin derartige Handlungen setzt (vgl RS0046154 [T7]; 3 Nc 5/12h; 3 Nc 6/13g).

[10]            2. Nach der Rechtslage vor der GREx bestimmte sich bei einer Exekution nach § 355 EO die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts in den Fällen des § 18 Z 4 EO aF nach dem (Wohn-)Sitz des Verpflichteten, weil dort die erste Exekutionshandlung, nämlich die Zustellung der Exekutionsbewilligung, zu bewirken war (RS0000652; RS0053178 [T2]). War bei einer solchen Exekution – wie hier – zwar die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, fehlte es aber an einem (Wohn-)Sitz des Verpflichteten im Inland, so war von Amts wegen der Akt dem Obersten Gerichtshof zur Ordination gemäß § 28 JN vorzulegen (3 Ob 113/94).

[11]            3.1 Die GREx hat die exekutionsrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften neu geordnet und in § 5c EO die Regelungen für die örtliche Zuständigkeit bei einer Exekution zur Erwirkung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen klarer gefasst. Danach richtet sich (auch) bei einer Duldungs- und Unterlassungsexekution nach § 355 EO die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Verpflichteten (§ 5c Abs 2 iVm § 4 Abs 1 EO). Darüber hinaus kann eine Exekution zur Erwirkung einer Unterlassung auch bei dem Gericht beantragt werden, in dessen Sprengel die gegen den Exekutionstitel verstoßende Handlung gesetzt wurde oder ihr Erfolg eingetreten ist (§ 5c Abs 3 EO).

[12]     Nach der klaren Systematik dieser Regelung soll insbesondere für den Fall, dass bei einer Unterlassungsexekution kein allgemeiner Gerichtsstand des Verpflichteten im Inland besteht, (so wie in § 4 Abs 2 EO) ein Auffangtatbestand geschaffen werden (vgl dazu RV 770 BlgNR XXVII. GP 6). Nach dem eindeutigen Wortlaut wurde dieser Auffangtatbestand in der Form eines Wahlgerichtsstands normiert, der am Ort der titelwidrigen Handlung im Inland oder – insbesondere bei einer Tathandlung im Ausland – am Erfolgsort im Inland anknüpft.

[13]            3.2 Diese schon nach dem Wortlaut eindeutige Auslegung wird durch die Gesetzesmaterialien (RV 770 BlgNR XXVII. GP 8) bekräftigt. Nach diesen soll mit § 5c Abs 3 EO zusätzlich ein Wahlgerichtsstand für Unterlassungsexekutionen an jenem Ort vorgesehen werden, an dem die gegen den Exekutionstitel verstoßende Handlung gesetzt wurde oder ihr Erfolg eingetreten ist. Mit diesem Wahlgerichtsstand soll insbesondere die Erforderlichkeit eines Ordinationsantrags nach § 28 JN bei einer Unterlassungsexekution gegen einen Verpflichteten, der im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, vermieden werden.

[14]            4. Als Ergebnis folgt, dass in § 5c Abs 3 EO für die Unterlassungsexekution ein Wahlgerichtsstand normiert wurde, der am Ort der titelwidrigen Handlung oder des eingetretenen Erfolgs anknüpft. In Bezug auf die Anzahl der in Betracht kommenden Gerichtsstände macht das Gesetz keine Einschränkungen. Bestehen mehrere Erfolgsorte im Inland, so kommen auch mehrere Wahlgerichtsstände in Betracht. Ist etwa bei Begehung einer Internettat im Ausland angesichts der grundsätzlich ubiquitären Abrufbarkeit von Websites (vgl EuGH C-507/17, Google, Rn 56) der Erfolgsort im gesamten Bundesgebiet denkbar, so kann der Betreibende das zuständige Exekutionsgericht im Inland frei wählen, was auch sonst bei mehreren zur Verfügung stehenden (Wahl-)Gerichtsständen die Regel ist (vgl § 102 JN; § 5 Abs 1, § 6 EO; vgl auch 1 Ob 105/13t). Entgegen der Ansicht der Verpflichteten gilt dies auch für den hier vorliegenden Fall, dass der Erfolg des Titelverstoßes nicht nur im Sprengel eines einzigen Gerichts, sondern österreichweit eingetreten ist.

[15]            5. Das Rekursgericht hat die Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts zu Recht bejaht; der Spruch war im Weg einer Maßgabenbestätigung richtig zu stellen. Da die Entscheidung des Rekursgerichts mit der Rechtslage im Einklang steht, war dem Revisionsrekurs der Verpflichteten der Erfolg zu versagen.

[16]     Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO. Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ist das Exekutionsverfahren einseitig. Die von der Betreibenden erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist zwar mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen (RS0118686 [T11]), sie diente aber nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist daher nicht zu honorieren (RS0118686 [T12]).

Textnummer

E137224

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00207.22W.1215.000

Im RIS seit

06.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2023
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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