TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/14 93/07/0179

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Veröffentlicht am 14.12.1995
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/11 Grundbuch;
80/06 Bodenreform;

Norm

ABGB §1053;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfGG §17 Abs3;
FlVfGG §18;
FlVfGG §19;
FlVfGG §28;
FlVfGG §29;
FlVfGG §30;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs3;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs4;
FlVfLG Tir 1978 §39 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §39 Abs2;
GBG 1955 §2;
GBG 1955 §3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. der M W,

2. des H W, 3. des G W, 4. des J W und 5. der C W, sämtliche in M, alle vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 6. Oktober 1993, Zl. 710.937/06-OAS/93, betreffend Feststellung von Anteilsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken (mitbeteiligte Partei: X in M, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Oktober 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Landesagrarsenates bei Amt der Tiroler Landesregierung vom 14. Jänner 1993 "gemäß § 1 AgrVG i.V.m.

§ 66 Abs. 4 AVG und den §§ 38 Abs. 3 und 39" des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978 (TFLG 1978) als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung wird u.a. ausgeführt, das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) habe mit Bescheid vom 30. Juli 1992 auf Antrag der Agrargemeinschaft M. gemäß § 73 lit. e TFLG 1978 festgestellt, daß der Liegenschaft EZ 52, KG M., deren aktueller Eigentümer die mitbeteiligte Partei (MP) sei, kein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft M. zustehe. Ferner sollte im Grundbuch M. eine Eintragung von Amts wegen dahingehend veranlaßt werden, daß in EZ 120 bei der Ersichtlichmachung der Mitgliedschaft an der Agrargemeinschaft M. für die EZ 51 und 52 mit zusammen 14,82 Anteilsrechten die EZ 52 und in EZ 52 die Ersichtlichmachung der Mitgliedschaft an der Agrargemeinschaft M. gelöscht werden.

Gegen diesen Bescheid habe die MP. Berufung erhoben. Mit Bescheid vom 14. Jänner 1993 habe der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung (LAS) der Berufung insofern Folge, als in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides festgestellt werde, daß den Liegenschaften EZ 51 und EZ 52, beide KG M., zusammen ein Anteilsrecht im Umfang von 14,82 Anteilen an der Agrargemeinschaft M. nach Maßgabe des Regulierungsplans der Agrargemeinschaft M. zustehe.

Aus der Aktenlage ergebe sich unwidersprochen, daß aufgrund des Regulierungsplanes vom 9. Jänner 1963 betreffend das Gemeindegut der Gemeinde M. im Abschnitt III (Anteilsberechtigte) unter der laufenden Nr. 40 die EZ "51 II" und "52 II", je GB M., als eine Stammsitzliegenschaft mit 18 Anteilsrechten festgestellt worden sei. Dieser Regulierungsplan sei zu Tagebuchzahl (TZ) 5641/1963 am 12. Juli 1963 grundbücherlich in der Weise durchgeführt worden, daß unter anderem im B-Blatt der EZ 120, GB M., unter der laufenden Nr. 40 die für die vorgenannten EZ zusammen 18 Anteilsrechte eingetragen worden seien. Sowohl zum Zeitpunkt der Erlassung des Regulierungsplanes als auch zum Zeitpunkt der grundbücherlichen Durchführung desselben habe bezüglich der EZ 51 II und 52 II Eigentümeridentität bestanden.

Aufgrund eines Kaufvertrages vom 16./27. Oktober 1961 hätten die Eheleute O. und I.K. (Rechtsvorgänger der MP) die EZ 52 II, GB M., erworben. Grundbücherlich sei dieser Kaufvertrag erst am 6. Februar 1964 unter TZ 1012 durchgeführt worden. Über das rechtliche Schicksal der mit den Liegenschaften EZ 51 II und EZ 52 II gemeinschaftlich verbundenen Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft M. enthalte der Kaufvertrag keinerlei Bestimmungen und Verfügungen. Dieser Vertrag sei auch nicht agrarbehördlich, etwa nach der damals für Teilungen von Stammsitzliegenschaften in Geltung gestandenen Bestimmung des § 38 Abs. 5 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1952 (TFLG 1952), genehmigt worden.

Mit Bescheid der AB vom 31. Oktober 1967 seien in Abänderung des Regulierungsplanes vom 9. Jänner 1963 u.a. die Anteilsrechte für die Agrargemeinschaft M. neu festgelegt und dabei unter der laufenden Nummer 40 für die EZ 51 II und 52 II (KG M.) ein Anteilsrecht von nunmehr 14,82 Anteilen festgestellt worden. Diese Abänderung des Regulierungsplans sei grundbücherlich zu TZ 6663/71 ersichtlich gemacht worden.

Derzeit seien die Beschwerdeführer Miteigentümer der Liegenschaft EZ 51, GB M., und die MP Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 52, GB M.

Aufgrund des rechtskräftigen Regulierungsplanes für die Agrargemeinschaft M. stehe fest, daß die Liegenschaften EZ 51 und 52, GB M., zusammen eine Stammsitzliegenschaft bilden; dies gelte auch hinsichtlich der o.a. Abänderung des Regulierungsplanes. Ferner stehe der Umfang dieses gemeinsamen Anteilsrechtes mit nunmehr 14,82 Anteilen rechtsverbindlich fest.

Es sei daher dem LAS zuzustimmen, wenn dieser davon ausgehe, daß - unbeschadet des Eigentümerwechsels bezüglich der EZ 52 - mangels agrarbehördlicher Genehmigung der Trennung der Stammsitzliegenschaft nach wie vor das agrargemeinschaftliche Anteilsrecht den Liegenschaften EZ 51 UND 52 gemeinsam zustehe und der LAS daher den erstinstanzlichen Bescheid entsprechend abgeändert habe.

Nach Ansicht der belangten Behörde wäre die Kontrollfunktion der Agrarbehörde ernsthaft gefährdet, wenn tatsächlich bloß aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen (z.B. Kaufverträge über Teile von Stammsitzliegenschaften) die Zurechnung der Anteilsrechte ohne behördliche Bewilligung beliebig gestaltet und damit in die rechtskräftigen "Feststellungen" des Regulierungsplanes auf "rein privatrechtlicher Ebene" eingegriffen werden könnte.

Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die Beschwerdeführer als auch die Agrargemeinschaft M. (letztere zu hg. Zl. 93/07/0182), Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie gleichfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unbestritten ist, daß der Kaufvertrag aus dem Jahre 1961, aufgrund dessen die Rechtsvorgänger der MP die damals noch als "EZ 52 II" bezeichnete Liegenschaft, GB M., kauften, keine Bestimmungen über eine allfällige Abtretung von Mitgliedschaftsrechten an der Agrargemeinschaft M. enthielt und auch nicht zur agrarbehördlichen Genehmigung vorgelegt wurde.

Nach Ansicht der Beschwerdeführer wäre jedoch "für den gültigen Rechtserwerb" durch die Rechtsvorgänger der MP nach § 38 Abs. 5 TFLG 1952 (§ 39 TFLG 1978) eine derartige Bewilligung der Agrarbehörde erforderlich gewesen. Im Beschwerdefall sei die Liegenschaft EZ 52 ohne die gesetzlich vorgesehene "behördliche Kontrolle" veräußert worden und sei daher "als aus der Agrargemeinschaft ausgeschieden" zu betrachten. Die gegenteilige Ansicht (der belangten Behörde) würde dazu führen, daß die flurverfassungsrechtlichen Vorschriften betreffend die Kontrolle des Verkehrs mit "Agrargrundstücken" (gemeint wohl: Stammsitzliegenschaften) umgangen würden und diese Umgehung sogar behördlich sanktioniert würde.

Rechtsgrundlage für das verwaltungsbehördliche Verfahren war - wie in den Bescheiden der Agrarbehörde erster und zweiter Instanz ausgeführt - § 73 lit. e TFLG 1978. Aufgrund dieser Bestimmung steht der Agrarbehörde außerhalb eines Verfahrens (§ 72) die Entscheidung über Fragen zu, ob und in welchem Umfang einer Stammsitzliegenschaft oder einer Person Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken zustehen.

Strittig ist, ob die aktuellen 14,82 Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft M. ausschließlich der im Miteigentum der Beschwerdeführer stehenden Liegenschaft EZ 51, GB M., als Stammsitzliegenschaft - trotz des agrarbehördlich nicht bewilligten Verkaufs der Liegenschaft EZ 52 an die Rechtsvorgänger der MP im Jahre 1961 - zustehen.

Sowohl im Regulierungsbescheid des Jahres 1963 als auch im Abänderungsbescheid aus dem Jahre 1967 werden unter der laufenden Zl. 40 die Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft M. zugunsten der EZ 51 II UND 52 II (ehemalige Bezeichnung) als Stammsitzliegenschaft zusammengefaßt.

Unter dem Begriff der Stammsitzliegenschaft ist jene wirtschaftliche Einheit zu verstehen, an welche bestimmte Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften gebunden sind. Subjekt des gebundenen Anteilsrechtes sind ein oder mehrere Grundstücke, die nicht zwingend zu nur einer einzigen bücherlichen Einlagezahl zusammengefaßt sein müssen (zutreffend Lang, Tiroler Agrarrecht II 162). Der Begriff der Stammsitzliegenschaft im Sinne des Flurverfassungsrechtes ist demnach mit jenem des Grundbuchskörpers im Sinne der grundbuchsrechtlichen Vorschriften nicht deckungsgleich. Eine Stammsitzliegenschaft kann somit auch aus mehreren Grundbuchskörpern bestehen, die diesfalls in ihrer Gesamtheit die Stammsitzliegenschaft bilden. Der Abverkauf einzelner Grundbuchskörper von einer solchen Stammsitzliegenschaft ist rechtlich dann nicht anders als der Abverkauf einzelner Grundstücke von einer aus nur einem einzigen Grundbuchskörper bestehenden Stammsitzliegenschaft zu beurteilen.

Der letztgenannte Fall stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Teilung einer Stammsitzliegenschaft dar, welche den Regelungen des § 39 TFLG 1978 unterworfen ist und ebenso auch schon den gleichgestalteten Regelungen des § 38 Abs. 5 des zum Zeitpunkt des in Rede stehenden Rechtsgeschäftes in Geltung gestandenen Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 32/1952, unterworfen war (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 7. Mai 1991, 91/07/0018, vom 12. Oktober 1993, 93/07/0086, und das zur gleichgestalteten Rechtslage nach dem Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetz 1979 ergangene hg. Erkenntnis vom 26. April 1995, 92/07/0212, mit weiteren Nachweisen). Nicht anders ist das im Beschwerdefall abgeschlossene Rechtsgeschäft zu beurteilen, in dem ebenso ein Teil der Stammsitzliegenschaft verkauft und damit der Träger der gebundenen Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft geteilt worden war.

Da der Kaufvertrag über die Veräußerung der Liegenschaft EZ 52 II entgegen der Bestimmung des § 38 Abs. 5 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1952 eine Bestimmung über die Mitgliedschaft an der Agrargemeinschaft nicht enthalten hatte und es demgemäß zu einem agrarbehördlichen Genehmigungsverfahren darüber auch nicht gekommen war, fehlt es für einen Übergang von agrarischen Anteilsrechten an die aus der Stammsitzliegenschaft ausgeschiedene EZ 52 II an einer rechtlichen Grundlage (vgl. hiezu das zur vergleichbaren Fallkonstellation des in solcher Weise erfolgten Abverkaufes von Grundstücken aus einer - aus nur einem Grundbuchskörper bestehenden - Stammsitzliegenschaft ergangene obzitierte Erkenntnis vom 12. Oktober 1993, 93/07/0086).

Das Ergebnis der von der belangten Behörde gefundenen rechtlichen Beurteilung negiert den unbestreitbaren Umstand des Eigentumsüberganges eines Teiles der aus zwei Grundbuchskörpern bestandenen Stammsitzliegenschaft an einen anderen Eigentümer. Daß das Rechtsgeschäft aus dem Jahre 1961 im Jahre 1964 gemäß § 38 Abs. 5 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1952 nicht mehr verbüchert hätte werden dürfen, ändert nichts daran, daß es tatsächlich verbüchert worden ist und damit von einer Abtrennung eines Teiles der Stammsitzliegenschaft durch Übergang auf einen anderen Eigentümer als den der Stammsitzliegenschaft ausgegangen werden muß. Ein Übergang von agrarischen Anteilsrechten an die EZ 52 II aber ist aus Anlaß der erfolgten Teilung der Stammsitzliegenschaften, wie bereits dargestellt, rechtlich nicht bewirkt worden. Die Anteilsrechte sind vielmehr allein bei dem aus der Liegenschaft EZ 51 bestehenden Restbestand der Stammsitzliegenschaft verblieben.

Aus dem von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnis vom 27. März 1990, 89/07/0139, ergibt sich nichts anderes als die auch im Beschwerdefall zu erkennende Unwirksamkeit einer ohne agrarbehördliche Genehmigung erfolgten Änderung einer Zurechnung von Anteilsrechten. Für die dem Beschwerdefall zugrunde liegende genehmigungslose Teilung der Stammsitzliegenschaft äußert sich die agrarrechtliche Unwirksamkeit des Vorgangs im ungeteilten Verbleib bei jenem Restbestand der Stammsitzliegenschaft, von dem ihr Eigentümer den aus der EZ 52 II bestehenden Teil abverkauft hatte. Die der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung demgegenüber zugrunde liegende Vorstellung der rechtlichen Möglichkeit real geteilten Eigentums an einer Stammsitzliegenschaft widerspricht der durch die Bestimmung des § 39 TFLG 1978 und ihrer Vorgängervorschriften geschaffenen Rechtslage.

Die neuerliche Anführung der abverkauften Liegenschaft zum Gutsbestand der unter lfd. Nr. 40 bezeichneten Stammsitzliegenschaft aus Anlaß der Änderung des Regulierungsplanes im Jahre 1967 konnte die zuvor geschehene Teilung der Stammsitzliegenschaft nicht rückgängig machen und das rechtlich nicht mögliche Ergebnis real geteilten Eigentums an der Stammsitzliegenschaft nicht herbeiführen.

Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage zu Unrecht die tatsächliche Ausscheidung der Liegenschaft EZ 52, GB M., nicht beachtet und daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993070179.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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