TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/14 95/07/0126

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.1995
beobachten
merken

Index

L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
B-VG Art117 Abs1;
GdO OÖ 1990 §58 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwRallg;
WRG 1959 §87 Abs2;
WRG 1959 §93 Abs2;
WRG 1959 §97 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Gemeinde Taufkirchen an der Trattnach, vertreten durch

den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. März 1995, Zl. WA - 400565/67/Wo/Eh, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei:

Reinhaltungsverband Trattnachtal in Grieskirchen, Stadtplatz 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Den Beschwerdeschriften und der ihnen angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Schlichtspruch der Schlichtungsstelle der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (MP) vom 19. Jänner 1995 gemäß § 97 WRG 1959 in Verbindung mit § 16 der Satzungen der MP und § 66 Abs. 4 AVG zurück. In der Begründung dieses Bescheides wird dargestellt, es hätten die Mitglieder der MP in der Verbandsversammlung vom 14. Dezember 1992 unter Tagesordnungspunkt Nr. 7 über die Festsetzung eines neuen Kostenbeteiligungsschlüssels mit der erforderlichen Stimmenmehrheit abgestimmt. Aus dem Protokoll der Versammlung vom 14. Dezember 1992 gehe hervor, daß bei dieser Abstimmung von seiten der Beschwerdeführerin ihr Bürgermeister, ihr Vizebürgermeister und ein Gemeinderatsmitglied anwesend gewesen seien und diese Vertreter der Beschwerdeführerin auch als einzige Teilnehmer in der Verbandsversammlung gegen den zur Abstimmung gestellten Antrag mit ausführlicher Wortmeldung Stellung bezogen und dagegen gestimmt hätten. Erst nach Zustellung des Protokolls dieser Mitgliedsversammlung vom 14. Dezember 1992 habe die Beschwerdeführerin mit einer Eingabe vom 9. Juli 1993 die Schlichtungsstelle der MP aus dem Grunde geltend gemachter Benachteiligung der Beschwerdeführerin durch die neu beschlossene Kostenaufteilung um Entscheidung angerufen. Die am 14. Dezember 1992 beschlossene Kostenneuaufteilung sei auch als Satzungsänderung mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 1993 genehmigt worden, welcher Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei. Nachdem die Schlichtungsstelle der MP in fünf Sitzungen zu keiner gütlichen Regelung mit der Beschwerdeführerin gekommen sei, habe sie mit ihrem Schlichtspruch vom 19. Jänner 1995 das Begehren der Beschwerdeführerin auf Änderung des Kostenschlüssels im Sinne der Herabsetzung ihres Kostenanteils abgewiesen. In ihrer Berufung gegen diesen Schlichtspruch habe die Beschwerdeführerin geltend gemacht, daß die Frist zur Anrufung der Schlichtungsstelle für die Beschwerdeführerin als Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung "des Bescheides" (des Protokolles der Mitgliederversammlung vom 14. Dezember 1992) zu laufen begonnen habe, weshalb die am 9. Juli 1993 erfolgte Anrufung der Schlichtungsstelle fristgerecht erfolgt sei. Dem sei deswegen nicht beizupflichten, weil ein Beschluß der Verbandsversammlung über eine Satzungsänderung oder eine Kostenneuaufteilung kein hoheitlicher Akt sei, welcher der Bescheidform bedürfe und den Bestimmungen des AVG unterläge; es handle sich hiebei vielmehr um einen Akt der Selbstverwaltung. Kenntnis erlangt von diesem Akt im Sinne des § 97 Abs. 2 WRG 1959 hätten alle an dem gefaßten Versammlungsbeschluß beteiligten stimmberechtigten anwesenden Mitglieder im Zeitpunkt der Beschlußfassung. Für die Fassung von Beschlüssen der Mitgliederversammlung sei in § 97 Abs. 4 WRG 1959 die sinngemäße Anwendbarkeit des AVG nicht normiert. Es erweise sich die von der Beschwerdeführerin unternommene Anrufung der Schlichtungsstelle erst nach mehr als sechs Monaten trotz erlangter Kenntnis somit als verspätet, wozu komme, daß der Zeitpunkt der Zustellung des Protokolls über die Mitgliederversammlung an die Beschwerdeführerin gar nicht nachgewiesen sei. Es hätte die Schlichtungsstelle den Antrag der Beschwerdeführerin demnach von vornherein als verspätet zurückweisen müssen. Durch die inhaltliche Erledigung des Antrages der Beschwerdeführerin in Form seiner Abweisung sei der Beschwerdeführerin "kein Recht erwachsen", weshalb ihre Berufung zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit seinem Beschluß vom 21. Juni 1995, B 1431/95, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit der Erklärung, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf gesetzmäßige Festsetzung des Kostenschlüssels, auf gesetzmäßigen Schlichtspruch und auf Sachentscheidung als verletzt anzusehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 97 Abs. 2 WRG 1959 können gegen Entscheidungen und Verfügungen (Beschlüsse) des Vorstandes und der Mitgliederversammlung eines Wasserverbandes einschließlich von Wahlen die betroffenen Verbandsmitglieder binnen zwei Wochen nach erlangter Kenntnis die Schlichtungsstelle (§ 93 Abs. 5) schriftlich anrufen; diese hat eine gütliche Beilegung anzustreben und, wenn dies nicht gelingt, einen Schlichtspruch zu fällen. Soweit es sich dabei um Fragen der Mitgliedschaft (§ 87), des Stimmrechtes und Wahlvorganges (§ 93 Abs. 2), der Einstufung und Beitragsvorschreibung (§ 93 Abs. 3), der Erteilung von Aufträgen und dergleichen (§ 94) handelt sowie in den Fällen behaupteter Rechtswidrigkeit des Schlichtspruches, ist die Berufung an den Landeshauptmann zulässig; in allen anderen Fällen ist eine Berufung unzulässig.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Beschwerdeführerin fühlt sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Sachentscheidung deswegen verletzt, weil die belangte Behörde sowohl den Anspruch der Beschwerdeführerin auf inhaltliche Entscheidung durch die Schlichtungsstelle als auch jenen auf inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Schlichtspruch durch die belangte Behörde selbst verneint habe. Nun trifft es zu, daß der von der belangten Behörde in der Begründung ihres Bescheides vertretenen Rechtsauffassung, die Beschwerdeführerin habe die Schlichtungsstelle verspätet angerufen, ein Spruch des angefochtenen Bescheides gerecht worden wäre, mit welchem die belangte Behörde die bei ihr anhängige Berufung durch Behebung des bekämpften Schlichtspruches und gleichzeitige Zurückweisung des an die Schlichtungsstelle gerichteten Entscheidungsantrages erledigt hätte. Durch die stattdessen im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin wurde diese aber dann in ihren Rechten nicht verletzt, wenn die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde über die verspätete Anrufung der Schlichtungsstelle durch die Beschwerdeführerin zutraf, weil diesfalls die meritorische Abweisung des Entscheidungsantrages im Schlichtspruch statt seiner verfahrensrechtlichen Zurückweisung die Rechtsposition der Beschwerdeführerin nicht berührt haben konnte, sodaß auch die Zurückweisung ihrer Berufung gegen den Schlichtspruch keine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin bewirkt hatte (vgl. hiezu auch die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, 93/07/0108).

Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde aber über die Versäumung der gesetzlichen Frist zur Anrufung der Schlichtungsstelle der MP durch die Beschwerdeführerin war zutreffend. Kenntnis erlangt vom bekämpften Beschluß der Mitgliederversammlung im Sinne des § 97 Abs. 2 WRG 1959 hat die Beschwerdeführerin durch die Anwesenheit ihres gemäß § 58 Abs. 1 der O.ö. Gemeindeordnung 1990, LGBl. Nr. 91, sie nach außen vertretenden Bürgermeisters in der Mitgliederversammlung vom 14. Dezember 1992. Mit diesem Tag begann die im § 97 Abs. 2 WRG 1959 normierte Frist zu laufen, diese Frist hat die Beschwerdeführerin nicht eingehalten.

Die dieser Beurteilung von der Beschwerdeführerin entgegengesetzten Argumente überzeugen nicht. Daß es einer von der Beschwerdeführerin geforderten "förmlichen" Bekanntmachung des in Anwesenheit ihres gesetzlichen Vertreters gefaßten Versammlungsbeschlusses auf schriftlichem Wege bedurft hätte, um den Lauf der im § 97 Abs. 2 WRG 1959 normierten Frist auszulösen, ist weder der genannten Gesetzesbestimmung zu entnehmen, noch beruft sich die Beschwerdeführerin auf eine Bestimmung der Satzung der MP, welche derartiges vorsähe. Bestimmt § 97 Abs. 2 WRG 1959 den Beginn des Laufes der Frist zur Anrufung der Schlichtungsstelle mit der erlangten Kenntnis, dann reicht hiezu auch die Kenntnis des gefaßten Beschlusses zufolge Anwesenheit oder wirksamer Vertretung des Verbandsmitgliedes bei jener Versammlung aus, bei welcher der zu bekämpfende Beschluß gefaßt wurde (vgl. hiezu auch das zur vergleichbaren Fallkonstellation der Kenntnisnahme des Inhalts des Beschlusses der Vollversammlung einer Agrargemeinschaft ergangene hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1994, 94/07/0171). Der in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin unternommene Verweis auf das Zivilrecht spricht gegen ihren Standpunkt (vgl. § 862 ABGB ebenso wie Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I10, 95).

Die Beschwerdeführerin wendet schließlich noch ein, daß ihre Vertreter in der Mitgliederversammlung nicht in ihrer Eigenschaft als Gemeindeorgane, sondern als Mitglieder der Verbandsversammlung der MP tätig gewesen seien. Die Tätigkeit ihrer Vertreter in der Verbandsversammlung sei organschaftlich nicht ihr, sondern der MP zuzuordnen. Daß Mitglieder der Verbandsversammlung in anderen Zusammenhängen auch als Organe der Beschwerdeführerin fungierten, bewirke noch keine Kenntnis der Beschwerdeführerin von Beschlüssen der Verbandsversammlung. Auch dieses Argument ist nicht zielführend. Die Beschwerdeführerin ist Mitglied der MP. Die Anwesenheit und Mitwirkung ihres Bürgermeisters bei der Mitgliederversammlung ist Ausfluß und Wahrnehmung der individuellen Mitgliedschaftsrechte der Beschwerdeführerin. Das Handeln ihrer Vertreter in der Mitgliederversammlung der MP ist der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Mitglied der MP zuzurechnen. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Vorstellung eines fiktiven Verlustes der Identität ihrer Vertreter in der Mitgliederversammlung als Mitgliedsvertreter steht im Widerspruch zu den Denkgesetzen und dem Wesen einer Mitgliederversammlung schlechthin.

Da der Inhalt der Beschwerde somit schon erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin gerügte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995070126.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten