TE Lvwg Erkenntnis 2022/12/29 LVwG-2022/30/3199-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.12.2022
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.12.2022

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

NAG 2005 §51 Abs1
NAG 2005 §53
NAG 2005 §55 Abs3
NAG 2005 §55 Abs4
AVG §13 Abs3
  1. AVG § 13 heute
  2. AVG § 13 gültig ab 15.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 57/2018
  3. AVG § 13 gültig von 01.01.2012 bis 14.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2011
  4. AVG § 13 gültig von 01.01.2011 bis 31.12.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  5. AVG § 13 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  6. AVG § 13 gültig von 01.07.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  7. AVG § 13 gültig von 01.03.2004 bis 30.06.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  8. AVG § 13 gültig von 20.04.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002
  9. AVG § 13 gültig von 01.01.2002 bis 19.04.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  10. AVG § 13 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  11. AVG § 13 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde der deutschen Staatsangehörigen AA, geb am xx.xx.xxxx, vertreten durch die Rechtsanwälte BB, Adresse 1, ***** Z (D), gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 19.08.2022, Zl ***, betreffend die Zurückweisung eines Antrages auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG),

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der von der Beschwerdeführerin am 05.05.2022 persönlich bei der belangten Behörde eingebrachte Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung nach § 53 Abs 1 NAG gemäß § 13 Abs 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) zurückgewiesen. Dem Zurückweisungsbescheid ging folgender Mängelbehebungsauftrag nach § 13 AVG vom 20.07.2022 voraus:

„Mit Eingabe vom 05.05.2022 haben Sie und stellvertretend für Ihre Tochter CC bei der Bezirkshauptmannschaft Y um die Ausstellung einer

EWR-Anmeldebescheinigung angesucht.

Zur Vervollständigung des Antrages bzw. aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit werden Sie gemäß § 13 AVG (Allg. Verwaltungsverfahrensgesetz 1991) aufgefordert, binnen 2 Wochen nach Erhalt dieses Verbesserungsauftrages, uns folgende Urkunden und Beweismittel vorzulegen

• Nachweis über ausreichend Existenzmittel

Nach fruchtlosem Ablauf der oben genannten Frist wird der gern. § 55 Abs. 3 das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst.

Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt der Antrag als ursprünglich richtig (vollständig) eingebracht.“

Der Zurückweisungsbescheid wurde damit begründet, dass die Beschwerdeführerin alle Aufforderungen zur Nachbesserung ignoriert habe bzw alle Fristen fruchtlos abgelaufen seien und sohin spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei. Weiters wurde im Zurückweisungsbescheid ausgeführt, dass, da die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen würden, die Information ergehe, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst werde.

In der rechtszeitig eingebrachten Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin über ausreichende Existenzmittel verfüge. Es wurde beantragt, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben und dem Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung stattgegeben werden möge.

Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den von der belangten Behörde vorgelegten Aufenthaltsakt der Beschwerdeführerin Einsicht genommen. Aus diesem ergibt sich folgender verfahrenswesentliche Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist deutsche Staatsbürgerin und hat am 05.05.2022 einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung nach § 53 Abs 1 NAG bei der belangten Behörde eingebracht. Als Wohnsitz wurde **** X, Adresse 2, angegeben. Als Identitätsnachweis wurde eine Kopie eines gültigen deutschen Personalausweises zum Akt genommen. Im eingeleiteten Ermittlungsverfahren hat die belangte Behörde im Zuge der Überprüfung der Voraussetzung nach § 51 Abs 1 Z 2 NAG die Beschwerdeführerin per E-Mail aufgefordert, die ausreichenden Existenzmittel für sich und ihre minderjährige Tochter nachzuweisen.

Mit E-Mail vom 10.05.2022 teilte die Beschwerdeführerin der Behörde mit, dass sie zuletzt im Dezember 2020 Lohn und danach Elterngeld wegen der Geburt ihres Sohnes bezogen habe. Bis Februar 2024 befinde sie sich noch in Elternzeit. Im Moment erhalte die Beschwerdeführerin Kindergeld für ihre drei Kinder in Höhe von € 663,00 und Unterhalt für alle drei Kinder von € 500,00. Daneben werde die Beschwerdeführerin von ihren Eltern und ihre Schwiegermutter unterstützt, wenn sie darüber hinaus noch zusätzliche Ausgaben hätte. Ab 2024 werde die Beschwerdeführerin wieder ihre Berufstätigkeit bei der DD GmbH in Z nachgehen.

Da die diesbezügliche Auskunft bzw Mitteilung der vorhandenen finanziellen Mittel der belangten Behörde nicht ausreichend erschien, erging der Verbesserungsauftrag mit Schreiben vom 20.07.2022.

Wenn die Nachweise nach § 53 Abs 2 NAG nicht erbracht werden, ist das aufenthaltsrechtliche Verfahren nicht nach § 13 Abs 3 AVG fortzusetzen, sondern nach § 55 Abs 3 NAG vorzugehen, der Betroffenen hiervon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das BFA ist unverzüglich spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller zu befassen. Unterbleibt in weiterer Folge eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), so hat das BFA dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist (siehe § 55 Abs 4 NAG). Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach dem NAG anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Falle der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird (zur Prüfreihenfolge bei einem Antrag auf Anmeldebescheinigung siehe zB Handbuch zum NAG des BMI Stand 01.01.2021, Zl 2020-0.825.990, Seite 313).

Unabhängig davon, dass, wenn ein Nachweis gemäß § 53 Abs 2 NAG nicht erbracht wird und das Aufenthaltsrecht gemäß § 51 NAG nicht besteht, das Verfahren nach § 55 Abs 3 NAG fortzusetzen ist, ist es bei einem Mängelbehebungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG für eine etwaige nachfolgende Zurückweisung eines Antrages erforderlich, dass dem Einschreiter die Mängelbehebung innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung (Rechtsfolge) aufgetragen wird, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Diese Rechtsfolge (Wirkung) nach § 13 Abs 3 AVG wurde der Beschwerdeführerin im Mängelbehebungsschreiben vom 20.07.2022 nicht aufgetragen, sondern wurde der Beschwerdeführerin als Rechtsfolge lediglich mitgeteilt, dass nach fruchtlosem Ablauf der eingeräumten Frist gemäß § 55 Abs 3 NAG das BFA, Regionaldirektion Tirol, hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst werde und sollte das Formgebrechen rechtzeitig behoben werden, der Antrag als ursprünglich richtig (vollständig) eingebracht gelte.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts und der aufgezeigten rechtlichen Erwägungen lagen im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen zur Zurückweisung des von der Beschwerdeführerin am 05.05.2022 eingebrachten Antrages auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger nach dem NAG in Anwendung des § 13 Abs 3 AVG jedenfalls nicht vor und war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid aufzuheben.

II.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dr. Rieser

(Richter)

Schlagworte

Mängelbehebungsauftrag
Verbesserungsauftrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.30.3199.1

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten