TE Lvwg Erkenntnis 2022/7/18 LVwG-552256/9/BZ/GSc

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Veröffentlicht am 18.07.2022
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Entscheidungsdatum

18.07.2022

Norm

WRG 1959 §21a
WRG 1959 §105
  1. WRG 1959 § 21a heute
  2. WRG 1959 § 21a gültig ab 23.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 82/2003
  3. WRG 1959 § 21a gültig von 22.12.2003 bis 22.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 82/2003
  4. WRG 1959 § 21a gültig von 01.10.1997 bis 21.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/1997
  5. WRG 1959 § 21a gültig von 01.07.1990 bis 30.09.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 252/1990
  1. WRG 1959 § 105 heute
  2. WRG 1959 § 105 gültig ab 31.03.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2011
  3. WRG 1959 § 105 gültig von 22.12.2003 bis 30.03.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 82/2003
  4. WRG 1959 § 105 gültig von 01.01.2000 bis 21.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/1999
  5. WRG 1959 § 105 gültig von 01.10.1997 bis 31.12.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/1997
  6. WRG 1959 § 105 gültig von 01.07.1990 bis 30.09.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 252/1990

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seine Richterin Mag. Zauner über die Beschwerde der M. V. gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 2. Dezember 2021, GZ: BHGMWA-2021-305051/17-TR, betreffend Auftrag zur Anpassung an den Stand der Technik nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7. Juni 2022

zu Recht:

I.     Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

II.    Gegen diese Entscheidung ist eine Revision zulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang:

I.1.    Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden (in Folge: belangte Behörde) vom 2. Dezember 2021, GZ: BHGMWA-2021-305051/17-TR, wurde der M. V. gemäß § 21a WRG 1959 folgende Maßnahme aufgetragen:

„Zur Anpassung des mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 27.06.1964, Wa-362-1964, bewilligten Steges (Brücke) über die I. (D.) L. bei Fluss-km X (Gst. Nr. X, KG E.) an den Stand der Technik wird die M. V.verpflichtet, unverzüglich, längstens jedoch bis zum 31.03.2022, ein Brückengeländer anzubringen, welches den Anforderungen der RVS 15.04.21 entspricht.“

[Hervorhebungen nicht übernommen]

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das bestehende Brückengeländer ein Gefahrenpotential für die Sicherheit von Personen (insb. von Kindern) darstelle, zumal dessen Ausführung ein Durchfallen von Personen nicht verhindere und zum Überklettern verleite, weshalb die öffentlichen Interessen nach § 105 WRG 1959 nicht hinreichend geschützt seien.

I.2.    Gegen diesen Bescheid erhob die M. V. (in Folge: Beschwerdeführerin – kurz: Bf) mit Schreiben vom 9. Dezember 2021 rechtzeitig Beschwerde und brachte darin zusammengefasst vor, dass der gegenständliche Steg seit der wasserrechtlichen Überprüfung im Jahr 1966 unverändert und unfallfrei bestehe, weshalb der Steg hinsichtlich der öffentlichen Interessen nach § 105 WRG 1959 (Gefährdung der öffentlichen Sicherheit) im Vergleich zu anderen bestehenden und bewilligten Stegen in der Gemeinde, im Bezirk und im Land Oberösterreich kein höheres Gefahrenpotential aufweise.

Es wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheids beantragt.

I.3.    Mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde mitsamt zugehörigem Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

I.4.    Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat am 7. Juni 2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der die Vizebürgermeisterin sowie der Bauamtsleiter der Bf, ein Vertreter der belangten Behörde und ein Amtssachverständiger (in Folge: ASV) für Brückenbautechnik teilnahmen. Im Rahmen der Verhandlung wurde ein Lokalaugenschein beim gegenständlichen sowie bei einem naheliegenden, den Gegenstand des zur GZ: LVwG-552112 anhängigen, beinahe gleich gelagerten Beschwerdeverfahrens bildenden Steg durchgeführt und das im Anschluss daran vom brückenbautechnischen ASV erstattete Gutachten erörtert.

I.5.    Mit Eingabe vom 22. Juni 2022 übermittelte die Bf eine Lichtbildaufnahme (Messung per Messlatte) zwecks Untermauerung der Höhe des Brückengeländers.

II.      Sachverhalt, Beweiswürdigung:

II.1.   Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und mittels Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mitsamt Lokalaugenschein.

II.2.   Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht fest:

II.2.1. Mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 27. Juni 1964, GZ: Wa-362-1964, wurde der Bf gemäß §§ 38, 44 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Regulierung der I. (D.) L. zwischen Fluss-km X bis X erteilt. Bestandteil des bewilligten Regulierungsprojekts war die Wiedererrichtung des gegenständlichen Fußgängerstegs bei Fluss-km X (heute: X). Mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 1966, GZ: Wa-996-1966, wurde gemäß § 121 Abs. 1 WRG 1959 festgestellt, dass die von der Bf ausgeführte Regulierung mit der erteilten Bewilligung übereinstimmt.

II.2.2. Der Steg liegt auf dem öffentlichen Wassergut Nr. X, KG E., und schließt beiderseits an Privatgrundstücke (Grundstücke Nrn. X und X, je KG E.) an. Der darüber verlaufende Weg wird von Anrainern, Wanderern und teilweise von Kindern genutzt.

Der Steg befindet sich in einem dem Alter entsprechenden, guten baulichen und standsicheren Zustand. Die lichte Höhe zwischen der Konstruktionsunterkante der Stahlträger und der Gerinnesohle beträgt zwischen 2,75 m und 2,80 m. Nach Maßgabe der Gefahrenzonenplanung vom 9. Februar 2008 können ein HQ100 bei einem verbleibenden Freibord von 30 cm und ein HQ300 bei einem verbleibenden Freibord von 13 cm abgeführt werden; unberücksichtigt sind dabei die laufenden Räumungsarbeiten, mit denen die ursprünglichen Hochwasserabflusskapazitäten des Regulierungsprojekts wiederhergestellt werden.

II.2.3. Das am gegenständlichen Steg angebrachte Brückengeländer wurde nach dem damaligen Stand der Technik (1966) errichtet und besteht seither unverändert sowie unfallfrei. Das Geländer befindet sich in einem mangelfreien Zustand (keine Sicherheitsmängel durch Schäden an der Konstruktion). Es besteht aus zwei horizontal verlaufenden (rohrförmigen) Elementen sowie aus einigen vertikalen Elementen mit einem jeweiligen Sprossenabstand von mehr als 1,0 m. Es weist von der Oberkante der Stahlbetonplatte bis zur Oberkante des Geländers eine Höhe von 102,5 cm auf.

Das gegenständliche Geländer würde nach dem heutigen Stand der Technik nicht mehr in dieser Form ausgeführt werden. Hinsichtlich der Gefahr des Überkletterns und des Hindurchfallens wären nach den aktuellen Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) 15.04.21 (Stand 2018) vertikale Sprossengeländer mit einem Sprossenabstand von max. 12 cm (gegen Überklettern) sowie ein horizontaler Durchlauf in Höhe von max. 12 cm von der Wegoberkante (gegen Hindurchfallen) vorzusehen. Die in den vorgenannten RVS für Stege im Zuge von Gehwegen bzw. von untergeordneten Verkehrswegen angegebene Mindesthöhe von 1,0 m ist (weiterhin) gegeben.

Die RVS werden in regelmäßigen Abständen (alle 5 bis 10 Jahre) überarbeitet und sollen von den Sachverständigen nach den (fachlichen) Vorgaben der RVS nur für Neubauten und Generalsanierungen herangezogen werden.

Im Hinblick auf den Zustand des Geländers, die Höhe des Geländers und die bisherige Unfallfreiheit ist aus fachlicher Sicht von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht auszugehen.

II.2.4. Aus fachlicher Sicht ist es aber durchaus sinnvoll, den Sicherheitsstandard der Konstruktion zu verbessern und mögliche Gefahrenquellen zu beseitigen. Die Vorschreibung eines Geländers entsprechend den Anforderungen der aktuellen RVS ist angesichts des Regelungsumfangs der RVS überschießend; fachlich sinnvoll kann die Behebung von einzelnen Sicherheitsmängeln sein.

Die Errichtung bzw. Montage eines völlig neuen, der aktuellen RVS entsprechenden Geländers ist auf dem gegenständlichen Steg aufgrund der bestehenden dünnen Betonplatte baulich schwierig umsetzbar und kostenintensiv. Die notwendigen Schritte für die bauliche Sonderkonstruktion (statische Untersuchung, Entwicklung einer entsprechenden Befestigungskonstruktion, Fertigung der Sonderkonstruktion) sind – auch angesichts der derzeitigen Marktsituation (Preissteigerungen, Lieferengpässe) – mit hohen Kosten verbunden (momentan etwa 250 bis 300€/lfm, plus Kosten für Planung und Montage).

Der Schutz gegen Hindurchfallen und gegen Überklettern kann alternativ durch die Ausführung eines verzinkten Gitters vor dem bestehenden Geländer erreicht werden. Dieses würde vergleichsweise sehr geringe Kosten verursachen, ist sehr einfach montierbar und würde die in der RVS gestellten Anforderungen hinsichtlich Sicherheit in diesen Punkten erfüllen. Der Maschenumfang hätte dabei nach RVS max. 160 mm zu betragen. Das Gitter wäre auf eine Höhe von mind. 70 cm von Gehwegoberkannte zu montieren.

II.3.   Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig und widerspruchsfrei aus den aufgenommenen Beweismitteln. Nähere Feststellungen zum Hochwasserabfluss oder sonstigen Umständen (bspw PVC-Rohr unterhalb des Stegs) erübrigten sich angesichts des auf das Brückengeländer eingeschränkten Prüfungsumfangs (siehe unten).

III.     In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

III.1. Rechtsgrundlagen:

Die relevante Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) i.d.g.F. lautet wie folgt:

„Abänderung von Bewilligungen

§ 21a. (1) Ergibt sich nach Erteilung der Bewilligung insbesondere unter Beachtung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme (§ 55d), dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, hat die Behörde vorbehaltlich § 52 Abs. 2 zweiter Satz die nach dem nunmehrigen Stand der Technik (§ 12a) zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben, Anpassungsziele festzulegen und die Vorlage entsprechender Projektsunterlagen über die Anpassung aufzutragen. Art und Ausmaß der Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer einzuschränken oder die Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer zu untersagen.

(2) Für die Erfüllung von Anordnungen nach Abs. 1 sowie für die Planung der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen und die Vorlage von diesbezüglichen Projektsunterlagen sind von der Behörde jeweils angemessene Fristen einzuräumen; hinsichtlich des notwendigen Inhalts der Projektsunterlagen gilt § 103. Diese Fristen sind zu verlängern, wenn der Verpflichtete nachweist, daß ihm die Einhaltung der Frist ohne sein Verschulden unmöglich ist. Ein rechtzeitig eingebrachter Verlängerungsantrag hemmt den Ablauf der Frist. Bei fruchtlosem Ablauf der Frist findet § 27 Abs. 4 sinngemäß Anwendung.

(3) Die Behörde darf Maßnahmen nach Abs. 1 nicht vorschreiben, wenn diese Maßnahmen unverhältnismäßig sind. Dabei gelten folgende Grundsätze:

a) der mit der Erfüllung dieser Maßnahmen verbundene Aufwand darf nicht außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen, wobei insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Wasserbenutzung ausgehenden Auswirkungen und Beeinträchtigungen sowie die Nutzungsdauer, die Wirtschaftlichkeit und die technische Besonderheit der Wasserbenutzung zu berücksichtigen sind;

b) bei Eingriffen in bestehende Rechte ist nur das jeweils gelindeste noch zum Ziele führende Mittel zu wählen;

c) verschiedene Eingriffe können nacheinander vorgeschrieben werden.

(4) Liegt ein genehmigter Sanierungsplan (§ 92) oder ein Sanierungsprogramm (§ 33d) vor, so dürfen Maßnahmen nach Abs. 1 darüber nicht hinausgehen.

(5) Die Abs. 1 bis 4 finden auf sonstige Anlagen und Bewilligungen nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß Anwendung.“

III.2. Rechtliche Beurteilung:

III.2.1. Prüfungsumfang:

Für die Sache eines Bescheidbeschwerdeverfahrens kommt es nicht darauf an, worüber die belangte Behörde entscheiden hätte sollen. „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist vielmehr jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der belangten Behörde gebildet hat (vgl. etwa VwGH 30.06.2016, Ra 2016/11/0044). Es ist also präziser formuliert die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde entschieden wurde (vgl. VwGH 16.03.2016, Ra 2015/04/0042).

Im vorliegenden Fall wurde im Spruch des angefochtenen Bescheids ausschließlich über die Anpassung des Geländers des Stegs an den Stand der Technik abgesprochen, weshalb dies den Prüfungsumfang bildet. Ob sonstige Anpassungen, wie bspw eine Anhebung des Stegs hinsichtlich des Hochwasserabflusses, mit § 21a WRG 1959 aufzutragen sind bzw. aufgetragen werden könnten, ist daher der Prüfbefugnis des erkennenden Gerichts entzogen (und wäre sohin allenfalls von der Behörde in einem gesonderten Verfahren vorzuschreiben).

III.2.2. Vorgehen nach § 21a WRG 1959:

Die Bestimmung des § 21a WRG 1959 ermöglicht die nachträgliche Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden, wenn öffentliche Interessen trotz Einhaltung von Auflagen und sonstiger einschlägiger Vorschriften „nicht hinreichend“ geschützt sind. Gegenstand von Maßnahmen nach par. cit. können nicht nur rechtskräftig verliehene Wasserrechte, sondern u.a. auch – wie im vorliegenden Fall – rechtskräftige Bewilligungen für Brücken und Stege nach § 38 WRG 1959 sein (siehe § 21a Abs. 5 leg. cit.).

Aus dem durchgeführten Beweisverfahren ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die im anzupassenden Bewilligungsbescheid vom 27. Juni 1964 und in sonstigen Bestimmungen (insb. dem Kollaudierungsbescheid aus dem Jahr 1966) enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht eingehalten werden.

Mit § 21a WRG 1959 können nur solche Elemente wasserwirtschaftlicher öffentlicher Interessen geschützt werden, die in § 105 leg. cit. genannt werden (siehe den ausdrücklichen Verweis in § 21a leg. cit., arg. „[…] dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz […]“). Im vorliegenden Fall geht die belangte Behörde davon aus, dass das von ihr befürchtete Gefahrenpotential (Überklettern, Hindurchfallen) das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit (§ 105 Abs. 1 lit. a WRG 1959) berührt. Dabei stellt sich die Frage, ob überhaupt auch andere, von der Wassernutzung losgelöste (allfällige) Gefährdungen – wie in casu die Nutzungssicherheit eines Bauwerks – der öffentlichen Sicherheit im Anwendungsbereich des WRG 1959 relevant sind. Für die Annahme einer weiten Auslegung der öffentlichen Interessen des § 105 WRG 1959 sprechen nach Ansicht des erkennenden Gerichts die demonstrative Aufzählung (arg. „insbesondere“) sowie die im WRG 1959 gesondert normierten Verkehrssicherungspflichten des § 14 leg. cit., die augenscheinlich dem öffentlichen Interesse des § 105 Abs. 1 lit. a leg. cit. dienen und ausdrücklich den Schutz der Sicherheit von Personen bei Wasserbauten aller Art zum Gegenstand haben (siehe dazu auch Bumberger/Hinterwirth, WRG3 [2020] § 105 K 4, wonach das WRG 1959 selbst zum Teil Konkretisierungen der öffentlichen Interessen des § 105 leg. cit. an anderer Stelle enthält). Zusammengefasst ist daher davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse des § 105 Abs. 1 lit. a WRG 1959 weit auszulegen und im vorliegenden Fall durch das von der belangten Behörde befürchtete Gefahrenpotential hinsichtlich der Nutzungssicherheit des Stegs berührt ist.

Es stellt sich daher nunmehr die Frage, ob die öffentlichen Interessen hinreichend geschützt sind.

III.2.3. Hinreichender Schutz öffentlicher Interessen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bietet § 21a Abs. 1 WRG 1959 keine Handhabe für einen absoluten Schutz öffentlicher Interessen. Durch die Verwendung des Wortes „hinreichend“ hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nicht jede Beeinträchtigung öffentlicher Interessen – unabhängig von ihren Auswirkungen – zur Anwendung des § 21a berechtigt. Maßstab für das Tatbestandsmerkmal „hinreichend“ sind die Auswirkungen, die im konkreten Einzelfall mit der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen verbunden sind (vgl. etwa VwGH 07.12.2007, 2005/07/0115). Allgemein gehaltene Erwägungen vermögen einen Eingriff nach § 21a leg. cit. daher nicht zu tragen; es müssen neben Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Wasserbenutzung ausgehenden Auswirkungen und Beeinträchtigungen insb. auch die bewilligte Nutzungsdauer, die Wirtschaftlichkeit und die technische Besonderheit der Wasserbenutzung mitberücksichtigt werden (vgl. etwa VwGH 20.10.2005, 2004/07/0029). Dies hat sinngemäß auch für nach § 38 WRG 1959 bewilligte Anlagen zu gelten.

Dem Sachverhalt ist zu entnehmen, dass das Geländer des gegenständlichen Stegs hinsichtlich des vertikalen Sprossenabstands und der (fehlenden) Fußwehr nicht den aktuellen RVS und damit dem derzeitigen Stand der Technik entspricht. Eine Änderung des Standes der Technik allein ist aber keine ausreichende Voraussetzung für die Anwendung des § 21a WRG 1959 (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0158). Der Umstand der Abweichung vom zwischenzeitig geänderten Stand der Technik mag zwar ein Indiz sein, ersetzt aber nicht die von § 21a leg. cit. geforderte, einzelfallbezogene Feststellung des nicht (mehr) hinreichenden Schutzes bestimmter öffentlicher Interessen. Schließlich wäre es angesichts der Rechtskraft der Bewilligung (arg. „Bestandsschutz“) und der regelmäßigen Überarbeitung und Weiterentwicklung der den Stand der Technik abbildenden RVS unvertretbar, wenn jede auch nur minimale Neuerung (des relevanten Teils) der RVS (ca. alle 5 bis 10 Jahre) automatisch und losgelöst von den tatsächlichen Auswirkungen im konkreten Einzelfall zu einem Auftrag nach § 21a WRG 1959 berechtigen würde.

Wie sich aus dem Sachverhalt, insb. aus den Feststellungen des ASV, ergibt, befindet sich das gegenständliche Geländer in einem mangelfreien Zustand und entspricht die Höhe des Geländers dem aktuellen Stand der Technik. Das von der belangten Behörde befürchtete Gefahrenpotential durch Hindurchfallen oder Überklettern beschränkt sich angesichts der niedrigen Frequentierung des zwischen zwei Privatgrundstücken liegenden Stegs auf einen kleinen Personenkreis (Anrainer, Wanderer, teilweise Kinder) und hat sich seit Errichtung des Stegs im Jahr 1965/66 – bei seither unverändertem Bestand – bisher kein einziges Mal realisiert. In Anbetracht dieser Umstände, insb. der jahrzehntelangen Unfallfreiheit, der eingeschränkten Nutzergruppe (auch bedingt durch die Lage zwischen zwei Privatgrundstücken) sowie des einwandfreien Zustands des ausreichend hohen Geländers ist im vorliegenden Fall nach Ansicht des erkennenden Gerichts eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht in einer solchen Intensität zu befürchten, die einen hinreichenden Schutz öffentlicher Interessen ausschließen würde.

Wiewohl der ASV die Verbesserung des Sicherheitsstandards der Konstruktion und die damit einhergehende Beseitigung von (sämtlichen) Gefahrenquellen befürwortet, bleibt auf die eingangs erwähnte ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen, wonach § 21a WRG 1959 keine Handhabe für einen absoluten Schutz bietet; vielmehr erlaubt diese Bestimmung Eingriffe nur bei besonderer Gefährdung öffentlicher Interessen (andernfalls bestünden verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Spannungsverhältnisses zwischen sich ändernden Ansprüchen an den Schutz öffentlicher Interessen und bestehenden Rechten).

Es bleibt letztlich festzuhalten, dass mit unverändertem Bestand des Geländers des gegenständlichen Stegs die öffentlichen Interessen (§ 105 Abs. 1 lit. a WRG 1959) hinreichend geschützt sind, weshalb ein Vorgehen nach § 21a leg. cit. nicht in Betracht kommt und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben war.

Im Ergebnis war spruchgemäß zu entscheiden.

IV.      Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, da zur Rechtsfrage, ob das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung von Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit iSd § 105 Abs. 1 lit. a WRG 1959 auch durch von der Wassernutzung losgelöste Gefährdungen (wie im vorliegenden Fall das befürchtete Nichtvorliegen der Nutzungssicherheit eines Bauwerks) berührt sein kann (und damit in weiterer Folge zu einem allfälligen Vorgehen nach § 21a leg. cit. berechtigt), keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vorliegt. Dieser Rechtsfrage kommt angesichts der offenkundig in zahlreichen Gemeinden gleicher Art bestehenden Stege (alleine im Gemeindegebiet der Bf gibt es drei größere Flüsse mit mehreren ähnlich ausgeführten Stegen) grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu.

Schlagworte

Aufhebung, ersatzlos; Abänderung; Bewilligung, rechtskräftig; Brücke; Steg

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2022:LVwG.552256.9.BZ.GSc

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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