TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/19 95/20/0700

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Veröffentlicht am 19.12.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §6 Abs1;
AVG §69 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/20/0702

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden 1. der S in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, und 2. der N-F in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 13. Juni 1995, Zl. 4.298.138/7-III/13/92 (Erstbeschwerdeführerin), und Zl. 4.298.144/10-III/13/92 (Zweitbeschwerdeführerin), betreffend Zurückweisung von Wiederaufnahmeanträgen in Angelegenheiten des Asylrechtes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Den Beschwerden und den ihnen angeschlossenen Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ist zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerinnen, Staatsangehörige des Iran, die am 9. Juli 1990 in das Bundesgebiet eingereist sind, die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Februar 1991, mit denen jeweils festgestellt worden war, bei ihnen lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufungen bekämpft haben.

Mit Bescheiden vom 13. Mai 1992 wies die belangte Behörde die Berufungen ab.

Mit jeweils am 1. Juli 1992 zur Post gegebenen Eingaben beantragten die Beschwerdeführerinnen die Wiederaufnahme des sie jeweils betreffenden Verfahrens, weil neue Beweismittel hervorgekommen seien.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 13. Juni 1995 wies die belangte Behörde den jeweiligen Wiederaufnahmeantrag als verspätet zurück.

Gegen diese Bescheide richten sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und im Fall der Zweitbeschwerdeführerin auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden, wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Wiederaufnahmeanträge der Beschwerdeführerinnen mit im wesentlichen gleichlautender Begründung deshalb zurückgewiesen, weil ihnen die nunmehr ins Treffen geführten neuen Beweismittel (Bestätigungen über ihre politische Gesinnung und ihre politischen Aktivitäten) bereits am 25. Juni 1992 zugekommen seien. Die innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 69 Abs. 2 AVG zur Post gegebenen, aber fälschlicherweise an den Bundesminister für Inneres adressierten Wiederaufnahmeanträge der Beschwerdeführerinnen seien zwar noch innerhalb dieser Frist am 2. Juli 1992 bei der belangten Behörde eingelangt, von dort aber erst mit Schreiben vom 15. August 1992 an die zuständige Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich weitergeleitet worden. Da somit als frühestes Einbringungsdatum der Wiederaufnahmeanträge der 15. August 1992 angesehen werden könne, erwiesen sich diese Anträge als verspätet.

Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Unbestritten hat in beiden Beschwerdefällen die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich jeweils den Bescheid in erster Instanz erlassen. Demgemäß wäre es Aufgabe der Beschwerdeführerinnen gewesen, innerhalb der angeführten zweiwöchigen Frist ihre Wiederaufnahmeanträge an diese Behörde zu adressieren. Dem sind sie nur insofern nachgekommen, als sie zwar ihre Anträge innerhalb der Frist zur Post gegeben haben, diese aber an die belangte Behörde und damit an die unrichtige Einbringungsstelle gerichtet haben.

Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Wohl darf die Pflicht der unzuständigen Behörde zur Weiterleitung von Schriftstücken nicht beliebig hinausgezögert werden. Das bedeutet aber nicht, daß das Risiko des Einschreiters dann ausgeschaltet und daher seine an eine Frist gebundene Prozeßhandlung als rechtzeitig anzusehen wäre, wenn nach dem gegebenen Sachverhalt die sofortige Weiterleitung möglicherweise zur Folge gehabt hätte, daß das Schriftstück noch innerhalb der Frist bei der zuständigen Behörde eingelangt oder doch durch die - noch rechtzeitige - Übergabe des Schriftstückes an die Post die Frist gewahrt worden wäre (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Eisenstadt 1990, S. 87, zitierte Judikatur). Daraus folgt, daß aus den in beiden Beschwerden enthaltenen Rügen der verzögerten, erst nach Ablauf der hier maßgeblichen Frist erfolgten Weiterleitung der Anträge durch die belangte Behörde für die Beschwerdeführerinnen nichts zu gewinnen ist, weil selbst ein erwiesenes Verschulden der belangten Behörde an der nicht fristgerechten Weiterleitung nicht bewirken könnte, daß die Wiederaufnahmeanträge als rechtzeitig bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich als richtiger Einbringungsstelle eingelangt angesehen werden könnten.

Soweit die Erstbeschwerdeführerin die Auffassung vertritt, im Zuge der Novellierung der Verwaltungsverfahrensgesetze sei im Bereich des § 69 AVG eine dem § 63 Abs. 5 AVG nachgebildete Regelung, die die Einbringung eines Rechtsmittels bzw. eben eines Wiederaufnahmeantrages auch bei der zur Entscheidung über solche Anträge zuständigen Behörde ermögliche, lediglich aus einem Redaktionsversehen unterblieben, ist ihr entgegenzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof bei ihm in Beschwerde gezogene Bescheide immer an Hand der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltenden Rechtslage zu überprüfen hat. Eine der Erstbeschwerdeführerin vorschwebende Regelung, die im Fall eines mehrinstanzlichen Verfahrens die Einbringung eines Wiederaufnahmeantrages auch bei der gemäß § 69 Abs. 4 AVG zur Entscheidung über diesen Antrag zuständigen Behörde zuließe, bestand weder zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch hat sich mittlerweilen die Rechtslage in dieser Hinsicht geändert. Daß bei einer klaren Festlegung der Einbringungsstelle und der zur Entscheidung zuständigen Behörde - wie sie in § 69 Abs. 2 und 4 AVG enthalten ist - nicht von einer durch Analogie auszufüllenden planwidrigen Gesetzeslücke - wie dies die Erstbeschwerdeführerin geltend macht - gesprochen werden kann, liegt auf der Hand. Die in diesem Zusammenhang gegen § 69 Abs. 2 und 4 AVG erhobenen Normbedenken vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat auch geltend gemacht, es liege ein Fristversäumnis gar nicht vor, weil ihr Wiederaufnahmeantrag fristgerecht bei der belangten Behörde als der zur Entscheidung über diesen Antrag zuständigen Behörde eingelangt sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß eine Rechtsmittelfrist und damit auch die Frist zur Einbringung eines Wiederaufnahmeantrages nicht gewahrt ist, wenn das Rechtsmittel zwar rechtzeitig bei der zur Entscheidung darüber zuständigen Behörde, jedoch verspätet bei der richtigen Einbringungsstelle einlangt (vgl. z.B. das in Hauer - Leukauf, aaO, S. 87, E9, zitierte Erkenntnis).

Soweit die Zweitbeschwerdeführerin weiter ausführt, nicht die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich, sondern das Bundesasylamt wäre als Einbringungsstelle in Frage gekommen, ist aus diesem Vorbringen nichts für sie zu gewinnen, weil sie in keiner Weise behauptet, daß beim Bundesasylamt innerhalb der Frist des § 69 Abs. 2 AVG ein von ihr erhobener Wiederaufnahmeantrag eingelangt wäre.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführerinnen behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und somit auch ohne Durchführung der von beiden Beschwerdeführerinnen beantragten mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Aus diesem Grund konnten auch Entscheidungen des Berichters über die Anträge, den Beschwerden jeweils aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unterbleiben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200700.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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