TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/19 95/04/0229

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Veröffentlicht am 19.12.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §37;
GewO 1994 §39 Abs1;
GewO 1994 §39 Abs2;
GewO 1994 §39 Abs3;
GewO 1994 §39 Abs5;
GewO 1994 §9 Abs1;
GewO 1994 §94 Z7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Sulyok und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der S-Gesellschaft m.b.H. in R, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes

von Oberösterreich vom 10. Oktober 1995, Zl. Ge - 213834/1-1995/Kut/Bla, betreffend Gewerbeanmeldung und Geschäftsführerbestellung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. Oktober 1995 wurde gemäß § 340 Abs. 7 i.V.m. § 345 Abs. 9 und § 39 Abs. 2 GewO 1994 festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die am 12. Mai 1995 bei der Erstbehörde eingelangten Gewerbeanmeldung der Beschwerdeführerin betreffend das Gewerbe "Pflasterer" (§ 94 Z. 7 GewO 1994) in einem näher bezeichneten Standort in R nicht vorlägen und es wurde die weitere Gewerbeausübung untersagt. Gleichzeitig wurde die erstattete Anzeige über die Bestellung des P zum gewerberechtlichen Geschäftsführer nicht zur Kenntnis genommen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Inhaltes der gegen den erstbehördlichen Bescheid erhobenen Berufung und der maßgeblichen Rechtslage aus, es sei bereits im erstbehördlichen Verfahren festgestellt worden, daß P 20 Wochenstunden bei der U-AG beschäftigt sei und in diesem Betrieb die Funktion eines gewerberechtlichen Geschäftsführers für das Pflastererhandwerk ausübe. Weiters sei er gewerberechtlicher Geschäftsführer der P-Gesellschaft m.b.H., welche Gewerbeberechtigungen für das Pflastererhandwerk und für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Nahverkehr ausübe. Mit Recht sei die Erstbehörde davon ausgegangen, der gewerberechtliche Geschäftsführer sei gar nicht in der Lage, sich im Betrieb der Beschwerdeführerin in R entsprechend zu betätigen. Sein Hauptwohnsitz befinde sich nach wie vor in W. Richtig sei zwar, daß er am 19. September 1995 einen weiteren Wohnsitz in R begründet habe. Die Begründung dieses reinen Formalwohnsitzes reiche jedoch nach Auffassung der belangten Behörde zur Begründung der angemeldeten Gewerbeberechtigung nicht aus, weil nach wie vor der Hauptwohnsitz, somit der Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen und privaten Gestionen, in W gelegen sei. Der Hauptwohnsitz des gewerberechtlichen Geschäftsführers sei vom Firmenwohnsitz der Beschwerdeführerin über 200 km entfernt. Die Verkehrsverhältnisse ließen insbesondere im Winter eine ausreichende Betätigung und Überwachung des Betriebes der Beschwerdeführerin nicht zu. Unerheblich sei, daß die P-Gesellschaft m.b.H. gegenwärtig keine wirtschaftliche Tätigkeit entfalte, weil ihre beiden Gewerbeberechtigungen nach wie vor aufrecht seien und die Entfaltung einer wirtschaftlichen Tätigkeit jederzeit möglich sei. Ob und in welchem Umfang die Beschwerdeführerin in Zukunft eine wirtschaftliche Tätigkeit im Pflastererhandwerk zu entfalten beabsichtige, sei im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen. Der mehrfache Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach § 367 Z. 6 GewO 1994 nach Begründung der gegenständlichen Gewerbeberechtigung könne nichts zum vorliegenden Anmeldeverfahren beitragen. Von einer Befragung des gewerberechtlichen Geschäftsführers durch die belangte Behörde habe Abstand genommen werden müssen, weil dieser auf Grund seines monatlichen Entgeltes von S 8.425,-- in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zur Beschwerdeführerin stehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren und damit zusammenhängend in dem Recht verletzt, daß zu Unrecht die Anmeldung des in Rede stehenden Gewerbes an dem genannten Standort nicht zur Kenntnis genommen, die genannte Gewerbeausübung untersagt und die erstattete Anzeige über die Bestellung des gewerberechtlichen Geschäftsführers nicht zur Kenntnis genommen worden ist. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht sie (zusammengefaßt) geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, der in Aussicht genommene gewerberechtliche Geschäftsführer sei nicht in der Lage, sich im Betrieb der Beschwerdeführerin ausreichend zu betätigen. Mit Begründung eines weiteren Wohnsitzes in R verfüge dieser im Bereich seinen weiteren Betätigungsfeldes über eine entsprechend gesicherte Unterkunft. Das von der belangten Behörde verwendete Argument der Entfernung zwischen Wohnsitz und Firmensitz sei damit entkräftet. Beim Betrieb der Beschwerdeführerin handle es sich um ein kleines Unternehmen, dessen eher kleine Zahl von Baustellen im Umkreis von R, und zwar im oberösterreichischen Zentralraum, im Rahmen seiner Tätigkeit als Dienstnehmer mit 20 Wochenstunden entsprechend und auch ordnungsgemäß vom gewerberechtlichen Geschäftsführer betreut werden könnten. Entgegen dem dem von der belangten Behörde herangezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1988, Zl. 87/04/0264, zugrundeliegenden Sachverhalt gehe P effektiv nur einer einzigen weiteren Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer bei der Firma U-AG mit Sitz in W mit 20 Wochenstunden nach, sodaß ihm pro Woche 20 weitere Stunden ohne weiteres zur Verfügung stünden, um sich auch im Betrieb der Beschwerdeführerin entsprechend und uneingeschränkt zu betätigen. Dabei sei zu beachten, daß es sich bei der Firma U-AG bekanntermaßen um eine große Baufirma handle, welche regelmäßig über zahlreiche in Österreich verstreute Baustellen verfüge, sodaß P ohnehin laufend eine entsprechende Reisetätigkeit entfalten müsse, um diese verstreuten Baustellen auch aufzusuchen. Im Zusammenhang mit dieser Reisetätigkeit könne er nach der Lebenserfahrung jedenfalls ohne großen Aufwand und ohne besondere Schwierigkeiten durch 20 Stunden hindurch die im oberösterreichischen Zentralraum gelegenen Baustellen der Beschwerdeführerin betreuen, um auch dort für die Einhaltung aller gewerberechtlichen Vorschriften Sorge zu tragen. Das von der belangten Behörde herangezogene Argument der ungünstigen Verkehrsverhältnisse im Winter sei deshalb nicht schlüssig, weil es eine allgemein bekannte Tatsache sei, daß gerade in der kalten Jahreszeit die Bautätigkeit im Straßenbau weitgehend ruhe. Es sei heutzutage durchaus üblich und nichts außergewöhnliches, wenn eine Person etwa zwei Beschäftigungsverhältnisse eingehe, wobei dann die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden eben auf zwei Dienstgeber mit jeweils 20 Wochenstunden aufgeteilt werde. Durch eine präzise und minutiöse Tätigkeit und Aufbau einer entsprechenden Organisation im Unternehmen könne jedenfalls von P im konkreten Fall laufend jede im oberösterreichischen Zentralraum gelegene Baustelle der Beschwerdeführerin im erforderlichen Umfang betreut werden. Die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, es sei für das gegenständlichen Verfahren unerheblich, daß die P-Gesellschaft m.b.H. gegenwärtig keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit entfalte, sei verfehlt. Zu Unrecht habe die belangte Behörde den Antrag, P zum Beweis der wirtschaftlichen Inaktivität der P-Gesellschaft m. b.H. zu vernehmen, mit der Begründung abgewiesen, dieser stünde in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Beschwerdeführerin. Diese Begründung bilde eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung. Auch lasse der Umstand, daß P als gewerberechtlicher Geschäftsführer der P-Gesellschaft m.b.H. jederzeit die Entfaltung einer wirtschaftlichen Tätigkeit für diese Gesellschaft möglich wäre, keinerlei Rückschlüsse darauf zu, ob er sich im Betrieb der Beschwerdeführerin entsprechend betätigen könne. Würde nun die P-Gesellschaft m.b.H. eine wirtschaftliche Tätigkeit entfalten, so hätte dies für P ohnehin zur Folge, daß er damit gegen die Bestimmung des § 367 Z. 6 GewO 1994 verstieße. Nach dieser Bestimmung werde nur die Ausübung der Funktion des Geschäftsführers bei mehr als zwei verschiedenen Gewerbebetrieben als Verwaltungsübertretung qualifiziert. § 39 Abs. 2 GewO 1994 stelle dagegen auf die gegebene Möglichkeit eines Geschäftsführers ab, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, was im gegenständlichen Fall zweifelsfrei sichergestellt sei.

Gemäß § 9 Abs. 1 GewO 1994 können juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes (offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) sowie eingetragene Erwerbsgesellschaften (offene Erwerbsgesellschaften und Kommandit-Erwerbsgesellschaften) Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40) bestellt haben.

Nach § 39 Abs. 1 leg. cit. kann der Gewerbeinhaber für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§ 333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist; er hat einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn er keinen Wohnsitz im Inland hat.

Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle muß der Geschäftsführer den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen, seinen Wohnsitz im Inland haben und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen.

Zufolge Abs. 5 dieser Gesetzesstelle ist der Gewerbeinhaber von einer Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften im Rahmen des § 370 nur befreit, wenn er die Bestellung eines dem Abs. 2 entsprechenden Geschäftsführers gemäß Abs. 4 angezeigt hat.

Bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes der "entsprechenden" Betätigungsmöglichkeit eines Geschäftsführers im Sinne des § 39 Abs. 2 GewO 1994 ist in erster Linie auf die Bestimmungen des Abs. 1 und 5 leg. cit. Bedacht zu nehmen, aus denen hervorgeht, daß der bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer der Behörde gegenüber anstelle des Gewerbeinhabers für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist, woraus sich aber im Zusammenhang mit der Art der von dem jeweils in Betracht kommenden Gewerbe umfaßten Tätigkeit auch das Ausmaß des erforderlichen Betätigungsumfanges des Geschäftsführers ergibt. Eine entsprechende Betätigung kann danach nur angenommen werden, wenn durch sie eine gesetzmäßige Gewerbeausübung sichergestellt und somit unter Bedachtnahme auf die im Einzelfall in Betracht zu ziehende gewerberechtliche Betätigung die bloße Scheinerfüllung dieses Erfordernisses ausgeschlossen wird. Es muß sohin unter Bedachtnahme auf die Art oder auf den Umfang des Gewerbebetriebes oder auf die Lebensumstände des Geschäftsführers die Beurteilung gerechtfertigt sein, daß der Geschäftsführer zu einer derartigen Betätigung in der Lage ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 1995, Zl. 94/04/0057, und die dort zitierten hg. Vorjudikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag nun schon im Hinblick auf die Tätigkeit des in Aussicht genommenen Geschäftsführers als gewerberechtlicher Geschäftsführer bei einer großen Baufirma mit Sitz in W, somit in einer Entfernung von rund 200 km vom Sitz der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem von der Beschwerdeführerin selbst angenommenen zeitlichen wöchentlichen Arbeitsaufwand ihres gewerberechtlichen Geschäftsführers in ihrem Gewerbebetrieb nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde unabhängig davon, ob er am Sitz der Beschwerdeführerin über eine gesicherte Unterkunft verfügt, von der Annahme ausging, der in Aussicht genommene gewerberechtliche Geschäftsführer sei nicht in der Lage, sich im Sinne des § 39 Abs. 2 GewO 1994 in ihrem Gewerbebetrieb entsprechend zu betätigen. Selbst unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens, wonach sich die Tätigkeit des in Aussicht genommenen gewerberechtlichen Geschäftsführers bei der U-AG in W auf einen wöchentlichen Zeitaufwand von 20 Stunden beschränkt, ist es mit Rücksicht auf die zwischen den beiden Firmenwohnsitzen liegende Entfernung von 200 km nicht von vornherein erkennbar, daß er im Gewerbebetrieb der Beschwerdeführerin eine kontinuierliche Kontrolltätigkeit zur Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften bei Ausübung des Gewerbes werde entfalten können. Daran vermag der Umstand, daß er im Rahmen seiner Tätigkeit bei der U-AG eine das gesamte Bundesgebiet erfassende Reisetätigkeit zu entfalten hat, nichts zu ändern. Eine solche Reisetätigkeit könnte im gegebenen Zusammenhang nur dann von Bedeutung sein, wenn sich das Reiseziel jeweils in der Nähe des Sitzes der Beschwerdeführerin befände. Aus den diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen, ergibt sich jedoch das Gegenteil.

Bei dieser Sachlage wäre es Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung an der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 6. November 1995, Zl. 94/04/0057) durch ein konkretes Vorbringen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten einer "entsprechenden" betrieblichen Tätigkeit die von ihr als gewerberechtlicher Geschäftsführer namhaft gemachte Person haben werde. Der bloß allgemein gehaltene Hinweis auf "eine präzise und minutiöse Tätigkeit und Aufbau einer entsprechenden Organisation in unserem Unternehmen" vermag ein derart konkretisiertes Vorbringen nicht zu ersetzen.

Wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, ist es für die Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles bedeutungslos, ob der in Aussicht genommene gewerberechtliche Geschäftsführer noch bei einer weiteren Gesellschaft die Funktion eines gewerberechtlichen Geschäftsführers ausübt. Es vermag daher schon wegen mangelnder Relevanz im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG die Unterlassung der von der Beschwerdeführerin zu diesem Thema beantragten Vernehmung eines Zeugen eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof führende Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht zu begründen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995040229.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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